28. September 2007

Weichenstellungen für Bürgerschaftswahl im Februar 2008

Dem Hamburger Landesverband der Partei DIE LINKE steht am Wochenende ein schwieriger Parteitag bevor. Denn unter dem Tenor »Hamburg für alle – sozial, ökologisch und solidarisch« geht es um wichtige Weichenstellungen für die Bürgerschaftswahlen im Februar 2008.

Heftig umstritten ist bisher fast alles: die Liste der Bürgerschaftskandidaten, aber auch das Wahlprogramm. Besonders erregt ist die Debatte schon im Vorfeld über ein neues »Landesprogramm Arbeit«, mit dem die LINKE möglichst viele Erwerbslose in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bringen will. Abseits der von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bisher geförderten Ein-Euro-Jobs – im Rahmen eines »öffentlich geförderten«, aber privat organisierten Beschäftigungssektors.

Ausgerechnet die parteiinterne Erwerbslosenarbeitsgemeinschaft »Arbeit und Armut« lehnt dieses Programm grundsätzlich ab. Sie argumentiert, dass unter der Geltung des Sozialgesetzbuches II auch Arbeitsgelegenheiten nach der sogenannten Entgeltvariante zu einem »staatlich exekutierten Arbeitszwang« führen würden. »Arbeitsgelegenheiten bleiben eben Arbeitsgelegenheiten«, so AG-Sprecher Wolfgang Joithe, der damit auf die fehlenden Arbeitsverträge, auf die Rechtlosigkeit der Beschäftigten, auf das niedrige Lohnniveau und die Perspektivlosigkeit solcher Maßnahmen verweist. Bemängelt wird zudem, dass jeder, der dafür Zuschüsse aus der Bundesagentur für Arbeit annehme, damit auch die »Repressionsspirale« des SGB II hinnehmen müsse.

»Sonst gibt es nämlich aus Nürnberg kein Geld«, sagt auch der Soziologe Thomas Meese. Statt über einen zweiten oder dritten Arbeitsmarkt, rät er der Linken über die Schaffung neuer Stellen im öffentlichen Dienst zu diskutieren. Denn es gebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturbereich genügend Arbeit.

Kurz- und mittelfristig sei das aber kaum durchsetzbar, sagt dazu Parteisprecher Björn Radcke. Er forderte nun Kompromisslösungen, denn auch die Programmkommission sieht ihre Formulierungen »nur als Übergangsstufe zu einer Ausweitung öffentlicher Dienstleistungen«. Doch einschränkend heißt es in ihrem Papier, dass die eigentliche Aufgabe des öffentlichen Dienstes eben nicht darin liege, beschäftigungspolitische Aufgaben zu übernehmen. Ohne freie Träger ginge es deshalb nicht.

Um diesen nun aus dem zunehmenden Wettbewerbdruck herauszuhelfen, müssten sie ebenfalls aus Landesmitteln gefördert werden. Doch über die Vergabe solcher Maßnahmen, lautet der nächste Einspruch, werde gar nicht in Hamburg, sondern in den Regionalagenturen und nach Maßgabe des Preises einer Maßnahme entschieden.

Insgesamt liegen dem Parteitag 76 Änderungsanträge zum Entwurf des Wahlprogramms vor. Konflikte gibt es dabei auch zu bildungs-, hochschul- und kulturpolitischen Fragen. Die Antragskommission plädiert deshalb dafür, dass diese Streitfragen auf dem Parteitag zwar diskutiert, aber nicht entschieden werden.

Damit wäre der Zoff freilich nicht vom Tisch. Denn schon um Platz eins der Landesliste zur Wahl deutet sich seit Tagen eine Kampfkandidatur zwischen der Ex-Sozialdemokratin und früheren schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten Dora Heyen und der zum linken Parteiflügel gehörigen Iranerin Zaman Masudi an. Nicht weniger heftig wird um die Plätze zwei bis acht gekämpft, denn diese gelten bei einem Wahlergebnis von sieben bis acht Prozent als relativ sichere Tickets ins Parlament. Das zu glätten, wird auch für Parteichef Oskar Lafontaine keine leichte Aufgabe sein. Er will bereits am Samstagmittag zu den 130 Delegierten sprechen.

Verwendung: Neues Deutschland vom 28. September 2007
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