11. Februar 2008

Gewerkschaftspolitische Konferenz der LINKEN vor Hamburg-Wahl

»Schluss mit Sozial- und Lohndumping« – unter diesem Motto stand in Hamburg eine am Samstag stattgefundene gewerkschaftspolitische Regionalkonferenz der Partei DIE LINKE mit etwa 200 Teilnehmern aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg.

Der Erörterung politischer Strategien gegen Leiharbeit und Dumpinglöhne und dem Bemühen dienend, bot das Treffen 14 Tage vor den Wahlen in Hamburg vor allem eine Menge Stoff für den Wahlkampf. Aufgeboten hatte die LINKE dafür ihren Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi. Der kündigte vor den Gewerkschaftern aus IG Metall, GEW und ver.di, bereits an, dass seine Partei am 24. Februar mit einem »Top-Ergebnis« in das Hamburger Rathaus einziehen würde. »Als drittstärkste Kraft« mit einem Wahlergebnis von »10 Prozent + x«, so hatte indes Dora Heyenn, Spitzenkandidatin der Hamburger LINKEN, bereits einige Tage zuvor vorgegeben. Wenn aber heute im Westen ernsthaft über solche Ergebnisse diskutiert werde, dann zeige dies, dass sich die »alte Bundesrepublik« gravierend verändert habe, so Gysi vor der Presse. Nie habe er selbst geglaubt, dass sich eine »solche Akzeptanz« für eine Partei links der SPD und den Grünen so schnell ergebe. Er betonte auf einer Pressekonferenz, dass die »alte PDS«, diese Stimmungen der von der Politik der SPD enttäuschten Wähler ohne WASG und ohne Oskar Lafontaine »niemals« hätte auffangen können.

Scharf attackierte der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag dann im Saal auch die Politik der gegenwärtigen Bundesregierung. Sie trage heute dazu bei, dass sich der Reichtum auf der einen Seite immer stärker mit der Armut vieler anderer verbinde. Es sei eine Schande, dass die »reiche Bundesrepublik« gemessen an der Höhe ihrer Löhne heute erst auf Platz 11 von 15 Kernländern der Europäischen Union stehe. Dann empfahl Gysi seinen Hamburger Parteifreunden, in den verbleibenden Wahlkampfwochen verstärkt auf Bildungspolitik und die »Verweigerung sozialer Chancengleichheit« durch die anderen Parteien als Thema zu setzen. CDU-Bürgermeister Ole von Beust und sein Herausforderer von der SPD, Michael Naumann, seien sich da so ähnlich, dass sie eine »kräftige linke Opposition« dringend benötigen würden.

Dass sich die LINKE für eine Gemeinschaftsschule bis Klasse 10 und den Ausbau von Kindertagesstätten stark mache, unmittelbar nach den Wahlen zudem einen Antrag auf Einführung einer »Ausbildungsplatzabgabe auf der Landesebene« in die Bürgerschaft einbringen werde, hatte Heyenn im Gespräch mit den Journalisten schon zuvor betont. Nach den Wahlen werde ihre Partei zudem beantragen, dass öffentliche Aufträge, sei es auf Landes- oder auf der Bezirksebene, nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge einhalten und einen Mindestlohn zahlen. Forderungen, die bei den Gewerkschaftern, unter ihnen etliche Parteilose, auf einen fruchtbaren Boden fielen.

Da SPD, CDU, Grüne und FDP die LINKE wie ein »Schmuddelkind« behandeln, habe sie sich dafür entschieden, für diese Partei öffentlich Position zu beziehen, sagte vor den Teilnehmenden der Konferenz die in Hamburg sehr beliebte Gewerkschaftsfunktionärin Siggi Friess. Sie ist Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft ver.di für den öffentlichen Dienst und kündigte für die letzte Wahlkampfwoche – und gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gewerkschaftern – einen Wahlaufruf für die LINKE an.

Verwendung: Neues Deutschland vom 11. Februar 2008
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07. Januar 2008

Der Hamburger Landesparteitag der LINKEN machte Differenzen in der Partei deutlich

Diesen Samstag fand der Landesparteitag der LINKEN in Hamburg statt. Heftig wurde über die Tolerierung eines möglichen rot-grünen Senats gestritten, den der Vorstand Mitte letzter Woche formulierte.

Soll die Hamburger LINKE nach den Bürgerschaftswahlen im Februar einen SPD-Grünen Minderheitssenat tolerieren? Über diese Frage stritt am Sonnabend der Hamburger Landesparteitag. Die Delegierten bekamen sich dabei so mächtig in die Wolle, dass der Landesvorstand ihn weitgehend zurückzog. Die Entscheidung darüber soll jetzt erst nach den Wahlen getroffen werden. Doch gleichzeitig wurden die Bedingungen dafür so weit heraufgesetzt, dass es SPD und Grüne leicht haben werden, den Vorstoß als Wahlkampfgetue abzutun. Dem Beschluss folgend werde es diese »nicht unwiderrufliche« Tolerierung nämlich nur geben, wenn ein so gebildeter Senat das linke Sofortprogramm vollständig umsetzt.

Die Basis schäumte, weil der Vorstand seine angebotene Offerte nicht fristgerecht eingereicht und ohne interne Diskussion den Medien übergeben hatte. Man lasse sich nicht unter Druck setzten, sagte die Delegierte Charlotte Wilkens, die von einem »Demokratiedefizit« sprach. Der Vorstoß widerspreche allem, wofür die Hamburger Linke stehe, polterten zahlreiche Delegierte. So heftig, dass sich schließlich auch die Spitzenkandidatin der LINKEN Dora Heyenn veranlasst sah, zurückzurudern: »Ich schwöre, ich habe nicht mit Michael Naumann geflirtet und werde es auch nicht tun«, ging sie deutlich auf Distanz zum Bürgermeisterkandidaten der SPD.

Für den Vorstand um Landessprecher Berno Schuckart eine bittere Niederlage, denn noch unmittelbar vor dem Parteitag rechnete er mit einer »breiten Mehrheit« für das Tolerierungsangebot. Meinungsumfragen besagen, dass nach den Wahlen weder die CDU, noch SPD und Grüne eine Mehrheit im Rathaus haben werden. Vermutlich ist die LINKE mit etwa sieben Prozent dann das Zünglein an der Waage. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat eine schwarz-grüne Koalition bereits fest im Blick. Naumann nutzt derweil die Situation, um auf die LINKE einzuhauen. Mit ihrer Verweigerungshaltung Regierungsverantwortung zu übernehmen und realistische Vorschläge zu unterbreiten, blockiere sie den Politikwechsel. Für den Vorstand der LINKEN war sein Angebot, das er auf Kernfragen, wie etwa der Garantie einer gebührenfreien Bildung oder die Abschaffung aller Ein-Euro-Jobs bezog, deshalb wie ein Befreiungsschlag. Auch der Bundestagsabgeordnete Norman Paech frohlockte zu Beginn des Parteitags, dass es Naumann und die grüne Spitzenkandidatin Christa Goetsch mit ihrem Versprechen einen »Politikwechsel« herbeizuführen, nicht sehr ernst meinen, wenn sie ein solches Angebot so brüsk zurückweisen. Sich der Tolerierungsfrage zu stellen, sei »sehr verantwortungsbewusst«, betonte die stellvertretende Bundesvorsitzende der LINKEN Katja Kipping.

Doch in dem nun beschlossenen Text heißt es, dass es die Tolerierung nur geben kann, wenn sich ein so gebildeter Senat dazu verpflichtet, bereits privatisierte Bereiche zu rekommunalisieren, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst (bei vollem Lohnausgleich) kräftig zu senken, auf teure Imageprojekte, wie etwa dem Ausbau der Hafen-City zu verzichten und ein neues bis Klasse 10 integriertes Schulsystem einführt. Zusätzlich sollen alle Abschiebungen gestoppt und die Zuschüsse zu Hartz-IV deutlich erhöht werden.

Der Machtwechsel am Rathaus sei am sichersten, »wenn die verwirrten Sprücheklopfer von der Linkspartei draußen bleiben aus der Bürgerschaft«, betonte Naumann. Das ist sicherlich Wahlkampfgetöse. Doch richtig ist: die Linke hat nun ein handfestes Glaubwürdigkeitsproblem. Niemand weiß, wofür sie nach den Wahlen eigentlich steht.

Verwendung: Neues Deutschland vom 07. Januar 2008, Seite 5
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01. Oktober 2007

Hamburger LINKE-Parteitag lehnt Regierungsbeteiligung ab

Hamburgs LINKE wird in den Wahlkampf für die Bürgerschaftswahlen im Februar 2008 mit einem klaren Oppositionsverständnis und einer alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzeption eingreifen. So jedenfalls beschlossen es die etwa 130 Delegierten am späten Samstagabend und nach rund 13-stündiger Parteitagsdebatte.

Einstimmig wurde das Wahlprogramm beschlossen, mit überwältigender Mehrheit der Wahlaufruf »Veränderung beginnt mit Opposition«. In diesem beschlossen die Vertreter der etwa 1000 Hamburger Parteimitglieder, dass sie nur als Oppositionskraft zur Verfügung stehen werden.
Nach einem Einzug in das Parlament werde man jedenfalls nicht das »Zünglein an der Waage« sein. Denn die Wahl eines anderen Bürgermeisters als des amtierenden Amtsinhabers Ole von Beust (CDU) werde es mit der LINKEN nur geben, wenn sich der auf das Sofortprogramm der LINKEN beziehe und sich auch dazu verpflichte, es umzusetzen. Nur als Oppositionskraft werde sich die Hamburger Linke gegen weiteren Sozialabbau, gegen weitere Privatisierungen und die Kürzungen im Bildungs-, Kultur-, Jugend- und Sozialbereich wehren.

Das bestätigte auch Bundesparteichef Oskar Lafontaine, der sich in seiner Rede gegen jegliche Kungeleien mit dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Michael Naumann ausgesprochen hatte. Denn dieser sei ein Befürworter dessen, womit es durch die LINKEN niemals Frieden geben dürfe: Hartz IV, dem Sozial- und Rentenklau. Mit Blick auf den Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) setzte sich dann Lafontaine vor allem für eine Stärkung von Volksentscheiden ein. Denn Demokratie heiße, dass sich »die Interessen der Mehrheit bei politischen Entscheidungen« – nicht aber nur die »Minderheit der Abgeordneten« – durchsetzten müsse.

Dass es für die Hamburger LINKE einen Frieden mit Hartz IV nicht geben kann, wurde indes schon vor Beginn des zweitägigen Parteitags deutlich. Denn ursprünglich hatte der Landesvorstand ein neues und öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm vorgeschlagen, das sich in seiner Umsetzung auf die im Sozialgesetzbuch II als Alternative zu den Ein-Euro-Jobs vorgesehenen »Arbeitsgelegenheiten« mit der sogenannten Entgelt variante bezog. Dies aber stieß bei der parteiinternen Arbeitsgemeinschaft »Arbeit und Armut« auf heftigen Protest. Sie lehnte Arbeitsgelegenheiten grundsätzlich ab und sprach von einem »staatlich exekutierten Arbeitszwang«. Dem aber schlossen sich schließlich auch die Antragskommission und der Landesvorstand an. Die LINKE fordert, dass es ein solches Beschäftigungsprogramm nur auf der Grundlage aller tarif-, sozial- und arbeitsrechtlichen Standards geben könne.

Heftige Konflikte traten indes bei der Wahl der Kandidatenliste für die Bürgerschaftswahlen auf. Denn für die ersten acht Plätze kandidierten rund 30 Bewerber. Zu einer regelrechten Kampfkandidatur kam es dabei schon um Platz eins. Doch allen Unkenrufen zum Trotz konnte sich hier die schon seit Wochen als Spitzenkandidatin gehandelte, ehemalige SPD-Frau und 58-jährige Lehrerin Dora Hayenn relativ klar gegen ihre Gegenkandidatin aus dem linken Parteilager, der 60-jährigen Iranerin Zaman Masudi durchsetzen. Hayenn erhielt 48 von insgesamt 87 gültigen Stimmen, während für Masudi nur 27 Delegierte votierten.

Gekämpft wurde auch um die weiteren Plätze, auf denen sich schließlich der Sozialwissenschaftler Joachim Bischoff für Listenplatz zwei, Linkspartei-Landessprecherin Christiane Schneider für Listenplatz drei durchsetzen konnten. Für Platz vier gilt die Wahl des 57-jährigen Erwerbslosenvertreters Wolfgang Joithe als sicher. Letzteres ist die eigentliche Überraschung des Parteitages, denn der ehemalige EDV-Systembetreuer gilt bei den Hamburger LINKEN als New-Comer. Die weiteren Wahlen dauerten bei Redaktionsschluss noch an.

Verwendung: Printausgabe Neues Deutschland vom 01. Oktober 2007
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28. September 2007

Weichenstellungen für Bürgerschaftswahl im Februar 2008

Dem Hamburger Landesverband der Partei DIE LINKE steht am Wochenende ein schwieriger Parteitag bevor. Denn unter dem Tenor »Hamburg für alle – sozial, ökologisch und solidarisch« geht es um wichtige Weichenstellungen für die Bürgerschaftswahlen im Februar 2008.

Heftig umstritten ist bisher fast alles: die Liste der Bürgerschaftskandidaten, aber auch das Wahlprogramm. Besonders erregt ist die Debatte schon im Vorfeld über ein neues »Landesprogramm Arbeit«, mit dem die LINKE möglichst viele Erwerbslose in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bringen will. Abseits der von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bisher geförderten Ein-Euro-Jobs – im Rahmen eines »öffentlich geförderten«, aber privat organisierten Beschäftigungssektors.

Ausgerechnet die parteiinterne Erwerbslosenarbeitsgemeinschaft »Arbeit und Armut« lehnt dieses Programm grundsätzlich ab. Sie argumentiert, dass unter der Geltung des Sozialgesetzbuches II auch Arbeitsgelegenheiten nach der sogenannten Entgeltvariante zu einem »staatlich exekutierten Arbeitszwang« führen würden. »Arbeitsgelegenheiten bleiben eben Arbeitsgelegenheiten«, so AG-Sprecher Wolfgang Joithe, der damit auf die fehlenden Arbeitsverträge, auf die Rechtlosigkeit der Beschäftigten, auf das niedrige Lohnniveau und die Perspektivlosigkeit solcher Maßnahmen verweist. Bemängelt wird zudem, dass jeder, der dafür Zuschüsse aus der Bundesagentur für Arbeit annehme, damit auch die »Repressionsspirale« des SGB II hinnehmen müsse.

»Sonst gibt es nämlich aus Nürnberg kein Geld«, sagt auch der Soziologe Thomas Meese. Statt über einen zweiten oder dritten Arbeitsmarkt, rät er der Linken über die Schaffung neuer Stellen im öffentlichen Dienst zu diskutieren. Denn es gebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturbereich genügend Arbeit.

Kurz- und mittelfristig sei das aber kaum durchsetzbar, sagt dazu Parteisprecher Björn Radcke. Er forderte nun Kompromisslösungen, denn auch die Programmkommission sieht ihre Formulierungen »nur als Übergangsstufe zu einer Ausweitung öffentlicher Dienstleistungen«. Doch einschränkend heißt es in ihrem Papier, dass die eigentliche Aufgabe des öffentlichen Dienstes eben nicht darin liege, beschäftigungspolitische Aufgaben zu übernehmen. Ohne freie Träger ginge es deshalb nicht.

Um diesen nun aus dem zunehmenden Wettbewerbdruck herauszuhelfen, müssten sie ebenfalls aus Landesmitteln gefördert werden. Doch über die Vergabe solcher Maßnahmen, lautet der nächste Einspruch, werde gar nicht in Hamburg, sondern in den Regionalagenturen und nach Maßgabe des Preises einer Maßnahme entschieden.

Insgesamt liegen dem Parteitag 76 Änderungsanträge zum Entwurf des Wahlprogramms vor. Konflikte gibt es dabei auch zu bildungs-, hochschul- und kulturpolitischen Fragen. Die Antragskommission plädiert deshalb dafür, dass diese Streitfragen auf dem Parteitag zwar diskutiert, aber nicht entschieden werden.

Damit wäre der Zoff freilich nicht vom Tisch. Denn schon um Platz eins der Landesliste zur Wahl deutet sich seit Tagen eine Kampfkandidatur zwischen der Ex-Sozialdemokratin und früheren schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Dora Heyen und der zum linken Parteiflügel gehörigen Iranerin Zaman Masudi an. Nicht weniger heftig wird um die Plätze zwei bis acht gekämpft, denn diese gelten bei einem Wahlergebnis von sieben bis acht Prozent als relativ sichere Tickets ins Parlament. Das zu glätten, wird auch für Parteichef Oskar Lafontaine keine leichte Aufgabe sein. Er will bereits am Samstagmittag zu den 130 Delegierten sprechen.

Verwendung: Neues Deutschland vom 28. September 2007
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03. September 2007

Parteigründung neun Monate vor der Kommunalwahl zwischen Ost- und Nordsee

Die Linkspartei und die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) haben nun auch in Schleswig-Holstein ihre Fusion vollzogen. Einstimmig beschlossen 75 Delegierte die Bildung der neuen Partei. Zuvor wurde nach stundenlanger Diskussion eine neue Landessatzung beschlossen.

Stehende Ovationen für den Gruendungsbeschluss Die Linke in Schleswig-HolsteinStehende Ovationen für den Gruendungs-beschluss Die Linke in Schleswig-Holstein

Rund neun Monate vor den Kommunalwahlen haben Linkspartei und WASG in Schleswig-Holstein ihren Zusammenschluss zur Partei DIE LINKE abgeschlossen. Für den ehemaligen Sprecher der WASG, Gösta Beutin, eine »historische Stunde«, denn nun bestehe auch im Land zwischen Nord- und Ostsee die Chance für »eine starke Linke«.

Lange Debatte um Satzungsfragen

Doch bevor es dazu kommt, ging es im Kieler Legienhof – hier konstituierte sich im November 1918 Deutschlands erster Arbeiter- und Soldatenrat – zunächst und stundenlang um die Satzungsgrundlagen des eigenen Handelns. Wie viel Basisdemokratie verträgt die neue Partei, wie fassen wir das in eine neue Satzung, war jedenfalls die Sonntag am stärksten diskutierte Frage.

Lorenz Gösta Beutin in der SatzungsdebatteLorenz Gösta Beutin in der Satzungsdebatte

Etliche Delegierte und auch die Gruppe um Beutin forderten dabei, dass dem neuen Landesvorstand ein direkt durch die Vertreter der Kreisverbände beschickter Landesrat nicht nur zur Seite gestellt wird, sondern dieser zwischen den Parteitagen auch als das »höchste politische Gremium« bei den Linken in Schleswig-Holstein gilt. Ihm widersprachen Björn Radcke und Heinz-Werner Jezewski. Denn sie sahen durch eine solche Bestimmung die politische Handlungsfähigkeit des neuen Landesvorstandes auf Dauer beeinträchtigt. Beide forderten eine politische Führungsrolle des neuen Landesvorstandes klar festzuschreiben, während sie den Landesrat eher als ein Initiativ- und Kontrollorgan ansahen. Für politische Beobachter eher eine ermüdende Debatte. Doch wichtig für das eigene Selbstverständnis, wie sowohl Beutin als auch Jezewski unterstrichen. Beide traten später als Kontrahenten erneut gegeneinander an – neben dem dritten Bewerber, Jörn Seib, warben sie um Zustimmung für das Amt des neuen Vorsitzenden des Landesverbandes. Die Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Als einzige Frau kandidierte zunächst für den weiblichen Vorsitz Antje Jansen – deren Wahl auch trotz der kurzfristig angetretenen Gegenkandidatin Angela Whyte als sicher.

Nach Redaktionsschluss zur neuen Landessprecherin gewählt: Antje JansenNach Redaktionsschluss zu neuen Landessprechen gewählt: Antje Jansen und Lorenz Gösta BeutinNach Redaktionsschluss mit klarer Mehrheit zum neuen Landessprecher gewählt: Lorenz Gösta Beutin

Bisky: Um Probleme der Bürger kümmern

Durchsetzen zumindest im Streit um den Landesrat konnte sich die Gruppe um Beutin. Ernergisch hatte der 29-Jährige verlangt, dass sich in der neuen Partei »mehr Demokratie« durchsetze und die Mitglieder eine stärkere Beteiligung erhalten. Bei 31-Nein-Stimmen stimmten 45 Delegierte seinen Vorschlägen zu.

Dass sich die LINKE mit maximal 10 Prozent ihrer Zeit, um die eigenen, mit 90 Prozent aber um die Probleme der Bürger zu kümmern habe, dazu ermahnte die Delegierten Parteichef Lothar Bisky in seiner Rede.

Er habe in Schleswig-Holstein einen sehr »lebendigen und starken Landesverband« kennengelernt, sagte der Parteichef der LINKEN. Doch damit dieser im Mai 2008 dann auch in die Kommunalparlamente einziehe, müsse er sich als »Partei der Kümmerer« erweisen, der die Bürgersorgen ernst nehme. Mit einer »modernen Bildungspolitik«, mit »aktiver Arbeitsmarktpolitik«, mit konkreten Vorschlägen zur »Überwindung von Hartz IV«.

Bei rund 850 Mitgliedern steht hier eine Mammutaufgabe bevor – allein die Kandidaten für die Wahlreise aufzubringen, dürfte nicht einfach werden. Dass der Partei der Westaufbau langfristig gelinge, davon zeigte sich Bisky dennoch überzeugt.

Verwendung: Neues Deutschland vom 3. September 2007
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30. Juli 2007

Ro 19

Bei der Gewerkschaft GEW heißt das Gebäude in der Hamburger Rothenbaumchaussee ganz kurz »Ro 19«. Gegenwärtig residiert in dem schönen Altbau das Institut für internationale Politik der Uni Hamburg. Doch die Immobilie sorgt seit längerem für nicht nur innergewerkschaftlichen Streit.

In Hamburg streitet die GEW über ein 1935 aus jüdischem Besitz erworbenes Haus

In der Hamburger GEW gibt es heftigen Streit: Soll eine Villa, die in der Nazizeit einer jüdischen Erbengemeinschaft weit unter Wert abgekauft wurde, nun als Zeichen der Sühne an die Stadt übertragen werden, damit dort ein Museum zur Geschichte der Juden entsteht? Oder hat die Gewerkschaft das Recht, dieses Haus zu behalten?

Seit die Vertreterversammlung der GEW im April mit knapper Mehrheit beschlossen hat, das 1935 von einer jüdischen Erbengemeinschaft weit unter Wert erworbene Haus zu behalten und gewissermaßen zum Ausgleich jährlich 10 000 Euro in einen Fonds gegen rassistische und fremdenfeindliche Aktivitäten fließen zu lassen, kommt die GEW nicht mehr zur Ruhe. Kritiker sehen in dem Beschluss »winklig-opportunistisches« Verhalten und fordern dessen Revision.

Fast mustergültig und im großen Einvernehmen hatte die Gewerkschaft alle Einzelheiten dieser jahrzehntelang verdrängten Geschichte zuvor aufgearbeitet. Das Problem begann demnach schon 1933, als die GEW-Vorläufer »Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens« im »Nationalsozialistischen Lehrerbund« gleichgeschaltet wurde. Dieser kaufte im April 1935 für 40 000 Reichsmark die im Uni-Viertel gelegene Gründerzeitvilla. Das Haus fiel 1945 an die GEW. Die jüdischen Vorbesitzer hatten Deutschland 1937 verlassen.

Für den Gewerkschafter Bernhard Nette war damit die Sache klar. Ein »arisiertes Gebäude« könne seine Gewerkschaft nicht behalten. Sie würde sonst zum Profiteur des nationalsozialistischen Unrechts werden. Eine eingesetzte Arbeitsgruppe unter seiner Leitung schlug die Umwandlung in ein Museum vor. Bei den Nachfahren der Vorbesitzer (sie leben inzwischen in den USA), in der jüdischen Gemeinde und unter Kulturpolitikern fand das viel Beifall.

Doch die Mehrheit im Vorstand sah es anders. Weil einer der Vorbesitzer noch nach 1935 weitere Immobilien in Deutschland erwarb und keiner der ehemaligen Eigentümer 1945 Restitutionsansprüche stellte, könne von einer typischen Arisierung nicht gesprochen werden. Unklar sei außerdem, ob der Kaufpreis zu niedrig war, denn das Gebäude hätte sich 1935 in einem schlechten Zustand befunden. Unterstützt wurde dies von GEW-Landeschef Klaus Bullan. Er erklärte, dass seine Gewerkschaft auf die Mieteinnahmen aus dem Haus angewiesen sei. Diese liegen bei 150 000 Euro im Jahr. Der Fonds sei ein Kompromiss. Die Vertreterversammlung bestätigte diese Haltung mit 57 zu 50 Stimmen, bei 10 Enthaltungen.

Nun aber ging die Debatte erst richtig los. Selbst Bürgermeister Ole von Beust (CDU) appellierte an die Gewerkschaft, ihre Entscheidung zu überdenken. Es ginge hier nicht um finanzielle oder juristische Fragen, sondern um »moralische und historische Verantwortung« sowie um »menschlichen Anstand«, sagte der Bürgermeister. Noch deutlicher wurde Ralph Giordano. Ihm hatte Bullan das Geld für den Bertini-Preis vorgeschlagen. »Bertini-Preis und Arisierung«, das passe nicht zusammen – »kategorisch und unwiderrufbar«. Die 10 000 Euro seien zudem nur ein »Blutgeld« und um sich freizukaufen, schimpfte Giordano. Dass sich ein Teil der GEW auf ein Gutachten des Historikers Jörg Berlin berufen hatte, empörte die jüdische Gemeinde. In dem Papier steht, dass es zum Zeitpunkt des Immobilienverkaufs eine konkrete Bedrohungssituation für die Vorbesitzer nicht gegeben habe. Diese hätten Deutschland nur aus wirtschaftlichen und familiären Gründen verlassen.

Eine solche Sichtweise versperre den Blick auf die »Bedeutung des politischen Systems des deutschen Faschismus für das Handeln der Menschen«, sagt der Gesamtschullehrer Ulrik Ludwig. Er forderte Anfang der Woche »die Revision der Beschlüsse und eine Absage an jeglichen Geschichtsrevisionismus«. Mit der Zielsetzung der Wiedergutmachung soll nun die Debatte, samt einer »Gesamtschau auf das nicht unbeträchtliche GEW-Vermögen«, neu aufgerollt werden. Geschehe dies nicht, verliere die »GEW als Ganzes« ihre Glaubwürdigkeit, sagt auch Benjamin Ortmeyer vom Vorstand der GEW in Frankfurt am Main. Er sammelt nun Unterschriften für einen Offenen Brief an den Hauptvorstand der GEW, damit dieser sich einmische.

Verwendung: Printausgabe Neues Deutschland vom 30. Juli 2007, Seite 3
und Lokalberichte Hamburg vom 2. August 2007, Printausgabe Seite 4.



09. Juli 2007

Mit Sofortprogramm will man bei der Bürgerschaftswahl 2008 zehn Prozent erreichen

Die Linkspartei und die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) haben nun auch in Hamburg ihre Fusion vollzogen. Zuvor wurde ein Sofortprogramm für die kommende Bürgerschaftswahl verabschiedet.

Knapp siebeneinhalb Monate vor den Bürgerschaftswahlen haben die Linkspartei und die WASG nun auch in Hamburg ihren Zusammenschluss zur Partei DIE LINKE abgeschlossen. Doch dem ging allein am Sonnabend eine zwölfstündige Parteitagsdebatte voraus. Zäh gerungen wurde um ein Sofortprogramm für die Bürgerschafswahl im Februar 2008 – für den Bundestagsabgeordneten Professor Norman Paech eine »historische Stunde«. Denn »jetzt oder nie« bestehe auch in Hamburg die Chance, das bisherige Parteienkartell durcheinander zu wirbeln.

Dass aber setze voraus, dass auch die eigene Politik nicht länger als »Selbstzweck«, sondern als »Dienst für andere« begriffen werde, feuerte Diakonie-Betriebsrat Berno Schuckart die etwa 130 Delegierten an. Schuckart, der später zu einem Landessprecher gewählt wurde, sagte ein Wahlergebnis von etwa zehn Prozent voraus, gelänge eine solche Konzentration auf die politischen Schwerpunkte.
Damit der Wahlkampf besser gelingt als in der Vergangenheit, beschlossen die Delegierten das Sofortprogramm. Punkt für Punkt wird darin aufgelistet, was eine linke Fraktion schon in den ersten 100 Tagen nach ihrem Einzug in Landesparlament beantragen will: den Stopp der Privatisierungen und die »Re-Kommunalisierung« der Kliniken und Energiebetriebe, die Abschaffung aller Ein-Euro-Jobs und deren Ersatz durch »sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse«.

Zudem fordert die LINKE das Ende der Zwangsumzüge, die Erhöhung der Mietzuschüsse und die Streichung der Studien- und Kita-Gebühren. Die Bürgerrechte sollen künftig mit Volksentscheiden gestärkt werden. Und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollen dann auch »erste Schritte zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst« in der Bürgerschaft beantragt werden.

Widerspruch gab es aber auch. So etwa durch die Gymnasiallehrerin Lilo Lottermoser. Sie bemängelte, dass ihr das Programm zu »buchhalterisch« und visionslos erscheine. Nicht geklärt sei zudem auch, wie die Forderungen durchgesetzt werden können, bemerkte dazu am Rande der Konferenz der ehemalige Landessekretär der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Hinrich Feddersen. Der in Hamburg sehr bekannte ehemalige Gewerkschaftsfunktionär war erst kurz zuvor in die neue Partei eingetreten.

Im Plenum des Parteitags griff das auch der ehemalige Sprecher der Linkspartei.PDS, Horst Bethge, auf. Er beantragte, jeglichen Verzicht auf »Koalitionskungeleien« vor der Wahl festzuschreiben, eine offensive Oppositionsrolle und die stetige Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen. Nur so, sagte Bethge, könnten auch die eigenen Forderungen durchgesetzt werden. Die Mehrheit der Delegierten lehnte diesen Antrag ab und verschob die Frage auf einen künftigen Parteitag.

Am Sonntag wählten die Delegierten des inzwischen rund 1200 Mitglieder starken Landesverbandes schließlich ihre neuen Führungsgremien. Neben Schuckart (zuvor Vorstandssprecher der WASG) konnten sich dabei Christiane Schneider und Herbert Schulz (früher Linkspartei.PDS) sowie die Iranerin Zaman Masudi (WASG) als Mitglieder des neuen vierköpfigen Sprechergremiums durchsetzen. Zur Schatzmeisterin wurde die ehemalige WASG-Frau Renate Hercher-Reis gewählt.

Verwendung: Neues Deutschland vom 9. Juli 2007
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17. März 2007

Airbus_Aktionstag_1
Gewerkschaften protestieren gegen Einsparpläne bei Airbus

Europaweit haben am Freitag zehntausende Airbus-Beschäftigte gegen das vom EADS-Management beschlossene Sparprogramm »Power 8« protestiert. In Deutschland lag der Schwerpunkt des vom Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB) ausgerufenen Aktionstages in Hamburg. Rund 20 000 Airbus-Beschäftige aus allen norddeutschen Standorten versammelten sich dort zur Zentralkundgebung der IG Metall.

Es geht bei dem europäischen Flugzeugbauer Airbus um viel. Europaweit will das Management des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS rund 10 000 der 57 000 Arbeitsplätze streichen. Allein in Hamburg könnten davon bis zu 2000 Mitarbeiter betroffen sein. Die Werke in Varel, Laupheim und Saint-Nazaire sollen außerdem verkauft werden. Mit »Industriepartnerschaften« sollen aber auch die Produktionsstandorte im englischen Filton, im Méaulte (Frankreich) und im niedersächsischen Nordenham aus dem Airbus-Verbund herausgelöst werden. Die Konzernspitze verspricht sich davon »schlankere« Produktionsstrukturen, steigende Renditen und eine »Cash-Maximierung«, mit der sie die Entwicklungskosten für den neuen Langstreckenjet A 350 XWB finanzieren will.

Doch das ist für den Vorsitzenden der IG Metall, Jürgen Peters, der als Hauptredner in Hamburg auftrat, ein reiner Katastrophenkurs. Der Verkauf von Standorten, die Ausgliederung von Kernkompetenz und der Abbau tausender Arbeitsplätze würden nicht zur Lösung der Airbus-Krise beitragen. Schließlich sei der Flugzeughersteller ja auch nicht wegen zu hoher Personalkosten in die Krise geraten, sondern wegen der Fehler des Top-Managements, das »den Karren in den Dreck gefahren« habe. Energisch verlangte Peters ein neues Zukunftskonzept, das auf der Basis der bisherigen Produktionsstrukturen beruhe.

So sehen es auch die Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen, CDU) und Günter Oettinger (Baden-Württemberg, CDU), die ebenfalls in Hamburg sprachen. Wulff zweifelte die Sinnhaftigkeit des Sanierungsprogramms offen an, das ihn in seinen Einzelmaßnahmen »bisher nicht einleuchte«. Und mit Blick auf die Wachstumspotenziale der Branche betonte er, dass es Kündigungen an »keinem Standort in Europa« geben dürfe. »Die Fehler lagen beim Management«, betonte auch Oettinger, der dem Airbus-Vorstand zudem vorwarf, die Marktlage für den A 380 völlig falsch eingeschätzt zu haben.

Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) verlangte, die Sicherung aller Standorte auch in den Rang einer »nationalen Aufgabe« zu erheben. Die Franzosen hätten dies den Deutschen vorgemacht, sagte Uldall, der zudem auf die Bedrohung tausender Arbeitsplätze in der Zuliefererindustrie aufmerksam machte. Dass der Wettbewerbsgegner nicht in Europa liege, betonte hingegen Bremens Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), der eine Stärkung der einzelnen Standorte forderte.

Dass kein Arbeitsplatz geopfert werden dürfe, sagte auch Martin Wittmaack, Landesgeschäftsführer der Hamburger Linkspartei, der in einer schriftlichen Stellungnahme »Power 8« als Programm für weitere »Extraprofite« bezeichnete.

Dies reicht Gesamtbetriebsratschef Rüdiger Lütjen nun nicht mehr aus. Er forderte die Politiker dazu auf, das EADS-Management künftig auch durch »vertragliche Regelungen« stärker unter Kontrolle zu nehmen. Sollte sich aber die »Dialogunfähigkeit« von Airbus-Co-Chef Louis Gallois fortsetzen, werde es einen »harten Arbeitskampf« geben, versprach Lütjen.

Verwendung: Neues Deutschland



3. März 2007

Streit um Landebahnverlängerung bei Airbus erhält neue Nahrung

Während die Politik über die Airbus-Pläne für den Standort Hamburg erleichtert ist, kündigt der Betriebsrat Proteste an.

Derzeit vergeht kaum ein Tag ohne neue Überraschungen bei Airbus. Am Mittwoch wurde das umstrittene Sparprogramm »Power 8« verkündet, bei dem Hamburg laut Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) mit einem »blauen Auge« davon kam. Doch nun führen Meldungen über einen Baustopp für die geplante Frachterversion des Großraumjets A 380 zu Besorgnis.

Dieser A 380F war in der Hansestadt der Bewilligungsgrund für die umstrittene Verlängerung der Start- und Landebahn am Airbus-Werk in Finkenwerder. Ohne eine solche Verlängerung hätte die Konzernspitze in Toulouse aber auch niemals das Auslieferungszentrum für die Passagiervariante des Megajets genehmigt. Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken ist deshalb um Schadensbegrenzung bemüht. Er spricht von einem nur »vorübergehenden Baustopp«, weil bisherige Terminpläne nicht eingehalten worden seien.

Das sieht A 380-Programmchef Mario Heinen offenbar völlig anders. Er sagte gegenüber der »Financial Times Deutschland«, dass es eine Marktperspektive für den Frachter nicht gebe. Großkunden wie die Leasinggesellschaft International Lease Finance sowie Paketversender Fedex und UPS hatten Bestellungen zuvor storniert.

Für die Klägergemeinschaft um die streitbare Obstbäuerin Gabi Quast, die sich jahrelang mit anderen Anrainern gegen die Landebahnverlängerung gewehrt hatte, schafft der Baustopp neue Perspektiven. Gegenüber ND verwies sie darauf, dass das Hauptverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch nicht einmal eröffnet worden sei. Bisherige Grundstücksenteignungen und den Baubeginn habe es nur im Wege von Eilverfahren vor dem Landgericht gegeben. Quast fordert jetzt einen sofortigen Rückbau der Baumaßnahmen.

Doch ob das realistisch ist, bleibt abzuwarten. EADS-Konzernchef Louis Gallois hat mit »Power 8« ja nun auch grünes Licht für das neue Hamburger Auslieferungszentrum für den A 380 gegeben. Ein monatelang geführter Streit um die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Airbus-Hauptstandorten Hamburg und Toulouse ist damit beendet. Die Landebahnverlängerung forderte die Konzernzentrale auch mit Blick auf künftige noch größere Varianten des Passagierflugzeugs.

Bei Kurz- und Mittelstreckenjets soll Hamburg künftig sogar noch mehr zu tun haben als bisher. Während das Werk bisher nur am Bau für den A 318, den A 319 und den A 321 beteiligt war, kommen nun noch kleinere Kontingente beim A 320 dazu. Und die nächste Generation des erfolgreichen Mittelstreckenflugzeugs, die ab Mitte nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen soll, wird sogar fast vollständig an der Elbe gebaut werden. Entwicklungsverantwortung verbleibt aber auch für den Rumpf und die Kabine des Langstreckenflugzeugs A 350, was für die Hamburger Flugzeugindustrie eine besonders gute Nachricht ist: So bleibt der Standort auch von der neuen Technologie CFK (kohlefaserverstärkter Kunststoff) nicht abgeschnitten, was insbesondere die Politik zuvor befürchtete.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sieht die Hansestadt deshalb durch »Power8« auch eher gestärkt. »Fair und angemessen« sei der Standort behandelt worden, hieß es. Doch so viel Euphorie will bei den Beschäftigten und ihrem Betriebsratschef Horst Niehus bisher nicht aufkommen. Niehus weiß, dass auch sein Werk Tribut zahlen muss, wenn Airbus seine Ankündigung wirklich wahrmacht, bis zu 3700 Stellen allein in Deutschland abzubauen. In einigen Medien ist sogar schon von bis zu 1000 Arbeitsplätzen die Rede, die an der Elbe trotz höherer Aufträge verloren gehen könnten.

Das aber will Niehus nicht hinnehmen. Nicht wegen der Personalkosten, sondern wegen Managementfehlern sei Airbus in die Krise geraten. Hunderte seiner Kollegen mobilisierte Niehus deshalb schon am Donnerstag zu ersten Protestaktionen. Und beim europaweiten Aktionstag Mitte März gegen »Power 8« soll Hamburg ein Zentrum der Proteste sein.

Verwendung: Neues Deutschland
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2. März 2007

BRIAN GARVEY und BARRY FAWCETTBritische Lehrergewerkschafter über die Folgen der Bildungsreformen Tony Blairs

In der schulpolitischen Debatte wird hierzulande gern auf das britische Vorbild verwiesen. Doch mittlerweile warnen selbst konservative Politiker vor einer »Rückkehr ins viktorianische Klassenschulsystem«. ANDREAS GRÜNWALD sprach am Rande des von der GEW organisierten »deutsch-britischen Gewerkschafterdialogs« in Hamburg mit den beiden britischen Lehrergewerkschaftern BRIAN GARVEY und BARRY FAWCETT.

ND: Welche Erfahrungen haben Sie mit der von Tony Blair forcierten Schulpolitik?

Barry Fawcett: Unsere Regierung versteht Erziehung als ein kommerzielles Geschäft. Wie auf dem Markt sollen die Schulen in einen Wettbewerb treten. Alle Schüler müssen sich deshalb gleich vier Mal in ihrer Schulkarriere einem landesweiten Test unterziehen. Das Ergebnis determiniert die weitere Laufbahn eines Schülers, entscheidet aber auch über das Wohl und Wehe ganzer Schulen. Sind die Ergebnisse schlecht, werden die Schulen geschlossen und das Personal entlassen. In den Tests wird aber nur Faktenwissen in Englisch, Mathematik und den Naturwissenschaften abgefragt. Die Lernfortschritte des Einzelnen und Allgemeinbildung spielen keine Rolle. Auch nicht die Umfeldbedingungen einer Schule.

Brian Garvey: Ähnlich verlaufen die Schulinspektionen, bei denen externe Prüfer die Standards und Abläufe einer Schule bewerten. Das fließt in ein Ranking-System, das dann, wie der Medaillenspiegel bei olympischen Spielen, in den Massenmedien veröffentlicht wird. Schulen, die gut abschneiden, sind so in die Lage versetzt, sich Schüler selbst auszusuchen. Schwerer haben es dann die Kinder aus den bildungsferneren Schichten.

Welche Auswirkungen hat das für die Lehrer?

Brian Garvey: Da vom Test das Image einer Schule abhängt, wird vielfach nur noch für den Test gelernt. Für Projektunterricht oder das Eingehen auf Schülerwünsche bleibt keine Zeit. Völlig unberücksichtigt ist dabei auch die pädagogische Arbeit, die gerade Schulen in den sozialen Brennpunkten leisten müssen.

Barry Fawcett: Dieses Kontrollsystem belastet sowohl die Lehrer als auch die Schüler. Viele Kollegen klagen über gestiegene Arbeitszeiten und den zunehmenden Stress. Und bei den Schülern weist bereits ein Drittel aller siebenjährigen Kinder Stresssymptome auf.

Was passiert, wenn Schulen geschlossen werden?

Brian Garvey: Sie werden durch privat gesponserte City-Akademien ersetzt, die je nach dem Einsatz der privaten Mittel zusätzliches Geld aus dem Erziehungsministerium erhalten. Das ist eine oberflächliche Politik, denn dieses Geld fehlt anschließend bei der Masse »normaler« Schulen.

Barry Fawcett: Diese Akademien werden nur noch durch die privaten Träger kontrolliert. Sie legen den Lehrplan fest, entscheiden über das Schulbudget, haben die Personal- und Tarifhoheit. Sie suchen auch die Schüler aus.

Von wem werden solche Akademien denn gegründet?

Barry Fawcett: Häufig von Großbetrieben oder Universitäten. In letzter Zeit auch von rechts-religiösen Sekten. Dort wird dann Evolutionstheorie durch die »Schöpfungsgeschichte« ersetzt. Das ist nicht nur eine Geldverschwendung, sondern auch höchst gefährlich.

Verwendung: Neues Deutschland



16. Februar 2007

IMAG3071Senat scheint bei Hafen-Verkauf einzulenken

Auch der Druck der Hafenarbeiter führte dazu, dass sich Hamburg von einem Direktverkauf von 49,9 Prozent der Hafengesellschaft HHLA offensichtlich verabschiedet hat – zu Gunsten eines Börsengangs mit stimmrechtslosen Aktien.

Als Hamburgs CDU-Finanzsenator Michael Freytag Anfang der Woche bekannt gab, er ziehe nun einen Börsengang für die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), mit 3400 Mitarbeitern das größte deutsche Hafenunternehmen, in Betracht, brach bei den Betriebsräten nicht der große Zorn, sondern ein verhaltenes Schulterklopfen aus. Denn gerade dies hatte HHLA-Konzernbetriebsratschef Arno Münster Ende Januar gegenüber Bürgermeister Ole von Beust (CDU) als Kompromiss angedeutet – nachdem die Docker seit Dezember mit Betriebsversammlungen, Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen Druck gegen den zunächst angekündigten Verkauf von 49,9 Prozent an einen privaten Investor gemacht hatten.

Absurd ist das nur auf den ersten Blick. Denn in Hamburg wird ein Börsengang offenbar mit Vorzugsaktien anvisiert, die zwar mit höheren Dividenden verbunden sind als normale Anteile, aber nicht mit Stimmrechten. Solche Beteiligungen sind selten geworden – in Zeiten des Shareholder Value legen Aktionäre Wert auf ihren Einfluss. Im Fall des Hamburger Hafens aber sollte es möglich sein, die Scheine auch ohne Mitspracherecht loszuwerden, denn das Containergeschäft verspricht langfristig hohe Gewinne.

Dies – und die Chance, in weiteren Verhandlungen die Ausgabe eines Teils der Aktien an Mitarbeiter zu erreichen oder die zu verkaufenden Unternehmensanteile deutlich zu reduzieren – macht den Börsengang auch für Betriebsräte akzeptabel. Zumal unter den Kaufinteressenten neben Konzernen wie der Deutschen Bahn auch Investmentbanken und Investoren mit Heuschreckenimage gewesen waren, was Ängste um Sozialstandards und vor einer Zerschlagung der HHLA befeuert hatte.

Entschieden ist noch nichts. Doch dass es noch zu einem Direktverkauf kommen könnte, damit rechnet in Hamburg kaum jemand. Zwar dürften die Einnahmen für die Stadt bei einer solchen Abgabe in Aktienstreubesitz geringer ausfallen als bei einem Direktverkauf am Stück. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) würde die 2,2 Infrastruktur-Milliarden, die er in einen weiteren Ausbau des maritimen Goldesels stecken will, schwieriger zusammenbekommen.

Doch scheint die Regierung einen Konflikt mit den gut organisierten Hafenarbeitern zu scheuen, der sich bis ins Wahljahr 2008 ziehen könnte. Die HHLA-Beschäftigten können sich nicht nur der Unterstützung der 1100 Mitarbeiter des Gesamthafenbetriebs (GHB) und der 1400 Leute des HHLA-Konkurrenten Eurogate sicher sein, sondern auch glaubhaft damit drohen, im Konfrontationsfall nicht nur Hamburg dichtzumachen, sondern durch internationale Solidarität auch ein Ausweichen nach Rotterdam oder Antwerpen zu verhindern.

Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose hält diese Art des Börsengangs dennoch nur für die »zweitbeste Lösung«, denn die HHLA, die 2006 nach Steuern 100 Millionen Euro verdiente, könne allein genug Kapital aufbringen. Um sicherzustellen, dass der Direktverkauf nicht doch wieder auf die Agenda kommt, wollen die Docker ihren Druck zunächst beibehalten. Für kommenden Donnerstag sind neue Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen geplant.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=105167&IDC=2&DB=archiv



12. Februar 2007

Elbausbau in Hamburg noch nicht vom Tisch

Ohne Ergebnis endete in der vergangenen Woche ein Krisentreffen der Wirtschafts- und Umweltminister aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, bei dem erneut eine von Hamburg gewünschten Vertiefung der Elbfahrrinne um durchschnittlich einen Meter diskutiert wurde.

Einberufen hatte den unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Gipfel Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU). Er will mit der Fahrrinnenanpassung bereits in diesem Jahr starten, denn nur dann könnten auch Containerschiffe der neuen Generation mit einer Tonnage von bis zu 12 000 Standardcontainern und einem Tiefgang von 14,50 Metern den Hamburger Hafen ab 2009 erreichen. Die Kosten für das Projekt, bei dem 38 Millionen Kubikmeter Sand zu bewegen sind, liegen bei 330 Millionen Euro, etwa zwei Drittel will der Bund übernehmen.

Doch was Uldall ein »Zukunftsprojekt« nennt, verursacht bei Bewohnern der Elbmarsch bis hinauf nach Cuxhaven nur Angst. Durch die größere Stromgeschwindigkeit des tideabhängigen Flusses, befürchten sie stärkere Verschlickungen in den Seitenarmen der Elbe, vor allem aber erhöhte Sturmflutgefahren. Naturschützer weisen darauf hin, dass neuere Erkenntnisse aus der Klimaforschung, die einen Anstieg des Nordsee-Meeresspiegels von bis zu 60 Zentimeter für die nächsten Jahrzehnte voraussagen, nicht berücksichtigt wurden. Eine weitere Elbvertiefung könnte die Sturmflutwellen noch höher auflaufen lassen. Bestritten wird zudem die ökonomische Notwendigkeit einer Vertiefung. Auch mit Blick auf den neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven fordert etwa der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nun ein »gesamtnorddeutsches Küstenkonzept«, das auch die Gefährdung durch die Klimaänderungen stärker mit berücksichtigt.

Uldall treibt hingegen zur Eile, denn im Hamburger Hafen soll sich die Umschlagskapazität von 8,6 auf 18 Millionen Standardcontainer bis 2010 erweitern. Das aber macht nur Sinn, wenn sich die Großreeder nicht für Rotterdam oder Antwerpen, sondern für Hamburg als neuen Anlaufpunkt für ihre Containerriesen entscheiden. Den Befürchtungen aus der Elbmarsch, allein auf den Folgekosten – etwa bei der Deichsicherung – sitzen zu bleiben, kommt der Senator deshalb jetzt mit einem Ausgleichsfonds entgegen, in den die Stadt bereits fünf Millionen Euro eingezahlt hat. Das reicht nicht einmal, um die Verschlickungen in den Seitenarmen der Elbe wieder zu beseitigen.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) erklärte deshalb schon kurz nach dem Treffen, seine Zustimmung zu dem Vorhaben nicht zu geben. Zunächst müssten die Schäden bereits vollzogener Elbvertiefungen behoben und weitere Folgekosten, wie etwa bei der Deichunterhaltung, abgeschätzt werden. Noch kompromissloser zeigt sich der NABU, der Klagen ankündigt. Protest kommt inzwischen auch von den Obstbauern im Alten Land, die sich jetzt mit Vereinen und Verbänden zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Und ähnliche Konflikte deuten sich für Bremen und Bremerhaven an, wo ebenfalls die Fahrrinne der Weser für rund 50 Millionen Euro um etwa einen Meter vertieft werden soll.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=104937&IDC=9&DB=archiv



Linkspartei-Politiker trifft von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge

Bei einem Weihnachtstreffen für die in Hamburg von einer Abschiebung bedrohten afghanischen Flüchtlingsfamilien hat der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Norman Paech einen sicheren Aufenthaltsstatus für Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland gefordert.

Scharf kritisierte Norman Paech den Hamburger Innensenator Udo Nagel (parteilos), der nun auch die Abschiebung von Familien mit Kindern und die von alleinstehenden Frauen nach Afghanistan betreibt. Dies sei mit der »Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan nicht vereinbar«, sagte Paech, der sich nun für einen sofortigen Abschiebestopp einsetzen will, bis sich die Situation in Afghanistan verbessert habe.

Rund siebzig afghanische Gäste, darunter 20 Kinder, hatte Paech zuvor bei seinem Weihnachtstreffen begrüßt. Eingeladen hatte der Politiker vor allem jene Flüchtlingsfamilien, die nun ganz oben auf der Abschiebeliste des Hamburger Innensenators stehen. Nagel begründet die Abschiebungspläne auch mit dem neuen Bleiberecht, nach dem ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erst dann möglich wird, wenn ein Flüchtling mindestens sechs Jahre in Deutschland gelebt hat. Doch für viele der afghanischen Familien trifft dies nicht zu. Einzelfallprüfungen hält Senator Nagel auch nicht für notwendig. Hamburg ist bisher das einzige Bundesland, aus dem nun auch Kinder nach Afghanistan abgeschoben werden. 150 afghanische Familien sollen allein im laufenden Winter Deutschland verlassen.

Tränen über die Bilder aus der Heimat

Zu den von Abschiebung bedrohten Afghanen gehört die Familie von Goalei Amiri, die sei fünfeinhalb Jahre in Deutschland lebt. Amiri hat sieben Kinder, um deren Leben sie nun fürchtet. Von ihrer Angst berichtet auch Siagol Seddiki, die mit ihrer Familie Afghanistan verließ, weil sie nicht länger unter den Taliban leben wollte. »Ich liebe mein Land«, sagt Seddiki, doch »wenn ich Bilder im Fernsehen sehe, kommen mir die Tränen«.

Dort sieht sie die Flüchtlinge, die nun schon aus dem Iran oder aus Pakistan zurückgekehrt sind. Viele von ihnen haben nicht mal ein Zelt über den Kopf, geschweige denn Winterschuhe für die Kinder. »Wir alle wissen, dass besonders die Frauen, aber auch die Kinder, in Afghanistan überhaupt keine Rechte haben«, sagt die WASG-Vorstandsfrau Zaman Masudi, die selbst viele der afghanischen Flüchtlinge betreut.

Aufruf zu Aktionen, Schüler sammeln schon

Gegenüber ND forderte Masudi nun, dass zumindest Familien mit Kindern und alleinstehende Frauen von den Abschiebungen ausgenommen werden. Norman Paech will dafür alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und auch zu Widerstandsaktionen aufrufen. Die verantwortlichen Politiker, so Paech, müssten direkt mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert werden.

In diesem Sinne aktiv geworden, sind schon jetzt Schüler mehrerer Hamburger Schulen. Sie sammeln Unterschriften gegen die Abschiebung ihrer Mitschüler und organisieren Demonstrationen.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland, 21. Dezember 2006, Seite 6



IMAG3091Hafenarbeiter protestieren gegen Teilverkauf des Hamburger Hafens

Mehr als 2000 Beschäftigte der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) haben sich am Donnerstag zu einer Protestaktion gegen die geplante Teilprivatisierung ihres Unternehmens versammelt. »Die Stimmung ist sehr gereizt«, sagte der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats Arno Münster.

Auf drei der vier großen Containerterminals im Hamburger Hafen ruhte gestern die Arbeit. Von 7 bis 15 Uhr wurde kein einziger der Containerriese abgefertigt. Kraftvoll, kampfbereit und entschlossen demonstrierten stattdessen rund 2000 Docker aus dem mit 3500 Beschäftigten größten Hamburger Hafenbetrieb, der Hafen und Logistik AG, quer durch die Innenstadt. Sie fordern den Stopp einer Teilprivatisierung ihres bislang städtischen Unternehmens, wie es der CDU-Senat plant.

Weil es aber dafür eigentlich kein Streikrecht gibt, begann der Tag mit einer Belegschaftsversammlung, denn das Recht auf Information ist für die Belegschaften geschützt. Informationen wollten die Hafenarbeiter dann aber auch von ihrem Aufsichtsrat haben, weshalb sie zu dessen Sitz in der Speicherstadt zogen, wo die Aktion am frühen Nachmittag ihr Ende nahm.

Solche Aktionen sollen nun auch künftig fortgesetzt werden, kündigte Konzernbetriebsratsvorsitzender Arno Münster schon auf der Abschlusskundgebung an. Zuvor waren die Hafenarbeiter mit ihren lauten Signalhörnern auch am Rathaus vorbeigezogen, wo Bürgermeister Ole von Beust (CDU) erst am Tag zuvor in einer Bürgerschaftsdebatte den geplanten Verkauf von 49,9 Prozent der HHLA-Anteile erneut verteidigt hatte. Mit den Einnahmen will der Senat neue Kaianlagen finanzieren, damit dann noch mehr Containerriesen in Hamburg anlegen und ihre wertvolle Fracht umschlagen können.

Die Betriebsräte befürchten, dass der Teilverkauf nur ein erster Schritt in Richtung eines Totalausverkaufs ihres Unternehmens sein könnte. Sie argwöhnen vor allem, dass sich dadurch global agierende Großkonzerne, wie zuvor schon in Rotterdam und Antwerpen, auch im Hamburger Hafen festsetzen könnten.

Von diesen Konzernen geht für die Hafenarbeiter europaweit die Gefahr des Sozialdumpings aus, das sich dann auch in Hamburg durch die Zerschlagung der traditionsreichen HHLA realisieren lassen könnte. Nur der Erhalt der bisherigen Unternehmensstruktur, zu der, neben dem Containerumschlag, auch die Geschäftsfelder Lager- und Kontraktlogistik sowie eine Immobilien- und Grundstücksgesellschaft gehören, garantiere aber den Erhalt vorhandener Arbeitsplätze, argumentieren die Betriebsräte. Die HHLA sei zudem so »kerngesund«, dass sie die nötigen Ausbauinvestitionen auch selbst schultern könne. So sieht es auch ver.di-Landeschef Wolfgang Rose, der zudem vor der Gefahr eines möglichen Verkaufs an Dubai Ports World (DP World) warnte. Dieser weltweit drittgrößte Hafenkonzern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ist dafür bekannt, gekaufte Hafenanlagen schnell wieder gewinnbringend an Dritte zu verschleuden. Das sind reine »Finanzspekulanten«, die sich um die Arbeitsplätze keine Gedanken machen, sagte Rose. »Wir wollen, dass die HHLA zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt verbleibt«, forderte indes auch Frank Ladwig, Betriebsratschef im Container-Terminal Tollerort. »Wir wollen hier keine Edelheuschrecken«, sagte dann Bernt Kamin, selbst Betriebsratschef beim HHLA-Partner GHB. Kamin war es, der den HHLA-Mitarbeitern nun die Solidarität aller anderen Hafenbetriebe versicherte.

Das aber ist eine offene Kampfansage an den Senat, denn die Betriebsräte haben unterschwellig längst verdeutlicht, dass Solidarität für sie dann auch heißen kann, nur noch »Dienst nach Vorschrift« zu machen. Das aber könnte sehr schnell zu dauerhaften Verzögerungen bei der Schiffsabfertigung führen und die Verluste für die Reeder sowie die Hafenwirtschaft, und damit dann indirekt auch für den Senat, schnell in Schwindel erregende Höhe treiben.

http://www.nd-online.de/funkprint.asp?AID=102067&IDC=3&DB=



Massenentlassungen in Hamburgs Kliniken

Wenn im Januar die Mehrheitsanteile des Hamburger Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) mit 12 500 Beschäftigten an den Konzern Asklepios übertragen werden, stehen Massenentlassungen auf der Tagesordnung. Obwohl einst das Gegenteil versichert wurde.

Betriebsräte aus allen Betrieben des größten Hamburger Klinikverbundes schlagen Alarm: Bis zu 600 Entlassungsschreiben seien im Zusammenhang mit der LBK-Privatisierung schon »eingetütet«, weitere zu fürchten, hieß es bei einem Treffen am Freitagvormittag. Die Angst steigt um so mehr, als inzwischen bestätigt wurde, dass die rund 6800 Mitarbeiter, denen ein so genanntes Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst zugesichert wurde, weil sie zum Stichtag Mai 1995 mit der Stadt einen festen Vertrag hatten, dort nicht erwünscht sind (ND berichtete). Es gebe nicht genügend Arbeit. Und für die LBK-Töchter wurde dieses Recht inzwischen auch formal durch eine kleine Gesetzesänderung gekippt.

Betroffen sind vor allem Mitarbeiter der Servicebetriebe des LBK, etwa in Einkauf und Logistik, Bau und Technik, Finanzen und Controlling. Bis zu 250 Stellen sollen aber auch in der Speiseversorgung abgebaut werden, die an Billiganbieter gehen soll. In den einzelnen Häusern sind »Personalanpassungen« auch für das pflegerische Personal angezeigt worden. 90 Mitarbeiter sollen im Krankenhaus Barmbek gehen. Mit bis zu 400 Stellenstreichungen rechnet man im Harburger Krankenhaus.

»Lug und Trug« wirft Katharina Ries-Heidtke, Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Senat und Asklepios vor. Denn als die Privatisierung 2005 – gegen einen Volksentscheid – beschlossen wurde, hatte Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) versichert, dass Stellen nicht verloren gingen. Doch nun, die Mehrheitsanteile sind noch nicht mal übertragen, fielen die Asklepios-Manager »wie Heuschrecken« über die Kliniken her. Ries-Heidtke fordert eine Ausweitung der Beschäftigungsgarantie auf das nächste Jahr.

Doch darauf wird sich Asklepios nicht einlassen. Zynisch weisen die Manager nun darauf hin, dass die Gewerkschaft ver.di beim Tarifabschluss im Oktober ja selbst auf weitere Beschäftigungssicherung verzichtete, um dafür die Übernahme des Tarifvertrags öffentliche Dienste (TVöD) für die Krankenhäuser zu erreichen. Dieser Deal kam auch mit Blick auf das »Rückkehrrecht« zustande, das sich nun als Papiertiger erwiesen hat. Und auch die Forderung von ver.di-Sekretärin Hilke Stein, dass nun der Senat eingreifen müsse, weil »radikalisierte Marktwirtschaft« die Kliniken beschädige, wird wohl unerhört bleiben.

»Wir müssen selbst kämpfen«, sagen immer mehr Beschäftigte. Zum Beispiel mit Aktionen und Info-Veranstaltungen während der Arbeitszeit. Wenn sich heute Mittag der LBK-Aufsichtsrat das letzte Mal in alter Konstellation trifft, bei der Hamburg noch als Haupteigentümer das Sagen hat, wäre dazu eine erste Gelegenheit.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=101824&IDC=3



Besuch in einer DGB-Schulungsstätte für Betriebsräte

Arbeitsrecht_nur_am_Anfang_schwer_2Salborn, 23 000 Einwohner, ist eine richtige Wohlfühlstadt. Größter Arbeitgeber ist das traditionsreiche Stammwerk der Baden AG mit 430 Beschäftigten. Doch dunkle Wolken ziehen auf, seit die frühere Unternehmensberaterin Sonja Maibaum Geschäftsführerin ist. Die Produktion müsse auf die »Kernbereiche« zurückgefahren werden, Versetzungen und Entlassungen stehen im Raum.

Helle Aufregung im Betriebsratsbüro, wo der erfahrene Betriebsratsvorsitzende Karl-Heinz Link eine Krisensitzung moderiert. Viele bunte Ansteckkarten hat er mitgebracht. Auf den gelben wird notiert, wie die Lage ist. Auf den roten wird vermerkt, was nun drohen könnte. Und auf den grünen stehen die Ziele der Betriebsratsmitglieder. Alles pinnt »Kalle« an die Wand. Solche Systematik bestimmt denn auch die weitere Debatte um die Handlungsmöglichkeiten, wie sie sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und dem Arbeitsrecht ergeben. Erst ganz zum Schluss werden dann die Beschlüsse durch den Betriebsrat festgelegt.

Doch davor ist Mittagspause und es stellt sich heraus: Salborn ist nicht Salborn sondern Hamburg-Sasel. Und die Baden AG befindet sich in einem Tagungszentrum des DGB Bildungswerks.

Auf rund 500 Seminarangebote kommt dieses Bildungswerk allein im laufenden Seminarjahr. In Hattingen und Düsseldorf zum Beispiel zu den Themen »Qualitätsmanagement« oder »Computerisierung und Arbeitnehmer-Datenschutz«. Am Starnberger See gibt es etwa Rhetorik-Seminare und Kurse über »Projektmanagement in der Betriebsratsarbeit«. In Sasel hat man sich auf das Arbeits- und Sozialrecht spezialisiert.

Es sind Grundlagenseminare zum Arbeitsrecht, aber auch solche zur Mitarbeit im Aufsichtsrat oder im Wirtschaftsausschuss eines Unternehmens. Jeder Betriebsrat kann diese besuchen, denn nach § 37 Absatz 6 des BetrVG müssen Arbeitgeber ihre Betriebsräte dafür freistellen und auch die Kosten übernehmen, liegt denn ein Betriebsratsbeschluss vor.

Paragraphenpaukerei ist in Sasel eher verpönt, denn selbst die beste Schulung mache aus Betriebsräten noch lange keine Rechtsanwälte, wie »Kompetenzteamleiterin« Susanne Bost erläutert. Ihr eigenes Lernkonzept, nach dem auch Kalle vorgegangen ist, nennt sie den »Saseler Dreischritt«.

»Sind wir Richter oder Betriebsräte?«

Vermittelt wird dieser in einer der reichsten Gegenden Hamburgs. Die idyllische Tagungsstätte liegt direkt am nördlichen Alsterzufluss. Dort, wo sonst der hanseatische Geldadel spazieren geht und Privatgrundstücke schon mal eine Größe von 30 000 Quadratmetern erreichen, bilden die Gewerkschaften schon seit Jahrzehnten ihre Betriebsräte im Arbeitsrecht aus. Schärfen diese Gegensätze vielleicht den Blick?

Bost weiß jedenfalls sehr genau um die Bedeutung des Arbeitsrechts für Betriebsräte. Doch im Gespräch mit ND sagt die gelernte Juristin dann auch, dass ein Betriebsrat, der immer nur danach frage, was er dürfe, »und noch bevor er weiß, was er will«, sich Handlungsmöglichkeiten verbaue. Dann holt sie weit aus und verweist auf die unterschiedlichsten Handlungsgrundlagen, die Betriebsräte nach dem Arbeitsrecht hätten. Doch wirkliche Gestaltungskraft ginge nur von den Mitbestimmungsrechten aus, wie sie etwa in den Paragraphen 87 oder 112 des BetrVG definiert sind. »Da muss man hin«, fordert Bost, die somit auch Licht in den Paragraphendschungel bringt.

Bildungsreferent Christian Matthiessen, der selbst viele Jahre auf einer Großwerft Betriebsrat war, sieht das ebenso. Er spricht von der »Handlungsorientierung arbeitsrechtlicher Bildungsarbeit«, denn wo »nur ein Hauch von Mitbestimmungsrecht existiert, können die Betriebsräte ihre Ziele besser durchsetzen«. Aus der Synthese einer klaren Bestimmung eigener Interessen und den Handlungsmöglichkeiten entstehe der Mut, die arbeitsrechtlichen Normen voll auszuschöpfen, ist sich Matthiessen sicher.

Konkret wird das in der Arbeitsgruppe, wo die Geschäftsführerin Frau Maibaum gerade die Entlassung eines Mitarbeiters angeordnet hat. Nun wird im Betriebsrat eifrig diskutiert, ob dies rechtens oder sozialwidrig wäre. Sind wir Arbeitsrichter oder Betriebsräte? Diese einfache Frage von Kalle bringt Klarheit. Die Kollegen beschließen der Kündigung zu widersprechen. Das aber gibt dem Betroffenen die Möglichkeit eine Weiterzahlung seiner Bezüge durchzusetzen, bevor dann ein Arbeitsgericht über die Rechtmäßigkeit der Kündigung entscheidet. Meist dauert das 12 Monate.

»Ein Gefühl der Stärke«

Ähnlich ist das gesamte Seminarprogramm gestrickt, das methodisch in einem Wechsel arbeitsrechtlicher Inputs (durch Fachanwälte) und Arbeitsgruppen sowie Planspielen verläuft. So können die Betriebsräte als Betriebsräte und eben nicht als Schüler handeln. Der Aha-Effekt ist meist groß, wenn spielerisch auch Einigungsstellen oder einstweilige Verfügungen durchgesetzt werden.

Es ist dieses »Gefühl der Stärke«, das auch Marianne beeindruckt, die nun schon ihr drittes Arbeitsrechtsseminar besucht. Die gelernte Therapeutin kommt aus einem der größten anthroposophischen Krankenhäuser Deutschlands. Doch nun gehören zum Arbeitsteam auch Jens, Michelina, Udo und Stefanie, allesamt in Industrie- oder Metallbetrieben tätig. »So lerne ich auch aus deren Erfahrungen«, sagt Marianne, die es auch toll findet, so viele Menschen aus unterschiedlichen Regionen kennen zu lernen. Stefanie schwärmt von der »solidarischen Atmosphäre«, die es auch auch bei Freizeitaktivitäten gebe. In der Kneipe, beim Spaziergang, mit dem Kanu auf der Alster oder beim Schnack im rauchfreien Bistro.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=101710&IDC=42



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Stadtpolitischer Kongress in Hamburg

Vertreter aus Gewerkschaften, Betriebsräten, sozialen Initiativen und Umweltschutzverbänden trafen sich am Wochenende zu einem stadtpolitischen Kongress von Linkspartei.PDS und WASG in Hamburg.

Hamburg (ND). Allein die Anzahl von 350 Interessierten übertraf die Erwartungen des schon seit Monaten vorbereiteten Kongresses, mit dem beide Parteien nicht nur ihre Fusionsabsichten bekräftigen, sondern auch Kurs auf die Bürgerschaftswahlen 2008 nehmen wollten. Unter dem Motto »Hamburg für alle – sozial und solidarisch« scheint dies gelungen. Die Teilnehmer verständigten sich auf Eckpunkte für das wahlpolitische Eingreifen. Dass dabei die neue Linke nicht nur allein, sondern auch im Kontext außerparlamentarischer Bewegungen eingreifen will, zeigte indes die Anlage des Kongresses, der am Freitagabend mit einem Gastbeitrag des Stadt- und Regionalforschers Jens Dangschat begann.

Die Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion Luc Jochimsen, Norman Paech und Herbert Schui forderten unter anderem einen Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors auch auf städtischer Ebene. Um dies aber zu verwirklichen, sei die Wiedereinführung der Vermögenssteuer erforderlich. Die Einkünfte will die Linke verstärkt für lokale Investitions- und Beschäftigungsprogramme nutzen.

Als weitere Schwerpunkthemen für den Bürgerschaftswahlkampf nannte WASG-Landessprecher Berno Schuckart auch den Widerstand gegen die zunehmenden Privatisierungen in Hamburg und die Forderung nach einer gebührenfreien »Schule für alle«.

Quelle: Neues Deutschland, 27.11.06, Seite 5



Klinikverkauf: Hat sich ver.di Hamburg über den Tisch ziehen lassen?

Bei der Privatisierung der Hamburger Kliniken verzichtete die Gewerkschaft auf eine Jobsicherung, weil sie sich auf ein Rückkehrrecht für Beschäftigte verließ. Dies könnte nun für Hunderte verhängnisvoll werden.

Die Privatisierung des Hamburger Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) mit 12 500 Beschäftigten wird zum Januar 2007 abgeschlossen. Der Klinikkonzern Asklepios übernimmt weitere 25 Prozent und wird mit 74,9 Prozent Mehrheitseigentümer. In den heftigen Auseinandersetzungen um die Privatisierung hatte ver.di stes auf das sogenannte Rückkehrrecht verwiesen, das für zwei Drittel der Beschäftigten gilt. Das LBK-Gesetz besagt, dass Mitarbeiter, die zum 1. Mai 1995 einen unbefristeten Vertrag hatten, in den öffentlichen Dienst zurückkehren können, sobald eine LBK-Mehrheit verkauft ist. Doch nun stellt sich offenbar heraus, dass dieses Recht löchrig ist und die Stadt nicht daran denkt, hunderte, oder gar tausende Rückkehrer aufzunehmen.

Das Gesetz stammt von 1995, als der rot-grüne Senat den LBK in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführen wollte, was ohne Rückkehrrecht nicht durchsetzbar gewesen wäre. Im Artikel 17 des Gesetzes steht sogar, dass Rückkehrer bis dahin erreichte Entgeltgruppen nicht verlieren dürfen.

Dieses Rückkehrrecht ist vor allem in den Servicebetrieben des LBK, die Asklepios ab Juli 2007 ausgliedern will, die letzte Rettung. Denn die ver.di-Verhandler hatten beim Tarifabschluss im Oktober dieses Jahres keine Beschäftigungssicherung gefordert, weil sie sich darauf verlassen hatten. Im Gegenzug hatten die Arbeitgeber auf Mehrarbeit verzichtet.

Doch nun haben die Betroffenen eine Einladung zu Informationsveranstaltungen erhalten, auf denen die Stadt »über die aktuelle Arbeitsmarktsituation in der Hamburgischen Verwaltung informieren« will. Das Problem scheint zu sein, dass die Stadt – anders als noch 1995 – geeignete Stellen für die Pfleger sowie die Handwerker und Angestellten der Servicebetriebe gar nicht mehr hat. Damit wäre aber die Gefahr, dass nach einer Rückkehr betriebsbedingte Kündigungen greifen, groß. Auch der besondere Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst der Hansestadt, der für Mitarbeiter mit mehr als 15 Dienstjahren gilt, wenn sie älter als 40 sind, hilft da wenig. Dies gilt nur, wenn die Stellen auch vorhanden sind.

Dass sich ver.di über den Tisch hat ziehen lassen, vermuten Aktive aus dem Marburger Bund ( MB ): Das Rückkehrrecht wäre zwar als politisches Instrument geeignet gewesen, Druck auf die Stadt zu entfalten. Aber den einzelnen Mitarbeitern gebe es keine echte Sicherheit. Ärzte sind aber bislang von Ausgliederungen kaum betroffen, deswegen will sich der MB nicht offiziell einmischen.

Ver.di-Sekretärin Hilke Stein glaubt indes, dass solche Kündigungen »juristisch nur schwer durchsetzbar« seien und wertet die Info-Veranstaltungen als »Panikmache«. Vor einer Kündigung sei die Stadt zu Qualifizierung verpflichtet, um Rückkehrern einen Job anbieten zu können. Dass es »im Einzelfall« zu Lohnminderungen kommen kann, wollte auch Stein nicht mehr auschließen.

Völlig verschwiegen zeigt sich derweil die Stadt. Sebastian Panknin, Sprecher der Finanzbehörde, lehnt Stellungnahmen »zum gegenwärtigen Zeitpunkt« ab. Zunächst müsse abgewartet werden, wie viele LBK-Mitarbeiter zurückkehren wollten.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=100099&IDC=42

[Dieser Artikel wurde aus einer längeren Originalfassung abgeleitet. Siehe dazu:
Hat sich ver.di über den Tisch ziehen lassen?]



VVN nennt NPD-Vorhaben gezielte Provokation

Mit einem breiten Aktionsbündnis, das von ganz links bis hin zu Mitgliedern der CDU reicht, dem sich aber auch Jugendverbände, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen und Turnvereine angeschlossen haben, will die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) einen für heute in Bremen angekündigten Aufmarsch der NPD verhindern.

Dass der NPD-Aufmarsch wenige Tage vor dem Jahrestag der Pogromnacht stattfinden soll, bezeichnete VVN-Landeschef Raimund Gaebelein als »gezielte Provokation«, die unbedingt verhindert werden müsse. Doch kommt es heute zu diesem Aufmarsch, wäre dies für die Weserstadt eine gefährliche Premiere, denn bisher konnte Derartiges in Bremen immer verhindert werden. Auch SPD, CDU und Grüne forderten deshalb in einem Dringlichkeitsantrag für die Bürgerschaft, den Senat und das zuständige Stadtamt dazu auf, »alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen, nach denen die geplante Demonstration der NPD versagt werden kann«. Sonst, so warnte SPD-Fraktionschefin Cornelia Wiedemeyer, wäre der »soziale Friede« in Gefahr.

Den NPD-Aufmarsch zu verbieten, dazu konnte sich das Stadtamt aber erst am Mittwoch dieser Woche entschließen und weil nach »aktueller Lagebeurteilung durch die Polizei« keine andere Möglichkeit gesehen wurde, die »erwarteten Sicherheitsstörungen« durch die Antifaschisten zu verhindern. Die NPD zog vor das Verwaltungsgericht, das schließlich am Donnerstagabend verkündete, dass solche Störungen durchaus und durch die Polizei »beherrschbar« wären. Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) hatte zuvor angegeben, nur 2300 Beamte zur Verfügung zu haben, weil Einsatzkräfte auch durch ein Fußballspiel von Werder Bremen gegen Energie Cottbus gebunden sind. Gestern wollte Röwekamp noch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen, mit dessen endgültiger Entscheidung erst heute zu rechnen ist.

Kritik am Innensenator kam unterdessen vom »Bündnis gegen Rechts«, weil die Verbotsinitiative des ihm unterstellten Stadtamtes nicht politisch, sondern nur mit einer Gefährdungsprognose begründet war. Die aber stand von vornherein auf wackeligen Füßen und gefährdete zudem auch die antifaschistischen Gegenaktionen, an denen sich heute vermutlich Tausende von Bremern, darunter auch Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), beteiligen wollen. Unbeliebt hatte sich das Stadtamt beim Bündnis auch schon zuvor gemacht, als es für die Gegenaktionen nur eine Demo-Route weit entfernt vom Nazi-Aufmarsch genehmigte.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland, 04.11.2006, Seite 5

Einen guten Beicht von der Aktion können Sie hier lesen



Projekt findet nicht nur Gegenliebe / Zweifel an avisierten Arbeitsplätzen

Hamburgs Hafen steht vor einem immensen Ausbau mit erheblichen Folgen für die Stadtentwicklung. Es sollen jedoch anderseits 16 000 Arbeitsplätze entstehen.

Die Containerumschlagskapazität im hanseatischen Hafen soll kolossal steigen – bis 2015 von rund 8,7 auf 21,3 Millionen Standardcontainer (TEU), bestätigte CDU-Wirtschaftssenator Gunnar Uldal dieser Tage im Hafen-Club. Bislang war selbst im von Optimismus geprägten Entwicklungsplan nur von 17,7 Millionen TEU die Rede. Doch die Erweiterung verläuft nicht ohne Widerstand, denn die neuen Kaimauern ragen gefährlich nah an einige Stadtteile heran, und auch der Bau einer Verbindungsautobahn zwischen der A 1 und der A 7 stößt auf heftige Gegenwehr.

Rund 800 Mitglieder zählt dieser Hafen-Club der Hafenwirtschaftsmanager, in dessen stilvollem Ambiente direkt an den St. Pauli Elbbrücken Uldall seine Pläne besprach. Einlass erhält hier nur, wer von drei der Refugiumsmitglieder vorgeschlagen wurde, denn bei edlem Wein und bestem Fisch wurde hier schon manche Grundsatzentscheidung für Hafen und Stadt diskutiert. Dass der Hafen wachsen muss, war hier noch nie umstritten. Mittelfristig soll er nun sogar, vorbei an Antwerpen und nach Rotterdam, EU-weit Platz zwei werden.

Wachsen werden vor allem die Containerterminals am Tollerort und am Burchardkai im mittleren Hafen, wo die Lärmbelästigung für die Bewohner auf der anderen Elbseite schon jetzt besonders groß ist und man das Dröhnen der Schiffsaggregate bis tief in die Nacht hört. 31 Bürger klagen deshalb gegen den Ausbau. Für die West-Erweiterung bei Eurogate soll zudem der alte Petroleumhafen zugeschüttet werden. Doch wenn die Terminals wachsen, müssen auch die Hinterlandanbindungen mithalten. Uldall geht davon aus, dass der Transport auf Schienenwegen bis 2015 von 190 auf 450 Güterzüge täglich steigen wird. [Anmerkung: in der Printausgabe im ND ist von jährlich die Rede. Das aber ist ein Fehler] Die Hafenbahnstrecke soll dafür mit einer neuen Süderelbe-Querung ausgebaut werden. Hinzu kommt die neue Verbindungsautobahn, die als Hafenquerspange auch den Stadtteil Wilhelmsburg tangiert, wo 50 000 Menschen wohnen. Das ist eines der ärmsten Viertel der Stadt, das schon durch zahlreiche Verkehrsachsen belastet ist. Aber die Bewohner des Stadtteils, der selbst eine Insel ist, sind kampfstark und haben schon manches Senatsprojekt auch wieder zu Fall gebracht.

Doch woher kommen Uldalls Umschlagsprognosen? Der Senator rechnete vor, dass sich das Frachtvolumen in allen EU-Seehäfen bis 2030 mehr als verdoppeln werde, laut einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts und der Berenberg Bank. Sei dies richtig, würde sich in den wichtigsten EU-Häfen der Containerumschlag sogar versechsfachen. Durch seine enge Anbindung an den Asienhandel will die Hafenwirtschaft davon besonders profitieren, woran der Bau eines neuen Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven nichts ändert.

16 000 neue Arbeitsplätze allein im Hafen verspricht sich Uldall von dieser Entwicklung. Doch Skeptiker wenden ein, dass auch die neue Containeranlage in Altenwerder, für welche die Stadt fast eine Milliarde Euro investierte und auch ein ganzes Elbdorf opferte, kaum neue Arbeitsplätze brachte. Die Anlagen sind hier so modern, dass der Mensch als Arbeitskraft eigentlich nur noch in der Funktion als Kapitän der riesigen Containerbrücken vorkommt. Alles andere übernehmen Computer.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland vom 01.11.06, Seite 10



CDU rutscht in der Wählergunst ab / Rechtspopulist sieht neue Chancen gekommen

Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ist die Hamburger CDU in der Gunst ihrer Wähler dramatisch abgestürzt.

Wäre am Sonntag Bürgerschaftswahl, käme die Partei von Bürgermeister Ole von Beust auf noch 35 Prozent, während die SPD mit 36 Prozent erstmals wieder an ihr vorbeiziehen würde. Für die Grünen gäbe es 14, für die FDP sechs und für die Linke aus PDS und WASG vier Prozent. Eine der Ursachen für diesen dramatischen Vertrauensverlust – bei der Bürgerschaftswahl 2004 erzielte die Regierungspartei noch 47,2 Prozent – ist dabei offenbar ihr Umgang mit den Volksentscheiden. So hatte die CDU erst kürzlich ein per Volksabstimmung eingeführtes neues Wahlrecht, mit dem die Bürger mehr Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten haben sollten, einfach wieder gekippt. Missachtet wurden Volksentscheide gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser und der staatlichen Berufsschulen. 70 Prozent der Wahlbürger finden das laut Umfrage »nicht in Ordnung«.

Doch nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Michael Greven ist der Erdrutsch auch ein Zeichen für die »Normalisierung im Politikbetrieb«. Nun werde die Koalitionsfrage wieder wichtiger. Selbst CDU-Strategen hatten innerparteilich schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es der Union im traditionell eher sozialdemokratisch geprägten Hamburg sehr schwer fallen werde, das Ergebnis von 2004 noch einmal zu wiederholen.

Damals gelang es dem Bürgermeister, die ehemaligen Schill-Wähler zu holen, nachdem der Rechtspopulist in sehr unappetitlicher Form von Beust als einen »Schwulen« geoutet hatte und daraufhin aus dem Senat herausflog. Ist es deshalb ein Zufall, dass nun die Springerpresse, die in der Hansestadt 80 Prozent des Zeitungsmarktes beherrscht, schon seit Wochen mit dem ehemaligen Justizsenator Roger Kusch, er hat inzwischen eine eigene Partei unter dem Namen »Heimat Hamburg« gegründet, eine neue rechtspopulistische Galionsfigur regelrecht aufbaut?

Gleich dutzendweise veröffentlichten die Springerblätter in den letzten Wochen jedenfalls Stellungnahmen, in denen sich dieser über angeblich »steigende Jugendkriminalität«, das »Drogenelend« oder auch »illegale Ausländerkinder« auslässt. Auch als neuer Koalitionspartner für die CDU hat sich dabei Kusch schon selbst ins Spiel gebracht.

Unterdessen bewertete Linkspartei-Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack das eigene Umfrageergebnis zurückhaltend positiv. Die Linke habe eine gute Chance, bei den Bürgerschaftswahlen 2008 ins Parlament einzuziehen, wenn es ihr gelinge, eigene Alternativen noch besser auszuarbeiten. Erneut soll deshalb Anfang November ein stadtpolitischer Kongress stattfinden.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland 01.11.06, Seite 4



Protest gegen Unterbringung in Blankenburg

Der Streik der rund 250 Bewohner in dem sieben Kilometer vor Oldenburg gelegenem Flüchtlingslager Blankenburg dauert nun schon 18 Tage. Ausgelöst durch schlechtes Essen werden seitdem die Kantine, aber auch die lagerinternen Ein-Euro-Jobs boykottiert.

Die Bewohner wollen mehr Geld, damit sich diese selbst verpflegen können. Angemahnt werden auch Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung sowie eine Unterbringung aller Flüchtlinge in gemeindenahen Wohnungen, was auf die Auflösung des Lagers zielt.

Dem aber steht Lagerchef Christian Lüttgau kompromisslos entgegen. Lüttgau hat in diesen Tagen gleich mehrere der vermeintlichen Streikführer in weit entfernte Flüchtlingslager strafverlegt. Doch damit konnte der Streik bisher nicht gebrochen werden, wie sich auch an den zahlreichen Demonstrationen quer durch Oldenburg zeigt. Gestern luden die Flüchtlinge die Bevölkerung zu einem »Tag der offenen Tür« – doch informiert werden musste dann doch draußen vor verschlossenen Toren.

Seit Tagen besetzen ganze Polizeieinheiten das Lager, angeblich um Flüchtlinge vor Flüchtlingen »zu schützen«. Eine bedrohliche Kulisse, die auf die schwarzafrikanischen Flüchtlinge besondere Wirkung hat. Denn diese werden schon seit Tagen für Vorführungen bei den Botschaften ihres tatsächlichen oder mutmaßlichen Heimatlandes gezielt herausgesucht.

Eingeschüchtert werden aber auch die anderen Flüchtlinge, denen Lüttgau das monatliche Taschengeld von rund 38 Euro teilweise entzog. Dies sei völlig unangemessen, sagten Vertreter von Flüchtlings- und Solidaritätsgruppen aus ganz Niedersachsen. Die Streikenden hätten »in keiner Weise gegen geltendes Recht« verstoßen, betonte Ronald Sperling vom »Antirassistischen Plenum in Oldenburg«, das auch Solidaritätsaktionen organisierte. Die »Meinungs- und Vereinigungsfreiheit« gelte auch für Flüchtlinge, unterstrich Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat.

Die Streikforderungen entsprechen ohnehin dem, was Menschenrechtsorganisationen schon seit Jahren fordern. So sei etwa die Umwandlung von Sach- in Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht nur möglich, sondern in etlichen Bundesländern auch schon Praxis. Unterstützung kommt dafür von Diether Dehm, Landeschef der Linkspartei, der auch will, dass die Flüchtlinge künftig eine Arbeitserlaubnis erhalten, damit sie ihren Lebensunterhalt in »regulären Arbeitsplätzen« selbst verdienen können.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland, 21. Oktober 2006, Seite 5



Recht auf Bildung: Hamburger Rektoren verweigern Herausgabe von Daten für Zentralregister

In Hamburg nimmt der Widerstand gegen ein neues zentrales Schülerregister (ZSR) zu, das die Bürgerschaft erst im letzten Jahr beschlossen hatte, um so von Verwahrlosung bedrohte Kinder besser zu schützen. Doch trotz dieser Absicht, hat bisher nur ein Drittel aller Schulen Daten abgeliefert. Ursprünglich sollte das Register schon Anfang Oktober komplett sein. Doch viele Lehrer verweigern die Herausgabe – um Schüler zu schützen.

Warum sich etliche Hamburger Schulleiter weigern, Daten für das geplante zentrale Schulregister herauszugeben, kam erst vor einigen Tagen heraus. Ein Rektor hatte sich anonym an das »Hamburger Abendblatt« gewandt.

Seit mindestens 15 Jahren werden demnach in etlichen Hamburger Schulen auch Kinder unterrichtet, deren Eltern keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Weil aber auch diese Kinder ein »Recht auf Bildung« haben, hätten er und seine Kollegen, die Kinder nicht bei der Ausländerbehörde gemeldet. Greife nun aber das neue Register, würden betroffene Eltern ihre Kinder wieder von der Schule nehmen, um nicht entdeckt und abgeschoben zu werden, befürchtete der Rektor.

Reihenweise schlossen sich daraufhin weitere Pädagogen dieser Stellungnahme an, die auf viele Hundert solcher Fälle aufmerksam machten. Scharf reagierte daraufhin Schulsenatorin Alexandra Dinges- Dierig (CDU), die nun am vergangenen Freitag alle Schulleiter schriftlich dazu aufforderte, illegale Schüler sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Eventuell würden sonst sogar disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Im Zweifel für die Kinder

Doch dem widersprechen nun fast 70 Vertreter von Kinder- und Flüchtlingsorganisationen, aus den Gewerkschaften und Kirchen, die in einem offenen Brief betroffene Pädagogen dazu aufforderten, sich im Zweifel für die Kinder zu entscheiden, also sie weder bei der Ausländerbehörde, noch im neuen Register zu melden. Empörte Christdemokraten, aber auch einige Spitzenpolitiker der SPD, wie etwa der Hamburger Fraktionschef Michael Neumann, sehen darin nun einen »Aufruf zum Rechtsbruch «.

Rechtspopulistische Töne

Schon zuvor hatte der frühere Innensenator Roger Kusch, der inzwischen eine eigene rechtspopulistische Partei gegründet hat, via Springerpresse die betroffene Pädagogen mit Kriminellen verglichen. Illegale Ausländerkinder müssten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch, was im Übrigen auch in ihrem eigenen Interesse wäre.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Karin Haas, widersprach dem scharf. Das »humanitäre Handeln« der Hamburger Lehrer sei durch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen gedeckt, die auch das bundesdeutsche Ausländerrecht nicht brechen könne, sagte Haas.

Ein Standpunkt, den auch der Menschenrechtsexperte Hendrik Cremer vertritt, der sich außerdem auf die Kinderrechtskonvention der UN bezog. Demnach bestehe das Recht auf Bildung auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Staatsangehörigkeit eines Kindes. Ähnlich argumentierte auch Antje Möller von den Grünen, die sich nun außerdem auf eine Empfehlung der so genannten Süssmuth- Kommission bezieht.

In dieser nach der CDU-Politikerin Rita Süssmuth benannten Zuwanderungskommission der Bundesregierung, waren auch unabhängigen Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass Lehrer nicht dazu verpflichtet werden könnten, den Aufenthaltsstatus ihrer Schüler zu ermitteln.

Quelle: Printausgabe des Neuen Deutschland, 09.10.2006, Seite 5



Airbus-Belegschaften werfen Management schwere Versäumisse vor

Belegschaftsvertreter aus allen deutschen Airbus-Standorten wollen gemeinsam gegen Standortschließungen und Personalabbau kämpfen. »Wenn einer von uns angegriffen wird, sind wir alle angegriffen«, betonte am Freitag Thomas Busch, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender auf dem Krisengipfel der Belegschaftsvertreter in Hamburg.

Eine Verlagerung der A 380 Produktion nach Toulouse werde nicht hingenommen. »Wenn jemand uns dieses Projekt wegnehmen will, wird er spüren, was Hamburg auf die Beine stellen kann«, sagte der Betriebsratschef des Hamburger Werks, Horst Niehus.

Kurzfristig setzen die Betriebsräte auf ein System von Arbeitszeitkonten, das, um branchentypische Auftragsschwankungen abzufangen, schon 2003 eingeführt wurde. Die Strukturprobleme müssten hingegen in einer gemeinsamen Steuerungsgruppe von Management und Belegschaftsvertretern besprochen werden. Dem schloss sich IG-Metall-Küste-Chefin Jutta Blankau an, die zudem eine »andere Unternehmenskultur« und mehr Risikomanagement forderte. Arbeitnehmer hätten immer wieder auf technische Probleme, die jetzt zu den Produktionsverzögerungen führten, hingewiesen. Doch solche Einwände habe das Management stets »vom Tisch gewischt«, weshalb zeitliche Fertigungsvorgaben unrealistisch blieben.

Fertigungsschwierigkeiten haben bei Airbus auch etwas mit der komplizierten Eigentümerstruktur des Mutterkonzerns EADS zu tun, der zudem von Rüstungsaufträgen der französischen, deutschen, spanischen und britischen Regierung vielfältig abhängig ist. So war die Verteilung von Produktionskomponenten auf weit entfernte Standorte, was erhebliche logistische und technische Koordinationsprobleme auslöste, stets auch eine Frage des Proporzes. Dazu kommen Eitelkeiten und Machtkämpfe im Management, das sich auch letzte Woche wieder wunderbar austobte.

Während der deutsche EADS-Co-Chef Tom Enders in Berlin gegenüber Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vom Erhalt aller deutschen Standorte sprach, erklärte in Paris der Franzose Christian Streiff, dass dies keineswegs sicher sei. Im Tausch für den Großraumjet A 380 könne Hamburg gegebenenfalls Produktionsanteile der Flugzeugtypen A 330 und A 340 übernehmen. Bisher war dafür nur der Verkaufsschlager A 320 im Gespräch, was aber in Frankreich auf heftigen Widerstand stieß. Für Analysten wird indes zunehmend unklar, ob der A 380 überhaupt noch die Phase einer Serienproduktion erreicht. 12 Milliarden Euro hat das deutsch-französische Prestigeprojekt schon an Entwicklungskosten verschlungen. Nun kommen weitere 5 Milliarden Euro hinzu, die an die Fluggesellschaften gezahlt werden müssen. Um das aufzufangen, müssten mindestens 400 Flugzeuggiganten mittelfristig verkauft werden. Bestellt sind aber erst 159. Großabnehmer wie Emirate Airline (43 georderte Maschinen) denken längst über einen Wechsel zu Boeing nach.

Der US-Konkurrent bietet ab 2009 eine überarbeitete Version des B 747 an, der dem Fassungsvermögen des A 380 weitgehend entspricht, aber billiger ist. So werden nun selbst in Hamburg Stimmen laut, die von einer Fehlplanung der Stadtregenten sprechen, die Industriepolitik mit Prestige verwechselt hätten.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=98287&IDC=3



Sparbeschlüsse des Verwaltungsrates zu Lasten der Beschäftigten

Der Verwaltungsrat des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS wollte gestern über das Sanierungsprogramm »Power 08« für die Flugzeugtochter Airbus entscheiden. Heute soll das Management informiert werden.

Mit einem rigorosen Sparprogramm will der Airbus-Mutterkonzern EADS den weltweit größten Hersteller von Passagierflugzeugen aus der Krise führen. Der Sanierungsplan, der seit Freitag im Verwaltungsrat diskutiert wird, soll nach Informationen der französischen Wirtschaftszeitung »Les Echos« auch Produktionsverlagerungen und -ausgliederungen für die 17 europäischen Airbuswerke mit ihren 57 000 Mitarbeitern vorsehen. So soll das Hamburger Werk, wo rund 12 000 Beschäftigte arbeiten, sein neues A380-Auslieferungszentrum im Tausch gegen Produktionsanteile am A320 schon wieder verlieren. Damit wäre auch die Landebahnverlängerung, die die Hansestadt nach jahrelangem Rechtsstreit mit Anrainern gerade erst durchgesetzt hat, überflüssig. Die A380-Produktion würde vollständig auf Toulouse konzentriert, wo die Konzernspitze heute Nachmittag 400 Top-Manager über Details des Sparprogramms informieren will.

Es regen sich bereits Proteste. In Toulouse fürchten Belegschaftsvertreter und die Gewerkschaft CGT einen Arbeitsplatzverlust für 1400 Mitarbeiter, weil hier die A320-Familie bisher 90 Prozent aller Bestellungen ausmachte. Widerstand gibt es aber auch in Hamburg, wo derzeit A380-Rumpfsegmente gebaut sowie der Innenausbau und die Endlackierungen für das mit bis zu 853 Sitzplätzen weltweit größte Passagierflugzeug erfolgen. Die Hansestadt hat für das Auslieferungszentrum zudem fast 800 Millionen Euro, vor allem für Flächenerweiterungen, investiert. Der frühere grüne Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch, der jetzt in der Wahlalternative WASG aktiv ist, spricht davon, dass sich die Hamburger Wirtschaftspolitiker haben abzocken lassen.

Auf die Einhaltung von Verträgen pocht Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal. Der CDU-Politiker forderte Anfang der Woche, dass der Bund direkt bei EADS einsteigt, um so deutsche Interessen besser zu sichern.

Selbst wenn es Uldall noch gelingt, einen GAU abzuwenden, dürften in Hamburg hunderte Arbeitsplätze zur Disposition stehen. Stellen sind zudem an den Produktionsstandorten Stade, Buxtehude und Nordenham gefährdet, die auf einer Streichliste der EADS-Manager stehen sollen. Bis zu 30 Prozent der Airbus-Produktionskapazitäten sollen an Fremdfirmen, mittelfristig auch in Niedriglohnländer wie Russland und China, ausgegliedert werden. So sollen die eigenen Kosten um jährlich etwa 2 Milliarden Euro sinken.

Doch diese Summe muss Airbus allein für Vertragsstrafen kalkulieren, die sich aus den Auslieferungsverzögerungen beim A380 ergeben. Softwareprobleme hatten nach Angaben von Airbus-Chef Christian Streiff dazu geführt, dass Produktionskomponenten nicht zusammenpassten. Verzögerungen gab es aber auch beim Langstreckenflugzeug A350 und beim Militärtransporter A400 M, weshalb CGT-Gewerkschafter vor Einsparungen von bis zu zehn Milliarden Euro bis 2011 warnen.

Analysten argumentieren, Airbus müsse billiger und effektiver werden, da sonst Fluggesellschaften wie Virgin Atlantic oder Air France zum Konkurrenten Boeing wechseln könnten. Dies zu prüfen, hat am Dienstag die Fluggesellschaft Emirates, die mit 43 Bestellungen für den A380 größter Kunde des Super-Airbus ist, schon angekündigt. Dies war eine Reaktion auf die Ankündigung weiterer Verzögerungen um zehn Monate bei der Auslieferung des A380. Das erste Exemplar wäre im August 2008 verfügbar.

Arbeitsplätze sind außer an den Produktionsstandorten auch in der Zuliefererindustrie in Gefahr. Die kleineren Firmen haben Entwicklungskosten häufig vorfinanziert, während Airbus erst nach Auslieferung der Flugzeuge zahlt. Branchenkenner spekulieren, dass Airbus europaweit die Anzahl seiner Zulieferer von gegenwärtig 10 000 auf rund 7000 senken will.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=97972&IDC=3



Chinas Regierungschef bei Wirtschaftskonferenz an der Alster

Chinas Regierungschef Wen Jiabao begann seinen Deutschlandbesuch gestern Abend passend in Hamburg. Denn der größte deutsche Seehafen nimmt eine wesentliche Rolle im europäisch-chinesischen Handel ein. Erst heute wird Wen Jiabao in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammentreffen.

Mit einer hundertköpfigen Delegation aus Wirtschaft und Politik reiste Wen Jiabao gestern Abend in Hamburg an. Die Hansestadt empfing den Ministerpräsidenten der Volksrepublik China feierlich zum Eröffnungsdinner der dreitägigen Wirtschaftskonferenz »China trifft Europa« im Festsaal des Rathauses. Neben Bürgermeister Ole von Beust (CDU) traten auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Handelskammerpräsident Karl-Joachim Dreyer als Festredner auf. Die Veranstaltung ist Teil dreiwöchiger Festwochen – unter dem Motto »China Time 2006« zum 20. Geburtstag der Städtepartnerschaft mit Shanghai.

Wen Jiabao sieht die Stadt als Drehscheibe für den deutsch-chinesischen Handel. Der hat sich bundesweit im ersten Halbjahr 2006 auf einen Warenwert von rund 42 Milliarden Euro gesteigert. Die Chinesen streben eine Ausweitung der Handelsbeziehungen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen an, erhoffen sich aber auch Anstöße für weitere Geschäfte im Logistik-, Petrochemie-, Energie- und Umweltbereich. Über Letzteres wird Ex-UN-Umweltdirektor Klaus Töpfer sprechen. Chinas Bedarf an Ressourcen wird ebenfalls ein Thema sein.

Mit Hamburgs Rolle als »Europas Tor für China« begründet Stadtrat Reinhard Stuth (CDU), der als »Außenminister« des Bürgermeisters gilt, die Veranstaltung. Mit Wachstumsraten von jährlich um zehn Prozent ist China gerade für Hamburger Kaufleute interessant, wo man auf eine lange Tradition in den Beziehungen blickt. Das erste chinesische Handelsschiff legte 1792 an, und als man anderenorts China gerade entdeckte, eröffneten dortige Kaufleute schon 1842 eine Handelsvertretung in Shanghai. Pionierarbeit, die sich bis heute auszahlt. Mehr als 700 Hamburger Unternehmen – darunter Beiersdorf und Airbus, aber auch Mittelständler – sind in der Volksrepublik engagiert. Die bringt es ihrerseits auf rund 400 Firmenfilialen in der Alster-Stadt, laut Senatsangaben mehr als in jeder europäischen Stadt. Das sind meist kleinere Handelsfirmen, aber auch Europazentralen chinesischer Großkonzerne wie Chinatex, Baosteel, Cosco und China Shipping. Sie beschäftigen insgesamt rund 1500 Mitarbeiter. Wichtigste Importgüter sind dabei Kleidung, Elektrogeräte, Maschinen und pharmazeutische Grundstoffe.

Dank des florierenden Handels boomt der Hamburger Hafen. Hier wird mehr als die Hälfte des deutschen Außenhandels mit China abgewickelt. Pro Jahr werden 2,2 Millionen Standardcontainer mit chinesischen Absender- oder Empfängeradressen umgeschlagen. Gerade die Zufuhr chinesischer Billigprodukte bringt hier Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent pro Jahr. Doch was für eine Hansestadt gut ist, bereitet der produzierenden Wirtschaft in ganz Europa wachsende Sorgen. Denn mit den Preisen der fernöstlichen Konkurrenz kann sie nicht mithalten. Und der Ausgleich durch die Erschließung Chinas als neuer Absatzmarkt wird von den Chinesen erschwert.

Doch Hamburg feierte den Jahrestag der Städtepartnerschaft mit Shanghai gestern mit einer »Nacht der Harmonie«, bei der auch Drachentänze um die Alster aufgeführt wurden. Der Norddeutsche-Affinerie-Chef Werner Marnette stiftete dafür einen 5,5 Meter hohen und sieben Meter langen Kupferdrachen, der nun drei Wochen auf einem Alsterponton über der Stadt wacht. Nach eigenen Angaben will Marnette ins chinesische Kupfergeschäft einsteigen. Ungeachtet der Wirtschaftsgespräche wird es bis Anfang Oktober auch rund 270 kulturelle Veranstaltungen geben.

Infos unter www.hamburg.de

Quelle: Nur Printausgabe des ND, 14.09.2006, Seite 10



Deutscher Standort ist keineswegs gesichert

Bricht Airbus sein Versprechen, ein Auslieferungszentrum für den A 380 in Hamburg zu bauen? Seit der neue Airbus-Chef Christian Streiff dieser Tage einen Einstellungsstopp für alle Airbus-Werke verkündete, grassiert in der Hansestadt dieses Gerücht.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hat bestätigt, dass die Gefahr »einer veränderten Arbeitsteilung zwischen Toulouse und Hamburg« bestehe, der er sich aber energisch widersetzen werde. Also kein Auslieferungszentrum für Hamburg? »Das wäre ein beispielloser Affront«, sagte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, Jens Kerstan. Er schoss sich Donerstagnachmittag schon mal auf den Senat ein. Dieser hätte dem Forderungsdruck der Airbus-Spitze in Toulouse immer wieder und zu schnell nachgegeben, kritisierte Kerstan und nannte die Landebahnverlängerung für das Airbus-Werk. Ultimativ hatte Toulouse diese gefordert, damit auch Frachtversionen des A 380 starten und landen könnten. Schärfer reagieren Naturschützer. Sie fordern einen sofortigen Baustopp.

Dass die Airbus-Spitzen für den Hamburger Standort keineswegs entschieden sind, hätte schon im Juni 2006 klar werden können. Damals gab der frühere EADS-Konzernchef Noël Forgeard auch Hamburg eine Mitschuld, dass Liefertermine nicht eingehalten werden konnten und Großkunden mehrere bestellte A 380 stornierten. Branchenkennern zufolge hatten auch Abstimmungsprobleme zwischen einzelnen Produktionsstandorten die Lieferengpässe verursacht. Streiff verkündete nun ein »A-380-Aufholprogramm«, doch wie die Produktion gestrafft werden soll, wird Ende September in Toulouse entschieden.

Dabei kostet allein die Landebahnverlängerung 60 Millionen Euro. Ihr Ausbau hat erst kürzlich begonnen, weil sich Anrainer jahrelang weigerten, ihre Grundstücke zu verkaufen. Weitere 750 Millionen Euro musste die Stadt zuvor für die Zuschüttung einer großen Elbbuchtung berappen, mit der zugleich ein großes Naturschutzgebiet (das Mühlenberger Loch) weitgehend vernichtet wurde. Grund waren die Pläne, neue Produktionshallen für die Endlackierung und Ausrüstungsmontage des A 380 zu bauen.

So hat Uldall Recht, auf Vereinbarungen mit der Konzernspitze zu pochen. Doch solche haben die Airbus-Manager schon einmal gebrochen, als sie nach der Zuschüttung etwa die Landebahnverlängerung zur Bedingung machten. Auch die ist nun erfüllt. Trotzdem ist in Toulouse nichts entschieden, wie Firmensprecher Arndt Hellmann gegenüber dem »Hamburger Abendblatt« bestätigte. Er gehe zwar davon aus, dass das Auslieferungszentrum komme, doch wo dem Spardruck nachgegeben werden könne, vermochte er nicht zu sagen.

Allein die Stornierungen hätten bei Airbus ein 300-Millionen-Euro-Loch gerissen, berichtete die französische Zeitung »La Tribune«. Kostendruck sei zudem entstanden, weil Boeing seinen Jumbojet 747-8 zu einem wirklichen Konkurrenzmodell zum A 380 ausgebaut hat. Ausführlich berichtete das Blatt auch vom Ausbau des neuen A-380-Auslieferungszentrum in Toulouse, das bald fertig gestellt werden könne. In Hamburg wird hingegen noch bis Juli 2007 allein an der Landebahnverlängerung gebaut.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96806&IDC=3



In Hamburg rührt sich Widerstand gegen den Ausbau des Hafens

Der Hafenpolitik des Hamburger Senats droht ein Rückschlag. Anwohner und Naturschützer erheben Einwände gegen das Großprojekt.

Wie jetzt bekannt wurde, klagen 31 Bürger gegen den Ausbau des Containerterminals am Burchardkai. Sie wohnen auf der anderen Elbseite und befürchten »unzumutbaren Lärm«. Der im Februar gefasste Planfeststellungsbeschluss, der städtische Investitionen von 60 Millionen Euro vorsieht, berücksichtige nicht, dass die Häuser denkmalgeschützt sind. Ein erster Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht ist für den 20. September anberaumt. Damit droht der gesamte Hafenentwicklungsplan, der ein milliardenschweres Investitionsprogramm vorsieht, zeitlich aus den Fugen zu geraten. Ungemach droht auch von Naturschutzverbänden, die Einwände gegen ein Genehmigungsverfahren zur Fahrrinnenvertiefung der Elbe angekündigt haben. Allein vom Bund kommen dafür Zuschüsse von 245 Millionen Euro.

Der Burchardkai ist die größte Anlage für Containerumschlag im Hamburger Hafen; 40 Prozent aller Stahlboxen werden hier abgefertigt. Jährlich heben 18 Containerbrücken 2,6 Millionen Standardcontainer (TEU) von über 5000 Schiffen über die Kaikante. Wie überall im Hafen soll hier die Umschlagskapazität erhöht werden – auf 5,2 Millionen TEU bis 2015 –, wofür die Kaimauern um 1100 Meter verlängert werden müssen.

Auf der anderen Elbseite liegen die Stadtteile Neumühlen und Övelgönne, wo man das Dröhnen der Schiffsaggregate und den schrillen Schrei der Van-Carrier schon jetzt Tag und Nacht deutlich hört. Der Lärmpegel liege bei 60 Dezibel, berichten Anwohner, die einen weiteren Anstieg befürchten, wenn der Kai verlängert wird. Vertreten durch die Anwaltskanzlei Mohr & Partner, die bereits Airbus-Gegner vertrat, wenden sie ein, dass es keine ausreichende Begründung für den Hafenausbau gebe.

Für die Wirtschaftsbehörde könnte dies ein großes Problem darstellen. Die Gesamtplanung, die auch drei weitere Großterminals, die Hafenbahn und die Autobahnzubringer umfasst, basiert auf erhofften künftigen Entwicklungen. Die Behörde rechnet mit Wachstumspotenzialen von jährlich 9,4 Prozent und verweist auf bisherige Entwicklungen im Warenverkehr und Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Nordrange-Häfen. Verwertbare Fakten stehen indes kaum zur Verfügung.

Ebenfalls nur auf vagen Prognosen fußt die Planung zur Vertiefung der Elbfahrrinne. Die weltweit größten Containerfrachter mit bis zu 9000 TEU an Bord und größerem Tiefgang wären schon bald normale Arbeitspferde, heißt es, doch bislang ist bei 13,50 Meter Schluss. Daher soll die Elbe in Hamburg ab 2007 für 347 Millionen Euro um 1,50 Meter ausgebaggert werden.

Nachweisbar sind hingegen Einwände des Naturschutzbundes (NABU), der auf Verschlackungen und für Fische tödliche Sauerstofflöcher schon nach der letzten Elbvertiefung von 1999 hinweist. Ein weiteres Ausbaggern erhöhe zudem die Sturmflutwasserstände, was die Deichsicherheit bedrohe, weil Forschungserkenntnisse über steigende Meeresspiegel nicht berücksichtigt seien, sagen die Naturschutzverbände.

»Wenn die Deiche brechen, säuft ein Drittel meines Wahlkreises ab«, warnt deshalb auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Magrit Wetzel aus dem Landkreis Stade. Doch solche Kritik aus Politikermunde ist bislang die Ausnahme. Denn am Hafen, so heißt es, hängen in der ganzen Region bis zu 154 000 Arbeitsplätze. Das verschlägt auch der Linken die Sprache, während die frühere Wählervereinigung Regenbogen milliardenschwere Hafeninvestitionen vor Jahren in Frage stellte. Fast eine Milliarde Euro waren damals in eine supermoderne Containeranlage auf Altenwerder geflossen. Doch gerade weil sie so modern ist, gibt es dort ganze 280 Arbeitsplätze.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96510&IDC=3



Hamburg: Neues Wohnungsbauprogramm, das Armen kaum hilft, bezahlbaren Wohnraum zu finden

In Hamburg hat der Senat am Freitag ein neues Wohnungsbauprogramm gestartet. Wie Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU) versprach, werden demnach bis Mitte nächsten Jahres 2000 zusätzliche Wohneinheiten entstehen.

Gebaut werden die Miet- und Eigentumswohnungen durch den Verband Norddeutscher Wohnungsbauunternehmer (VNW) und den Landesverband freier Immobilien- und Wohnungsbauunternehmer (BFW). Die Stadt ist mit eigenen Grundstücken beteiligt, die sie mit Preisabschlägen auf den Bodenpreis von 10 bis 25 Prozent zur Verfügung stellt. Für energiesparende Bauvorhaben soll es zudem zinsverbilligte Baudarlehen geben.

Kinderlose erhalten Kinderzimmerzulage

Ab sofort werden auch die Darlehenskonditionen für den Erwerb von Eigentumswohnungen verbessert. Selbst kinderlose Paare können jetzt eine Kinderzimmerzulage von bis zu 10 000 Euro erhalten, die außerdem als Eigenkapitalersatz anerkannt wird. Auf eine Familie mit drei Kindern kommt ein Zuschlag von 25 000 Euro.

Mit der »wohnungspolitischen Offensive« für eine »wachsende Stadt« erntete Freytag indes nicht nur Zustimmung, denn die neuen Wohnungen werden, trotz der Unterstützung durch die Stadt, bei einem Preis von 7,50 bis 8,50 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete liegen. Ein Teil der Wohneinheiten soll zudem als Eigentumswohnungen entstehen. Das aber mindere die Probleme sozial Benachteiligter nicht, eine bezahlbare Wohnung zu finden, kommentierte denn auch Christiane Schneider vom Vorstand der Linkspartei.PDS das neue Programm. Schneider forderte die Umwidmung des Programms in Richtung mietpreisgebundener Sozialwohnungen. Von den derzeit 130 000 noch vorhandenen Sozialwohnungen, würden 25 Prozent bis 2011 aus der Mietpreisbindung herausfallen, rechnete Schneider vor. Mitte der 1970er Jahre verfügte Hamburg noch über 400 000 Sozialwohnungen.

Auf dieses Entwicklung machte zum Wochenende auch Landespastorin Annegrethe Stoltenberg aufmerksam, die erstmals »wohnungspolitische Eckpunkte« des Diakonischen Werks vorlegte. Ausgewertet wurden dafür die Erfahrungen von Mitarbeitern in rund 800 diakonischen Einrichtungen der Stadt, die Fachreferent Dirk Hauer zusammentrug.

4000 »Aufforderungen« zum Umzug

Demnach wird es nicht nur für die 5000 Obdachlosen oder die Bewohner in den Notunterkünften immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch für die Frauen in den Frauenhäusern oder betreute Migranten hätten die Sozialarbeiter mit ihren Bemühungen oft keinen Erfolg. Zudem seien in den letzten sechs Monaten 4000 Empfänger des Arbeitslosengeldes (ALG) II zum Umzug in »angemessene« Mietwohnungen aufgefordert worden. Doch auch Wohnungen, die den Mietobergrenzen für ALG II-Bezieher entsprechen, gäbe es kaum. Nicht gedeckt sei auch der Bedarf an kostengünstigen, barrierefreien Wohnungen, weshalb auch das Programm zur Ambulantisierung der Behindertenhilfe in Gefahr geriete.

Als wachsende Stadt benötige Hamburg jedes Jahr 2900 neue Mietwohnungen, hatte erst kürzlich eine Studie der Landesbausparkasse ergeben. Tatsächlich werden jährlich aber nur 1500 gebaut. Druck auf den Mietwohnungsmarkt geht nach dieser Studie auch von der Umwandlung zahlreicher Wohnungen in Eigentumswohnungen aus. Deshalb sei das Sonderprogramm von Senator Freytag auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, bemerkte Stoltenberg. Mit dem Bibelzitat des Propheten Jesaja »Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus«, unterstrich die Landespastorin ihren Appell an Politik und Wohnungswirtschaft, den Bestand an Sozialwohnungen zu sichern. Zudem müssten auch die Mietobergrenzen für Erwerbslose und Sozialhilfebezieher an den tatsächlich gegebenen Mietspiegel angeglichen werden.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96084&idc=3&db=O2P



Opposition und Gewerkschaften gegen geplanten Verkauf von Heimen

Um die Haushaltskasse zu entlasten, will Hamburg alle städtischen Pflegeheime an die Berliner Vitanas Gruppe verkaufen.

Hamburgs Senat will heute über den Verkauf aller zwölf bisher vom städtischen Unternehmen »pflegen & wohnen« (p & w) betriebenen Pflegeheime entscheiden. Offenbar soll die Berliner Vitanas Gruppe den Zuschlag erhalten. Betroffen davon sind 2800 Heimbewohner und 1600 Mitarbeiter. Für sie soll es keine Nachteile geben, hatte Hamburgs Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) schon vor Wochen betont. Trotzdem herrscht bei Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di Alarmstimmung. Hier fürchtet man schlechtere Arbeitsbedingungen und Qualitätsverluste in der Pflege.

Berechtigt, denn als Vitanas kürzlich drei Heime des Deutschen Roten Kreuzes in Schleswig-Holstein aufkaufte, wurden den Mitarbeiter dort sofort neue Arbeitsverträge aufgedrängt und ein Überleitungstarifvertrag abgelehnt. Gegenüber ND begründeten Mitarbeiter ihre Angst mit den Renditeansprüchen privater Pflegeunternehmen von etwa zehn Prozent. Bei Einhaltung bisheriger Qualitätsstandards seien nur drei bis vier Prozent möglich.

Dass die Pflegeheime zur Haushaltsentlastung privatisiert werden, entschied die Bürgerschaft schon im Juli 2003. Dem stimmten auch die Oppositionsparteien SPD und Grüne zu. Mehrfach hatte die Stadt zuvor Zuschüsse erbringen müssen, weil die Einnahmen nicht die Kosten trugen. Das aber sei selbst verursacht, sagen p & w-Mitarbeiter gegenüber ND, denn als der Träger 1997 zu einer »Anstalt öffentlichen Rechts« wurde, wären ihm Altlasten wie Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten einfach aufgebrummt worden. Aus den Pflegesätzen sind solche Kosten aber nicht zu tragen, so dass die Schuldenlast schließlich auf 347 Millionen Euro stieg.

Die Schulden verblieben aber nach einem Verkauf bei der Stadt, sonst ließen sich die Heime nicht veräußern. Weitere 37,8 Millionen Euro mussten zudem für dringende Sanierungsmaßnahmen aufgebracht werden. Trotzdem rechnet niemand mit einem Verkaufspreis oberhalb von 70 Millionen Euro, denn der Investitionsstau liegt für die Heime und die teils maroden Gebäude in einem dreistelligen Millionenbereich. Den zu bewältigen soll Sache des Käufers sein. Doch ob Vitanas das alleine kann, ist zweifelhaft. Zwar betreibt das Unternehmen allein in Berlin rund 25 Seniorencenter, weitere Einrichtungen auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen, doch die Mitarbeiterzahl würde sich beim Kauf der Hamburger Heime schlagartig um rund zwei Drittel erhöhen. 2370 Mitarbeiter zählt das Unternehmen bisher, das 2005 einen Jahresumsatz von 104 Millionen Euro machte. Deshalb ist nun ein Kaufkonsortium gemeinsam mit dem Hamburger Immobilienunternehmer Jacob Jürgensen im Gespräch. Dieser würde die Gebäude übernehmen, während sich Vitanas auf den reinen Pflegebetrieb konzentrieren würde.

Doch Kritik erntet auch dieses Modell. So forderte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, dass statt über einen Verkauf über Minderheitsbeteiligungen nachgedacht werden müsse. Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wachse ständig, weshalb die Stadt Steuerungspotenziale nicht vollständig aus der Hand geben dürfe. Das aber hatte die Linkspartei schon 2003 gefordert, als Kienscherfs Fraktion der Privatisierung noch zustimmte.

Doch trotz dieser Kurswende rechnet der Senat nur mit verhaltenem Widerstand gegen den Verkauf. Schon jetzt sind in der Stadt 80 Prozent aller Pflegedienstleistungen privatwirtschaftlich organisiert. Es war ein schleichender Prozess, in dem immer mehr Bereiche privatisiert wurden. Auch ver.di-Landeschef Wolfgang Rose hat das inzwischen offenbar akzeptiert, wenn er darauf hinweist, dass die 1600 p & w-Mitarbeiter nach dem Verkauf für ein halbes Jahr ein Rückkehrrecht in einen staatsnahen öffentlichen Bereich haben. Doch das will der Senat nicht, weshalb er in den Kaufvertrag auch eine Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter bis 2009 hineinschreiben möchte.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=95788&IDC=3