19. Februar 2008
Über die angeblich vorhandene Absicht der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner (DKP) die „Stasi“ wieder einzuführen, wird in den Medien viel spekuliert – und zum Teil werden ihre Aussagen auch richtig gefälscht. Die ganze Sache hat zudem in der Linkspartei zu erheblichen Debatten geführt. Was bisher in diesen Diskussionen fehlt, das ist der originäre Standpunkt zu diesen Fragen aus der DKP. Nachfolgend dokumentiere ich deshalb Stellungnahmen von Olaf Harms, DKP-Vorsitzender in Hamburg, von Heinz Stehr, DKP-Bundesvorsitzender und von Christel Wegner (DKP Buchholz).
Stellungnahme des Vorsitzenden der DKP Hamburg, Olaf Harms, für die Mitglieder der Linkspartei in Hamburg
(18. Februar 2008)
1.
Geheimdiensten stehe ich grundsätzlich kritisch gegenüber, weil sie sich allzu leicht verselbständigen und einer wirksamen Kontrolle entziehen. Das führt zu Unterdrückung und Willkür. Insofern stimme ich mit Folgendem aus den programmatischen Eckpunkten völlig überein:
„Die Stärkung der individuellen Rechte: Staatliches Handeln muss immer überprüfbar und die Einzelnen müssen vor ungerechtfertigten Zugriffen des Staats geschützt sein. Deswegen ist der Rechtsstaat mit der Rechtswegegarantie für uns ein hohes Gut, und wir brauchen unabhängige Kontrollinstanzen gegenüber den staatlichen Sicherheitsorganen. Wir halten an der strikten Trennung von Polizei und Bundeswehr sowie von Polizei und Geheimdiensten fest. Das regelmäßige Recht, selbst über die eigenen Daten und ihre Verwendung zu bestimmen, ist und bleibt für uns unaufgebbar.
2.
Als Kommunist kämpfe ich für eine Welt, in der sich alle Menschen frei von Ausbeutung mit allen ihren Fähigkeiten frei entfalten können. Das ist für mich nur im Sozialismus möglich, und dazu gehört unabdingbar die Abwesenheit von staatlicher Repression und Willkür. Das hat ein sozialistischer Staat zu garantieren. Dass dieses in der DDR nicht gelungen ist, bedarf einer sorgfältigen und ernsthaften Diskussion mit Respekt gegenüber den Opfern. Diese Diskussion führen wir in der DKP und haben in unserem Programm u.a. folgendes beschlossen:
Durch die staatliche Durchdringung aller Bereiche der Gesellschaft wurde die Eigeninitiative gehemmt. Immer weniger fand eine streitbare gesellschaftliche Debatte um Perspektiven statt. In dieser Zeit verlor die Partei an Glaubwürdigkeit und damit letztlich die Hegemonie. Politische und organisatorische Grundsätze der KPdSU wurden zunehmend außer Kraft gesetzt; an die Stelle von innerparteilicher Demokratie, Kollektivität und Solidarität traten autoritäre Maßnahmen.
Vor dem Hintergrund eines fehlenden Vorlaufs bürgerlich-demokratischer Rechtsformen wurden, im Widerspruch zum humanistischen Wesen des Sozialismus, die Prinzipien sozialistischer Demokratie durch Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, durch Repression, durch Massenverfolgung und Verbrechen massiv verletzt. Zahllose Menschen
fielen dem zum Opfer. Das hat dem Sozialismus und seinem Ansehen schwer geschadet.
Von einer Rechtfertigung von begangenen Menschenrechtsverletzungen und von erfolgter Verletzung von geltenden Rechtsnormen durch das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der früheren DDR distanziere ich mich deshalb ausdrücklich.
3.
Mit meiner Partei stehe ich für eine sozialistische Gesellschaft. Die Wirtschaft soll in der Hand des Volkes liegen und dem ganzen Volk dienen. Profite für Wenige sollen der Vergangenheit angehören. Nur wenn die große Mehrheit dies will, kann das Großkapital in Gemeineigentum überführt werden. Das Grundgesetz eröffnet dafür in den Artikeln 14 und 15 die Möglichkeit.
Zum Sozialismus gehört ein demokratisches Gemeinwesen. Dieses schließt die Fähigkeit ein, sich gegen Angriffe von außen, wie gegen verfassungswidrige Bestrebungen des Kapitals zu verteidigen. Doch dies kann nur mit dem Willen und durch Unterstützung der Mehrheit des Volkes, ja letztendlich nur durch das Volk selbst realisiert werden. Unabdingbar schließt dies den Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür ein. Dies sind Lehren, die die DKP aus dem Scheitern der DDR gezogen hat. Die DKP steht in der 160-jährigen kommunistischen Tradition mit all ihren Leistungen und Fehlern daraus ist die DDR nicht wegzudenken. Trotz demokratischer Mängel hat sie das Recht auf Arbeit, Wohnung und soziale Sicherung durchgesetzt.
4.
Die Ziele von Panorama sind deutlich: Erstens soll massiv auf die bevorstehenden Wahlen in Hamburg Einfluss genommen werden. Zweitens soll sich DIE LINKE von allen distanzieren, die nicht in das Bild dieser Medien passt. Und bei mir soll es anfangen.
5.
Mir ist bewusst, dass wir in einigen Punkten unterschiedliche Auffassungen haben. In einem sind wir uns jedoch einig. Es muss eine andere, den Menschen dienende Politik her. Und das auf Basis des Sofortprogramms und des Wahlprogramms von DIE LINKE, hinter dem ich stehe. Dieses will ich mit Euch und den politisch aktiven Menschen dieser Stadt umsetzen.
(Hamburg, 18. Februar 2008)
Stellungnahme des DKP-Bundesvorsitzenden Heinz Stehr (19. Februar 2008)
Persönliche Erklärung von Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP
Sperrfrist: Dienstag, 19. Februar 2008, 11.00 Uhr
Die Landtagsfraktion Die Linke in Niedersachsen hat Christel Wegner wegen ihrer Äußerungen in der TV-Sendung Panorama aus ihren Reihen ausgeschlossen.
Nicht das Interview von Christel Wegner ist der Skandal. Skandalös war das zusammengestückelte antikommunistische Produkt von Panorama. Skandalös war, dass ihre Äußerungen auf die Versatzstücke Stasi und Mauer reduziert wurden. Denn dass weder Christel Wegner noch die DKP Stasi oder Mauer zurückhaben will, kann man durch einen Blick in das Programm der DKP erkennen.
Für uns ist nur ein Sozialismus vorstellbar, der die breitestmögliche Entwicklung von Demokratie zur Vorraussetzung hat. Je mehr Menschen in lebendige demokratische Prozesse einbezogen sind, desto überflüssiger wird jede Form von Gängelung, Repression, Bespitzelung und Bevormundung, die mit sozialistischer Demokratie nicht zu vereinbaren ist.
Nicht zuletzt deshalb bekämpfen wir alle Bestrebungen von Innenminister Schäuble, unser Land zu einem Überwachungsstaat auszubauen, demokratische Rechte zu eliminieren, Grundrechte einzuschränken und Gesinnungsjustiz zu praktizieren.
Aber skandalös ist nicht nur die Berichterstattung von Panorama; skandalös sind auch die Reaktionen darauf.
Unabhängig davon, ob die Äußerungen Christel Wegners im Einzelnen richtig waren, zeigte das Folgende, dass es in diesem Land unmöglich sein soll, abweichende Positionen offen zu äußern. Wer Mitglied einer Kommunistischen Partei ist, steht von vornherein unter Verdacht, ist ein Betonkopf, ist ewiggestrig. In anderen Ländern Europas wird man den Kopf schütteln über diese Demokratieauffassung.
Christel Wegner hat das Interview in guter Absicht gegeben. Sie hat dabei aus unserer Sicht Fehler gemacht. Sie hat sich inzwischen in einem Schreiben an den Landesvorstand der Linkspartei Niedersachsen geäußert und selbstkritisch Stellung bezogen. Von ihr wurde und wird der Rücktritt gefordert. Sie wurde jedoch in einem demokratischen Prozess als Kandidatin aufgestellt und durch den Willen der Wählerinnen und Wähler in den Landtag gewählt. Es gab keine Täuschung der Wähler, denn sie hat nie verheimlicht, dass sie Mitglied der DKP ist. Wir ermutigen sie, das Mandat wahrzunehmen, denn die Kampagne gegen sozialistische und kommunistische Positionen und Personen ist nicht zufällig, sie wurde geplant und entsprechend gesteuert.
Ich erinnere daran, dass die Linkspartei vom Verfassungsschutz der meisten Bundesländer siehe deren Berichte – genauso bekämpft wird wie die DKP. Ich mache darauf aufmerksam. dass die CSU-nahe Hans-Seidel-Stiftung 2006 und 2007 Seminare und Analysen zur Bekämpfung der DKP gemacht durchgeführt hat und der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein seine Aschermittwoch-Show für Auseinandersetzungen mit der DKP nutzte. Bekannter ist, dass die CDU in Hessen drei Wochen vor der Wahl das Verfassungsschutzpamphlet Das wahre Gesicht der Linkspartei mit wahrheitswidrigen Informationen und Verleumdungen über die Partei Die Linke und die DKP veröffentlicht hat.
Am 18. Februar 2008 beschloss die Fraktion Die Linke aufgrund des massiven Drucks der Medien und leider auch aus der Parteispitze Christel Wegner aus der neu gebildeten Fraktion auszuschließen. Die Linke hat sich der Staatsdoktrin Antikommunismus gebeugt, doch ohne sich davon zu befreien, ist ein Politikwechsel nicht zu erreichen. Diese Entscheidung bedeutet für die Fraktion auch einen Verlust an notwendiger linker Solidarität und Souveränität. Der Fraktion ist zu wünschen, dass sie bei weiteren politischen Entscheidungen mehr politische Eigenständigkeit und mehr Stehvermögen beweist, konsequent für ihr Landtagswahlprogramm mit möglichst vielen Kräften gemeinsam einzutreten.
(Essen, 19. Februar 2008)
Persönliche Erklärung von Christel Wegner zur Panoramasendung
(14.2.2008)
Liebe Genoss/inn/en, liebe Freunde,
zur Klarstellung und vorab in aller Deutlichkeit: Ich will nicht, wie es Panorama und die Presse formulieren, „die Stasi zurück“.
Wer den Bericht in Panorama gesehen hat, hat bemerkt, es gab viele Schnitte. Meine Aussage im Interview bezog sich nicht auf die Stasi. Ich habe vielmehr gesagt, dass jeder Staat einen Geheimdienst hat und dies natürlich auch für einen sozialistischen Staat gilt. Im Anschluss hieran erfolgte dann die in Panorama gesendete Sequenz zum Thema
„Staatssicherheit“.
Ich gebe zu, ich bin in dieses Gespräch zu arglos hineingegangen. Dies tut mir leid. Auch als 60jährige Kommunistin muss man noch lernen. Es ist doch klar, dass es mir nicht darum geht, die Stasi wieder zu beleben, die Mauer neu zu bauen oder den Niedersachsen ihr Eigenheim zu einteignen. Gerade gegenwärtig mit der Werksschließung von Nokia, der Preispolitik der Energiekonzerne, wird die Notwendigkeit deutlich, Konzerne dieser Größenordnung in Gemeineigentum zu überführen.
Natürlich weiß ich, dass nur durch Entwicklung der Demokratie, durch das demokratische Engangement der Mehrheit der Menschen fortschrittliche Entwicklungen erreicht und gesichert werden können. Und im übrigen – die DKP hat schon immer die Auflösung der Geheimdienste gefordert.
Das Ziel der Kampangne ist klar, es soll die Linke treffen, natürlich auch mich als Kommunistin.
Es soll abgelenkt werden von den Skandalen um e.on, Siemens, Nokia und am Donnerstag passend Herrn Zumwinkel.
Die Vereinbarung mit der Partei „Die Linke.“ war, dass ich das Landtagswahlprogramm vertrete. Daran habe ich mich gehalten und werde es auch künftig tun.
(Buchholz, 14. Februar 2008)
[Redaktionelle Anmerkung: Dieses Schreiben von Christel Wegner ging an den niedersächsischen Landesvorstand der Partei Die Linke und deren Fraktion im niedersächsischen Landtag am 14. Februar 2008. Öffentlich wurde es erst am 18. Februar 2008]
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