15. Dezember 2007
Gespräch mit Olaf Harms zu den Bürgerschaftswahlen in Hamburg
Für die Bürgerschaftswahlen am 24. Februar 2008 kandidierst Du auf Platz 10 der Kandidatenliste der LINKEN. Mit Rücksicht auf die Föderation der türkischen Arbeitervereine (DIDF) hattest Du darauf verzichtet, für Platz 6 der Liste zu kandidieren. Warum geschah dies und wie bewertest Du dein eigenes Ergebnis?
Die Hamburger LINKE hatte schon vor Monaten signalisiert, dass sie mit offenen Listen antreten will. Allerdings sah sich der Vorstand nicht dazu in der Lage, einen Personalvorschlag für die Delegierten des Wahlparteitages zu unterbreiten. So gab es viele Bewerber. Wir hatten verdeutlicht, dass wir uns nicht auf Konkurrenzkämpfe mit anderen Gruppen einlassen werden. Die DIDF ist eine große Migrantenorganisation und sie gehört zu unseren Bündnispartnern.
Was mein Ergebnis anbetrifft, so will ich unterstreichen, dass dies das Resultat der Arbeit unserer gesamten Bezirksorganisation ist. Es zeigt, dass unsere Genossen in ihrer Tätigkeit, insbesondere in den Stadtteilen, anerkannt sind. Dass wir nach 1989 an einer eigenständigen Kommunistischen Partei festhielten und dann das Profil kommunistischer Politik in harter Arbeit wieder schärften, das wird heute auch von den LINKEN anerkannt.
Antikommunistische Ressentiments gab es nicht?
Auf dem gesamten Wahlparteitag gab es keine Äußerung, die in diese Richtung wies. Etliche Delegierte setzten sich sogar dafür ein, dass die DKP auf der Kandidatenliste vertreten ist. Diesen Standpunkt hat die Listen-Erste Dora Heyenn auch auf unserer eigenen Bezirkskonferenz unterstrichen. Sie sagte, dass ihr die Zusammenarbeit auch deshalb sehr wichtig sei, weil die DKP als marxistisch-leninistische Partei Aufgaben hätte, die von der LINKEN gar nicht übernommen werden könnten.
Nach Meinungsumfragen liegt die LINKE bei sieben bis acht Prozent. Werden es 8,3 Prozent, steht die Chance nicht schlecht, dass du selbst in die Bürgerschaft einziehst.
Das ist für mich nicht entscheidend. Viel wichtiger ist es, dass überhaupt eine linke Fraktion in das Rathaus einzieht. Bei 5 Prozent wären es sechs Abgeordnete. Darunter ein guter Vertreter der Erwerbsloseninitiativen und Aktive aus Betrieb und Gewerkschaft.
Für die DKP wäre es doch aber von Bedeutung, wenn auch ein Kommunist in die Bürgerschaft zöge. So wie in die Bezirksversammlungen von Wandsbek und Harburg. Denn hier kandidieren DKP-Mitglieder schon ab Platz 3 der jeweiligen Listen.
Ein Kommunist in der Bürgerschaft – das wäre natürlich von Bedeutung. Doch lass uns darüber diskutieren, wenn es der Fall sein sollte. Zu den Bezirken möchte ich ergänzen, dass wir auch in Altona gute Chancen haben, mit einer Genossin in das Bezirksparlament einzuziehen. Für uns ist das eine große Chance. Denn diese Genossen benötigen dann die feste Einbindung und die Unterstützung ihrer Wohngebietsgruppen. So könnten wir unser kommunalpolitisches Profil deutlich schärfen.
Was wäre daran das Spezifische?
Sich, wie es Lenin sagt, um das Teewasser zu bekümmern. Also um die Alltagssorgen der Menschen. Diese müssen wir mit den außerparlamentarischen Bewegungen und den dortigen Kämpfen verbinden. Es reicht nicht aus, wenn die SPD zum Beispiel fordert ein kommunales Stadtwerk zu gründen und das dann als Großkunde bei den Energieversorgungsunternehmen auftritt. Die Energiepreise werden sich nur senken lassen, wenn auch die Versorgungsunternehmen wieder in staatlicher Hand sind. Hier verknüpfen sich die Interessen der Belegschaften mit denen der Konsumenten. Zudem gilt: Nur mit dem Druck der Straße, werden wir in den Parlamenten etwas erreichen.
Wie und mit welchen Schwerpunkten wird die DKP Wahlkampf betreiben?
Wir unterstützen den Wahlkampf der LINKEN. Gleichzeitig entwickeln wir eigene Aktivitäten und geben auch eigene Materialien heraus. Inhaltlich geht es um jene vier Punkte, die auch im Sofortprogramm der LINKEN betont werden: Der Kampf für mehr Demokratie und gegen den Abbau demokratischer Rechte. Zum Beispiel bei den Volksentscheiden. Der Kampf gegen weitere Privatisierungen und für die Rekommunalisierung privatisierter Bereiche. Dann der Bereich Arbeit und Soziales. Wir sagen:Hartz IV muss weg. Kompromisse kann es da nicht geben. Bis dies erreicht ist, fordern wir eine Anhebung des Regelsatzes auf mindestens 500 Euro. Alternativen zu der auf Ausgrenzung und Selektion gerichteten Bildungspolitik des Hamburger CDU-Senats, bilden den vierten Schwerpunkt.
Als DKP werden wir außerdem friedenspolitische und antifaschistische Positionen betonen. Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Hamburg ist eine Rüstungsmetropole. Wir sagen: Rüstung vernichtet Arbeitsplätze, ist eine gigantische Verschwendung öffentlichen Vermögens. Im antifaschistischen Bereich kämpfen wir gegen den Einzug der DVU in das Landesparlament. Deshalb haben wir im Hamburger Bündnis gegen Rechts den Aufruf Keine Stimme den Nazis mit initiiert. Als Erstunterzeichner konnten bekannte Schauspieler, Fußball-Kicker, zahlreiche Wissenschaftler, aber auch etliche Gewerkschafter und Betriebsräte gewonnen werden. So soll ein Klima entstehen, in dem die Nazis keine Chance haben, ihre rassistischen Aktivitäten zu entfalten.
Warum hat es sich die DKP eigentlich so schwer gemacht, die LINKE zu unterstützen? Die Entscheidung fiel ja erst nach Aufstellung der Kandidatenlisten.
Das kann ich so nicht akzeptieren. Denn schon im Dezember 2006 haben wir politische Kriterien erarbeitet. Selbst nicht zu kandidieren und stattdessen die LINKE zu unterstützen, das haben wir davon abhängig gemacht, ob es ihnen gelingt, klare Position gegen die Privatisierungen, für die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen, für eine konsequente Oppositionspolitik zu finden. Wir mussten ja berücksichtigen, dass es eine neue Partei mit zahlreichen neuen Mitgliedern ist. Wir wollten dann schon abwarten, wie sich diese positionieren. Denn eines ist doch auch klar: Wäre es so wie in Berlin, dann hätte es die Unterstützung der DKP nicht gegeben.
Wahlumfragen besagen, dass Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nur abgelöst werden kann, wenn nach den Wahlen alle Oppositionsparteien bei der Bürgermeisterwahl zusammen stehen. Wie ist deine Haltung zu diesen Fragen?
Das halte ich für abwegig. Es widerspräche zudem den Beschlüssen der Linkspartei. Selbst wenn eine linke Fraktion das Zünglein an der Waage wäre, so geht es doch auch dann um inhaltliche Fragen. Ich sehe die Aufgabe einer solchen Fraktion eher darin, die Finger in die Wunden der Regierungspolitik zu legen und aus der Opposition heraus Veränderungen zu bewirken.
Die SPD hat aber gerade ein Wahlprogramm beschlossen, wo man meinen kann, es sei bei den LINKEN abgeschrieben.
Links blinken, heißt noch nicht links zu handeln. Wenn SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann nun bestimmte Positionen übernimmt, dann ist das ein erster Erfolg. Doch bisher ist es nur Wahlkampfgetöse. Denn wenn die SPD ihre Politik tatsächlich korrigieren möchte, dann könnte sie schon jetzt entsprechende Anträge in die Bürgerschaft einbringen. Zum Beispiel für die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs und deren Ersatz durch reguläre Arbeitsplätze.
Verwendung: Wochenzeitung Unsere Zeit vom 15.12.07, Seite 2
13. Dezember 2007
Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft arbeitet sich nach anfänglichen Fehlern in die Parlamentsarbeit ein. Ein Gespräch mit Peter Erlanson
Peter Erlanson ist Vorsitzender der Fraktion »Die Linke« in der Bremischen Bürgerschaft
Ihre Fraktion sorgt gegenwärtig vor allem für Negativschlagzeilen. Vor allem in der taz ist von Machtkämpfen und davon die Rede, daß Ihre Fraktion bereits zerrissen und damit paralysiert sei. Stimmt das?
Wo gearbeitet wird, da werden Fehler gemacht. Das will ich für die Bremer Linke und auch für unsere Fraktion keineswegs abstreiten. Doch das, was jetzt an Vorwürfen kommt, ist so an den Haaren herbeigezogen, daß es mit der Realität kaum noch etwas zu tun hat. Sind wir etwa paralysiert, wenn wir zum Beispiel am Donnerstag eine große Solidaritätsveranstaltung mit Beschäftigten aller städtischen Kliniken gegen die Teilprivatisierung der Krankenhäuser machen? Sind wir zerrissen, wenn wir das Thema vorher schon in die Bürgerschaft gebracht haben? Ähnlich läuft es in anderen Fragen, die wir als linke Fraktion bereits in den ersten sechs Monaten unserer Repräsentanz in dieser Bürgerschaft bearbeitet oder angestoßen haben. Zum Beispiel die Schulbeihilfen und das Sozialticket für Bezieher von Arbeitslosengeld II, das wir fordern. Stolz bin ich darauf, daß unter unserem Druck die Zahl der Zwangsumzüge für Hartz-IV-Empfänger deutlich reduziert werden mußte. Ohne unsere Fraktion hätte es bis heute keine Öffentlichkeit bei den Ausschuß- und Deputationssitzungen gegeben. Gerade für Initiativen ist das von besonderer Bedeutung! Die Fraktionsarbeit läuft also gar nicht so schlecht.
Doch warum dann diese Medienschelte?
Die taz hat uns vorgeworfen, wir seien mit dem Versprechen angetreten, alles anders oder besser zu machen. Dieses Versprechen hätten wir nicht eingelöst. Wir streiten für eine andere Politik aber, daß wir die besseren Menschen sind, die keine Fehler machen, haben wir nie gesagt. Wir befinden uns in einem Lernprozeß. Jede und jeder einzelne Abgeordnete, die gesamte Fraktion. Daß uns die taz als kritische Zeitung diesen Prozeß nicht zubilligt, finde ich schade. Sie sieht ihre Aufgabe offenbar nur darin, auf uns einzuhauen.
Wie erklären Sie sich das?
Wenn es um Konflikte geht, bei denen auch Emotionen und menschliche Zerwürfnisse auftreten, dann besteht bei Journalisten oft ein besonderes Interesse. Vielleicht gilt das für kleinere Zeitungen in besonderer Weise. Also mal den Bohrer herauszuholen und zu zeigen: Seht her, wenn wir wollen, dann können wir das und das mit euch machen. Richtig nachvollziehen kann ich einen solchen Ehrgeiz nicht.
Wie ging es Ihnen, als Sie am Freitag letzter Woche die von der taz erhobenen Vorwürfe auch im Neuen Deutschland (ND) nachlesen konnten?
Das ND will keine Parteizeitung sein, sondern versteht sich als Blatt, das dem kritischen Journalismus verpflichtet ist. Das nehme ich ernst und das respektiere ich auch. Doch bei allem Respekt: Was da jetzt abgeliefert wurde, das hat mit kritischem Journalismus nichts zu tun. Das war üble Nachrede. Ich frage mich, warum tun die das? Nicht nur wir sind ja die Geschädigten, sondern auch die Wahlkämpfer in Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Oder sollte die Botschaft sein, daß die Westlinke einfach zu blöde ist, um kluge Parlamentsarbeit zu betreiben?
Hat nicht auch Ihre Fraktion Fehler gemacht?
Etliche! Ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Doch andererseits ärgert es mich schon, wenn jetzt einige so tun, als hätten sie den Stein der Weisen bereits gefunden also, wie man linke Oppositionspolitik in einem westdeutschen Landesparlament optimal betreibt. Wir wollten in dieses Parlament, um dort Sprachrohr für die außerparlamentarischen Bewegungen und für die Interessen unserer Wähler zu sein. Doch wir sind allesamt keine Berufspolitiker. Wir kommen aus Initiativen, aus Gewerkschaften und Betriebsräten. Das aber bedeutet, daß wir das eine oder andere auch noch lernen müssen. In Bremen führen wir regelmäßige Plenumsveranstaltungen durch. Dort kann jeder einzelne, auch wenn er nicht zur Linken gehört, durchaus auf die Inhalte unserer Parlamentsarbeit Einfluß nehmen.
Wie wollen Sie die Öffentlichkeitsarbeit Ihrer Fraktion verbessern?
Zugespitzt gesagt, gibt es auf dem Bremer Zeitungsmarkt die taz und den Weser-Kurier. Darüber verstärkt nachzudenken, wie wir unsere Wähler vielleicht auch direkt erreichen können, wäre deshalb eine lohnenswerte Aufgabe.
[Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 13. Dezember 2007. Lesen Sie deshalb auch die anderen beiden Artikel dieser Seite: Die Linke in Bremen und Kleine Schwächen. Die gesamte und gestaltete Zeitungsseite können Sie sich hier auch als PDF-Datei herunterladen.]
Verwendung: Junge Welt vom 13. Dezember 2007
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19. November 2007
Ausstand bei der Bahn im Hamburger Hafen deutlich zu spüren. Docker solidarisch. Ein Gespräch mit Detlef Baade
Detlef Baade ist Betriebsrat bei Eurogate Hamburg und ver.di-Schwerbehindertenvertreter
In der vergangenen Woche hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für mehrere Tage den Güterverkehr lahmgelegt. Wie hat sich das im Hamburger Hafen ausgewirkt?
Der Hamburger Hafen wird jeden Tag von etwa 35 Hochseeschiffen angelaufen. Rund 6000 Container werden täglich per Bahn umgeschlagen. Das sind fast 30 Prozent der Gesamtmenge. Insofern war der Streik deutlich zu spüren, denn von täglich 200 Güterzügen ist fast die Hälfte ausgefallen. Schwierigkeiten gab es vor allem bei den Exportcontainern, also bei jenen, die auf die Schiffe verladen werden. Da etliche Container zu spät geliefert wurden, blieben sie stehen. Doch unsere Terminals werden inzwischen von etwa 50, meist privaten Eisenbahnunternehmen angefahren. Und mit Hilfe dieser Privaten, die einen Marktanteil von etwa 50 Prozent haben, gelang es den Unternehmen, Gassen zu schlagen. Würde die GDL zu längeren Streikaktionen aufrufen also zu solchen, die über drei Tage hinausgehen dann wäre so etwas kaum noch möglich, und nicht nur der Hafen, sondern auch die Zulieferbetriebe kämen in arge Bedrängnis.
Wie haben die Hafenarbeiter den Streik erlebt? Gab es Verständnis und Solidarität?
Die große Mehrzahl unserer Kollegen hat großes Verständnis für diesen Streik. Da gab es viele und meist spontane Äußerungen der Solidarität. Auch unter den ver.di-Vertrauensleuten spüren immer mehr Kollegen, daß wir als Gewerkschaft mit diesem Streik der Lokomotivführer solidarisch sein müssen. Durch Aktionen, aber auch in der Aufklärung der Öffentlichkeit. In unserem Betrieb haben wir das auf einer Vollversammlung der Vertrauensleute bereits diskutiert.
Die ver.di-Spitze argumentiert aber doch, daß dieser Streik nur der Versuch sei, Einzelinteressen auf Kosten anderer durchzusetzen.
Es wäre natürlich viel besser, wenn sich auch die Kollegen der Gewerkschaft Transnet diesem Arbeitskampf anschließen würden. Das gäbe der Sache viel mehr Kraft. Angesichts des Reallohnverlustes, den die Triebwagenfahrer und das übrige Fahrpersonal in den vergangenen Jahren hinnehmen mußten, und angesichts des unverschämt niedrigen Lohnniveaus ist dieser Arbeitskampf mehr als gerechtfertigt. Denn von Arbeit muß man leben können. Zudem verteidigen die GDL-Kollegen ja auch unser Streikrecht. Ist dieses demokratische Grundrecht erst einmal eingeschränkt, dann sieht nicht nur die GDL ziemlich alt aus, sondern wir alle.
Sehen Sie nicht die Gefahr einer dauerhaften Spaltung der Gewerkschaften, wenn für immer mehr Berufsgruppen Sondertarifverträge ausgehandelt werden?
Die Tarifgemeinschaft muß auch bei der Bahn langfristig wiederhergestellt werden. Doch ich wiederhole: Dieser Arbeitskampf ist berechtigt und notwendig. Denn nicht nur die Löhne, sondern auch die Arbeitsbedingungen haben sich für die Mitarbeiter der Bahn immer weiter verschlechtert. Was hat Transnet konkret dagegen getan? Während sich die Belegschaft zwischen 1994 und 2006 fast halbierte, haben sich die Konzerngewinne der Deutschen Bahn im gleichen Zeitraum vervielfacht. Nun streikt die GDL für eine Rücknahme dieser Verschlechterungen. Und dafür soll sie platt gemacht werden, ein Exempel soll statuiert werden. Eine Niederlage der GDL würde dazu führen, Tür und Tor für einen Angriff auf alle anderen Gewerkschaften zu öffnen. Nicht wer kämpft, spaltet die Gewerkschaftsbewegung, sondern diejenigen, die immer wieder bereit sind, zurückzuweichen oder faule Kompromisse zu machen. Ich fordere alle DGB-Gewerkschaften deshalb dazu auf, Solidaritätsaktionen mit den Lokführern und dem übrigen Fahrpersonal zu organisieren.
Eine entsprechende Initiative ging in Hamburg vom ver.di-Fachbereich 8 und von der Deutschen Journalistenunion (dju) aus. Die Kollegen laden für Montag abend um 18.30 Uhr zu einer Solidaritätsveranstaltung ins Gewerkschaftshaus (Besenbinderhof). Doch in der ver.di-Landesleitung war der Druck sehr stark, die Veranstaltung wieder abzusagen.
Das verstehe ich nicht, denn auch wenn die GDL nicht zum DGB gehört, so sind es doch unsere Kollegen. Die Einheit der Gewerkschaften wiederherzustellen ist keine akademische Aufgabe, sondern sie realisiert sich in den konkreten Tageskämpfen. Ich gehe deshalb davon aus, daß in der Folge dieser Veranstaltung noch viele Solidaritätsaktionen stattfinden. Diesen Willen der Basis muß auch unsere Leitung akzeptieren.
Verwendung: Junge Welt vom 19. November 2007
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1 Kommentar
13. November 2007
Die Linke Schleswig-Holsteins zieht mit antikapitalistischen Positionen und offenen Listen in den Wahlkampf. Ein Gespräch mit Lorenz Gösta Beutin
Lorenz Gösta Beutin ist Landessprecher der Partei Die Linke in Schleswig-Holstein
Auf der Fortsetzung des Gründungsparteitages der Partei Die Linke in Schlewig-Holstein ist am Sonntag in Kiel ein Leitantrag verabschiedet worden. Gestritten wurde im Vorfeld über Fragen einer möglichen Regierungsbeteiligung und ob in einem landespolitischen Forderungskatalog auch sozialistische Zielsetzungen ihren Platz haben. Welche Positionen haben sich durchgesetzt?
Wir haben deutlich gemacht, daß landes- und kommunalpolitische Alternativen in eine gesellschaftspolitische Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus eingebettet sein müssen. Denn wir wollen eine Gesellschaft, die frei ist von der Herrschaft des Kapitals. Lokal handeln, aber global denken, das war unser Motto auch auf diesem Parteitag.
Ebenso klar ist unsere Haltung zur Frage möglicher Regierungsbeteiligungen. Wir werden sowohl bei den Kommunalwahlen als auch bei den dann folgenden Landtagswahlen als eine klare Oppositionskraft zum neoliberalen Mainstream antreten.
Aber wie würden Sie sich verhalten, wenn nach den Landtagswahlen die Bildung einer neuen Landesregierung nur mit Unterstützung der Linken möglich wäre?
Dann würden wir eine solche Regierung nur tolerieren, wenn sie zu einem grundsätzlichen Politikwechsel bereit wäre. Das aber hieße zum Beispiel, daß sie für die Erhöhung der Erbschaftssteuer und für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer aktiv eintreten müßte. Daß sie sich den Hartz-IV-Gesetzen verweigert, Ein-Euro-Jobs abschafft und durch reguläre und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt. Ebenso müßte eine solche Regierung das bisherige selektierende Schulsystem durch eine Schule für alle ersetzen. Definitiv Schluß sein müßte mit der bisherigen Privatisierungs- und Kürzungspolitik.
Linke Politik muß glaubwürdig sein. Deshalb haben wir unterstrichen, daß es uns nicht nur um einen Parteienwechsel, sondern um einen Politikwechsel geht. Außer dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) sind die anderen Parteien doch nur Wasserträger des Neoliberalismus.
In Ihrem Leitantrag haben Sie sich gegen den Überwachungsstaat und für eine Rücknahme der Verschärfung des Polizeirechts in Schleswig-Holstein ausgesprochen. Wie stehen Sie angesichts dieser Positionierung zur angestrebten Verschärfung des Polizeirechts in Berlin?
Auf Bundesebene vertritt Die Linke die gleiche Position wie wir auf Landesebene. Was in Berlin passieren soll, widerspricht der Position der Gesamtpartei deutlich. Vor diesem Hintergrund habe ich in meiner Rede meiner Freude Ausdruck verliehen, daß in Berlin dazu jetzt eine Diskussion in Gang kommt. Da sollten wir unseren Berliner Genossinnen und Genossen den Rücken stärken, damit sie den Mut haben, diesen Weg in Richtung Überwachungsstaat nicht mitzugehen.
Unterstrichen hat Ihr Parteitag das grundsätzliche Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Auch wenn sich diese auf der Grundlage von Kapitel VII der UN-Charta vollziehen. Was waren dafür die Motive?
So wie in der alten PDS gibt es auch in der neuen Partei durchaus einige, die diese friedenspolitischen Positionen aufweichen möchten. Deshalb haben wir mit ganz großer Mehrheit verdeutlicht, daß dies mit uns nicht zu machen ist.
Im Mai 2008 finden Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein statt. Wie und mit welchen Zielen wird Ihre Partei daran teilnehmen?
Wir wollen in alle Kreistage und in etliche Gemeindevertretungen in Fraktionsstärke einziehen. Für den Wahlkampf wurden kommunalpolitische Eckpunkte bereits erarbeitet, die nun auf einem weiteren Parteitag Anfang 2008 verabschiedet werden sollen. Auch dort steht der Kampf gegen Privatisierungen und den weiteren Sozialklau im Vordergrund. Wir fordern zudem eine Rekommunalisierung aller bereits privatisierten Bereiche. Wichtig für uns ist auch der Antifaschismus. Denn auf kommunaler Ebene nehmen die Aktivitäten von Neonazis in Schleswig-Holstein bedrohlich zu.
Bereits festgelegt haben wir außerdem, daß wir bei den Kommunalwahlen mit offenen Listen antreten werden. Wir bemühen uns, Vertreter der außerparlamentarischen Bewegungen, aus lokalen Initiativen und aus anderen linken Gruppen für unsere Kandidatenlisten zu gewinnen. Diese Haltung kam auch in einer Solidaritätsresolution mit den streikenden Lokführern zum Ausdruck. Wir unterstützen ihre Forderungen nach deutlichen Lohnerhöhungen genauso wie ihr Engagement gegen die Privatisierung der Bahn.
Verwendung: Junge Welt vom 13. November 2007
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20. Oktober 2007
Auch in Baden-Württemberg wird am Wochenende ein Landesverband der Linken gegründet. Keine großen inhaltlichen Differenzen. Ein Gespräch mit Bernhard Strasdeit
»Der Tübinger Kreistagsabgeordnete Bernhard Strasdeit ist Sprecher des Interimsvorstandes der Partei Die Linke in Baden-Württemberg
Am Wochenende findet in Stuttgart der Gründungsparteitag für Die Linke in Baden-Württemberg statt. Gemeinsam mit Bernd Riexinger wollen auch Sie dort erneut für das Amt eines Landessprechers kandidieren. Doch auch inhaltlich sind strittige Themen bisher kaum identifizierbar. Wie erklären Sie sich diese für Die Linke fast schon ungewöhnliche Harmonie?
Von Harmonie würde ich nicht sprechen, denn es wird auf dem Parteitag eine sehr lebendige Debatte zu den konkreten Fragen der Landes- und der Kommunalpolitik geben. Grundsatzfragen haben wir in dem zweieinhalbjährigen Parteibildungsprozeß ausführlich diskutiert. Die Mitgliedschaft will diese neue Partei, denn für sie gibt es einen konkreten gesellschaftlichen Bedarf: In Aktionen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, aber auch in der Landes- und Kommunalpolitik.
Für die Kommunalwahlen 2009 setzten Sie sich das Ziel, in wichtige Stadtparlamente in Fraktionsstärke einzuziehen. Wie sind sie dafür aufgestellt?
Mit unseren fast 2200 Mitgliedern sind wir inzwischen in fast allen Kreisen unseres Landes präsent. Vor allem in den sozialen Bewegungen und in den Gewerkschaften. Doch außerdem sind wir stützpunktmäßig in einigen Städten wie Mannheim, Freiburg, Tübingen, Karlsruhe, Konstanz und Stuttgart auch in den Stadträten vertreten. Die dort schon vorhandenen Erfahrungen wollen wir landesweit nutzen. Das gilt insbesondere für die Frage, wie wir die großen politischen Themen auf die kommunale Ebene herunterbrechen. Für mich ist das eine zentrale Frage, denn zwei Drittel aller Menschen, die sich überhaupt politisch engagieren, machen das in der Kommune. Sicher: mit Kommunalpolitik läßt sich Harz IV allein nicht stoppen. Doch für die Betroffenen ist es von Bedeutung, ob es uns gelingt zum Beispiel Zuschüsse für den Besuch ihrer Kinder in der Kantine einer Ganztagsschule oder für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs herauszuholen. Im Frühjahr wollen wir diese Diskussion auf Regionalkonferenzen fortsetzen. Auch die Probleme aus einzelnen Regionen müssen wir dabei aufgreifen. Zum Beispiel die Verschleuderung von Milliarden für Stuttgart 21, also die Tieferlegung des Hauptbahnhofs. Denn gleichzeig gibt es Fahrplankürzungen in der Fläche. Auch der Ausbau von Kita-Angeboten oder die Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in reguläre Beschäftigungsverhältnisse sind dann wichtige Themen.
Gerade auf der kommunalen Ebene Baden-Württembergs gibt es zahlreiche linke Bündnisse, die zum Teil auch in den Stadtparlamenten vertreten sind. Wie suchen Sie dort die Zusammenarbeit?
Wo es solche Bündnisse gibt, wie in Freiburg, da sollten wir Kooperationen suchen. Doch in der Fläche und in den Großstädten werden wir mit offenen Parteilisten antreten. Dafür wollen wird dann auch Nichtmitglieder aus Initiativen, Betrieben und Gewerkschaften gewinnen. Für uns ist diese Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen sehr wichtig. Denn sonst können wir in den Stadträten kaum etwas durchsetzen. Mit der Friedensbewegung diskutieren wir außerdem die Frage, was Bundeswehr-Feldwebel oder Offiziere in Jobcentern der Kreise zu suchen haben, wo sie leider häufig als Arbeitsvermittler eingesetzt werden.
Strittig scheint für den Parteitag die neue Landessatzung. Denn nach dem Entwurf dürften parlamentarische Mandatsträger und ihre Mitarbeiter künftig nur noch sehr eingeschränkt auch Delegiertenmandate oder Vorstandsfunktionen übernehmen.
Das ist eine kontrovers diskutierte Frage. Doch wird sie unseren Parteitag weder dominieren noch sprengen. In dem Ziel, daß wir eine starke Mitgliederpartei benötigen, sind wir uns alle einig. Nicht einig sind wir uns darin, wie das am besten zu erreichen ist. Ich selber vertrete die Position, daß die Einbeziehung der Abgeordneten für die Starkung der Parteibasis nützlich ist. Die Erfahrung der Grünen hat doch gezeigt, daß eine so starke Trennung von Amt und Mandat nicht dazu führt, daß die Parteiorganisationen dann mehr zu sagen haben als die Fraktionen. Ohne ein Parteiamt innezuhaben, war Joseph Fischer in der Grünen Partei jahrelang der mächtigste Strippenzieher.
[Dieses Interview ist Teil einer gemeinsamen Schwerpunktseite mit meiner jW-Kollegin Wera Richter. Lesen Sie deshalb auch ihren Beitrag zum Landesparteitag der Linken in NRW. Die gesamte Schwerpunktseite können Sie sich hier als PDF-Datei herunterladen. Dort finden Sie einen weiteren Text zur Vorbereitung der NRW-Kommunalwahlen 2009.]
Verwendung: Junge Welt vom 20. Oktober 2007
04. Oktober 2007
Hamburger Linkspartei hat Vertreter anderer Organisationen für aussichtsreiche Listenplätze nominiert. Ein Gespräch mit Mehmet Yildiz
Der Elektroinstallateur und Gewerkschafter Mehmet Yildiz ist Vorstandsmitglied der Föderation der demokratischen Arbeitervereine (DIDF) in Hamburg
Als Vertreter der DIDF, der Föderation der demokratischen Arbeitervereine, sind Sie trotz zahlreicher Mitbewerber am Wochenende auf Platz 6 der Landesliste der Partei Die Linke für die Hamburger Bürgerschaftswahlen gewählt worden. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Meine Wahl ist sicherlich auf die langjährige Arbeit der DIDF in den sozialen Kämpfen zurückzuführen. Es ist sehr erfreulich, auf einem aussichtsreichen Platz zu kandidieren. Zumal ich unter den ersten sechs der einzige mit Migrationshintergrund bin. Die Delegierten des Landesparteitags hatten es nicht leicht. Sie mußten unter einer Vielzahl qualifizierter Bewerber entscheiden. Aber schließlich haben sie uns ihre Stimme gegeben. Jetzt kommt es darauf an, diesem Vertrauen gerecht zu werden. Im Wahlkampf und danach.
Noch sind wir nicht in der Bürgerschaft. Wir müssen einen sehr aktiven Wahlkampf führen. Auf der Straße, in den Wohngebieten der arbeitenden und der erwerbslosen Menschen und vor den Betrieben. Dort werden wir mit ihnen über unsere Forderungen sprechen. Und wir werden ihnen auch sagen, daß sie selbst für ihre Interessen aktiv werden müssen.
Warum ist es aus Ihrer Sicht notwendig, daß Die Linke mit »offenen Listen«, also unter Beteiligung von Vertretern außerparlamentarischer Bewegungen sowie anderer linker Gruppen, zu Wahlen antritt?
Wenn sich Die Linke als die Partei bezeichnet, die mit den außerparlamentarischen Kräften zusammenarbeitet und deren Forderungen im Parlament vertreten will, dann darf das nicht nur ein Lippenbekenntnissen sein. Es muß sich unter anderem auch bei der Aufstellung von Kandidaten niederschlagen. Ich freue mich deshalb, daß dies in Hamburg geschehen ist. Und nicht nur bezüglich der DIDF, denn auf den ersten für einen Einzug in das Parlament durchaus aussichtsreichen zehn Listenplätzen kandidieren auch ein Vertreter der Erwerbslosen, Betriebsräte und ein Mitglied der DKP. Angesichts der Angriffe aus Wirtschaft und Regierung auf unsere demokratischen und sozialen Grundrechte ist es notwendiger denn je, daß wir alle und viel enger zusammenarbeiten. In den sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen, aber auch im Parlament.
Es wäre zudem ein fataler Fehler, wenn wir davon ausgingen, daß unsere Forderungen vorrangig in den Parlamenten durchsetzbar seien. Wenn der Druck von der Basis nicht stärker wird, dann können wir auch als Abgeordnete nichts bewegen. Es gibt genug negative Beispiele, wo starke politische Bewegungen durch parlamentarische Eitelkeiten an Ausstrahlung und Kraft verloren haben. Das wollen wir in Hamburg nicht wiederholen.
Unterschiedliche Meinungen gibt es in der Linken auch zu den Fragen des Koalierens, Opponierens oder Tolerierens. Wie ist Ihre Haltung dazu?
In Hamburg haben sich die Delegierten mit großer Mehrheit für einen klaren Oppositionskurs entschieden. Es kann nicht angehen, daß wir mit Kriegsbefürwortern, den Erfindern und Befürwortern der Hartz-Gesetze oder der Studiengebühren zusammenarbeiten sie also tolerieren oder sogar mit ihnen koalieren. Niemand sollte versuchen, mit Wortspielereien diesen Standpunkt zu verwässern. Die Gegenseite wird noch häufig genug versuchen, uns mit sogenannten Sachzwangargumenten zu schwächen.
Sollten Sie am 24. Februar in die Bürgerschaft gewählt werden, für was werden Sie sich insbesondere einsetzen?
Viele werden jetzt an Migrationspolitik denken. Das stimmt nur zum Teil. In der DIDF sehen wir Migrationspolitik immer im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Auch Migranten sind von Privatisierungen, Dumpinglöhnen und Hartz IV betroffen. Wenn ich mich in der Bürgerschaft für eine bessere Perspektive der Jugendlichen mit Migrationshintergrund einsetze, dann geht das nur, wenn ich mich gleichzeitig gegen die Studiengebühren wehre und für eine bessere Schule und mehr Ausbildungsplätze kämpfe.
Verwendung: Junge Welt vom 4. Oktober 2007
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