26. Februar 2008

Abgeschrieben:

Zu den Ergebnissen der Hamburg-Wahl und aktuellen Debatten in der Partei Die Linke erklären Sahra Wagenknecht (MdEP, Mitglied des Parteivorstandes), Nele Hirsch (MdB), Ulla Jelpke (MdB), Sabine Lösing (Mitglied des Parteivorstandes), Thies Gleiss (Mitglied des Parteivorstandes) und Tobias Pflüger (MdEP):

Wir gratulieren den Hamburger Genossinnen und Genossen zum erfolgreichen Einzug in die Bürgerschaft. Das gute Wahlergebnis belegt, daß Die Linke mit einem glaubwürdigen und konsequenten Kurs mehr und mehr Rückhalt gewinnt. Immer mehr Wählerinnen und Wähler wünschen sich eine klare Alternative zur Politik von Hartz IV, Lohndumping und der Verschleuderung öffentlichen Eigentums, und sie lassen sich von ihrer Wahlentscheidung auch durch Diffamierungen und antikommunistische Hetzkampagnen nicht abbringen. Mit der nunmehr vierten Landtagsfraktion in den alten Bundesländern ist die Partei Die Linke unwiderruflich zu einer gesamtdeutschen politischen Kraft geworden. (…)

Die Linke wird weiter an Stärke gewinnen, wenn sie ihren konsequenten Oppositionskurs gegen den neoliberalen Mainstream fortsetzt. Nichts wäre törichter, als sich nun selbst ein Bein zu stellen. Die Äußerungen der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner wurden im Vorfeld der Hamburg-Wahl zu einer antikommunistischen Kampagne genutzt. Dieser Anlaß darf jetzt nicht dazu führen, den innerparteilichen Pluralismus ebenso wie die in der Vergangenheit bewährte Politik offener Listen und breiter Bündnisse generell in Fragen zu stellen. Antikommunismus ist eine Grundtorheit auch unserer Epoche! Er wurde und wird vom politischen Gegner eingesetzt, um die Linke zu spalten und zu schwächen und das Ziel einer Überwindung des Kapitalismus zu diskreditieren. Eine Linke, die diesem Druck nachgäbe, würde ihre Überzeugungskraft verlieren.

Bereits die Wahl in Hessen und erst recht jetzt die Hamburger Wahl haben gezeigt: Antikommunistische Kampagnen erreichen kaum noch die gewünschte Wirkung. Das Letzte, was Die Linke derzeit braucht, sind daher devote Abgrenzungsrituale. Wir müssen für unsere Inhalte glaubwürdig und konsequent streiten und werden dafür gewählt. Es muß dabei bleiben, daß die Mitglieder der Linken weiterhin in jedem Einzelfall autonom auf allen Ebenen darüber entscheiden dürfen, wen sie auf ihre Listen wählen. Und die Linke muß in ihrer programmatischen Ausrichtung antikapitalistisch bleiben. Entscheidend waren und sind dabei die Eigentumsfrage und die Kriegsfrage. Das zeigt sich auch in den ganz konkreten Auseinandersetzungen um antikapitalistische Entwicklungswege, wie sie derzeit in Lateinamerika geführt werden. Die Forderungen der Programmatischen Eckpunkte, Schlüsselindustrien der Wirtschaft in Gemeineigentum zu überführen und jede Form von Privatisierungen abzuwehren, sollten im neuen Grundsatzprogramm weiter ausgebaut und konkretisiert werden. Und: Friedenspolitik ist essentiell für Die Linke. Krieg darf nie Mittel von Politik sein. Deshalb muß die Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr klar im Grundsatzprogramm der Partei Die Linke verankert werden.

[Lesen Sie zu diesem Thema auch meine Beiträge auf einer Schwerpunktseite der Jungen Welt vom 26.02.08: Alle haben verloren, »Antikommunismus muß man widerstehen« und Statistik: Daten und Fakten zur Hamburg-Wahl.]

Quelle: Junge Welt vom 26. Februar 2008



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26. Februar 2008

Vorläufiges amtliches Teilwahlergebnis für die Bürgerschaftswahlen in Hamburg
(in Klammern: Wahlen 2004)

CDU 42,6 Prozent (47,2)

SPD 34,1 Prozent (30,5)

GRÜNE/GAL 9,6 Prozent (12,3)

FDP 4,7 Prozent (2,8)

DIE LINKE 6,4 Prozent (–)

Andere: 2,6 Prozent (7,2)

Wahlbeteiligung: 62,2 Prozent (68,7)

Auf dieser Grundlage ergibt sich folgende Mandatsverteilung: CDU 56, SPD 45, Grüne 12, Die Linke, 8. Insgesamt 121. Zu den Linke-Abgeordneten zählen: Dora Heyenn, Joachim Bischoff, Christiane Schneider, Wolfgang Joithe, Kersten Artus, Mehmet Yildiz, Zaman Masudi und Norbert Hackbusch. Endgültig steht dies aber erst fest, wenn am Dienstag abend auch die Wahlkreise vollständig ausgezählt sind. Nach dem neuen Hamburger Wahlgesetz ist es theoretisch möglich, daß ein Wahlkreiskandidat, der dort ein besonders gutes Ergebnis erzielt, für die Bürgerschaftsliste vorrückt.

Überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte Die Linke in folgenden Wahlkreisen: Hamburg-Mitte (9,3 Prozent), Billstedt – Wilhelmsburg – Finkwerder (8,3), Altona (9,6), Rotherbaum – Harvestehude – Eimsbüttel-Ost (6,7), Stellingen – Eimsbüttel-West (7,2), Barmbek – Uhlenhorst – Dulsberg (7,4), Bramfeld – Farmsen-Berne (7,1)

Bezogen auf einzelne Stadtteile erzielte die Linke besonders gute Ergebnisse in St. Pauli (15,02 Prozent), St. Georg (10,20), Hammerbrook (10,57%), Hamm-Süd (11,08), Billbrook (15,93), Veddel (10,29), Altona-Altstadt (13,67), Sternschanze (16,19), Altona-Nord (13,43), Ottensen (10,56) und im Stadtteil Dulsberg (11,64)

Auch bei den Wahlen für die sieben Hamburger Bezirksversammlungen konnte die Die Linke überall die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Sie erzielte folgende Ergebnisse: Stadtbezirk Mitte 10,2 Prozent, Altona 9,2, Harburg 8,2, Eimsbüttel 7,1, Nord 7, Bergedorf 6,6, Wandsbek sechs Prozent.

[Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 26.02.08. Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag Alle haben verloren und mein Interview mit dem Bürgerschaftsabgeordneten Wolfgang Joithe »Antikommunismus muß man widerstehen«. Die gesamte und gestaltete Seite können Sie sich hier auch als PDF-Datei downloaden. Passend dazu auch eine Erklärung von Politiker der Linkspartei zur Hamburg Wahl.]

Verwendung: Junge Welt vom 26. Februar 2008



22. Februar 2008

Menschen haben andere Sorgen als DKP-Kandidatur auf der Liste der Linkspartei. Ein Gespräch mit Olaf Harms

Olaf Harms ist Kandidat auf Listenplatz 10 der Partei Die Linke für die Hamburger Bürgerschaftswahl am Sonntag und Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

Wie Ihre Genossin Christel Wegner waren auch Sie Donnerstag letzter Woche in einer »Panorama«-Sendung im ARD zu sehen, die DKP-Kandidaturen auf Linkspartei-Listen zu skandalisieren versuchte. Wurden Sie inzwischen bei Veranstaltungen oder an Infoständen darauf angesprochen?

Olaf Harms

Meiner Erfahrung nach – und das haben mir andere bestätigt – hat sich diese »Panorama«-Sendung in Hamburg nicht großartig ausgewirkt. Das liegt wohl daran, daß die Leute zur Zeit andere Sorgen haben und wissen, wer ihnen Hartz IV beschert hat. Das ist jedenfalls mein Eindruck, der auch durch die aktuellen Umfragewerte für die Partei Die Linke gestützt wird.

Was war Ihrer Meinung nach Sinn und Zweck der »Panorama«-Sendung zu diesem Zeitpunkt?

Die Sendung hatte zwei Aufgaben: Erstens, Einfluß auf den Hamburger Wahlkampf zu nehmen und durch antikommunistische Hetze die generelle Unwählbarkeit der Partei Die Linke aufzuzeigen. Zweitens sollte sie innerhalb der Linkspartei eine Distanzierungswelle auslösen. Das ist in Hamburg beides nicht gelungen, obwohl es auch Reaktionen der Sorte »Muß das denn sein?« in der Linkspartei gab – was ich teilweise verstehen kann, wenn es von politisch unerfahrenen Mitgliedern kommt. Aber letztlich zieht das Argument, daß man Kommunisten nicht von der sonst so geschätzten Meinungsvielfalt in diesem Projekt ausnehmen kann.

Was sagen Sie zum Vorwurf der Wählertäuschung, der Ihnen zumindest indirekt gemacht wurde, weil Sie Ihre DKP-Mitgliedschaft bei Wahlkampfauftritten nicht in den Vordergrund gestellt haben?

Im Wahlkampf werbe ich um Stimmen für Die Linke, weil ich auf ihrer Liste kandidiere – da kann man mir nicht vorwerfen, ich würde meine DKP-Mitgliedschaft verschleiern, nur weil ich sie nicht in den Vordergrund stelle. Wenn ich an einem Infostand der Linkspartei darauf angesprochen werde, daß wir ja alle Kommunisten seien, kann ein »Panorama«-Reporter auch nicht erwarten, daß ich sofort sage »stimmt«. Schließlich stehen über 100 Kandidaten auf den Listen, darunter nur wenige organisierte Kommunisten. Wesentlicher ist doch, daß ich voll hinter dem Sofortprogramm stehe, das der Landesparteitag der Partei Die Linke beschlossen hat.

Was sind die wichtigsten Programmpunkte, für die Sie sich in der Bürgerschaft einsetzen wollen?

Zusammen mit der Fraktion und den Menschen dieser Stadt zunächst einen Stopp von weiteren Privatisierungen öffentlichen Eigentums erreichen. In der Planung ist ja, daß nun auch die Augenklinik des UKE verkauft werden soll. Dann geht es darum, den Landesbetrieb Krankhäuser und die Einrichtungen von »pflegen & wohnen« zu rekommunalisieren. Ein weiterer Punkt ist mehr Demokratie – also dafür zu kämpfen, daß Volksentscheide Gültigkeit haben und nicht wie bisher von der CDU ignoriert werden. Ein Landesprogramm für Arbeit aufzusetzen, Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umzuwandeln, Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Bereich, ein Tariftreuegesetz in Form einer Vergaberichtlinie für öffentliche Aufträge. Im Bildungsbereich geht es um die Kampagne »Eine Schule für alle«. Dafür setze ich mich ein, da habe ich keine Differenzen mit der Linkspartei – und im übrigen auch nicht mit den Menschen dieser Stadt.

Wird die Art der Zusammenarbeit mit der Linkspartei und die Medienkampagne gegen Christel Wegner auf Ihrem Parteitag am Wochenende eine Rolle spielen?

Sicher wird das Gegenstand von Analysen sein. Aber ich will an dieser Stelle betonen,daß ich gegebenenfalls für Die Linke, und nicht für die DKP in der Bürgerschaft sitzen würde.

[Dieser Beitrag meiner jW-Kollegin Claudia Wangerin ist Teil einer gemeinsamen Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 22. Februar 2008. Deshalb wird er hier dokumentiert. Lesen Sie dazu auch meine Beiträge Bürgerschaft mit links und Dokumentiert: Gewerkschafter für die Linke. Die gesamte und gestaltete Seite können Sie sich hier auch als PDF-Datei downloaden.]

Verwendung: Junge Welt vom 22. Februar 2008



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22. Februar 2008

Unter dem Motto »Für ein sozial gerechtes Hamburg – Keine Fortsetzung der CDU Regierung« haben Anfang dieser Woche rund 120 Hamburger Gewerkschaftsfunktionäre zur Wahl der Linkspartei bei den Bürgerschaftswahlen aufgerufen. In dem Aufruf heißt es:

Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter rufen auf, bei der Bürgerschaftswahl 2008 die Partei Die Linke zu wählen.

Sieben Jahre von Beust – mit und ohne Schill – müssen wir teuer bezahlen: Kitagebühren, Büchergeld an Schulen, Studiengebühren, Wegfall des HVV-Sozialtickets und höhere Eintrittspreise bei Schwimmbädern sind nur einige Beispiele. Wir haben nicht vergessen, daß gegen den Willen der Hamburger Krankenhäuser privatisiert wurden, daß die HEW verkauft, soziale Einrichtungen hemmungslos dichtgemacht, Kinder und Jugendliche verwahrlosen, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst verlängert, Arbeitsplätze vernichtet und Mitbestimmungsrechte abgebaut wurden. (…) Die Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel wurden ohne Rücksicht auf die Beschäftigten und ihre Familien fast ins Uferlose verlängert. (…)

Es geht auch anders. Zusätzliche sozialversicherungspflichtige, tariflich bezahlte Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Mindestlöhne in allen Bereichen sind angesichts des Wirtschaftsaufschwungs und der (Milliarden)Gewinne der Unternehmen möglich. Ein Stopp und eine Rücknahme der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Daseinsvorsorge der Hamburger. Mit Klimaschutz können Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine demokratische Arbeitswelt braucht und verträgt volle Arbeitnehmerrechte. (…)

Viele der Kandidatinnen und Kandidaten der Linken sind Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Sie setzen sich engagiert für diese Ziele ein. (…) Nur mit der Partei Die Linke ist ein politischer Wechsel möglich. (…)

[Dieser Beitrag ist Teil einer Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 22. Februar 2008. Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag Bürgerschaft mit links und das Interview meiner jW-Kollegin Claudia Wangerin mit Olaf Harms »›Panorama‹ hat in Hamburg nicht gewirkt«. Die gesamte gestaltete Seite können Sie sich hier auch als PDF-Datei downloaden.]

Verwendung: Junge Welt vom 22. Februar 2008



22. Februar 2008

Gysi und Lafontaine in HamburgAntikommunistische Kampagne ändert nichts an den guten Prognosen für Die Linke in Hamburg. Selbst Lafontaine und Gysi reichen DKP-Kandidaten der Hansestadt die Hand

Endspurt in Hamburg. Am Mittwoch abend feuerten die Parteichefs der Linken, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, ihre Mannschaft in der Hansestadt noch einmal richtig an. Über 1000 Anhänger drängten sich in der Altonaer »Fabrik«. Mehrere hundert mußten draußen bleiben. Es war einfach zu voll. Hamburgs Linke-Spitzenkandidatin Dora Heyenn gab sich überzeugt, daß es einen »Politikwechsel im Rathaus« nur mit Einzug einer starken Fraktion in die Bürgerschaft geben könne. »Nur wir stehen für Glaubwürdigkeit«, rief sie. Dem konnte sich Gysi nur anschließen: »Ich will, daß ihr so stark werdet wie möglich«, denn nur dann bestünde die Chance, daß »die SPD wieder etwas sozialdemokratischer« und die Grünen »vielleicht wieder etwas friedlicher« werden. Nur seine Partei stünde »für soziale Gerechtigkeit«, für das Ende des Niedriglohns, für die Streichung von Leiharbeit. Die bezeichnete Gysi als eine »moderne Form der Sklaverei«. Energisch forderte der Redner den »Aufbruch von Monopolstrukturen durch staatliches Eigentum«, vor allem im Energiesektor. Forderungen der Linken, wie etwa die nach einer Rekommunalisierung der Kliniken in Hamburg, seien durchaus finanzierbar: »Wenn wir die Steuern auf europäisches Normalniveau anheben, dann haben wir 120 Milliarden Euro zusätzlich in die öffentlichen Kassen«, so Gysi. Auf Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und seinen SPD-Herausforderer Michael Naumann eingehend, betonte Gysi, daß diese sich so ähnlich seien, daß es ohne die Linke »kotzlangweilig« in der Bürgerschaft werden würde.

Ein Ball, den Linke-Parteichef Oskar Lafontaine aufnahm: »Naumann, der sich nun über die Existenz von Armenküchen in Hamburg beklagt«, habe »diese Suppe selbst mit eingebrockt«, als er und seine Partei die Hartz-IV-Gesetze einführten. Nur die Linke halte an der Forderung nach Streichung dieser Gesetze fest. Auf die Steueraffäre um den ehemaligen Post-Chef Zumwinkel eingehend, forderte Lafontaine die Einführung einer »Reichensteuer«. Empört zeigte sich der Redner schließlich über die »scheinheilige Kommunistendebatte« [… der letzten Tage. // …, die nach einem Interview der DKP-Landtagsabgeordneten Christel Wegner in der ARD-Sendung »Panorama« losgetreten wurde]. Der Forderung des Grüne-Parteichef Reinhard Bütikofer, Angehörige ehemaliger K-Gruppen und DKP-Landeschef Olaf Harms, von der Bürgerschafsliste der Linken zu streichen, quittierte der Redner mit der Bemerkung, ob Bütikofer nicht mehr wisse, woher er selbst komme. Scharf attackierte Lafontaine auch CDU und FDP. Diese hätten offenbar vergessen, wie viele »Blockflöten« sich in den eigenen Reihen befinden. »Ich dachte, die CDU wäre stolz darauf eine ehemalige FDJ-Funktionärin zur Bundeskanzlerin gemacht zu haben«, scherzte Lafontaine. Auch seiner Partei empfahl er dringend, diese »antikommunistischen alten Kamellen« von der heiteren Seite zu nehmen. »Das zieht doch nicht mehr«, so der Redner mit Blick auf jüngste Wahlumfragen in Hamburg. Demnach könnte die Linke mit neun Prozent am Sonntag sogar als drittstärkste politische Kraft in die Bürgerschaft einziehen. Lafontaine fügte hinzu, daß der Maßstab für die Listenvorschläge doch darin bestehen müsse, daß »unsere Kandidaten nicht auf den Gehaltslisten der Großkonzerne stehen.«

Gysi hatte kurz vor Veranstaltungsbeginn vor einigen Journalisten betont, daß er die Mitnahme von DKP-Mitgliedern auf den linken Wahllisten nicht als Zukunftsmodell betrachte. Doch mit dem Hamburger DKP-Landeschef Olaf Harms habe er »kein Problem«. Ein Standpunkt, den auch Dora Heyenn in den letzten Tagen immer wieder betont hatte. Sie lasse auf die zehn DKP-Mitglieder, die für die Bürgerschaft und die Bezirksversammlungen auf linken Listen in Hamburg kandidieren, nichts kommen. Sie stünden auf der Grundlage des linken Sofortprogramms.

* Wahlparty der Partei Die Linke in Hamburg, Sonntag, 24. Februar, ab 17 Uhr, Fabrik in Altona, Barnerstraße 36

[Dieser Beitrag ist Teil einer Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 22. Februar 2008. Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag Dokumentiert: Gewerkschafter für die Linke und das Interview meiner jW-Kollegin Claudia Wangerin mit Olaf Harms »›Panorama‹ hat in Hamburg nicht gewirkt«. Die gesamte und gestaltete Seite können Sie sich hier auch als PDF-Datei downloaden.]

Richtigstellung:
Bei der Veröffentlichung dieses Textes in der Tageszeitung Junge Welt, wurde ein bestimmter Textabschnitt durch das Redigieren völlig verfälscht. Der entsprechende Textabschnitt ist oben durch eine Streichung gekennzeichnet. Näheres dazu lesen Sie hier.

Verwendung: Junge Welt vom 22. Februar 2008



1 Kommentar

Redaktionsnotiz

Als Textautor für Print- und Onlinemedien verfasse ich viele Texte für entsprechende Medien. Journalisten wissen, dass solche Texte vor ihrer Veröffentlichung dann redaktionell noch redigiert werden. Dies bedeutet, dass ein vorhandener Text durch Dritte in einen Zustand versetzt wird, der es dem Leser besser ermöglichen soll, den Inhalt eines Textes zu verstehen, darin gegebene Informationen besser nachzuvollziehen.

Exakt so ist es auch mit meinem am 22. Februar in der Tageszeitung »Junge Welt« veröffentlichten Text »Bürgerschaft von links« geschehen. Doch dabei ist nun leider ein so schwerer Fehler passiert, dass ich diesen zumindest auf meiner eigenen Web-Seite richtig stellen muss.

Redigiert wurde durch die jW-Redaktion folgender Satz: »Empört zeigte sich der Redner [Lafontaine] schließlich über die „scheinheilige Kommunistendebatte“ der letzten Tage«.

Daraus wurde in der jW-Veröffentlichung: »Empört zeigte sich der Redner [Lafontaine] schließlich über die „scheinheilige Kommunistendebatte“, die nach einem Interview der DKP-Landtagsabgeordneten Christel Wegner in der ARD-Sendung „Panorama“ losgetreten wurde«.

Von einer »DKP-Landtagsabgeordneten« hätte ich selbst aber nie gesprochen. Denn das, was sich jetzt in Niedersachsen vollzieht, ist m.E. nicht anderes als ein durch nichts zu rechtfertigender Mandatsklau. Wegner ist keine »DKP-Landtagsabgeordnete«, sondern sie allenfalls eine fraktionslose Abgeordnete. Ihre eigenes Mandat hat sie nur darüber in dem jetzt der Linkspartei ein eigenes fehlt.

Halten wir fest: Wegner sitzt nicht für die DKP im Landtag, sondern für die Linkspartei. Nur die Linkspartei, nicht aber die DKP, kandidierte bei den Wahlen am 27. Januar. Nur sie erhielt das Votum der Wähler. Dass auch Wegner gewählt wurde, verdankt sie ausschließlich der Tatsache, dass die Delegierten des niedersächsischen Linke-Landesparteitags sie auf die Wahlvorschlagsliste wählten. Sonst wäre Wegner nicht im Landtag. Doch nun weigert sich Wegner, der aus der niedersächsischen Linkspartei allumfassend erhobenen Forderung, ihr Mandat wieder zurückzugeben, zu entsprechen. Das aber ist eine Haltung, die m.E. nicht nachvollziehbar ist. Sprachlich hätte ich Wegner deshalb allenfalls als eine fraktionslose Abgeordnete gekennzeichnet, mitnichten aber als eine solche der DKP.

Diese meine Haltung ist auch der Redaktion der Jungen Welt bekannt. Umso unverständlicher ist es daher, in welcher Weise nun der Text redigiert wurde.

Haarspalterei? Ich denke nicht. Denn grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein einzelner Mandatsträger, kommt es zum Bruch zwischen ihm und seinem bisherigen Kollektiv, durchaus nicht das Recht hat, ein solches Mandat einfach mitzunehmen. Und gerade in kommunistischen, in sozialistischen, in linken und emanzipatorischen Bewegungen, sollte dies ein Standpunkt sein, der eigentlich selbstverständlich ist. Denn im Unterschied zu bürgerlichen Auffassungen, gehen wir ja nicht davon aus, dass die Mandatsträger in erster Linie ihrem „Gewissen“ oder aber partikularen Einzelinteressen (dazu zähle ich auch die rein persönlich geprägte Interpretation des Wählerwillens) verpflichtet sind. Verpflichtet sind sie hingegen jenem Kollektiv, das auf der Grundlage eines bestimmten Wahlprogramms, die Mandatsverteilung vornahm. Nicht die Fraktion, nicht der einzelne Abgeordnete, hat bei linken Bewegungen oder Parteien das Sagen. Die Bewegung, die Partei, das politische Kollektiv steht im Zentrum. Nur in seinem Auftrag sollten Abgeordnete arbeiten. Darin besteht ihre Verantwortung, als Teil dieses politischen Kollektivs, und eben für die Umsetzung des Wahlprogramms dieses Kollektivs zu wirken.

Abweichungen von dieser in sozialistischen und kommunistischen, aber auch in linken Bewegungen nun schon Jahrzehnten geltenden Regel, kann es m.E. hingegen nur geben, wenn eben dieses Kollektiv, das über die Mandatsverteilung auf der Grundlage des Wahlprogramms entschied, sich selbst so geändert hat, dass es sein eigenes Wahlprogramm verrät. Dann besteht sogar die Pflicht für den einzelnen Abgeordneten auf der Grundlage des Wahlprogramms – und notfalls auch allein – weiterhin zu wirken.

Historische Beispiele für eine solche Situation waren z.B. die Wandlung der SPD 1914 von einer Friedens- in eine Kriegspartei, die entsprechende Wandlung der Grünen 1999 mit der Unterstützung des Jugoslawien-Kriegs, 2003 die Umwandlung der SPD von einer Sozialstaats- in eine Hartz-IV-Partei. Doch derartig krasse Abweichungen vom eigenen Wahlprogramm, sind bei den niedersächsischen Linken nun wirklich nicht zu entdecken.

Eingewandt werden kann allenfalls noch, dass zum Wahlversprechen der niedersächsischen Linken ebenfalls gehörte, auch ein DKP-Mitglied in den Landtag zu hieven. Dies mag z.B. für Anhänger der DKP ein Grund gewesen sein, die Linkspartei zu wählen. Doch auch hier sind die Dinge genau zu betrachten. Denn der Bruch mit Christel Wegner vollzog sich ja nicht, weil sie der DKP angehört, auch nicht wegen ihrer umstrittenen Äußerungen in der ARD-Panorama-Sendung. Rausgeschmissen wurde sie aus der linken Fraktion, erst nachdem sie sich tagelang nach der Panorama-Sendung nicht äußerte, nicht die Gelegenheit wahrnahm, die von Panorama interpretierten Äußerungen richtig zu stellen. Weder für die Öffentlichkeit, noch für die Gremien der Linkspartei, war Wegner tagelang erreichbar. Und verstreichen ließ Wegner dann auch die Chance sich während einer Fraktionssitzung am 18. Februar 2008 dazu zu äußern. Wie sich Wegner dort äußert, davon wollte die linke Fraktion es abhängig machen, ob Wegner weiterhin zur Fraktion gehört oder eben nicht.

Auf dieser Grundlage kann Wegner überhaupt kein politisches oder moralisches Recht geltend machen, nun weiterhin als fraktionslose und sogar als eine „DKP-Abgeordnete“ im Landtag zu wirken. Das einzige, was sie dort bewirkt, besteht nun darin der Linkspartei eines ihrer Mandate zu entziehen. Über kurz oder lang – davon bin ich überzeugt – wird Wegner deshalb das Mandat niederlegen und damit an die Linke zurückgeben. Besser wäre es, sie täte es schnell. Denn so lange wie Wegner im Landtag sitzt, so lange haben Antikommunisten die Chance, genau diese Situation zu nutzen, um auf Linkspartei und DKP einzuhauen. Sie wenden den Fall ja längst auch dafür, nun die gesamte DKP aus einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei auszugrenzen. Gleichzeitig auch dafür, dass sich die Linkspartei weiter nach rechts entwickelt. Inhaltliche Positionen, wie etwa die, nach einer Vergesellschaftung großer Produktionsmittel, werden so aus der programmatischen Diskussion der Linkspartei zunehmend ausgegrenzt.

Die irre Vorstellung, die es hier und dort zu geben scheint, nun aber aus Wegner eine Art kommunistisches Leuchtfeuer zu machen, ist völlig unrealistisch. Das geht am Alltagsbewusstsein der breiten Massen, aber auch derjenigen, die in sozialen und politischen Bewegungen aktiv sind, völlig vorbei.

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21. Februar 2008

Aus aktuellen Anlass hier einige Fotos von Olaf Harms (DKP). Printmedien könne diese mit dem Bildnachweis „Andreas Grünwald“ zu den im jeweiligen Medium üblichen Honorarbedingungen nutzen. Die Kontoverbindung ist weiter unten angegeben. Haben Sie Schwierigkeiten ein Bild herunterzuladen, so erreichen Sie mich unter 0176-54730581.

Die folgenden Bilder haben jeweils eine Größe von etwa 2 MB.

Olaf Harms 1

Olaf Harms 2

Olaf Harms 3

Bitte überweisen Sie das Honorar auf folgendes Konto:

Andreas Grünwald
Hamburger Sparkasse (HASPA)
BLZ 20050550
K-Nummer: 1266/467719

Bitte teilen Sie mir mit, wenn Sie eines der Fotos verwenden: A.Gruenwald@alice-dsl.net

Verwendung bisher:
taz vom 21. Februar 2008
Junge Welt vom 22. Februar 2008
Online-Magazin Scharf Links vom 20. Februar 2008
DKP Hamburg Online Seite



19. Februar 2008

Über die angeblich vorhandene Absicht der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner (DKP) die „Stasi“ wieder einzuführen, wird in den Medien viel spekuliert – und zum Teil werden ihre Aussagen auch richtig gefälscht. Die ganze Sache hat zudem in der Linkspartei zu erheblichen Debatten geführt. Was bisher in diesen Diskussionen fehlt, das ist der originäre Standpunkt zu diesen Fragen aus der DKP. Nachfolgend dokumentiere ich deshalb Stellungnahmen von Olaf Harms, DKP-Vorsitzender in Hamburg, von Heinz Stehr, DKP-Bundesvorsitzender und von Christel Wegner (DKP Buchholz).

Olaf HarmsStellungnahme des Vorsitzenden der DKP Hamburg, Olaf Harms, für die Mitglieder der Linkspartei in Hamburg
(18. Februar 2008)

1.

Geheimdiensten stehe ich grundsätzlich kritisch gegenüber, weil sie sich allzu leicht verselbständigen und einer wirksamen Kontrolle entziehen. Das führt zu Unterdrückung und Willkür. Insofern stimme ich mit Folgendem aus den programmatischen Eckpunkten völlig überein:

„Die Stärkung der individuellen Rechte: Staatliches Handeln muss immer überprüfbar und die Einzelnen müssen vor ungerechtfertigten Zugriffen des Staats geschützt sein. Deswegen ist der Rechtsstaat mit der Rechtswegegarantie für uns ein hohes Gut, und wir brauchen unabhängige Kontrollinstanzen gegenüber den staatlichen Sicherheitsorganen. Wir halten an der strikten Trennung von Polizei und Bundeswehr sowie von Polizei und Geheimdiensten fest. Das regelmäßige Recht, selbst über die eigenen Daten und ihre Verwendung zu bestimmen, ist und bleibt für uns unaufgebbar.“

2.

Als Kommunist kämpfe ich für eine Welt, in der sich alle Menschen frei von Ausbeutung mit allen ihren Fähigkeiten frei entfalten können. Das ist für mich nur im Sozialismus möglich, und dazu gehört unabdingbar die Abwesenheit von staatlicher Repression und Willkür. Das hat ein sozialistischer Staat zu garantieren. Dass dieses in der DDR nicht gelungen ist, bedarf einer sorgfältigen und ernsthaften Diskussion mit Respekt gegenüber den Opfern. Diese Diskussion führen wir in der DKP und haben in unserem Programm u.a. folgendes beschlossen:

„Durch die staatliche Durchdringung aller Bereiche der Gesellschaft wurde die Eigeninitiative gehemmt. Immer weniger fand eine streitbare gesellschaftliche Debatte um Perspektiven statt. In dieser Zeit verlor die Partei an Glaubwürdigkeit und damit letztlich die Hegemonie. Politische und organisatorische Grundsätze der KPdSU wurden zunehmend außer Kraft gesetzt; an die Stelle von innerparteilicher Demokratie, Kollektivität und Solidarität traten autoritäre Maßnahmen. … Vor dem Hintergrund eines fehlenden Vorlaufs bürgerlich-demokratischer Rechtsformen wurden, im Widerspruch zum humanistischen Wesen des Sozialismus, die Prinzipien sozialistischer Demokratie durch Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, durch Repression, durch Massenverfolgung und Verbrechen massiv verletzt. Zahllose Menschen … fielen dem zum Opfer. Das hat dem Sozialismus und seinem Ansehen schwer geschadet.“

Von einer Rechtfertigung von begangenen Menschenrechtsverletzungen und von erfolgter Verletzung von geltenden Rechtsnormen durch das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der früheren DDR distanziere ich mich deshalb ausdrücklich.

3.

Mit meiner Partei stehe ich für eine sozialistische Gesellschaft. Die Wirtschaft soll in der Hand des Volkes liegen und dem ganzen Volk dienen. Profite für Wenige sollen der Vergangenheit angehören. Nur wenn die große Mehrheit dies will, kann das Großkapital in Gemeineigentum überführt werden. Das Grundgesetz eröffnet dafür in den Artikeln 14 und 15 die Möglichkeit.

Zum Sozialismus gehört ein demokratisches Gemeinwesen. Dieses schließt die Fähigkeit ein, sich gegen Angriffe von außen, wie gegen verfassungswidrige Bestrebungen des Kapitals zu verteidigen. Doch dies kann nur mit dem Willen und durch Unterstützung der Mehrheit des Volkes, ja letztendlich nur durch das Volk selbst realisiert werden. Unabdingbar schließt dies den Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür ein. Dies sind Lehren, die die DKP aus dem Scheitern der DDR gezogen hat. Die DKP steht in der 160-jährigen kommunistischen Tradition mit all ihren Leistungen und Fehlern – daraus ist die DDR nicht wegzudenken. Trotz demokratischer Mängel hat sie das Recht auf Arbeit, Wohnung und soziale Sicherung durchgesetzt.

4.

Die Ziele von Panorama sind deutlich: Erstens soll massiv auf die bevorstehenden Wahlen in Hamburg Einfluss genommen werden. Zweitens soll sich DIE LINKE von allen distanzieren, die nicht in das Bild dieser Medien passt. Und bei mir soll es anfangen.

5.

Mir ist bewusst, dass wir in einigen Punkten unterschiedliche Auffassungen haben. In einem sind wir uns jedoch einig. Es muss eine andere, den Menschen dienende Politik her. Und das auf Basis des Sofortprogramms und des Wahlprogramms von DIE LINKE, hinter dem ich stehe. Dieses will ich mit Euch und den politisch aktiven Menschen dieser Stadt umsetzen.

(Hamburg, 18. Februar 2008)

heinz_stehrStellungnahme des DKP-Bundesvorsitzenden Heinz Stehr (19. Februar 2008)

Persönliche Erklärung von Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP

Sperrfrist: Dienstag, 19. Februar 2008, 11.00 Uhr

Die Landtagsfraktion „Die Linke“ in Niedersachsen hat Christel Wegner wegen ihrer Äußerungen in der TV-Sendung Panorama aus ihren Reihen ausgeschlossen.

Nicht das Interview von Christel Wegner ist der Skandal. Skandalös war das zusammengestückelte antikommunistische Produkt von „Panorama“. Skandalös war, dass ihre Äußerungen auf die Versatzstücke „Stasi“ und „Mauer“ reduziert wurden. Denn dass weder Christel Wegner noch die DKP „Stasi“ oder „Mauer“ zurückhaben will, kann man durch einen Blick in das Programm der DKP erkennen.

Für uns ist nur ein Sozialismus vorstellbar, der die breitestmögliche Entwicklung von Demokratie zur Vorraussetzung hat. Je mehr Menschen in lebendige demokratische Prozesse einbezogen sind, desto überflüssiger wird jede Form von Gängelung, Repression, Bespitzelung und Bevormundung, die mit sozialistischer Demokratie nicht zu vereinbaren ist.

Nicht zuletzt deshalb bekämpfen wir alle Bestrebungen von Innenminister Schäuble, unser Land zu einem Überwachungsstaat auszubauen, demokratische Rechte zu eliminieren, Grundrechte einzuschränken und Gesinnungsjustiz zu praktizieren.

Aber skandalös ist nicht nur die Berichterstattung von „Panorama“; skandalös sind auch die Reaktionen darauf.

Unabhängig davon, ob die Äußerungen Christel Wegners im Einzelnen richtig waren, zeigte das Folgende, dass es in diesem Land unmöglich sein soll, abweichende Positionen offen zu äußern. Wer Mitglied einer Kommunistischen Partei ist, steht von vornherein unter Verdacht, ist ein „Betonkopf“, ist „ewiggestrig“. In anderen Ländern Europas wird man den Kopf schütteln über diese „Demokratieauffassung“.

Christel Wegner hat das Interview in guter Absicht gegeben. Sie hat dabei aus unserer Sicht Fehler gemacht. Sie hat sich inzwischen in einem Schreiben an den Landesvorstand der Linkspartei Niedersachsen geäußert und selbstkritisch Stellung bezogen. Von ihr wurde und wird der Rücktritt gefordert. Sie wurde jedoch in einem demokratischen Prozess als Kandidatin aufgestellt und durch den Willen der Wählerinnen und Wähler in den Landtag gewählt. Es gab keine Täuschung der Wähler, denn sie hat nie verheimlicht, dass sie Mitglied der DKP ist. Wir ermutigen sie, das Mandat wahrzunehmen, denn die Kampagne gegen sozialistische und kommunistische Positionen und Personen ist nicht zufällig, sie wurde geplant und entsprechend gesteuert.

Ich erinnere daran, dass die Linkspartei vom Verfassungsschutz der meisten Bundesländer – siehe deren Berichte – genauso bekämpft wird wie die DKP. Ich mache darauf aufmerksam. dass die CSU-nahe Hans-Seidel-Stiftung 2006 und 2007 Seminare und Analysen zur Bekämpfung der DKP gemacht durchgeführt hat und der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein seine Aschermittwoch-Show für Auseinandersetzungen mit der DKP nutzte. Bekannter ist, dass die CDU in Hessen drei Wochen vor der Wahl das Verfassungsschutzpamphlet „Das wahre Gesicht der Linkspartei“ mit wahrheitswidrigen Informationen und Verleumdungen über die Partei „Die Linke“ und die DKP veröffentlicht hat.

Am 18. Februar 2008 beschloss die Fraktion „Die Linke“ aufgrund des massiven Drucks der Medien und leider auch aus der Parteispitze Christel Wegner aus der neu gebildeten Fraktion auszuschließen. Die Linke hat sich der Staatsdoktrin Antikommunismus gebeugt, doch ohne sich davon zu befreien, ist ein Politikwechsel nicht zu erreichen. Diese Entscheidung bedeutet für die Fraktion auch einen Verlust an notwendiger linker Solidarität und Souveränität. Der Fraktion ist zu wünschen, dass sie bei weiteren politischen Entscheidungen mehr politische Eigenständigkeit und mehr Stehvermögen beweist, konsequent für ihr Landtagswahlprogramm mit möglichst vielen Kräften gemeinsam einzutreten.

(Essen, 19. Februar 2008)

Christel WegnerPersönliche Erklärung von Christel Wegner zur Panoramasendung
(14.2.2008)

Liebe Genoss/inn/en, liebe Freunde,

zur Klarstellung und vorab in aller Deutlichkeit: Ich will nicht, wie es Panorama und die Presse formulieren, „die Stasi zurück“.

Wer den Bericht in Panorama gesehen hat, hat bemerkt, es gab viele Schnitte. Meine Aussage im Interview bezog sich nicht auf die Stasi. Ich habe vielmehr gesagt, dass jeder Staat einen Geheimdienst hat und dies natürlich auch für einen sozialistischen Staat gilt. Im Anschluss hieran erfolgte dann die in Panorama gesendete Sequenz zum Thema
„Staatssicherheit“.

Ich gebe zu, ich bin in dieses Gespräch zu arglos hineingegangen. Dies tut mir leid. Auch als 60jährige Kommunistin muss man noch lernen. Es ist doch klar, dass es mir nicht darum geht, die Stasi wieder zu beleben, die Mauer neu zu bauen oder den Niedersachsen ihr Eigenheim zu einteignen. Gerade gegenwärtig mit der Werksschließung von Nokia, der Preispolitik der Energiekonzerne, wird die Notwendigkeit deutlich, Konzerne dieser Größenordnung in Gemeineigentum zu überführen.

Natürlich weiß ich, dass nur durch Entwicklung der Demokratie, durch das demokratische Engangement der Mehrheit der Menschen fortschrittliche Entwicklungen erreicht und gesichert werden können. Und im übrigen – die DKP hat schon immer die Auflösung der Geheimdienste gefordert.

Das Ziel der Kampangne ist klar, es soll die Linke treffen, natürlich auch mich als Kommunistin.

Es soll abgelenkt werden von den Skandalen um e.on, Siemens, Nokia und am Donnerstag passend Herrn Zumwinkel.

Die Vereinbarung mit der Partei „Die Linke.“ war, dass ich das Landtagswahlprogramm vertrete. Daran habe ich mich gehalten und werde es auch künftig tun.

(Buchholz, 14. Februar 2008)

[Redaktionelle Anmerkung: Dieses Schreiben von Christel Wegner ging an den niedersächsischen Landesvorstand der Partei Die Linke und deren Fraktion im niedersächsischen Landtag am 14. Februar 2008. Öffentlich wurde es erst am 18. Februar 2008]

Verwendung: nur hier auf der Seite



18. Februar 2008

Hamburg: Gleich drei rechte Parteien kandidieren für die Bürgerschaft

Rund 600 Antifaschisten haben am Sonntag in Hamburg gegen eine Wahlveranstaltung der Deutschen Volksunion (DVU) mit deren Bundesvorsitzendem Gerhard Frey demonstriert. Kurz zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht das städtische Congress-Centrum Hamburg (CCH) verpflichtet, der DVU einen Saal zu vermieten. Dies entspreche dem Grundsatz der »Gleichbehandlung« aller für die Bürgerschaftswahlen am 24. Februar antretenden Parteien, hieß es zur Begründung. Neonazis hätten kein Recht auf eine solche Gleichbehandlung, betonte indes das »Hamburger Bündnis gegen rechts«. Es rief zu einer Protestkundgebung direkt vor dem Center auf.

Daß die DVU ihre Wahlveranstaltung für rassistische Hetze nutzt, wurde gleich zu Beginn der Veranstaltung deutlich. Vor etwa 250 Anhängern, darunter auch Angehörige aus den militant neofaschistischen »freien Kameradschaften« um Neonaziführer Christian Worch, fabulierte Frey über »kriminelle Ausländer« und »rote Politbonzen«, die das Land ruinierten. Er forderte, daß »deutsches Geld« nur für Deutsche zur Verfügung stehe und betonte, daß er noch heute stolz auf die Leistungen seines Vaters in der Wehrmacht sei.

»Jawohl« und »Frey, Frey, Frey«, riefen daraufhin einige der Anwesenden und klatschten so laut, daß Frey mit seiner Rede ins Stocken und schließlich sogar aus dem Konzept geriet. Erst jetzt erkannten die DVU-Ordner, daß der nachhaltige Applaus nicht aus den eigenen Reihen, sondern von etwa 25 Antifaschisten kam, die es trotz der zahlreichen Polizeisperren geschafft hatten, in den Saal zu gelangen. Für sie wurde es nun ungemütlich. Geschubst und getreten, gezerrt und geschlagen, landeten sie schließlich vor der Tür.

Aus dem ultrarechten Lager tritt für die Bürgerschaftswahlen nur die DVU an. Sie ist zwar in Hamburg relativ schwach, doch im sogenannten Deutschland-Pakt zwischen NPD und DVU hatten sich beide Parteien darauf geeinigt, daß es bei Landtagswahlen keine Konkurrenzkandidaturen geben dürfe und man sich gegenseitig und im Wechsel unterstützt.

Doch im Wahlkampf der DVU ist von der NPD bisher wenig zu sehen. Multimillionär Frey finanziert mit seinem Vermögen zwar den Druck der Propagandamaterialien. Doch was nützt dies, wenn das anschließend keiner verteilt? Die DVU-Wahlkampagne bleibe jedenfalls »weit unter dem, was wir erwartet haben«, so Antifa-Bündnis-Sprecher Wolfram Siede gegenüber jW. Er vermutet, daß Teile der NPD, darunter ihr Hamburger Landesverband, den Pakt mit der DVU nicht wollen. Ein schlechtes Wahlergebnis für die DVU würde den innerparteilichen Druck erhöhen, von diesem künftig wieder Abstand zu nehmen.

Ein Einzug der DVU in die Hamburger Bürgerschaft ist jedenfalls nicht zu erwarten. Das gilt auch für zwei weitere Parteien am rechten Rand: die vom ehemaligen CDU-Justizsenator Roger Kusch gegründete Partei »Rechte Mitte Heimat Hamburg« und den von Ex-Innensenator Dirk Nockemann – ein ehemaliger Parteigänger von Ronald Barnabas Schill – aufgebauten Hamburger Landesverband der Deutschen Zentrumspartei. Doch anders als 2001, wo Schill mit seinen Law-and-order-Parolen zum Liebling der Hamburger Boulevardmedien avancierte, stoßen seine Erben zur Zeit auf wenig Resonanz.

Verwendung: Junge Welt vom 18. Februar 2008
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15. Februar 2008

Partei Die Linke in Hamburg diskutierte über Optionen nach der Bürgerschaftswahl. Bundestagsabgeordneter aus Hessen kritisiert Regierungsbeteiligung in Berlin

Koalieren? Tolerieren? Opponieren? In der Partei Die Linke wird dieses strategische Dreieck nach den Wahlen in Hessen und vor denen in Hamburg heiß diskutiert. In der Hansestadt wurde die Debatte am Mittwoch abend auf Einladung der Parteiströmung Sozialistische Linke fortgesetzt. Wolfgang Gehrcke, Vorstandsmitglied der Linkspartei und Bundestagsabgeordneter aus Hessen, empfahl dort seinen Hamburger Genossen sowohl vom Koalieren als auch vom Tolerieren die Finger zu lassen.

Tolerierungsverhandlungen gingen meistens daneben und schwächten die gesamte Linke. Geprägt durch den Wunsch vieler Bürger, den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) loszuwerden, hätte auch Die Linke darauf reagieren müssen, konstatierte Gehrcke. Frühzeitig habe die Partei daher ihre Bereitschaft signalisiert, daß ein solcher Wechsel an ihr nicht scheitern werde und sie Andrea Ypsilanti (SPD) zur Ministerpräsidentin mitwählen werde, wenn diese ihr eigenes Programm umsetze. Das habe für Die Linke den Vorteil gehabt, immerhin keinen »Kuhhandel« um das eigene Programm eingehen zu müssen. »In der Opposition besetzen wir die Themen«, so Gehrcke. Tolerierungsverhandlungen hätten den klaren Nachteil, die außerparlamentarische Bewegung zu schwächen und einen Teil der eigenen Wählerschaft durch den Zwang zum Kompromiß zu enttäuschen. Noch schlimmer gehe es nur durch Koalitionsvereinbarungen mit »diesen neoliberalen Parteien« – gemeint waren SPD und Grüne.

Scharf attackierte Gehrcke seine Berliner Parteifreunde. Mit ihrer Weigerung, Arbeitskampfaktionen der BVG-Beschäftigten zu unterstützen, würden diese nur zeigen, wie tief sie sich schon im dortigen Koalitionsgestrüpp verheddert hätten. Mit der Vorstellung, daß Die Linke der natürliche Partner oder sogar Teil eines »rot-grünen Blocks« in Parlamenten und Gesellschaft sei, müsse schnellstens gebrochen werden. Kein gutes Haar ließ Gehrcke auch an dem Europaabgeordneten André Brie. Dessen Forderung, auf Bundesebene schon 2009 eine Koalition mit SPD und Grünen einzugehen, sei völlig unrealistisch. Diese Parteien »setzen klar weiter auf Kriegseinsätze«, so Gehrcke.

Eine Sprache, die in Hamburg ankam. So betonte etwa Christian Schröppel, Bezirksvertreter im Landesvorstand der Linken, daß die Wiederaufnahme einer solchen »sinnvollen Debatte« nicht damit verwechselt werden dürfe, nur »Mehrheitsbeschaffer« für Grüne und SPD zu sein. Ähnlich äußerte sich Gerald Kemski von der Arbeitsgemeinschaft »Betrieb & Gewerkschaft«. Er sei in die Partei eingetreten, »um die Gesellschaft zu verändern«.

Auf Anfrage erinnerte Gehrcke schließlich an die Tolerierungsverhandlungen von 1987 in Hamburg, seinerzeit geführt zwischen der damals noch linken Grün-Alternativen-Liste (GAL) und SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Auch die GAL war zu keinem Kuhhandel bezüglich des eigenen Programms bereit. Nach den gescheiterten Verhandlungen wurde sie von SPD und Medien dafür als »fundamentalistischer« und »politikunfähiger« Verweigerungsclub denunziert. Die Folge waren Neuwahlen. Sie endeten mit herben Verlusten für die GAL, und Dohnanyi blieb Bürgermeister.

Verwendung: Junge Welt vom 15. Februar 2008
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14. Februar 2008

Olaf HarmsGemeinsam handeln: Die DKP unterstützt Die Linke bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg. Ein Gespräch mit Olaf Harms

Olaf Harms ist Vorsitzender der DKP in Hamburg. Für die Wahlen am 24. Februar tritt er dort als Bürgerschaftskandidat für Die Linke an

Meinungsforscher sagen der Linken ein gutes Wahlergebnis voraus. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie selbst?

Hamburg ist immer für Überraschungen gut. Doch Fakt ist, daß die Linke in die Bürgerschaft einziehen und dort dann als eine klare linke Oppositionskraft wirken wird. Wenn ich von Stimmungen ausgehe, die ich an Infoständen mitnehme, könnte es ein sehr gutes Wahlergebnis werden. Und dies zu erreichen, kommt es nun darauf an, Stimmungen in Stimmen zu verwandeln.

Sie wohnen in Wilhelmsburg, wo fast 50 Prozent der Menschen auf Hartz IV angewiesen sind. Wie verwandeln Sie dort Stimmungen in Stimmen?

Vor meiner Haustür sprach mich kürzlich ein Bürger mit »Lafontaine« an. Er brachte damit seine Zustimmung zu unserem Oppositionskurs zum Ausdruck. Gleichzeitig machte er deutlich, wie enttäuscht er von der SPD ist. Das sind Erlebnisse, wie wir sie vielfach haben, denn die Leute wissen genau, wer für Hartz IV und die Agenda-Politik Verantwortung trägt. Leider gibt es auch viele, die sagen, daß »die da oben« am Ende doch machen, was sie wollen. Diesen Menschen Mut zu machen, sich selbst zu wehren, ist eine gute Methode um sie auch für die Wahl der Linken zu gewinnen.

In ihrem Sofortprogramm schlägt die Linke die Umwandlung aller Ein-Euro-Jobs in reguläre Arbeitsverhältnisse, die Zurücknahme der Sozialkürzungen des CDU-Senats, den Stopp aller Privatisierungen, die Re-Kommunalisierung der Kliniken und ein neues Gesamtschulsystem vor. Wie wollen Sie das finanzieren?

Wer Politik verändern will, der muß dafür Geld in die Hand nehmen. Deshalb wollen wir auf teure Prestigeprojekte verzichten, schlagen zudem aber auch vor, wie man durch mehr Steuerprüfer und Veränderungen in der Steuerpolitik die Einnahmeseite verbessern kann. Generell gilt, daß wir das, was wir den Ärmeren geben, bei den Reichen holen. Bei der SPD befürchte ich hingegen, daß sie nur innerhalb der Klasse umverteilen wird. Also nach dem Motto: Was ich den Erwerbslosen gebe, hole ich mir von den Lohnabhängigen oder umgekehrt. Das ist mit uns nicht zu machen.

Angenommen, es käme zu »hessischen Verhältnissen«. Wie sollte die Linke ihre Tolerierungspolitik gestalten?

So, wie auf einem Linke-Landesparteitag Anfang dieses Jahres und davor auf einem weiteren beschlossen. Eine SPD-Grünen-Minderheitsregierung werden wir nur tolerieren, wenn sie das linke Sofortprogramm umsetzt. Verhandlungen nach dem Motto, wir geben euch die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs, ihr schluckt dafür das Kohlekraftwerk in Moorburg oder das alte Schulsystem, darf es nicht geben.

Im Klartext also Opposition?

Nur dafür werden wir gewählt. Mit kluger Oppositionspolitik ist eine Menge zu bewegen und durchzusetzen.

Sie sind Mitglied der DKP. Warum unterstützt Ihre Partei die Linke im Wahlkampf?

In Hamburg lebt jedes fünfte Kind in Armut. 30000 Menschen verdienen so wenig, daß sie zusätzlich Transferleistungen benötigen. 12000 Menschen arbeiten als Ein-Euro-Jobber. Hamburg ist eine reiche Stadt, aber zugleich auch eine Stadt, in der Armut und Ausgrenzung regieren. Dies zu ändern, den Sozialraub zu stoppen, ist das Ziel von Kommunisten. Am besten geht dies, wenn wir gemeinsam handeln.

Gregor Gysi hat gerade erklärt, daß er die Aufstellung von DKP-Mitgliedern bei der Linkspartei mißbilligt. Er betonte, daß die DKP-Forderung, große Produktionsmittel zu vergesellschaften, mit der Linken nicht zu machen sei.

Dann stößt man aber schnell an Grenzen. Was wollen wir denn machen, wenn wie bei Allianz, bei Siemens oder Nokia Tausende Mitarbeiter entlassen werden und gleichzeitig die Kapitaleigentümer riesige Gewinne einfahren? Im Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes ist das Sozialstaatsgebot vorgeschrieben. Wer dagegen verstößt, kann enteignet werden. Was nützt es, wenn man den Raubtierkapitalismus rhetorisch geißelt, sich davor aber scheut, ihm Grenzen aufzuzeigen?

Ich mache in Hamburg seit über 30 Jahren Politik. Zumindest meine Erfahrung besagt, daß wir als Linke immer dort erfolgreicher sind, wo wir gemeinsam handeln. Die Mitglieder unserer Partei sind wie Hunderte andere am Wahlkampf beteiligt. Auch mit eigenem Material und in dem wir begründen, warum wir die Linke unterstützen. In Hamburg findet das eine positive Resonanz.

[Dieses Interview ist Teil einer Schwerpunktseite, die ich für die Tageszeitung Junge Welt gestaltete. Lesen Sie deshalb auch Dokumentation: Sechs Punkte für soziale Gerechtigkeit und Zünglein an der Waage. Die gesamte und gestaltete Seite können Sie hier auch als PDF-Datei herunterladen.]

Verwendung: Junge Welt vom 14. Februar 2008



14. Februar 2008

CDU muß bei Hamburger Wahl mit massiven Stimmenverlusten rechnen, FDP stagniert. SPD und Grüne sind ohne eigene Mehrheit – nur Die Linke legt fleißig zu

Da war sie wieder ins Fettnäpfchen getreten, Hamburgs Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU), als sie dieser Tage vorschlug, daß Schüler künftig auch am Samstag in die Schule müssen, um Überlastungen aus dem Lehrplan besser auszugleichen. Er sei »aus allen Wolken gefallen«, als er davon erfahren habe, empörte sich Bürgermeister und Parteikollege Ole von Beust. Umgehend wies er den Vorschlag seiner Senatorin zurück. Wie immer die Bürgerschaftswahlen am 24. Februar ausgehen, ein Ergebnis liegt schon vor: die Tage von Dinges-Dierig sind gezählt. So wie die des Pleiten- und Justizsenators Carsten Lüdemann (CDU): Monatelang hatte er mit gefälschten Statistiken eine besonders harte Strafverfolgung von jugendlichen Kriminellen vorgetäuscht. So lange, bis der Schwindel schließlich aufflog.

Extreme Nervosität

Sind es nur Ungeschicklichkeiten, ist es ein Hang zum Masochismus, der bei der CDU Einzug hält? Vieles spricht eher dafür, daß solche Fehler Anzeichen extremer Nervosität im Unionslager sind. Meinungsforscher sagen der Partei – sie holte 2004 immerhin 47,2 Prozent und regiert das Rathaus seitdem mit absoluter Mehrheit – schon seit Monaten herbe Verluste voraus. Bis zu zehn Prozent. Das könnte auch die FDP nicht ausgleichen. Die Liberalen lagen in den Umfragen Anfang Februar bei fünf Prozent. Daß der Senat nun schnell noch vor den Wahlen einen mehrjährigen Vertrag mit dem Energiekonzern E.on über die Nutzung des Gasnetzes abschloß, deutet jedenfalls auf Endzeitstimmung hin. Ebenso der Deal von Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Klammheimlich wollte er eines der wertvollsten städtischen Grundstücke – das Baubehörden-Areal – für einen Schnäppchen-Preis an einen Privatinvestor verkaufen. Erst am gestrigen Mittwoch zog er den nach heftigen Protest der Oppositionsparteien schließlich zurück.

Doch auch SPD und Grüne kommen bislang mit ihrem Wahlkampf nicht richtig zu Pott. Zwar konnte SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann seine Partei aus dem historischen Umfragetief vom Mai 2007 (29 Prozent) inzwischen wieder herausführen, doch die Werte von 33 und 36 Prozent, mit denen seine Partei jetzt gehandelt wird, reichen für einen Wechsel unter seiner Führung nicht. Zumal da die Zugewinne mit Verlusten beim grünen Wunschkoalitionspartner kombiniert sind. Im Mai 2007 gaben Meinungsforscher den Grünen 16 Prozent, jetzt liegen sie bei zehn. Wahlforscher sehen darin auch den Preis für schwarz-grüne Koalitionsspekulationen, die es bei den Grünen immer wieder gab.

Stabil ist indes die Lage bei den Linken. Seit über einem Jahr liegt die Partei oberhalb der Fünf-Prozent-Marke. Allen Umfragen zufolge wird sie in der Bürgerschaft das Zünglein an der Waage sein. Und auch das »kleine Tief«, in dem sich Die Linke Anfang des Jahres nach den Worten ihrer Landessprecherin Christiane Schneider befand, scheint überwunden. Tagelang hatte sich die Partei zu diesem Zeitpunkt in Tolerierungsdebatten verheddert. Die Wahlforscher geben der Linken mittlerweile sieben bis acht Prozent, Spitzenkandidatin Dora Heyenn geht sogar von einem zweistelligen Ergebnis aus.

Soziale Gerechtigkeit

Wie Die Linke setzt auch die SPD im Wahlkampf auf »soziale Gerechtigkeit«. Naumann fordert die Streichung aller Bildungs- und Kitagebühren, die Rücknahme sämtlicher Sozialkürzungen des CDU-Senats, die Verwandlung der Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Ebenso ein neues Stadtwerk für die Energieversorgung und Initiativen für einen gesetzlichen Mindestlohn. Doch gleichzeitig will er Steuern und Abgaben nicht erhöhen, keine neuen Schulden machen, die »Wirtschaftsförderung« nicht antasten. Wie will der Sozialdemokrat seine Forderungen finanzieren, fragt deshalb Linke-Kandidat Olaf Harms.

Über 200000 Menschen sind in Hamburg von Hartz IV abhängig. »Die lassen sich nicht länger betrügen«, sagt Wolfgang Joithe, der auf Platz 4 der Linke-Liste für die Bürgerschaft kandidiert. Der 57jährige ehemalige Systembetreuer ist seit über drei Jahren selbst ein Hartz-IV-Empfänger. Für die Linke ein absoluter Glücksfall, denn ihm vertrauen die Leute, wenn er sagt: »Hartz IV muß weg«, das Sozialticket und die Forderung nach Erhöhung der Regelleistungen seien nur ein erster Schritt dorthin. Ein Mann wie Joithe, da sind sich seine Zuhörer einig, wird sich nicht anpassen, wird in keine Tolerierungsfalle hineintapsen. In der künftigen linken Fraktion wird er damit nicht allein sein. Auch die Exil-Iranerin Zaman Masudi, DKP-Mann Olaf Harms, Mehmet Yildiz von der Migrantenorganisation DIDF sowie Dora Heyenn stehen für diesen klaren Oppositionskurs.

[Dieser Beitrag ist Teil einer Schwerpunktseite, die ich für die Tageszeitung Junge Welt gestaltete. Lesen Sie deshalb auch Dokumentation: Sechs Punkte für soziale Gerechtigkeit und das Interview »In der Opposition kann man viel bewegen«. Die gesamte und gestaltete Seite können Sie sich hier auch als PDF-Datei herunterladen.]

Verwendung: Junge Welt vom 14. Februar 2008



14. Februar 2008

Aus dem »Aktionsprogramm der Hamburger Linken zur Bürgerschaftswahl 2008«

Die Linke.Hamburg will den Wechsel für eine soziale Politik. (…) Unser Sofortprogramm für Hamburg ist ein realisierbarer Einstieg in eine andere Politik. Dies ist uns besonders wichtig:

1. Wir wollen ein Landesprogramm Arbeit, mit dem wir die entwürdigenden Ein-Euro-Jobs abschaffen und dafür sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse schaffen, einen Ausbau des öffentlichen Dienstes und Arbeitszeitverkürzungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. (…) Wir streiten für den Einstieg in eine Kindergrundsicherung zur Bekämpfung der Kinderarmut. (…)

2. Gebührenfreie Bildung für alle. Sofortige Wiederherstellung der Lehr- und Lernmittelfreiheit, gebührenfreie Kitas und Hochschulen. Wir wollen die Einführung einer »Schule für alle«, in der Kinder bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen können. Wir setzen uns ein für eine Ausbildungsplatzumlage – wer nicht ausbildet, soll zahlen. Jeder Schulabgänger soll eine anerkannte Berufsausbildung machen können. (…)

3. Öffentlich muß bleiben, was wichtig für alle ist. Der ehemalige Landesbetrieb Krankenhäuser, das ehemalige Pflegen & Wohnen gehören in öffentliches Eigentum zurückgeführt. (…) Das Steinkohlekraftwerk in Moorburg darf nicht gebaut werden. (…) Vattenfall und E.on (gehören) unter öffentliche Kontrolle.

4. Wir setzen auf mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung! Deshalb sagen wir auch JA zu verbindlichen Volksentscheiden! (…)

5. Wir wollen in Hamburg ein gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen. Hamburg soll Migrantinnen und Migranten eine neue Heimat bieten. (…)

6. Unsere Vorschläge sind finanzierbar. (…) Weitere Kürzungen auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit lehnen wir ab.

[Dieser Beitrag ist Teil einer Schwerpunktseite, die ich für die Tageszeitung Junge Welt verfasste. Lesen Sie dazu auch Zünglein an der Waage und das Interview »In der Opposition kann man viel bewegen«. Die gesamte Seite können Sie sich hier und gestaltet auch als PDF-Datei herunterladen.]

Verwendung: Junge Welt vom 14.02.08



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14. Februar 2008

»Gleiche Arbeit – gleiches Geld« – IG Metall will keine Zweiklassengesellschaft in Betrieben

Unter dem Motto »Gleiche Arbeit – gleiches Geld« hat die IG Metall Küste am Mittwoch in Hamburg eine Leiharbeitskampagne gestartet. Ziel der Aktion sei es, die betriebliche Gleichstellung von Leiharbeitern mit den Beschäftigten der Stammbelegschaften zu erreichen, betonte IG-Metall-Pressesprecher Daniel Friedrich gegenüber junge Welt. In bis zu 25 Betrieben in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sollen in diesem Sinne bis Ende des Jahres Regelungen zur Leiharbeit zwischen den Betriebsräten und den Unternehmensführungen vereinbart werden.

Darüber hinaus will die Gewerkschaft das Thema im Zusammenhang mit Abweichungen vom Tarifvertrag auch in der Öffentlichkeit thematisieren.

»Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft in den Betrieben«, so Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IG Metall Küste, auf einer Beratung von 120 Betriebsräten ihres Bezirks am Mittwoch in Hamburg. Sie betonte, daß Leiharbeit nicht zu Dumpinglöhnen führen dürfe. Es gehe um die Verwirklichung des Grundsatzes »Gleiches Geld für gleiche Arbeit« und zunächst darum, bessere und fairere Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter zu erstreiten. Ein Schwerpunkt der Kampagne liege bei Betrieben im Schiffbau. »Wir werden alles dafür tun, daß die Menschen zu vernünftigen Bedingungen ihre Arbeit machen können«, so Blankau vor den Betriebsräten.

Für den 2. Vorsitzenden der Gewerkschaft, Detlef Wetzel, ist der Einsatz von Leiharbeitern vor allem mit der »Verdrängung regulärer Beschäftigung« verbunden. Das sei aber nicht nur ein Problem der Beschäftigten, sondern auch der Unternehmen. Ein zu hoher Anteil von Leiharbeitern bringe Verluste bei der Qualität und der Prozeßsicherheit. »Die Unternehmen überziehen«, rief Wetzel vor den Betriebsräten aus. Die Schraube müsse nun dringend zurückgedreht werden. Er forderte, daß Leiharbeit wieder zu ihrem Ursprung zurückgeführt werden müsse, also als Flexibilitätsreserve zu nutzen sei. Bei der Zusammenkunft kündigte Wetzel an, das Thema auch bundesweit voranzutreiben. Neben den Aktivitäten im Betrieb müsse auf politischer Ebene gehandelt werden. Als einen ersten Schritt begrüßte Wetzel die vom Bundesarbeitsminister geplante Einführung eines Mindestlohns für die Leiharbeitsbranche durch die Aufnahme in das Entsendegesetz. Der betreffende Tarifvertrag schreibt Stundenlöhne von mindestens 7,31 Euro im Westen bzw. 6,36 Euro im Osten vor. »Ungeschützte prekäre Arbeit kann kein Leitbild für die Gesellschaft sein«, so der Gewerkschafter. Deshalb müsse die Politik mehr Verantwortung übernehmen und wirksame gesetzliche Grundlagen schaffen.

Verwendung: Junge Welt vom 14.02.2008
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11. Februar 2008

Betonköpfe sind immer die anderen: Gregor Gysi gibt acht, daß sein Feindbild von der DKP nicht entweichtHamburg: Konferenz der Linkspartei zur Gewerkschaftspolitik geriet zur Wahlkampfveranstaltung

Etwa 200 Menschen waren am Samstag zu einer norddeutschen Regionalkonferenz der Arbeitsgemeinschaft »Betrieb & Gewerkschaft« der Partei Die Linke gekommen. Strategien zur Eindämmung der Leiharbeit, gegen Lohndumping und für die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte standen auf dem Programm. Doch 14 Tage vor den Bürgerschaftswahlen in Hamburg spielten die Inhalte dann doch eher eine Nebenrolle. Mittelpunkt der Konferenz war Gregor Gysi, der den anwesenden Gewerkschaftern der IG Metall, von ver.di und GEW prophezeite, seine Partei werde nach dem 24.Februar mit einem »Top-Ergebnis« in das Rathaus einziehen.

Entsprechend mediengerecht war schon der Tagungsauftakt im Bürgerhaus des Arbeiterstadtteils Wilhelmsburg gestaltet: Der frischgebackene niedersächsische Landtagsabgeordnete Manfred Sohn überreichte seinen Hamburger Genossen einen Staffelstab, in den die 5,1- und die 7,1-Prozentmarken, die Wahlergebnisse der Partei in Hessen und Niedersachsen symbolisierend, eingeritzt waren. Nur darüber, also im zweistelligen Bereich, sei nun auf dem Holz noch Platz, erklärte Sohn. Die Szene wurde von den Medienvertretern allerdings kaum wahrgenommen, denn die Kameraaugen richteten sich zum nämlichen Zeitpunkt auf eine Pressekonferenz mit Gysi.

Der bereitete die Öffentlichkeit darauf vor, daß seine Partei nach dem erwarteten glänzenden Hamburger Wahlergebnis die Festung Bayern stürmen werde. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag verwies darauf, daß Exkanzler Gerhard Schröder (SPD) der Vater der aktuellen Erfolge der Partei Die Linke ist. Er habe mit seiner »neoliberalen Politik« die Gründung der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) geradezu herausgefordert, die maßgeblich für den Aufstieg der aus der Fusion mit der PDS-Nachfolgerin Linkspartei hervorgegangenen Partei Die Linke auch im Westen war.

Im Verlauf der Beratung empörte Gysi sich, daß die reiche Bundesrepublik in punkto Lohnhöhe nur auf Platz elf der 15 Kernländer der Europäischen Union steht. Sieglinde Friess, ver.di-Fachbereichsleiterin für den öffentlichen Dienst in Hamburg, forderte Die Linke zur Solidarität mit den Beschäftigten bei Bund und Kommunen in den bevorstehenden Tarifkämpfen auf, kündigte aber auch an, sie werde die Linke im Wahlkampf unterstützen. Sie hoffe dabei, daß die Hamburger Linke »ganz anders« sei als die in Berlin. Friess erhielt dafür den stärksten Beifall des Tages. Gysi erklärte dazu sehr allgemein, die mitregierenden Berliner Genossen hätten zwar »am Anfang sehr viel falsch gemacht«, doch inzwischen laufe auch »vieles richtig«.

Während der Pressekonferenz hatte Gysi erneut bewiesen, daß für ihn jede Solidarität aufhört, wenn es um Kandidaturen von DKP-Mitgliedern auf Linkspartei-Ticket geht. Auf die Frage eines Journalisten, warum wie zuvor in Niedersachsen nun auch in Hamburg DKP-Genossen auf den Wahllisten der Linken zu finden seien, erklärte er, es gebe »unüberbrückbare Gegensätze« zwischen seiner Partei und der DKP, bat aber süffisant um Verständnis für die Westlinke: Die sei in der Alt-BRD stets erfolglos gewesen und hätte folglich froh sein müssen, wenigstens über eine »marxistisch-leninistische Sekte« zu verfügen. Ein klares Feindbild ersetzt beim Linke-Frontmann offenbar weiterhin jede Kenntnis der Lage vor Ort. Auf Begeisterung dürfte er damit bei den Hamburger Genossen nicht stoßen.

Verwendung: Junge Welt vom 11. Februar 2008
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11. Februar 2008

Gewerkschaftspolitische Konferenz der LINKEN vor Hamburg-Wahl

»Schluss mit Sozial- und Lohndumping« – unter diesem Motto stand in Hamburg eine am Samstag stattgefundene gewerkschaftspolitische Regionalkonferenz der Partei DIE LINKE mit etwa 200 Teilnehmern aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg.

Der Erörterung politischer Strategien gegen Leiharbeit und Dumpinglöhne und dem Bemühen dienend, bot das Treffen 14 Tage vor den Wahlen in Hamburg vor allem eine Menge Stoff für den Wahlkampf. Aufgeboten hatte die LINKE dafür ihren Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi. Der kündigte vor den Gewerkschaftern aus IG Metall, GEW und ver.di, bereits an, dass seine Partei am 24. Februar mit einem »Top-Ergebnis« in das Hamburger Rathaus einziehen würde. »Als drittstärkste Kraft« mit einem Wahlergebnis von »10 Prozent + x«, so hatte indes Dora Heyenn, Spitzenkandidatin der Hamburger LINKEN, bereits einige Tage zuvor vorgegeben. Wenn aber heute im Westen ernsthaft über solche Ergebnisse diskutiert werde, dann zeige dies, dass sich die »alte Bundesrepublik« gravierend verändert habe, so Gysi vor der Presse. Nie habe er selbst geglaubt, dass sich eine »solche Akzeptanz« für eine Partei links der SPD und den Grünen so schnell ergebe. Er betonte auf einer Pressekonferenz, dass die »alte PDS«, diese Stimmungen der von der Politik der SPD enttäuschten Wähler ohne WASG und ohne Oskar Lafontaine »niemals« hätte auffangen können.

Scharf attackierte der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag dann im Saal auch die Politik der gegenwärtigen Bundesregierung. Sie trage heute dazu bei, dass sich der Reichtum auf der einen Seite immer stärker mit der Armut vieler anderer verbinde. Es sei eine Schande, dass die »reiche Bundesrepublik« gemessen an der Höhe ihrer Löhne heute erst auf Platz 11 von 15 Kernländern der Europäischen Union stehe. Dann empfahl Gysi seinen Hamburger Parteifreunden, in den verbleibenden Wahlkampfwochen verstärkt auf Bildungspolitik und die »Verweigerung sozialer Chancengleichheit« durch die anderen Parteien als Thema zu setzen. CDU-Bürgermeister Ole von Beust und sein Herausforderer von der SPD, Michael Naumann, seien sich da so ähnlich, dass sie eine »kräftige linke Opposition« dringend benötigen würden.

Dass sich die LINKE für eine Gemeinschaftsschule bis Klasse 10 und den Ausbau von Kindertagesstätten stark mache, unmittelbar nach den Wahlen zudem einen Antrag auf Einführung einer »Ausbildungsplatzabgabe auf der Landesebene« in die Bürgerschaft einbringen werde, hatte Heyenn im Gespräch mit den Journalisten schon zuvor betont. Nach den Wahlen werde ihre Partei zudem beantragen, dass öffentliche Aufträge, sei es auf Landes- oder auf der Bezirksebene, nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge einhalten und einen Mindestlohn zahlen. Forderungen, die bei den Gewerkschaftern, unter ihnen etliche Parteilose, auf einen fruchtbaren Boden fielen.

Da SPD, CDU, Grüne und FDP die LINKE wie ein »Schmuddelkind« behandeln, habe sie sich dafür entschieden, für diese Partei öffentlich Position zu beziehen, sagte vor den Teilnehmenden der Konferenz die in Hamburg sehr beliebte Gewerkschaftsfunktionärin Siggi Friess. Sie ist Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft ver.di für den öffentlichen Dienst und kündigte für die letzte Wahlkampfwoche – und gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gewerkschaftern – einen Wahlaufruf für die LINKE an.

Verwendung: Neues Deutschland vom 11. Februar 2008
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08. Februar 2008

Die DKP Betriebsgruppe Hamburger Hafen und die DKP Wohngebietsgruppe Harburg / Wilhelmsburg laden Interessierte zu einer Politische Hafenrundfahrt zu gewerkschaftlichen und kommunalpolitischen Fragen ein. Im Zentrum stehen dabei die Probleme der Hafenentwicklung und der Stadtteilentwicklung in Wilhelmsburg.

Die Hafenrundfahrt findet statt am 15. März 2008

(mehr …)



08. Februar 2008

Bernhard Wieszczeczynski
Hamburg: Nie wurden so viele Container umgeschlagen. Dennoch rutschte der Hafen international auf Platz neun. Gespräch mit Bernhard Wieszczeczynski

Bernhard Wieszczeczynski ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb Hamburg

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, daß der Containerumschlag im Hamburger Hafen 2007 um 11,6 Prozent auf den Rekord von 9,9 Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen ist. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nutzt das, um erneut eine Fahrrinnenvertiefung der Elbe zu fordern. Die aber trifft bei Umweltverbänden wie bei den Anrainergemeinden auf heftigen Widerstand. Wie sehen Sie das?

Als Interessenvertreter der Hafenarbeiter – sei es als Betriebsrat oder als Mitglied des Fachgruppenvorstands von ver.di – ist mir zunächst wichtig, daß tariflich abgesicherte Arbeitsplätze im Hafen erhalten oder neu geschaffen werden. Natürlich muß die Anpassung mit den notwendigen Schutzmaßnahmen für die Anrainer begleitet werden. Dennoch brauchen wir die Vertiefung des Fahrwassers, weil Schiffe mit einer Ladekapazität bis 9000 TEU schon jetzt den Hafen nur bei Hochwasser anlaufen können. Zur ökologischen Frage: Die Unterelbe ist kein Naturschutzreservat, sondern seit Jahrzehnten eine industriell genutzte Wasserstraße. Mit oder ohne Fahrrinnenanpassung. Daß sie schiffbar bleibt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.

Mit der Vertiefung würde auch die Sturmflutgefahr zunehmen. Wer soll die zusätzlichen Milliarden für die Deichsicherung bezahlen? Die Hafenwirtschaft?

Das ist völlig richtig, daß die Hafenwirtschaft stärker zur Kasse gebeten werden sollte, sich an solchen Kosten zu beteiligen. Sie ist es ja auch, die die Gewinne einstreicht.

Kritik gibt es auch am Flächenverbrauch durch neue Kaianlagen. In Hongkong werden 24 Millionen TEU auf einem Bruchteil der Hamburger Fläche umgeschlagen. Was läuft in Hamburg schief?

Unser Hafen ist in seiner Struktur historisch gewachsen. Das kann man nicht mal eben umkrempeln oder mit Hongkong vergleichen. Der Boom hat auch die Hafenbetriebe überrollt. Mit den Baumaßnahmen am Burchardkai und am Eurogate sollen vorhandene Flächen besser genutzt werden. Auch das neue Terminal im mittleren Freihafen entsteht innerhalb des Hafens.

Im internationalen Vergleich ist Hamburg vom achten auf den neunten Platz der größten Seehäfen abgerutscht. Stößt der Hafen an Grenzen? Die Nordsee ist 120 Kilometer entfernt – Containerriesen der nächsten Generation mit bis zu 12000 TEU werden ihn nicht mehr anlaufen können.

Auf welchem Platz wir liegen, ist mir egal. Es würde ja auch keiner auf die Idee kommen, daß Deutschland zum Agrarstaat werden soll, nur weil China Exportweltmeister wird. Hamburg baut jedenfalls seine Führung als bedeutendster deutscher Seehafen aus.

Sie haben das Arbeitsplatzargument bemüht. Tatsächlich entstehen gegenwärtig ein paar hundert neue Jobs. Doch bei einer Gesamtbilanz der vom Hafen abhängigen Arbeitsplätze zeigt sich, daß deren Zahl seit Jahrzehnten sinkt.

Die Frage, welche Arbeitsplätze vom Hafen abhängig sind, kann je nach Blickrichtung unterschiedlich beantwortet werden. Es ist jedenfalls Tatsache, daß neue Arbeitsplätze entstehen – nach jahrzehntelangem Rückgang durch die Containerisierung. Nicht nur im Umschlag, sondern auch in den angegliederten Branchen der Logistik und der Distribution. Beschäftigtenzahlen wie in den 70er Jahren werden wir zwar nicht mehr erreichen. Doch der Laden z. B., in dem ich arbeite, vergrößert sich in diesem Jahr von 1000 auf 1200 Kollegen. Darunter viele, die arbeitslos waren. So ist es in fast allen Hafenbetrieben.

43 Prozent der bei Ihnen umgeschlagenen Container werden anschließend wieder verschifft. Besonders arbeitsintensiv ist das nicht.

Ob ein Container, den wir löschen, per LKW, per Bahn oder auf dem Wasser weitertransportiert wird, macht für die Umschlagsbetriebe keinen Unterschied. Ein großer Teil der Empfänger befindet sich in Skandinavien und in Osteuropa. Und aus ökologischer Sicht ist der Transport per Schiff sicherlich zu begrüßen.

[Lesen Sie zu diesem Thema auch das Protokoll einer Arbeitsgruppensitzung von „Wilhelmsburg gehört uns“ (Thematik Hafenentwicklung versus Stadtteilentwicklung in Hamburg-Wilhelmsburg) und den Beitrag Arbeiten im Hafen – Wohnen in Hafennähe (Ankündigung einer politischen Hafenrundfahrt in Hamburg am 15. März 2008]

Verwendung: Junge Welt vom 08. Februar 2008



07. Februar 2008

Hamburger Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Linke gibt sich optimistisch

Knapp zweieinhalb Wochen vor den Wahlen zur Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen in Hamburg fühlt sich die dortige Linke stark. Acht Prozent bekäme man sicher, so hatte es deren Spitzenkandidatin Dora Heyenn bisher gesagt. Doch nun – nach dem Kick aus Niedersachsen und aus Hessen – hält die 58jährige Lehrerin auch ein Ergebnis von »zehn Prozent plus x« für möglich. Damit könne Die Linke am 24. Februar als »drittstärkste politische Kraft« in das Rathaus einziehen, so Heyenn am Mittwoch im Gespräch mit jW.

In Hamburg zweifelt niemand mehr am Einzug der Linken in die Bürgerschaft. Doch dezent, fast schon vorsichtig, weist der Linkskandidat auf Platz Vier der Landesliste, der Erwerbslosenvertreter Wolfgang Joithe darauf hin, daß schon ein Wahlergebnis von sieben oder acht Prozent ein großer Erfolg wäre. Diese reite in Hamburg zwar gegenwärtig auf einer großen »Sympathiewelle«, doch was der Wahlkampf nun noch bringt, lasse sich kaum vorraussagen. Wachsende Sympathie spürt Joithe vor allem an den Infoständen, wenn ihm dort die Leute das Werbematerial »fast schon aus den Händen reißen«. Martin Wittmaack aus der Landesgeschäftsstelle der Linken berichtet von einer Vielzahl ähnlicher Erfahrungen aus Altona, Wilhelmsburg, Wandsbek, Billstedt und selbst aus randständigen Stadtteilen wie etwa Jenfeld oder Rahlstedt. Das Interesse an der Linken sei »überall in der Stadt« riesengroß.

Richtig motivierend sei das, sagt auch Renate Hercher-Reis. Die Informatikerin kandidiert für die Bezirksversammlung in Mitte. In ihrem Wahlkreis macht sie fast täglich Hausbesuche oder steht am Infostand. Zeit dafür hätte sie sich dafür schon vor Monaten organisiert. Sie will mit möglichst vielen Bürgern noch vor der Wahl reden. In solchen Gesprächen gehe es um die »Kernthemen der Linken« wie die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit, die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit oder besserer Bildung für die Jugend. Doch immer stärker werde ihre Partei nun auch als kommunalpolitische Kraft gefordert. »Die Bürger wollen wissen, wie wir zur Hafenquerspange« – einer geplanten acht Kilometer langen Stadtautobahn auf Stelzen – »oder zum Kohlekraftwerk in Moorburg, wie zur Stadtentwicklung in einzelnen Quartieren stehen«, erzählt Hercher-Reis.

Rund 70000 Bezirkswahlprogramme haben die Aktiven allein am vergangenen Wochenende in die Briefkästen der Stadtbezirke von Altona und Mitte verteilt. 270000 Exemplare einer Kurzfassung des linken Sofortprogramms sind weitgehend vergriffen. Am 16.Februar will Die Linke »500000 Bürgerbriefe« von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi an den Wähler bringen.

Nervös reagiert die SPD. Ihr Spitzenkandidat, Michael Naumann, hatte stets betont, um einen »fairen« Wahlkampf bemüht zu sein. Doch seit Anfang dieser Woche läßt seine Partei ein Pamphlet verbreiten, in dem es in großen Lettern heißt »Wer Linke wählt, der hilft der CDU«. Käme die linke »Chaotentruppe« ins Parlament, heißt es darin, werde ein Wechsel zu »Rot-Grün« gefährdet. Für Linkspartei-Landessprecher Berno Schuckart ein »übles Machwerk«: SPD und Grüne hätten bislang keineswegs ausgeschlossen, nach den Wahlen auch für eine Koalition mit der CDU bereitzustehen.

Verwendung: Junge Welt vom 07. Februar 2008
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29. Januar 2008

Landesparteitage in Schleswig-Holstein und Brandenburg stellten Weichen für Abstimmungen zu Kommunal- und Landesparlamenten

Unter dem Titel »die Rathäuser stürmen« hat die schleswig-holsteinische Linke am Sonntag auf einem Landesparteitag in Kiel ihre inhaltlichen Eckpunkte für die Gestaltung des Kommunalwahlkampfes im Mai 2009 festgelegt. Schwerpunkte sind demnach der Kampf gegen Kinder- und Familienarmut, die Absicherung einer öffentlichen Daseinsvorsorge, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes sowie die Durchsetzung einer integrierten Schule bis zur zehnten Klasse. Ein entsprechender Antrag wurde von den 65 Delegierten mit großer Mehrheit verabschiedet. So sollen öffentliche Aufträge künftig daran gekoppelt werden, daß die Auftragnehmer in ihren Betrieben einen »existenzsichernden Mindestlohn« von 8,44 Euro pro Stunde zahlen. Für die Bezieher von »Hartz IV«-Leistungen und andere Einkommensschwache soll es ein Sozialticket geben, das zur kostenlosen Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs berechtigt. Außerdem will die Partei alle kommunalen Ein-Euro-Jobs durch »reguläre und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse« ersetzen. Stoppen will die Linke verkehrspolitische Großprojekte wie etwa die Fehmarn-Belt-Querung oder den Ausbau der Autobahn A 20 bis zur Elbe.

Landessprecher Lorenz Gösta Beutin zeigte sich am Montag gegenüber junge Welt davon überzeugt, daß seine Partei mit diesem Programm bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2009 in sämtliche Kreistage einziehen werde. Mit besonders hohen Ergebnissen rechnet Beutin zudem für Großstädte »mit hohem Arbeiteranteil«, wie etwa Kiel, Lübeck oder Flensburg. Offensiv werde die Linke dort auch einen »antifaschistischen Wahlkampf« gegen die erstarkende NPD führen.

In Brandenburg fand am Wochenende ebenfalls ein Landesparteitag der Linken statt, der ganz im Zeichen von Wahlen stand. Obwohl über das Landesparlament erst im Herbst 2009 abgestimmt wird, kürten die Delegierten mit Kerstin Kaiser bereits eine Spitzenkandidatin. Parteichef Oskar Lafontaine hatte die Landesspitze zuvor gedrängt, deren Kandidatur erst am Sonntag bekanntzugeben. Lafontaine wollte damit vermeiden, daß diese Personalie in letzter Sekunde den Linken in Hessen und Niedersachsen schadet, da Kaiser in den 80er Jahren Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen war.

Der Parteitag stand ganz im Zeichen der angestrebten Regierungsbeteiligung. Fraktionschef Gregor Gysi erklärte: »Man kann an Wahlen nicht teilnehmen, wenn man zur Regierungsbeteiligung nicht bereit ist«. Nach 17 Jahren Opposition sei es dafür »höchste Zeit«. Berlin und Mecklenburg-Vorpommern hätten gezeigt, »daß Rot-Rot funktioniert«, so Gysi. Der mit großer Mehrheit im Amt bestätigte Landesvorsitzende Thomas Nord äußerte sich ähnlich. Als aktuelle landespolitische Schwerpunkte formulierte der Parteitag die Vorbereitung eines Volksbegehrens für ein Sozialticket sowie Kampagnen für kostenlose Schülerbeförderung, den Einstieg in die Gemeinschaftsschule und den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung.

Verwendung: Junge Welt vom 29. Januar 2008
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29. Januar 2008

Christel WegnerSeit Gründung der DKP vor 40 Jahren erstmals eins ihrer Mitglieder in Landtag gewählt. Ein Gespräch mit Christel Wegner

Christel Wegner aus Buchholz/Nordheide ist Vorstandsmitglied der Deutschen Kommunistisczen Partei (DKP) in Niedersachsen und seit Sonntag Abgeordnete der Linken im niedersächsischen Landtag

Linken-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch hat das Wahlergebnis in Niedersachsen als »Sensation« für seine Partei gefeiert. Haben Sie mit einem so hohen Ergebnis gerechnet?

Wir haben darauf gehofft und am Ende auch geglaubt, daß wir die Fünfprozenthürde nehmen. Doch mit über sieben Prozent hat wohl kaum jemand gerechnet.

War denn nicht die Stimmung schon im Wahlkampf sehr gut?

Das ist richtig. Doch das Problem besteht ja oft darin, aus solchen Stimmungen auch Stimmen zu machen. An den Infoständen und auf Veranstaltungen haben wir bemerkt, daß die Zustimmung zu unseren Forderungen sehr hoch ist.

Wie haben Sie das erreicht?

Durch einen sehr engagierten Straßenwahlkampf. So konnten wir mit den Menschen reden und viele auch überzeugen. Landesweit hat uns zudem sehr geholfen, wie engagiert Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und die sonstigen Abgeordneten aus der linken Bundestagsfraktion aktiv wurden.

Inhaltlich stand bei der Linken die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit ganz oben. Doch auch Wolfgang Jüttner von der SPD hatte auf dieses Thema gesetzt.

Wenn ich den Namen Jüttner nur höre, bekomme ich einen dicken Hals. Im Wahlkampf hat seine Partei zwar Unterschriften unter die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn gesammelt. Aber sie hat nicht verraten, wie hoch der eigentlich sein soll. Und im Bundestag lehnt die SPD eine solche Forderung immer wieder ab. Das ist unglaubwürdig, ja fast verlogen, und das haben viele auch bemerkt.

Wie kommt es, daß Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit seiner ausgesprochen neoliberalen Politik immer noch so fest im Sattel sitzt?

So fest sitzt er ja gar nicht mehr, denn gemessen an der absoluten Zahl hat Wulff noch mehr Stimmen verloren als Roland Koch in Hessen. Daß Wulff nach wie vor und gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit im Landtag hat, das liegt auch an der niedrigen Wahlbeteiligung.

Als Mitglied der DKP haben Sie auf Platz neun der Landesliste kandidiert. Doch nun sind Sie bundesweit die erste kommunistische Landtagsabgeordnete seit Gründung der Partei vor 40 Jahren. Welche Bedeutung hat das für die DKP?

Eine große. Denn es zeigt, daß auch wir Kommunisten in der Lage sind, einiges zu bewegen. Vor allem dann, wenn wir unsere Positionen offen und ehrlich vertreten, zugleich aber auch energisch für die Bündelung aller Linkskräfte eintreten. Als Landtagsabgeordnete erhoffe ich mir nun auch, dem in Deutschland noch starken Antikommunismus ein wenig entgegentreten zu können.

Gab es im Wahlkampf antikommunistische Ressentiments?

Wulff hat ja von nichts anderem gesprochen als der Gefahr, daß nun mit der Linken »die Kommunisten« in das Landesparlament einziehen würden. Erst Mitte letzter Woche wurde zudem der Landtagskandidat Manfred Sohn heftig attackiert, weil er früher mal DKP-Mitglied war. Solchem Antikommunismus werde ich klar entgegentreten und auch im Landtag verdeutlichen, wofür Kommunisten eigentlich stehen. Als Teil und in Solidarität zu unserer gesamten Fraktion. Doch meine kommunistische Identität und meine daraus resultierenden Ziele für eine bessere Gesellschaftsordnung werde ich auch im Landtag nicht verstecken.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie im Landtag konkret bearbeiten? Wie wichtig wird Ihnen dabei die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen sein?

Ich komme aus dem Gesundheitswesen, war dort lange Zeit Personalrätin und gewerkschaftliche Vertrauensfrau. Deshalb wird dieser Bereich mein Schwerpunkt sein. Die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen hat für mich, wie für unsere gesamte Fraktion, höchstes Gewicht. Denn ohne diese Bewegungen und den Druck, der von ihnen ausgeht, werden wir im Landtag nicht das Geringste bewegen.

[Anmerkung: Mein oben wieder gegebenes Interview mit Christel Wegner ist Teil einer gemeinsamen Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 29. Januar 2008. Lesen Sie zu diesem Thema deshalb auch die dort wiedergegebene Dokumentation der Wahlergebnisse und den Beitrag meines jW-Kollegen Peter Wolter Im Westen angekommen. Die gesamte Seite können Sie hier auch als PDF-Datei downloaden. Weitere Informationen zu den Wahlergebnissen bietet ein Beitrag meines jW-Kollegen Rainer Balcerowiak – Chaostage in Wiesbaden -, und ein weiteres Interview, das mein jW-Kollege Peter Wolter dann noch zusätzlich mit dem Spitzenkandidaten der hessischen Linken, Willi van Ooyen, und unter dem Titel »Viele Arbeitslose haben unsere Partei gewählt« ebenfalls für die Ausgabe der „Jungen Welt“ vom 29. Januar 2008 führte.]

Verwendung: Junge Welt vom 29. Januar 2008



29. Januar 2008

Lehre aus der Hessen-Wahl: Mit Ausländerhetze ist keine Abstimmung zu gewinnen. Fünf-Parteien-System scheint jetzt etabliert zu sein

Aus den Landtagswahlen am Sonntag in Hessen und Niedersachsen lassen sich mehrere Erkenntnisse gewinnen. Die erste ist, daß die Linkspartei mit ihrem Einzug in die Landesparlamente endgültig im Westen »angekommen« ist – die etablierten Parteien müssen sich künftig auf ein Fünf-Parteien-System einstellen. Zweitens hat sich am Beispiel des bisherigen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gezeigt, daß mit Ausländerfeindlichkeit und rassistischer Hetze zur Zeit keine Wahlen zu gewinnen sind. Und drittens: Nicht nur die Linkspartei, sondern auch die SPD haben mit ihren Wahlergebnissen unter Beweis gestellt, daß sich mit sozialen Themen durchaus Wähler mobilisieren lassen.

Sauer aufgestoßen

Wie es sich schon vor der Wahl in Umfragen andeutete, hat sich Koch in seiner Wahlkampfstrategie völlig verkalkuliert. Den Hessen ist sein Versuch, erneut die ausländerfeindliche Karte zu ziehen, offenbar so sauer aufgestoßen, daß sie ihm mit 12 Prozentpunkten Verlust (36,8 Prozent) eine Abfuhr erteilt haben, die seinen Einfluß auf die CDU-Politik wohl drastisch reduzieren dürfte. In absoluten Zahlen verlor Koch 324000 Wähler. Schon am Montag bekam er von CDU-Ministerpräsidenten die Quittung, indem sie seinen Wahlkampfstil heftigst kritisierten.

In Hessen hängt es jetzt von der SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti ab, ob es wirklich zu einem Politikwechsel kommt. Sie kam auf 36,7 Prozent (plus 7,8) – das zweitschlechteste Ergebnis, das die SPD in Hessen je erzielte. Ihr Wunschpartner Bündnis 90 / Die Grünen erreichte 7,5 Prozent (minus 2,5). Beide zusammen könnten per Minderheitsregierung den Rechtsaußen Koch ablösen, wenn sie auf das Angebot der Linkspartei eingingen, diese Koalition zu tolerieren. Die sozialen Themen, die Ypsilanti in den Vordergrund stellte, scheinen jedoch selbst frühere Stammwähler der SPD nicht mehr überzeugt zu haben – das Mißtrauen in die ständigen Wahllügen der SPD sitzt zu tief. Und sollte Ypsilanti schließlich doch eine Koalition mit der CDU eingehen, wäre die Glaubwürdigkeit der SPD wohl endgültig dahin.

Glaubwürdigkeitsproblem

Ein Politikwechsel wäre zwar in Hessen möglich – nicht jedoch in Niedersachsen. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sitzt dort gemeinsam mit Koalitionspartner FDP fest im Sattel, woran auch der Einzug der Linkspartei in den Landtag nichts ändert. Wulffs Partei bekam 42,5 Prozent – 5,8 Punkte weniger als 2003. Die FDP kam auf 8,2 Prozent (plus 0,1), was zusammen für eine Regierungsmehrheit reicht. Unter dem Strich hat jedoch auch Wulff viele Federn lassen müssen, in absoluten Zahlen büßte er gegenüber 2003 etwa 470000 Wähler ein.

Bemerkenswert ist in Niedersachsen die niedrige Wahlbeteiligung von 56 Prozent, was sicherlich auch zum überraschenden Erfolg der Linkspartei beigetragen hat, die auf 7,1 Prozent kam. Daß die SPD in diesem Bundesland um 3,1 Punkte auf 30,3 Prozent abschmierte, begründete ihr Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner noch am Wahlabend damit, sie habe bei dem Thema soziale Gerechtigkeit ein »Glaubwürdigkeitsproblem«.

SPD-Chef Kurt Beck war vor den Fernsehkameras allerdings schnell bereit, den Zugewinn in Hessen als Beweis dafür zu nehmen, daß seine Partei »den Willen der Menschen zu mehr sozialer Gerechtigkeit« aufgreife. Denkste: Die Forschungsgruppe Wahlen der ARD fand heraus, daß die SPD dort vor allem bei den Angestellten (plus 13 Prozentpunkte) und bei den Selbständigen (plus 12) hinzugewonnen hat – kaum jedoch bei Arbeitern, Rentnern und Arbeitslosen (plus 1). Die Linke wiederum hat ihre Stimmen offenbar vorwiegend im Bereich der prekär Beschäftigten, der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter und enttäuschten SPD-Wähler rekrutiert.

[Anmerkung: Der oben wieder gegebene Beitrag zu den Wahlenergebnissen in Niedersachsen und Hessen, stammt von meinem „Junge Welt“-Kollegen Peter Wolter. Er wird hier wiedergegeben, weil er Teil einer gemeinsamen Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 29. Januar 2008 ist. Teil dieser Schwerpunktseite ist auch eine Dokumentation der Wahlergebnisse und mein Interview mit Christel Wegner, neuer Landtagsabgeordneter der Linkspartei in Niedersachsen. Die gesamte Seite können Sie hier auch als PDF-Datei downloaden. Weitere Informationen zu den Wahlergebnissen bietet ein Beitrag meines jW-Kollegen Rainer Balcerowiak – Chaostage in Wiesbaden -, und ein weiteres Interview, das mein jW-Kollege Peter Wolter noch zusätzlich mit dem Spitzenkandidaten der hessischen Linken, Willi van Ooyen, und unter dem Titel »Viele Arbeitslose haben unsere Partei gewählt« ebenfalls für die Ausgabe der „Jungen Welt“ vom 29. Januar 2008 führte.]

Verwendung: Junge Welt vom 29. Januar 2008



29. Januar 2008

Hessen

Partei Prozent 2008 Prozent 2003 Sitze 2008 Sitze 2003
CDU 36,8 48,8 42 56
SPD 36,7 29,1 42 33
FDP 9,4 7,9 11 9
Grüne 7,5 10,1 9 12
Die Linke 5,1 (-) 6 0

(Quelle: Vorläufiges amtliches Endergebnis)

In den hessischen Landtag ziehen für Die Linke sechs Abgeordnete ein: Willi van Ooyen, Marjana Schott, Janine Wissler, Ulrich Wilken, Barbara Cárdenas, Hermann Schaus

Ergebnisse Niedersachsen

Partei Prozent 2008 Prozent 2003 Sitze 2008 Sitze 2003
CDU 42,5 48,3 68 91
SPD 30,3 33,4 48 63
FDP 8,2 8,1 13 15
Grüne 8,0 7,6 12 14
Die Linke 7,1 0,5 11 0

(Quelle: Vorläufiges amtliches Endergebnis.)

In den niedersächsischen Landtag ziehen für Die Linke elf Abgeordnete ein: Kreszentia Flauger, Manfred Sohn, Christa Reichwaldt, Patrick Humke-Focks, Pia Zimmermann, Kurt Herzog, Ursula Weisser-Roelle, Hans-Henning Adler, Christel Wegner, Victor Perli, Marianne König

In diesen Wahlkreisen konnte die Linkspartei besonders markante Resultate erzielen.

Hessen
Kassel-Stadt II 9,3
Frankfurt/M V 8,3
Frankfurt/M II 7,9
Kassel-Stadt I 7,8
Frankfurt/M III 6,9
Marburg-Biedenkopf II 6,6
Offenbach-Stadt 6,6
Frankfurt/M IV 6,4
Frankfurt/M VI 6,4

Niedersachsen
Hannover-Linden 13,3
Oldenburg-Mitte/Süd 11,5
Wilhelmshaven 11,3
Göttingen-Stadt 10,4
Braunschweig-West 10,4
Hannover-Mitte 10,3
Delmenhorst 10,2
Emden-Norden 9,0
Osnabrück-Ost 8,1

[Anmerkung: Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 29. Januar 2008. Teil dieser Seite ist und auch mein Interview mit Christel Wegner, neuer Landtagsabgeordneter der Linkspartei in Niedersachsen, sowie der Beitrag meines jW-Kollegen Peter Wolter Im Westen angekommen. Die gesamte Schwerpunktseite können Sie hier auch als PDF-Datei downloaden. Weitere Informationen zu den Wahlen erhalten Sie in einem Beitrag meines jW-Kollegen Rainer Balcerowiak – Chaostage in Wiesbaden -, und in einem weiteren Interview, das mein jW-Kollege Peter Wolter noch zusätzlich mit dem Spitzenkandidaten der hessischen Linken, Willi van Ooyen, und unter dem Titel »Viele Arbeitslose haben unsere Partei gewählt« ebenfalls für die jW-Ausgabe vom 29. Januar 2008 führte.]

Verwendung: Junge Welt vom 29. Januar 2008



26. Januar 2008

Mit der Aufstellung der Großwerbeflächen der Parteien begann am Freitag Nachmittag die heiße Phase des Wahlkampfes für die Hamburger Bürgerschaftswahlen am 24. Februar 2008. Für diese gibt es nun beständig neue Umfragewerte durch die Meinungsforschungsinstitute und darauf basierende Spekulationen über unterschiedliche Koalitionsvarianten. Verständlich, dass vor allem die Parteien so tun, als sei noch alles offen. Doch wer sich nicht nur mit einzelnen Umfragewerten, sondern mit dem Trend der Umfragen seit Anfang 2007 beschäftigt, der kommt zu einem anderen Ergebnis. Denn demnach zeichnet sich das denkbare Wahlergebnis bereits deutlich ab:

Hier die Zahlen:

Institut Auftraggeber Umfrage CDU SPD GAL Linke FDP Sonstige
Psephos NDR, Abendblatt 05.01.2007 44% 33% 13% 4% 3% 3%
Emnid Die Welt, Bild 12.02.2007 43% 32% 13% 4% 3% 5%
Psephos Hamburg 1, Abendblatt 28.02.2007 45% 31% 14% 3% 3% 4%
Emnid Bild 19.03.2007 44% 32% 12% 4% 5% 3%
Forsa Stern 23.05.2007 41% 29% 16% 6% 4% 4%
Psephos NDR, Abendblatt 06.07.2007 45% 30% 14% 5% 3% 3%
TNS Infratest Cicero 28.08.2007 42% 33% 13% 6% 3% 3%
Infratest dimap ARD 06.09.2007 42% 32% 13% 7% 4% 2%
Emnid Emnid 08.12.2007 41% 31% 12% 8% 5% 3%
Psephos Abendblatt 08.12.2007 44% 33% 12% 5% 3% 3%
TNS Infratest SPD 11.12.2007 40% 33% 13% 7% 3% 4%
Infratest dimap NDR 14.12.2007 41% 34% 12% 7% 3% 3%
AMR Düsseldorf Der Spiegel 29.12.2007 42% 33% 12% 7% 4% 2%
Emnid Bild am Sonntag 05.01.2008 42% 31% 13% 7% 5% 2%
Infratest dimap NDR 07.01.2008 40% 35% 11% 6% 4% 4%
election.de MOPO 23.01.2008 37% 38% 13% 6% 5% 1%
Psephos Abendblatt 24.01.2008 42% 36% 10% 5% 3,50% 3,50%

Noch deutlicher wird der Trend an Hand einer Graphik:

Wahlumfragen Hamburg

[Anmerkung: Ist diese Graphik auf ihrem Browser nicht richtig zu sehen, dann können Sie diese mit einem Doppelklick aktivieren.]

Auf Grund dieser Zahlen ergibt sich für die einzelnen Umfagen folgende Sitzverteilung in der Bürgerschaft:

Umfrage CDU/FDP SPD/Grüne Linke denkbare Koalitionen
1 59 62 0 121 SPD/Grüne
2 59 62 0 121 SPD/Grüne
3 61 61 0 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
4 64 57 0 121 CDU/FDP
5 54 59 8 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
6 58 57 6 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
7 54 59 8 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
8 54 58 9 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
9 57 54 10 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
10 57 58 6 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
11 52 60 9 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
12 53 59 9 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
13 54 58 9 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne
14 58 54 9 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne oder SPD/Grüne/FDP (patt)
15 53 61 8 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne oder SPD/Grüne
16 51 62 7 121 SPD/Grüne
17 55 60 7 121 CDU/SPD oder CDU/Grüne

[Anmerkung hierzu: Die Sitzverteilung wurde nach einem einfachen mathematischen Verfahren und entsprechend der Stärke der jeweiligen Parteien abgeleitet. Das neue Wahlgesetz wurde dabei noch nicht berücksichtigt, da es hier nur um den Trend geht.]

Daraus ergibt sich:

>>> Die SPD verliert anfänglich in der Parteikrise, gewinnt dann aber seit der Nominierung von Michael Naumann als Spitzenkandidat kontinuierlich hinzu.
>>> Die GAL gewinnt zunächst bis zu 16 Prozent, verliert aber seitdem kontinuierlich.
>>> So wie die SPD kontinuierlich gewinnt, verliert die CDU. Deren Verluste können von der FDP nicht kompensiert werden. Allerdings verbleibt die CDU auf einem für Hamburg ungewöhnlich hohen Niveau.
>>> Die Linke gewinnt zunächst kontinuierlich, gerät aber nun durch den Lagerwahlkampf und durch die mit „linken“ Parolen operierende SPD zunehmend unter Druck. Doch da sie in allen Umfragen schon seit Mai 2007 oberhalb von 5 Prozent liegt, ist ihr Einzug in die Bürgerschaft wohl eine relativ sichere Angelegenheit. Enorm viel hängt für die Linke vom Ausgang der Wahlen in Niedersachsen und in Hessen ab. Würde die Linke am Sonntag nicht mal in den hessischen Landtag einziehen, hätte sie wohl auch in Hamburg schlechte Karten.

Positiv ist, dass die Zeit einer Alleinregierung der CDU – also diese für Hamburg so merkwürdige Episode – nun endgültig vorbei scheint. Derzeitig sieht es sogar so aus, als könnte es eine Mehrheitskoalition aus SPD und Grünen nach den Wahlen im Hamburger Rathaus wieder geben. Wird dieser Trend durch das Wahlergebnis in Hessen gestärkt, spricht vieles dafür.

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25. Januar 2008

Streikkundgebung vor der Hauptverwaltung von Hennes & Mauritz (H&M) , 24. Januar 2008Hamburg. Etwa 400 Beschäftigte des Bekleidungskonzerns Hennes & Mauritz (H&M) demonstrierten am Donnerstag nachmittag in Hamburg. Zu der zentralen Streikkundgebung der Gewerkschaft ver.di vor der H&M-Zentrale in der Spittaler Straße kamen Beschäftigte aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Berlin. Ver.di hatte die Beschäftigten erst vor wenigen Tagen zu Streikaktionen in dem Unternehmen aufgerufen. Bislang weigert sich der Konzern zu dem Tarifstreit im Einzelhandel Stellung zu nehmen. Die Gewerkschaftssekretärin Malene Volkers forderte H&M auf, diese »Passivhaltung« endlich aufzugeben. Sollte es keine »deutlichen Lohnerhöhungen« geben und stünden die Zuschläge zur Debatte, dann müsse sich die Firma auf eine Vielzahl von Streiks einrichten. Ver.di hatte die Führung der Textilkette zuvor aufgefordert, bis Mitte Februar einen Termin zu nennen, an dem die festgefahrenen Verhandlungen wieder aufgenommen werden. (ag)

Verwendung: Junge Welt vom 25. Januar 2008
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25. Januar 2008

Jochen StayKernkraftgegner in Niedersachsen setzen wenig Hoffnung auf Politiker. Skepsis auch gegenüber Linkspartei. Ein Gespräch mit Jochen Stay

Jochen Stay ist Sprecher der Antiatom-kampagne X-tausendmal quer

Wegen ihrer Energiepolitik hat Wolfgang Clement (SPD) davor gewarnt, am Sonntag in Hessen die SPD zu wählen. Wie sehen Sie das, als jemand, der nicht aus der Atomlobby, sondern aus der Anti-AKW-Bewegung kommt?

Wer am Sonntag sein Kreuz macht, entscheidet nicht darüber, wie sich die Energiepolitik entwickelt. Das entspricht jedenfalls unserer Erfahrung aus den letzten 30 Jahren. Entscheidend bleibt der Druck aus der Gesellschaft, von den außerparlamentarischen Bewegungen.

Ist es nicht erstaunlich, daß die SPD jetzt meint, die Wahlen nur gewinnen zu können, wenn sie einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie fordert?

Zumindest zeigt es, wie die SPD die Stimmung in der Bevölkerung einschätzt. Ob aber Andrea Ypsilanti in Hessen, Wolfgang Jüttner in Nieder­sachsen oder eine neue rot-grüne Bundesregierung den Ausstieg wirklich beschleunigen würden, ist durch Wahlkampfparolen alleine nicht gesichert. Denn es waren ja der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Genossen, die in den Verhandlungen um den sogenannten Atomkonsens bei der Frage der Laufzeiten am stärksten auf die Bremse getreten haben. Deshalb ist unser Vertrauen in die SPD ziemlich begrenzt.

Auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) versprach im Wahlkampf, daß sich der Anteil des in Niedersachsen aus regenerativen Energiequellen gewonnenen Stroms bis 2020 auf etwa ein Viertel ausweiten wird.

Das ist so, als wenn er sagt: Wählt mich, dann geht morgen die Sonne auf. Denn bis 2020 werden die erneuerbaren Energien viel stärker wachsen. Da ist die Ankündigung von 25 Prozent eher eine Drohung, den Zuwachs bremsen zu wollen. Interessant finde ich, daß auch Wulff in der Frage der Verlängerung der Laufzeiten ins Lavieren gekommen ist. Die CDU merkt, daß sie mit Pro-Atomkraft-Positionen keine Wahlen gewinnen kann.

Umstritten sind in Niedersachsen auch die Atommüllendlager Schacht Konrad, Gorleben und Asse. Von den Landtagsparteien haben da nur die Grünen eine klar ablehnende Position.

Atommüll kann nirgendwo sicher gelagert werden. Das zeigt das Desaster im Salzbergwerk Asse, das abzusaufen droht. So lange die Atomkraftwerke nicht stillgelegt sind, dient jede Endlagersuche nur der Legitimation des Weiterbetriebs. Da sind mir auch die Grünen nicht eindeutig genug. Zwar sagen sie, der Salzstock Gorleben ist geologisch ungeeignet, wollen ihn aber bei der von ihnen geforderten vergleichenden Standortsuche nicht ausklammern. So besteht die Gefahr, daß am Ende doch alles an Gorleben kleben bleibt, alleine schon deshalb, weil bereits 1,4 Milliarden Euro in den Ausbau des Bergwerks geflossen sind.

Die Linke plädiert für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Doch welche Möglichkeiten bestehen – abseits der Laufzeiten -, den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken zumindest zu behindern?

Uran ist als Brennstoff steuerlich bevorzugt. Das muß ja nicht so sein. Ebensowenig wie die Steuerprivilegierung der Rückstellungen für die Entsorgung. Andererseits könnten die Versicherungssummen für Unfälle heraufgesetzt werden. Auf landespolitischer Ebene können die Umweltministerien als atomrechtliche Aufsichtsbehörden viel erreichen, wenn sie das Atomgesetz eng auslegen und technische Mängel in den AKW zum Entzug der Betriebsgenehmigung nutzen.

Schön, daß die Linke ein deutliches Anti-AKW-Programm vorgelegt hat. Doch das hatten die Grünen auch, bevor sie regiert haben. Deshalb bleibe ich skeptisch, welche Ergebnisse herauskommen, wenn die Linke in Regierungs- oder Tolerierungsverhandlungen eintritt. Die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin überzeugen jedenfalls nicht.

Wichtig ist, daß wir als Umweltbewegung auf die eigene Kraft vertrauen. Spannend ist, daß es vor dem Hintergrund der Klimadebatte inzwischen nicht nur gegen Atom-, sondern auch gegen Kohlekraftwerke und die Stromkonzerne selbst Proteste gibt. Um den Druck für eine Wende in der Energiepolitik auszubauen, wollen wir stärker auf direkte Konfrontationen setzen. Angedacht sind Blockaden gegen die Wiederinbetriebnahme des AKW Krümmel, Bauplatzbesetzungen bei Kohlekraftwerken und natürlich Aktionen gegen den Castortransport nach Gorleben im Herbst.

Verwendung: Junge Welt vom 25. Januar 2008
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22. Januar 2008

Gewerkschafter in Kompetenzteam berufen. Ver.di-Landeschef auch als Senator für Arbeit im Gespräch

In Hamburg hat SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann am Wochenende sein Kompetenzteam erweitert: Gesine Schwan, Koordinatorin der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit Polen, soll den SPD-Bürgermeisterkandidaten nun in Fragen der Europa-Politik beraten. Für den Wirtschaftsbereich übernimmt SPD-Landes­chef Ingo Egloff und für den Hafen der ehemalige Vorsitzende der Hamburger Hafen- und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), Peter Dietrich, die Verantwortung. Der eigentliche Clou: Zuständig für Arbeitsmarktpolitik wird ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Für den Fall eines Sieges bei den Bürgerschaftswahlen Ende Februar ist er sogar als ein künftiger Senator für Arbeit im Gespräch.

Am Wochenende kündigte Rose an, daß er die Ein-Euro-Jobs »drastisch zurückfahren« und statt dessen die in der Hansestadt gänzlich abgeschafften Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) wieder einführen werde. Unter tarifvertraglich gesicherten Bedingungen, fügte der Gewerkschafter hinzu. Mit einer »Hamburger Garantieerklärung« will Rose dafür sorgen, daß jeder Schulabgänger einen Ausbildungsplatz und eine berufliche Perspektive erhält.

Wahlpolitisch wird die Nominierung des populären Gewerkschaftsmanns indes vor allem der Linken Schwierigkeiten bereiten. Denn Rose gilt nicht nur als ausgesprochen glaubwürdig, sondern auch als willensstark. So stritt er jahrelang für eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik, gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, gegen Dumpinglöhne und für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Für Linkspartei-Landessprecherin Christiane Schneider ist die Nominierung von Rose ein »deutliches Signal« dafür, daß auch in der Hamburger SPD »die soziale Realität wieder stärker zur Kenntnis genommen wird«, betonte sie am Montag gegenüber junge Welt. Sie sei allerdings »sehr gespannt«, wie Rose »seine Politik gegen die Armut und für mehr Arbeit« innerhalb der eigenen Partei und gegen die dortigen Wirtschaftslobbyisten, durchsetzen wolle, so Schneider.

Verwendung: Junge Welt vom 22. Januar 2008
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19. Januar 2008

Bild vom 17.01.08Hamburger Wahlkampf: CDU- und SPD-Politiker übertreffen sich bei Hetze gegen angeblich verwöhnte Jungkriminelle. Die Linke: Migranten härter bestraft als Deutsche

Noch am vergangenen Wochenende hatte Innensenator Udo Nagel (parteilos) getönt, das Thema Jugendgewalt eigne sich nicht für den Hamburger Wahlkampf. Doch wenige Tage später wird die Leier von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) über kriminelle Jugendliche – natürlich insbesondere diejenigen mit »Migrationshintergrund« – auch an der Elbe Mode. Die hanseatische Besonderheit dabei: Hier hält die SPD nicht dagegen, sondern ist mit den anderen Parteien in einen Wettstreit darüber getreten, wer der härteste der Harten ist. Ist es Nagel? Er unterstützt jetzt Kochs Plan, straffällig gewordene junge Migranten schon bei einer Haftstrafe von einem Jahr abzuschieben. Sie sollten am besten gleich einen Teil ihrer Haft im jeweiligen »Heimatland« verbringen, ließ er am Mittwoch verlauten. Oder ist es Thomas Böwer, jugendpolitischer Sprecher der SPD? Er deckte am Donnerstag via Bild-Zeitung auf, daß einige »problematische Kunden des Jugendamts« in »Luxusinternaten« außerhalb Hamburgs untergebracht sind.

Bild nahm Böwers Rechercheergebnisse dankbar auf: Nachdem sie tagelang – angebliche – Pilotprojekte gegen »Kuschelpädagogik« mit Schlagzeilen wie »Hessen schickt Schläger (16) nach Sibirien« beworben hatte, konnte sie nun mit Böwers Hilfe neuen Zündstoff für das Stammtischmilieu liefern. Der SPD-Mann befindet sich damit in bester Gesellschaft: Sein Genosse, der heutige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, hat sich in seiner Zeit als Hamburger Innensenator ebenfalls als knallharter Law-and-Order-Politiker hervorgetan.

Böwer bedient sich zudem ähnlich fragwürdiger Methoden wie der von ihm heftig kritisierte Pannen- und Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU). Dessen Behörde hatte jahrelang mit falschen Statistiken den Eindruck erweckt, daß in Hamburg nach der Regierungsübernahme durch die CDU 2001 jugendliche Straftäter besonders hart bestraft werden. 2006 wurden demnach 314 Jugendstrafen ohne Bewährung verhängt und nur 78 mit Bewährung. Tatsächlich verurteilten Hamburgs Jugendrichter aber nur 106 Jugendliche zu einer Strafe ohne, hingegen 230 Jugendliche zu einer Strafe mit Bewährung. Daraufhin behauptete Lüdemann zunächst, die Staatsanwälte hätten die Daten falsch eingegeben, und bestritt, davon gewußt zu haben. Am Mittwoch mußte er jedoch zugeben, seit Monaten informiert gewesen zu sein. Nicht nur über die Statistikfehler im Jugend-, sondern auch über weitere im Erwachsenenstrafrecht.

Die SPD hat deshalb im Vorfeld einer für Freitag abend anberaumten Sondersitzung des Rechtsausschusses in der Hamburgischen Bürgerschaft »Senator Lügemanns« Rücktritt gefordert. Dabei legte man ihm auch noch die Flucht eines Häftlings aus dem Untersuchungsgefängnis zu Jahresbeginn zur Last: Er sei eher ein Strafvereitler, denn ein Strafverfolger, heißt es nun von der SPD und den Grünen.

Christiane SchneiderGegen den auch in der Hansestadt aufkommenden Law-and-order-Wahlkampf macht sich nur Die Linke stark. Christiane Schneider, Landessprecherin und Kandidatin ihrer Partei für die Bürgerschaft, erklärte, was Bild mit Unterstützung von Böwer verzapft habe, sei eine widerliche »Neid- und Mißgunstkampagne«. Ein möglichst langes Wegsperren jugendlicher Täter, wie es die CDU fordert, löse keine Probleme, sondern schaffe nur neue, sagte sie am Freitag gegenüber jW. »Außerdem ist es längst verbreitete Praxis, Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien besonders hart zu bestrafen und so ein weiteres Mal zu benachteiligen«, fügte sie hinzu. Hier will Die Linke eine Wende erkämpfen. Für dieses Ziel sucht die Partei Partner und hat deshalb für eine am Dienstag stattfindende Veranstaltung zum Thema auch den Vorsitzenden der Regionalgruppe Nord der Vereinigung der Jugendrichter, den Jugendrichter Achim Katz, den Direktor des Instituts für Kriminologische Sozialforschung an der Uni Hamburg, Sebastian Scheerer, und den Rapper Deniz Türksönmez (genannt Bacapon) als Referenten eingeladen. Bild hat Bacapon erst kürzlich als »Boß« einer der größten Jugendgangs in Hamburg diffamiert.

Diskussion »Gefährliche Jugend? – Jugendkriminalität und Straflust«, am 22. Januar, um 19 Uhr in der Patriotischen Gesellschaft, Trostbrücke 4, Hamburg

Verwendung: Junge Welt vom 19. Januar 2008
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16. Januar 2008

SPD-Spitzenkandidat übernimmt Kernforderungen der Linkspartei. Die weiß nicht recht, wie sie reagieren soll

Hamburgs Sonny-Boy Ole von BeustSechs Wochen vor den Bürgerschaftswahlen in Hamburg hat sich der Ton deutlich verschärft. »Mein Junge, du mußt noch einiges lernen, um Verantwortung zu übernehmen«, kanzelte CDU-Bürgermeister Ole von Beust am Sonntag seinen SPD-Kontrahenten um das Bürgermeisteramt, Michael Naumann, deutlich ab. Der reagierte am Montag prompt und sagte, daß »ein Politiker, der aufhört zu lernen«, ihm leid täte. Doch das »Täuschen und Tricksen« des Amtsinhabers werde er sich mit Sicherheit nicht aneignen.

Ähnlich scharf verlief am Montag eine Debatte zwischen Innensenator Udo Nagel (parteilos) und SPD-Fraktionschef Michael Neumann. Nagel hatte gefordert, daß »Straftäter mit Migrationshintergrund« künftig besonders erfaßt werden. Neumann konterte, daß es nicht auf die Nationalität, wohl aber darauf ankäme, Straftäter dann auch zu bestrafen. Indirekt nahm er damit Bezug auf eine Affäre in der Justizbehörde, die jahrelang mit falschen Daten den Eindruck vermittelt hatte, daß gerade in Hamburg jugendliche Straftäter besonders streng bestraft würden, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Doch liegt es nur an solchen Pannen, daß die bisher allein regierende CDU in aktuellen Wahlumfragen von 47,2 Prozent im Jahr 2004 nun auf 40 Prozent gefallen ist, sich hingegen der Wähleranteil von SPD und Grünen auf fast 46 Prozent erhöht hat? Der Trend der verschiedenen Umfragen spricht eine andere Sprache. Demnach ist es Naumann tatsächlich gelungen, den Wählerzuspruch für seine eigene, noch vor Monaten gänzlich zerstrittene Partei von 30 auf jetzt 35 Prozentpunkte kontinuierlich auszubauen.

Michael Naumann und Kurt BeckAcht Monate tingelte der Kandidat dafür durch Veranstaltungen, aber auch durch »Suppenküchen«, wie er das selbst nannte. Seine Botschaft war dabei so klar wie von der Partei die Linke geklaut: Er wolle den Wechsel zu »sozialer Gerechtigkeit« einleiten, den die Mehrheit der Hamburger wünsche. Mit besseren Behörden, Gebührenfreiheit in der Bildung, mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohn, erhöhten Zuschüssen für das Sozialwesen, mit einem Stopp der Privatisierungen, einem Sozialticket für Erwerbslose, ja selbst durch die Umwandlung aller Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Das blieb nicht ohne Auswirkungen. Laut Umfragen sank der Wähleranteil der Linkspartei von zuvor bereits sieben auf jetzt sechs Prozent.

Und auch Noch-Bürgermeister von Beust sieht sich in Zugzwang. Die »Sozis« hätten »nichts dazu gelernt« und glaubten noch immer, daß es eine »wundersame, biblische Geldvermehrung« gebe, wetterte er dieser Tage vor dem CDU-Wirtschaftsrat. Seine bislang zur Schau gestellte Zurückhaltung gab der sichtlich verärgerte Bürgermeister dabei gänzlich auf. Er rechnete statt dessen vor, wie viele Milliarden Euro die Wahlkampfversprechen seines Kontrahenten die Stadt kosten würden. Die Sozialdemokraten versprächen »Freibier« und seien nach den Wahlen die »Zechpreller«, attestierte auch CDU-Landeschef Michael Freytag. Er gab am Montag bekannt, daß seine Partei unter dem Motto »Hamburg, paß auf« 3000 Großwerbeflächen mit einem Schwarz-Weiß-Porträt des Bürgermeisters aufstellen werde. Damit solle dem »Populismus« von Naumann die »Solidität« eines von Beust entgegengestellt werden.

Die Linke - hier bei einer Aktion am 21 Oktober 2006Irritiert zeigt sich indes Die Linke. Kaum jemand hatte dort damit gerechnet, daß ausgerechnet der »Großbürger Naumann« linke Themen im Wahlkampf besetzen könnte. Um aus dieser Zwickmühle herauszukommen, offerierte der Vorstand zu Jahresanfang der SPD ein Tolerierungsangebot. Nähme es Naumann mit den linken Forderungen wirklich ernst, dann werde man deren Umsetzung nicht im Wege stehen. Doch das Manöver scheiterte, weil man vergessen hatte, die eigene Basis mitzunehmen. Die setze auf einem Landesparteitag die Tolerierungsbedingungen so hoch an, daß es Naumann nun leicht fällt, das Angebot abzulehnen. Wer die Linke wählt, der behindere den Wechsel im Rathaus, so die aktuelle Botschaft des SPD-Spitzenkandidaten. Wie die Linkspartei aus dieser Situation wieder herauskommen will, soll am Donnerstag auf einem Krisengipfel des Vorstands mit den Bezirksvertretern beraten werden.

www.hier-ist-die-linke-hamburg.de

Bitte lesen Sie zu dem hier behandelten Thema auch ein Interview mit Oskar Lafontaine meines Kollegen Peter Wolter

Verwendung: Junge Welt vom 16. Januar 2008
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15. Januar 2008

Lebensraum für Fische und Vögel in Gefahr: Tausende protestierten zwischen Hamburg und Dresden gegen Vertiefungs- und Begradigungsprojekte des Flusses

Am gesamten Flußlauf der Elbe in Deutschland haben am Sonntag abend rund 15000 Umweltschützer in 35 Orten mit Fackeln gegen die Pläne zur Vertiefung des Gewässers sowie zahlreiche weitere Bauprojekte, wie etwa den Ausbau der Mittel- und Oberelbe, demonstriert. Nach Angaben des Veranstalters, des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), wurden die Proteste von etwa 40 regionalen Umweltinitiativen, Verbänden und Vereinen unterstützt.

Am größten war das Lichtermeer in Dresden, wo sich allein fast 3000 Menschen an der Aktion »Fackeln für die Elbe« beteiligten. Hier demonstrierten die Teilnehmer gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke. Dem Protest gegen dieses von der sächsischen Landesregierung geplante Bauvorhaben sei besondere Bedeutung zugekommen, weil damit ein UNESCO-Welterbestatus und ein bedeutsames Erholungsgebiet verlorengehe, erklärte der BUND-Vorsitzende, Professor Dr. Hubert Weiger, am Montag.

Mehrere tausend Teilnehmer verzeichnete der BUND auch bei den Protesten in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Hier stand vor allem die vom Hamburger Senat geplante Elbvertiefung um einen weiteren Meter im Mittelpunkt der Aktionen. Umweltschützer und Anrainer befürchten, daß dadurch die Sturmflutgefahr beträchtlich steigt. Da durch die Maßnahme die Flußgeschwindigkeit zunehme, seien zahlreiche Lebensräume für Fische und Seevögel bedroht. Im Hamburger Hafen verwiesen Redner vor etwa 300 Bürgern darauf, daß die »ökologische Belastungsfähigkeit« der Elbe bereits jetzt erreicht sei.

Proteste gegen überdimensionierte Verkehrsprojekte gab es auch in Torgau und in Dömitz (Kreis Ludwigslust). Während es in Torgau um die Wirkungen einer neuen und in Tschechien geplanten Elbstaustufe sowie um die Einengung und Vertiefung im mittleren und oberen Elblauf ging, zogen etwa 300 Menschen in Dömitz an ihren Fluß, um gegen die dortigen Pläne zum Begradigen eines bislang noch relativ naturbelassenen Elbabschnitts zu protestieren. Das Gebiet würde bisher von zahlreichen Zugvögeln auch als Rast- und Überwinterungsgebiet genutzt, was aber bei dessen Ausbau in Frage gestellt sei. Daß die Flußlandschaft der Elbe bundesweit »zu einem der größten Bioreservate in ganz Deutschland« gehört, betonte am Montag auch der Vorstand des BUND in einer Erklärung. Es sei »aller höchste Zeit, daß die Politiker in Bund und Ländern ihre Ignoranz beenden« und das Feld nicht »nur einigen wenigen Profiteuren der jeweiligen Bauprojekte überlassen«, forderte Ernst Paul Dörfler, Leiter des BUND Elbeprojektes.

Verwendung: Junge Welt vom 15. Januar 2008
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