30. August 2008

Hamburger Gewerkschafter und Elterninitiativen wollen gleiche Bildungschancen durchsetzen

In Hamburg hat der SPD-Grüne-Senat neue Regeln für Volksbegehren und Volksabstimmungen beschlossen. Demnach können Unterstützerunterschriften nicht mehr nur auf dem Amt, sondern auch wieder auf der Straße gesammelt werden. So würden die Voraussetzungen für das anstehende Volksbegehren »Eine Schule für alle« geschaffen, hieß es zur Begründung aus der Innenbehörde. Für den Erfolg des Begehrens müssen rund 60000 Unterstützerunterschriften innerhalb von drei Wochen – vom 19. September bis 9. Oktober – gesammelt werden. Die Unterstützerunterschriften können auch weiterhin in den amtlichen Stellen der Bezirke oder per Briefwahl abgegeben werden. Entsprechende Formulare werden ab heute auf Antrag der Bürger verschickt.

Inhaltlich geht es bei dem Begehren darum, daß künftig alle Hamburger Schüler bis zur 10. Klasse in einer Schule gemeinsam unterrichtet werden. Von der Grundschule kommend wechselten sie bislang schon nach Klasse vier auf drei verschiedene Schulformen. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen für den CDU/Grünen-Senat konnte die Grün-Alternative Liste (GAL) im Februar 2008 durchsetzen, daß die bisherigen Hauptschulen abgeschafft werden und ein Schulwechsel erst nach der sechsten Klasse erfolgt. Den Initiatoren des Volksbegehrens »Eine Schule für alle«, darunter die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), reichen diese Schritte nicht. Zwar entstehen neue Stadtteilschulen, aber die Gymnasien bleiben wie gehabt. Damit bliebe auch die Ungleichheit der Bildungschancen vor allem für Kinder aus sozial benachteiligten Familien erhalten, so GEW-Landeschef Klaus Bullan am Freitag im Gespräch mit junge Welt. Er kritisiert zudem, daß der »schwarz-grüne« Senat den Betroffenen sein Schulmodell »einfach überstülpen« will. Demokratischer sei es, darüber in einer Volksabstimmung entscheiden zu lassen. Wie das Beispiel skandinavischer Länder zeige, sei die »Schule für alle das gerechtere, leistungsfähigere und zeitgemäßere Schulsystem«, so Bullan gegenüber jW.

Ob sich der Gewerkschafter mit diesem Standpunkt durchsetzen kann, ist allerdings offen. Bereits bei der Gründung der Volksinitiative im Herbst vorigen Jahres als innerhalb von sechs Monaten 10000 Unterschriften gesammelt werden mußten, traten erhebliche Mobilisierungsprobleme zutage. Hinzu kommt, daß sich die Grünen jetzt aus dem Unterstützerkreis für die Initiative weitgehend verabschiedet haben. Bullan gibt sich dennoch optimistisch. Immerhin hätten sich schon jetzt rund 500 Personen als Unterschriftensammler gemeldet. Zudem werde das Begehren auch durch die Partei Die Linke, den DGB und weitere Einzelgewerkschaften wie auch durch den Elternverein massiv unterstützt.

Wer Briefwahlunterlagen anfordern will, kann dies formlos mit einfacher Postkarte bei der Briefeintragungsstelle Volksbegehren im Bezirksamt Hamburg Mitte, Klosterwall 8, Block D, 20095 Hamburg, beantragen

Verwendung: Junge Welt vom 30. August 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



2 Kommentare

28. August 2008

Hamburg: Querelen im Management von privatisierten Landeskliniken. Ver.di: »massiver Affront«

Schon wieder Ärger in den Hamburger Asklepios-Kliniken. Deren Presseabteilung teilte Anfang der Woche in einem Dreizeiler mit, daß Arbeitsdirektor Volker Frese um eine »einvernehmliche Beendigung seiner Tätigkeit« gebeten habe. Über die Neubesetzung der Stelle solle nun in einem Ausschuß beraten werden.

Der Vorsitzende des ver.di-Landesbezirks, Wolfgang Rose, wies diese Darstellung zurück. »Nach meinem Kenntnisstand ist das Arbeitsverhältnis mit Herrn Frese bereits beendet worden«, sagte er am Mittwoch in Hamburg vor Journalisten. Frese habe seine seine Position keineswegs freiwillig zur Disposition gestellt. Rose, der selbst im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt, sprach von einem »massiven Affront« gegenüber der gesamten Belegschaft.

Die Einsetzung eines Arbeitsdirektors, der sowohl das Vertrauen der Geschäftsführung als auch der Beschäftigtenvertreter im Aufsichtsrat besitzt, war auf Verlangen der Gewerkschaft ver.di vor drei Jahren von Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) im Zusammenhang mit der Privatisierung des ehemaligen Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) den Beschäftigten zugesichert worden. Die Gewerkschaft hatte die Einrichtung der Funktion zur Bedingung für ihre Zustimmung zur Privatisierung der Kliniken gemacht.. Erst als diese Position dann nach einem langwierigen Verfahren vor einigen Monaten besetzt werden konnte, habe die Belegschaft der gebeutelten Kliniken allmählich wieder Hoffnung geschöpft, sagt Rose. Nun aber sei der paritätisch besetzte Aufsichtsrat bei der »Entlassung« von Frese regelrecht »ausgebootet« worden, so der Gewerkschafter. Die Klinikbosse hätten offenbar kein Interesse an Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft und würden die rund 12000 Mitarbeiter nach »Gutsherrenart« behandeln. Doch sauer ist Rose auch über den Senat: Denn obwohl die Stadt weiterhin einen 25prozentigen Anteil an den Kliniken halte, weigere sich der Senat, irgendeine Verantwortung für die Mitarbeiter zu übernehmen. Entscheidungen der Konzernspitze würden im Aufsichtsrat lediglich abgenickt, berichtete Rose.

Gegenüber der Presse gab der Gewerkschaftschef in diesem Zusammenhang an, daß er selbst noch Ende letzter Woche eine Beteiligung des Gremiums in der Frage der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit Frese gefordert hatte. Doch sei dies von Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) regelrecht »abgeblockt« worden. Mit einem derart »unprofessionellen Vorgehen« würde nun aber neue Unruhe in die Kliniken getragen werden.

Anerkennung in der Belegschaft hatte Frese zuvor auch in der Behandlung der sogenannten Rückkehrberechtigten gewonnen. Für etwa 1200 anspruchsberechtigte Vollzeitkräfte, die nach der Privatisierung des Unternehmens in den Staatsdienst zurückkehren können und wollen, hatte er dort bis Juni die entsprechenden Jobs vermittelt. Gleichzeitig setzte sich Frese so sehr für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein, daß es ihm gelang, rund 100 Rückkehrberechtigte für einen Verbleib in den Kliniken zu gewinnen. Nach der Privatisierung habe sich die Konzernleitung Mitarbeitern gegenüber »nicht immer klug verhalten und Fehler« gemacht, räumte Frese seinerzeit ein.

Anmerkung: In der Veröffentlichung dieses Textes in der Tageszeitung Junge Welt hat sich leider ein kleiner Fehler eingeschlichen. Dort hieß es, dass die Gewerkschaft ihre Zustimmung zur Privatisierung von der Einrichtung der Stelle eines Arbeitsdirektors abhängig gemacht habe. Tatsächlich hat verdi der Privatisierung des ehemaligen LBK natürlich niemals zugestimmt. Die fehlerhafte Stelle ist hier mit eingefügtem kursiven und durchgestrichenen Text verdeutlicht.

Verwendung: Junge Welt vom 28. August 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



11. Juni 2008

Beim größten Hamburger Pflegeunternehmen steht ein Arbeitskampf ins Haus. Warnstreiks noch diese Woche

Achtzehn Monate, nachdem das größte Hamburger Pflegeunternehmen »Pflege & Wohnen (p&w)« privatisiert wurde, steht dessen Alten- und Pflegeheimen ein heftiger Arbeitskampf ins Haus. Am Montag kündigte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di an, daß es noch in dieser Woche zu ersten Warnstreiks kommen kann.

Die Nachricht erstaunt. Denn eigentlich hatte die Gewerkschaft mit der Geschäftsführung des Unternehmens bereits vor Wochen geeinigt. Mit einem neuen Haustarif sollten die Rechte aus den Arbeitsverträgen der ehemaligen Mitarbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg auch künftig gesichert werden. Weitgehend einig war man sich darin, den erst kürzlich im öffentlichen Dienst erzielte Tarifabschluß im Prinzip zu übernehmen sowie einen Beschäftigungspakt abzuschließen. Letzterer sollte betriebsbedingte und Änderungskündigungen bis 2012 ausschließen.

Doch die Rechnung hatte die Geschäftsführung von p&w ganz offenbar ohne die neuen Eigentümer von der Berliner Vitanas und der EAF-Holding GmbH gemacht. Sie teilen sich das Unternehmen zu jeweils gleichen Teilen und wiesen die Geschäftführung vergangene Woche an, auf der Basis erheblich geringerer Lohnvorgaben neu zu verhandeln. Auch von einem Beschäftigungspakt war nun nicht mehr die Rede.

Sich auf neue, möglicherweise monatelange Verhandlungen einzulassen, sei aber für ver.di unannehmbar, erklärte am Wochenende Verhandlungsführerin Angelika Detsch. Energisch verwahrte sich die Gewerkschaftssekretärin dagegen, zum Ausgangspunkt der bereits monatelang geführten Verhandlungen zurückzukehren. Statt dessen erklärte die ver.di-Verhandlungskommission, Warnstreiks seien »ab sofort« möglich.

Anfang der Woche goß EAF-Boß Andreas Francke noch mal Öl ins Feuer, indem er seinen Mitarbeitern mitteilen ließ, wer nicht zu den neuen Bedingungen bei p&w arbeiten wolle, könne das Unternehmen auch gern verlassen. Er selbst habe jedenfalls gute Kontakte zwecks Vermittlung einer Rückkehr zur Stadt, so Francke, hieß es aus Betriebsratskreisen. Zynisch habe er zudem hervorgehoben, daß dann möglicherweise auftretende Lücken, schnell durch neues Personal geschlossen werden könnten.

Ein Rückkehrrecht zur Stadt haben bei p&w etwa 650 der rund 1350 Beschäftigten. Doch würden so viele tatsächlich das Unternehmen verlassen und zur Stadt zurückkehren, wäre der Betrieb zahlreicher Pflegeheime gefährdet. Bisher ging man deshalb davon aus, daß auch die neuen Eigentümer ein Interesse daran haben, möglichst viele Mitarbeiter zu halten. Die Äußerungen von Francke seien ein Zeichen »der Nichtachtung und der Geringschätzung« gegenüber den Mitarbeitern, erklärte Detsch am Montag. Schon in dieser Woche werde es erste Arbeitskampfaktionen geben.

Verwendung: Junge Welt vom 11. Juni 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



09. Mai 2008

Hamburger Bündnis gegen RechtsHamburger Bürgerschaft diskutierte über rechten Aufmarsch am 1. Mai. GAL und CDU wollen von Neonazigewalt nichts wissen und sagen »linken Chaoten« den Kampf an

Die Grün-Alternative Liste (GAL) hat am Mittwoch abend in der Hamburgischen Bürgerschaft gezeigt, was mitregieren für sie heißt. Sie verteidigte das »Demonstrationsrecht« für Neonazis. Unter dem Titel »Konsequenzen aus dem Neonaziaufmarsch am 1. Mai ziehen« hatte die Partei Die Linke das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. CDU und Grünen fielen zu dem Aufmarsch und den antifaschistischen Protesten im Arbeiterstadtteil Barmbek aber nur die Stichworte »Krawall« und »Keine Toleranz gegen Gewalt« ein. Letztere ordneten sie den Gegendemonstranten zu. Die Partei von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wollte die Gelegenheit offenbar nutzen, um klarzumachen, wer in der Bürgerschaft das Sagen hat. Von Beust war zuvor mit den Stimmen seiner Partei, der Grünen sowie einer weiteren aus dem Oppositionslager erneut zum Bürgermeister gewählt worden. Daß die Abgeordneten der Grün-Alternativen Liste (GAL) nicht mucken würden, war zu erwarten. Der Übereifer, mit dem sie dann agierten, überraschte aber doch. Grünen-Vize-Fraktionschef Christian Maaß ließ keinen Zweifel daran, daß eine »Unschuldsvermutung« auch für Neonazis zu gelten habe. Schon deshalb habe der Aufzug nicht verboten werden können.

Die Vizefraktionschefin der Linken, Christiane Schneider, stellte dagegen klar, daß es eine »Fehleinschätzung hinsichtlich der von den Nazis ausgehenden Gefahren« gegeben hat. Faktenreich wies sie im Rathaus nach, wie viele Übergriffe es an diesem Tag durch die etwa 1000 angereisten Rechten auf Ausländer, Antifaschisten und Journalisten gab. Der Gipfel sei gewesen, wie diese schon bei ihrer Anreise einen ganzen S-Bahn-Zug gekapert hätten. Durch den Zuglautsprecher hätten sie bekanntgegeben, »daß Deutsche und Ausländer künftig wieder getrennt verreisen. Letztere in Viehwaggons«. Allein das, sagte Schneider, hätte reichen müssen, den Aufmarsch noch zu verbieten. Völlig unverständlich sei es ihr daher, wie prügelnde Polizisten dann versucht hätten, den Neonazis die Straßen frei zu machen. Nur der »politischen Entschlossenheit« der 10000 Gegendemonstranten sei zu verdanken, daß dies mißlungen sei.

Derartige Blockaden will der »schwarz-grüne« Senat künftig als »gewalttätig« diffamieren. An der Absicht seiner Partei, die »Linkschaoten« zu bekämpfen, ließ der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Manfred Jäger, keinen Zweifel. Scharf attackierte er das Oberverwaltungsgericht, weil dieses per Eilentscheidung auch die Antifaschisten nach Barmbek gelassen hatte. Erst dadurch seien die »Krawalle« möglich gewesen. »Da ist was schiefgelaufen« befand denn auch der innenpolitische Sprecher der SPD Andreas Dressel.

Die grüne Abgeordnete Antje Möller distanzierte sich schließlich von den Antifaschisten: Gewalt stünde im Widerspruch zu einer »bunten, vielfältigen und friedlichen« Demonstration. »Wir verurteilen jede Gewalt – egal, von welcher Seite«, so Möller. Ihr Vizefraktionschef Maaß befand gar, der »Schutz Andersdenkender« gehöre nun mal zur Demokratie. Das machte Eindruck auf den Koalitionspartner. Der CDU-Mann und am Mittwoch vereidigte Innenminister Christoph Ahlhaus versprach, die Gewalttäter auch künftig zu bekämpfen. Daß die nicht bei den Neonazis, sondern im Hamburger Bündnis gegen rechts zu suchen sind, schien bei CDU und Grünen ausgemachte Sache zu sein. Und wenn die Neonazis doch ein bißchen über die Stränge geschlagen hätten? Karl-Heinz Warnholz (CDU) hat eine einfache Erklärung: Die Übergriffe der Rechten seien erst durch den Aufruf der Antifaschisten, »den Nazis keinen Meter« zu geben, provoziert worden.

Antifaschistische Positionen bezog hingegen der Fraktionskollege von Dressel, ver.di-Landesbezirkschef Wolfgang Rose (SPD): Wenn 75 Jahre nach der Erstürmung des Gewerkschaftshäuser Nazis durch Hamburg marschieren, dann sei dies für alle Gewerkschafter eine »ungeheuere Provokation«. Ihm fehle daher jedes Verständnis, daß der Nazi-Marsch und die damit zusammenhängende »Volksverhetzung« nicht verboten worden wäre. Ähnlich die Bauer-Konzernbetriebsrätin und Linkspartei-Abgeordnete Kersten Artus. Für sie war der Nazi-Aufmarsch gar eine »Kriegserklärung« an alle »arbeitenden und erwerbslosen Menschen«. Dem entgegenzutreten, sei notwendig gewesen.

[Anmerkung: in der Veröffentlichung für die Tageszeitung musste der letzte Absatz dieses Berichts – hier kursiv dargestellt – aus Platzgründen leider gestrichen werden.]

Verwendung: Junge Welt vom 9. Mai 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hierEintrag versenden: hier



06. Mai 2008

Anlaufstelle für Menschen ohne Papiere. Gewerkschaft kündigt Verfahren vor Arbeitsgerichten an

In Hamburg hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am Montag die bundesweit erste gewerkschaftliche Anlauf- und Beratungsstelle für Illegalisierte, also Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, eingerichtet. Allein in der Hansestadt gäbe es rund 100000 Illegalisierte, bundesweit rund eine Million, begründete dies ver.di Fachbereichsleiter Peter Bremme. Viele von ihnen würden in Privathaushalten als Hilfs- und Reinigungskräfte arbeiten. Andere in der Pflege oder Gastronomie, auf dem Bau, im Hafen oder als Sexarbeiterinnen. Die Gewerkschaft sei auch für die Interessenvertretung dieser Menschen zuständig, so Bremme.

Die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic verwies am Montag vor der Presse auf eine Studie, wonach in 7,5 Prozent aller Privathaushalte regelmäßig Putz- oder Haushaltshilfen beschäftigt sind. Dies entspräche rund 2,9 Millionen Beschäftigungsverhältnissen. »Doch nur 40000 dieser Jobs tauchen in der Sozialversicherungsstatistik auf«, so Mitrovic. Es seien eben vielfach Illegalisierte, die einen oder auch mehrerer solcher Jobs ausüben. Das träfe auch auf die besonders schmutzigen und gefährlichen Container-Reinigungen im Hafen zu. Angeworben über bestimmte Kneipen, angeheuert durch Subunternehmer, gäbe es dort Stundenlöhne von weniger als drei Euro. Und selbst um diese würden die Betroffenen vielfach noch geprellt.

Die Idee zur Schaffung der Beratungsstelle mit dem Namen MigrAr sei im Arbeitskreis »undokumentierte Arbeit« entstanden, berichtet Bremme. Daraus ergebe sich nun ein enges Beziehungsfeld zu weiteren Einrichtungen der Migrationsarbeit. Ziel der gemeinsamen Arbeit sei es, Menschen ohne Papiere einen Zugang zu ihren Rechten zu ermöglichen. Jeden Dienstag in der Zeit zwischen 10 und 14 Uhr erhalten Betroffene nun im ver.di-Center kostenlos Auskunft zu Fragen des Arbeits- und Sozialrechts. In Fällen von Lohnprellerei, verweigertem Gesundheitsschutz oder der Einschränkung von Freiheitsrechten, würden Verfahren vor dem Arbeitsgericht angestrengt. Ähnliches gelte zudem, wenn Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetzt nicht gewährt wurde.

Erst kürzlich habe ein Gerichtssprecher darauf hingewiesen, daß solche Gerichtsverfahren möglich sind, ohne daß der Richter gleich die Ausländer- und Abschiebebehörden informiere, erklärte ver.di-Mann Bremme.

Die Beratungsstelle werde mit »äußerster Sensibilität« arbeiten, betont die Sozialarbeiterin Monica Orjeda. Bestünde bei Betroffenen die Angst das verdi-Center zu besuchen, etwa weil befürchtet wird, die Ausländerbehörde bekäme das mit, würden Mitarbeiter die Betroffenen auch zu hause aufsuchen. Für die Sozialarbeiterin ergeben sich zwei Ziele für die neue Einrichtung: Erstens den Illegalisierten zu verdeutlichen, daß sie nicht allein und auch nicht rechtlos sind; zweitens, genau dies auch den Arbeitgebern klar zu machen. Der Schutz vor einer möglichen Abschiebung habe dabei höchste Priorität. Um die Beratungsstelle noch besser den Bedürfnissen der Betroffenen anzupassen, werde zudem eine auf Interviews basierende Studie vorbereitet.

Bremme ging abschließend noch einen Schritt weiter: Es sei rechtlich kein Problem sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus zu schaffen. Dem neuen schwarz-grünen Senat schlug Bremme deshalb vor eine Legalisierungskampagne für das »Tor zur Welt« einzuleiten. So könnte aus den vielen »Prüfaufträgen« des Koalitionsvertrags doch noch Realpolitik werden, sagt Bremme.

Kontakt zur Beratungsstelle: 040/2584138

[Anmerkung: in der Veröffentlichung für die Tageszeitung junge Welt mussten bestimmte Passagen, sie sind oben zur Verdeutlichung kursiv gesetzt, aus Platzgründen leider weggelassen werden.]

Verwendung zum Teil in: Junge Welt vom 6. Mai 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



29. April 2008

Rolf BeclerIn Hamburg hat sich der DGB vor der Mai-Demo von den Neofaschisten übertölpeln lassen. Ein Gespräch mit Rolf Becker

Der Schauspieler Rolf Becker ist Mitglied des Ortsvereinsvorstandes im Fachbereich Medien von ver.di Hamburg

Man rechnet damit, daß am 1.Mai etwa 1000 Neofaschisten durch den Hamburger Stadtteil Barmbek marschieren. Die dort vorgesehene Mai-Kundgebung hat der DGB daher nach St. Pauli verlegt. Das ist von Ihnen und weiteren Gewerkschaftern kritisiert worden. Warum?

Wenn die Rechtsextremisten am 1. Mai aufmarschieren, knüpfen sie an das Konzept ihrer faschistischen Vordenker von 1933 an: Gewerkschaftliche Themen besetzen und gewerkschaftliche Passivität nutzen, um Mitglieder zu vereinnahmen und Massenanhang zu gewinnen. Einer solchen Entwicklung muß frühzeitig entgegengetreten werden. Wir kritisieren, daß die Gewerkschaftsmitglieder nicht sofort informiert und mobilisiert wurden, als bekannt wurde, daß am 1. Mai in Hamburg ein Aufmarsch der Neonazis bevorsteht.

DGB-Landeschef Erhard Pumm hat eingewandt, daß versammlungsrechtlich die Neonazis im Vorteil waren –daß es also keine Alternative dazu gab, die Gewerkschaftsdemo zu verlegen.

Wir wollen das mal glauben. Es ändert aber nichts daran, daß die Mitglieder hätten informiert werden müssen. Dann wäre gründlicher beraten worden, wie wir uns gegen diese Provokation wehren. Nicht nur über die Gerichte, sondern vor allem politisch. Nicht die Verlegung der Abschlußkundgebung nach St. Pauli steht im Zentrum unserer Kritik, sondern der Umstand, wie unpolitisch und technisch mit dem Problem umgegangen wurde. Um die gewerkschaftliche Einheit zu wahren, hatten wir vorgeschlagen, neben der Kundgebung in St. Pauli noch eine zweite und ebenfalls vom DGB verantwortete durchzuführen, die an der Gedenktafel für die NS-Opfer am Gewerkschaftshaus beginnt und dann als Demonstration nach Barmbek führt. Leider wurde unser Vorschlag ignoriert.

Wieso ist jetzt die gewerkschaftliche Einheit geschwächt?

Weil es eine Aufsplitterung der Kräfte und eine breite Verunsicherung der Mitgliedschaft gibt. Die Gewerkschaftsjugend und weitere gewerkschaftliche Gremien mobilisieren im Bündnis mit zahlreichen Initiativen nach Barmbek. Die anderen gehen nach St. Pauli. Ein gemeinsamer politischer Rahmen ist nicht erkennbar. Geschützt durch die Kraft unserer gewerkschaftlichen Organisation sind nur diejenigen, die nach St. Pauli gehen. Nicht aber die, die sich den Neonazis entgegenstellen. Von der Innenbehörde und den Springer-Medien wird diese Tatsache bereits genutzt, um das Bündnis von DGB-Jugend, gewerkschaftlich Aktiven und Antifa-Organisationen als Chaotenveranstaltung zu diffamieren. Damit läßt sich auch entsprechendes polizeiliches Vorgehen begründen.

Sehen Sie nicht die Gefahr, daß gewerkschaftliche Themen dadurch in den Hintergrund geraten?

Wir werden auf jeden Fall die gemeinsamen Anliegen zur Sprache bringen. Es geht uns um die Bewahrung gewerkschaftlicher Einheit. Antifaschismus muß Bestandteil jeglicher Politik der Gewerkschaften bleiben. Er sollte sich nicht auf Grundsatzerklärungen und Reden beschränken. Wenn wir da etwas aufweichen lassen, begehen wir die Fehler, die 1933 zum Untergang der Gewerkschaften führten.

Worin bestanden diese?

Die faschistische Bewegung wurde unterschätzt. Noch nach der Machtübernahme hoffte die ADGB-Führung, die Gewerkschaften durch Wohlverhalten retten zu können. Sie rief für den 1. Mai 1933 sogar zur Beteiligung an den Maifeiern der Naziregierung auf. Einen Tag später wurden die Gewerkschaftshäuser gestürmt, aktive Mitglieder verhaftet; später in die Konzentrationslager gesperrt, vielfach gefoltert und ermordet. Erhard Pumm hat daran erinnernd vor fünf Jahren eine Gedenktafel am Gewerkschaftshaus enthüllt. Für uns ist sie Mahnung und Verpflichtung zugleich.

Mit Blick auf mögliche Auseinandersetzungen warnt die Polizei vor einer Teilnahme in Barmbek. Wo werden Sie demonstrieren?

Natürlich in Barmbek. Schon aus Solidarität mit der Gewerkschaftsjugend und anderen gewerkschaftlichen Gremien. Ich werde mich dort auch am Mikrofon äußern. So wie die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano. Bei ähnlicher Gelegenheit wurde sie vor wenigen Jahren Ziel eines Wasserwerfers. Die Wiederholung eines solchen Vorfalls kann erschwert werden, wenn sich viele beteiligen.

Verwendung: Junge Welt vom 29. April 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



1 Kommentar

29. Aprir 2008

Hamburg: Neonazis wollen am 1. Mai auf der Route des DGB marschieren. Der verlegt seine Abschlußkundgebung. Antifaschistisches Bündnis mobilisiert zum Protest

Die Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert das Verbot eines am 1.Mai im Arbeiterstadtteil Barmbek geplanten Neonaziaufmarsches. Das sei auch versammlungsrechtlich möglich, erklärte die Abgeordnete Christiane Schneider am Montag gegenüber junge Welt. Die Antwort des Senats auf zwei kleine Anfragen von ihr hatte ergeben, daß alle für die rechte Veranstaltung angekündigten Redner, darunter der Neonazi-Anwalt und NPD-Landeschef Jürgen Rieger, bereits wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt worden sind. »Volksverhetzung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Straftatbestand«, so Schneider. Es bestehe die Gefahr, daß die Würde von Naziverfolgten und von Flüchtlingen verletzt werde. Auch deshalb sei der CDU-Senat verpflichtet, den Aufmarsch zu unterbinden, so die Linkspartei-Politikerin. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom Januar 2008. Wer wegen Volksverhetzung bereits verurteilt worden sei, habe demnach kein Recht mehr, auf öffentlichen Versammlungen als Redner aufzutreten.

Für den Neonaziaufmarsch unter dem Motto »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen« wird durch eine Vielzahl von Organisationen, wie etwa dem »Aktionsbüro Norddeutschland« oder dem neonazistischen »Störtebeker-Netzwerk« mobilisiert. Die Polizei geht deshalb von etwa 1 000 Teilnehmern aus. Die Veranstaltung ist eine bewußte Provokation gegen die Gewerkschaft, denn sie soll exakt dort stattfinden, wo deren Dachverband DGB seine Abschlußkundgebung nach der Maidemonstration durchführen wollte. Diese wurde vom DGB nun nach St. Pauli verlegt, was in Neonazikreisen als »kläglicher Rückzug« verhöhnt wird.

Zur antifaschistischen Gegendemonstration rufen indes das »Hamburger Bündnis gegen Rechts«, die Gewerkschaftsjugend, VVN, DKP und Linkspartei, aber auch etliche Einzelgewerkschafter auf. Unterstützt wird das Bündnis auch von 40 Initiativen, Gewerbetreibenden, Kultureinrichtungen und Kirchengemeinden aus Barmbek selbst. Gelänge es den Neonazis am Donnerstag mittag loszumarschieren, würden in allen umliegenden Kirchengemeinden die Sturmglocken läuten, gaben Aktive aus Barmbek bekannt. Im gesamten Viertel hängen Plakate mit durchgestrichenen Hakenkreuzen. Sie werben für ein antifaschistisches Stadtteilfest, das im Anschluß an die Demo stattfinden soll.

Ob es den Antifaschisten gelingen wird, in den Kern von Barmbek vorzustoßen, ist allerdings fraglich. Die Innenbehörde bestätigte am Montag, daß deren geplante Demoroute nicht akzeptiert werde. Vor allem die Fuhlsbüttler Straße – das Herz von Barmbek – ist tabu. Noch-Innensenator Udo Nagel (parteilos) will die Neonazigegner mit Auflagen und durch Tausende Beamte in eher randständige Bereiche abdrängen. Bündnissprecher Wolfram Siede kündigte am Montag gegenüber jW an, juristisch gegen die Einschränkung vorgehen zu wollen.

Raushalten aus dem Ganzen will sich der DGB. Dessen Lokalchef Erhard Pumm bestätigte am Montag auf einer Pressekonferenz, daß es ihm vor allem darum gehe, die gewerkschaftliche Mai-Kundgebung abzusichern. Diese nach St. Pauli zu verlegen, sei mit den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften abgestimmt. Als Flucht vor den Neonazis könne man das nicht bezeichnen, so Pumm. Die Rechten hätten ihre Veranstaltung zwei Wochen vor der des DGB angemeldet und deshalb versammlungsrechtlich die besseren Karten gehabt, so Pumm. Gleichzeitig verwies er darauf, daß es im Anschluß an die Mai-Kundgebung ein »Kulturfest gegen rechts« geben werde.

Hamburg: 1. Mai, 10 Uhr U/S-Bahn Barmbek: »Kein Platz für Nazis!«, Kundgebung und Demonstration

Verwendung: Junge Welt vom 29. April 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



24. April 2008

Gewerkschaften kritisieren Koalitionsvertrag von CDU und GAL in Hamburg. Beschäftigte, Auszubildende und Erwerbslose sind die Verlierer

In Hamburg haben Gewerkschaftsvertreter Einzelheiten des Ende letzter Woche unterschriebenen »schwarz-grünen« Koalitionsvertrages heftig kritisiert. So erklärte DGB-Landeschef Erhard Pumm am Dienstag, daß er sich vom künftigen Senat stärkere Initiativen zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit gewünscht habe. André Bunkowsky, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilte am Mittwoch in einer Erklärung mit, daß die im Koalitionsvertrag erkennbare Absicht, die Lebensarbeitszeit für Polizeibeamte zu verlängern, auf heftigen Widerstand seiner Gewerkschaft stoßen werde. Für Polizisten müsse »mit 60 Schluß sein«, alles andere sei eine »unzumutbare Belastung«.

Schärfer fällt die Kritik von ver.di-Landeschef Wolfgang Rose aus. Als Vorsitzender der größten Hamburger Einzelgewerkschaft hatte er im Wahlergebnis Ende Februar zunächst eine »Chance zum sozialen Aufbruch« gesehen. Doch durch die Bildung einer CDU-Grünen-Koalition sei diese nun restlos vertan. Rose sieht die Gefahr einer noch stärkeren »sozialen Spaltung«. Der Koalitionstext biete für Beschäftigte, Erwerbslose, Auszubildende und Studierende kaum etwas. Nichts werde darin vereinbart, was zur Eingrenzung der ausufernden Ein-Euro-Jobs oder der Leiharbeit führen könne, kaum etwas zur Einschränkung der Ausbildungsplatznot. »Dafür wollen sie nun die Bildungsgebühren erhöhen«, schimpft der Gewerkschaftsmann. Ihm sei klar, daß der künftige Senat einer für die Besserverdienenden sei.

Kein gutes Haar läßt Rose auch an den Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst. Durch die bereits in der letzten Legislatur von der CDU durchgepeitschte Novellierung des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes und die Kündigung der Mitbestimmungstarifverträge herrschten in den Behörden und Amtsstuben »obrigkeitsstaatliche Verhältnisse«. Das ganze passiere jetzt mit dem Segen der Grünen, so Rose. Versagt hätte die Partei auch mit ihrem Wahlkampfversprechen, die Steuergerechtigkeit wieder herzustellen. Da der Koalitionsvertrag die Einstellung weiterer Betriebs- und Steuerprüfer ausdrücklich negiere, bleibe Hamburg »die Hauptstadt der Hinterzieher«.

Wie Pumm fordert auch Rose, daß die grassierende Langzeitarbeitslosigkeit und die damit zusammenhängende Armut stärker bekämpft werden müßten. Dazu gehörten Initiativen für einen Mindestlohn und für den Ersatz der Ein-Euro-Jobs durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf die Tagesordnung. Dies, so Rose, stehe im Widerspruch zum Ansatz der Grünen, fehlende Mittel in den Stadtquartieren durch die Arbeitskraft der Jobber teilweise zu kompensieren. Begrüßenswert sei an der neuen Koalition lediglich, daß diese die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker betone und einen Rechtsanspruch für die Kita-Betreuung schon für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr festschreiben möchte.

Dies allerdings trifft auf Kritik der Linkspartei-Abgeordneten und Bauer-Konzernbetriebsrätin Kersten Artus. Solange die Kinderbetreuung kostenpflichtig sei und es kein Recht auf Ganztagsplätze gebe, werde die Vereinbarung von Familie und Beruf »nicht unter Gleichstellungsaspekten gesehen«, kritisiert die Betriebsrätin. Schier unfaßbar sei zudem der Umstand, daß die Grünen nicht darauf gedrängt hätten, die bereits 2001 erfolgte Schließung des Senatsamts für Gleichstellung zu korrigieren. Sie sieht nun ihre Partei in der Pflicht, auch die Gleichstellungspolitik als Aufgabenfeld zu übernehmen.

Verwendung: Junge Welt vom 24. April 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



22. April 2008

Regierungsspöttische Aufforderung zum Schwarzfahren
Hamburg: CDU und Grüne gewähren Bedürftigen Preisnachlaß im öffentlichen Nahverkehr. »Sozialticket« soll 67 Euro kosten

Die Wiedereinführung des von der CDU 2003 abgeschafften Sozialtickets für Erwerbslose und Geringverdiener hatten Hamburgs Grüne noch wenige Tage vor Abschluß der schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen versprochen: »Falls es in Hamburg eine schwarz-grüne Regierung gibt, wird es auch das Sozialticket wieder geben«, so die Bürgerschaftsabgeordnete Martina Gregersen am Mittwoch letzter Woche im Landesparlament. Doch nach Vorlage der Einzelheiten des inzwischen unterschriebenen Koalitionsvertrages, erweise sich dies nun als eine Luftblase, monierte der sozialpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Wolfgang Joithe, am Montag gegenüber junge Welt. Denn nicht ein Sozialticket – es berechtigt zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für einen angemessenen Preis – werde es demnach geben, sondern lediglich einen »Preisnachlaß auf Zeitkarten« in Höhe von 18 Euro im Monat. Dies aber sei »kein Sozialticket, sondern nur eine Mogelpackung«, sagt Joithe.

»Wie schnell ein sozial ausgrenzender Regierungsstil abfärben kann«, kommentiert der ehemalige Erwerbslose. Selbst bis zum Einzug ins Parlament ein »Hartz-IV-Geschädigter«, rechnet Joithe nun vor, … [[daß „eine CC-Karte mit zeitlicher Nutzungsbeschränkung für den Großbereich Hamburg“, mit diesem Preisnachlass, dann immer noch 28,50 Euro im Monat koste. Ohne zeitliche Beschränkung würde sich nach einem solchen Preiserlass sogar ein Fahrpreis von 67 Euro im Monat ergeben. [Anm. Verfasser: Dieser wichtige Satz wurde bei der Veröffentlichung in der jW leider weggekürzt. So ergibt sich aber durch den folgenden Teilsatz dann ein falsches Bild. Ich entschuldige mich dafür ausdrücklich bei Herrn Joithe!]] … daß eine Monatskarte mit diesem Preisnachlaß für den Großbereich Hamburg 67 Euro kosten würde. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm versprochen, daß es mit ihnen »ein echtes Sozialticket zum Abgabepreis von 20 Euro« geben werde.

»Leistungsberechtigten« stünden im Hartz-IV-Satz aber lediglich 15 Euro für Aufwendungen im Öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung. Alles was darüber hinausgehe, müssen sie sich »buchstäblich vom Munde absparen«, so Joithe. Die von den Koalitionären ausgehandelte Regelung sei deshalb auch nur ein »Mogelticket«. Es sei wie eine »regierungspolitische Aufforderung zum Schwarzfahren«. Er sieht seine Befürchtungen, daß wer die Grünen wählt, sich anschließend schwarz ärgert, bestätigt. »Außer einem Darlehen für Bestattungen fällt dieser Koalition kaum etwas ein«, fügt er verärgert hinzu.

Ver.di-Landesbezirksleiter Wolfgang Rose sieht das ähnlich: »Ich vermisse Antworten, die der Dimension der sozialen Spaltung und der Abstiegsangst vieler Menschen gerecht werden.« Da die Sozialkürzungen des ehemaligen CDU-Senats kaum korrigiert würden, sieht er den wörtlichen Hinweis im Vertrag, daß es in Hamburg – »wie in jeder Stadt« – sowohl reiche wie arme Menschen geben würde, als eine sozialpolitische »Bankrotterklärung« des neuen Senats, noch bevor dieser sein Amt antritt. Für »Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Erwerbslose, Auszubildende, Studierende, Seniorinnen und Senioren« finde sich dort nichts. Keine Abkehr von Ein-Euro-Jobs und Leiharbeit, kein Ausbau der Mitbestimmung, keine Ausbildungsumlage für Jugendliche und auch kein Mindestlohn, so der Gewerkschafter. Damit aber präsentiere sich Schwarz-Grün als eine »Koalition der Besserverdienenden«, so Rose gegenüber junge Welt.

Verwendung: Junge Welt vom 22. April 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



15. April 2008

NPD und »Freie Kameradschaften« wollen am 1. Mai durch Hamburg-Barmbek marschieren. Dort findet sonst die traditionelle Gewerkschaftsdemo statt

Kein Fußbreit den Faschisten!« – Diese antifaschistische Formel nimmt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Hamburg offenbar nicht sehr ernst. 75 Jahre nachdem die Gewerkschaftshäuser durch die Nazis okkupiert und die Arbeiterorganisationen zerschlagen wurden, hat dieser seine traditionelle 1. Mai-Kundgebung von Barmbek nach St. Pauli verlegt. Sie gibt damit den Stadtteil für Neofaschisten frei. Wo sonst die Gewerkschaften demonstrieren, haben »Freie Nationalisten« und Anhänger der neofaschistischen NPD bereits im vergangenen Jahr einen eigenen Aufmarsch unter dem Motto »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen« angemeldet. »Wer zuerst anmeldet, hat das Zugriffsrecht«, meint DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Fern ab des Geschehens soll es nun nach der verlegten Gewerkschaftskundgebung ein »Kulturfest gegen rechts« geben, fügt er hinzu.

Ergreifen die Gewerkschaften die Flucht vor den Neofaschisten? Für das Netzwerk der Hamburger Gewerkschaftslinken wäre dies ein Skandal. In einem offenen Brief an den Vorstand des DGB wird dessen Entscheidung massiv kritisiert. Die Mitglieder und die Basis seien daran nicht beteiligt worden. Erinnert wird zudem, daß erst vor fünf Jahren eine Tafel für die Erinnerung an die Ereignisse vom 1. und 2. Mai 1933 am Gewerkschaftshaus angebracht worden sei. »Und jetzt, bei der ersten Provokation der Nachfahren jener Nazibanden durch ihre Okkupation unseres Kundgebungsplatzes sollen wir zurückweichen?« Mit »ehrendem Gedenken an die vor 75 Jahren in die Gefängnisse geprügelten Gewerkschafter«, habe dies nichts zu tun, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Brief.

Den Nazis nicht weichen, will indes das Hamburger Bündnis gegen rechts. »Wir wünschen uns, daß sich am 1. Mai so viele Menschen wie möglich den Nazis in Barmbek entgegenstellen«, heißt es im eigenen Aufruf für einen »antifaschistischen 1. Mai«. Daß die Nazis am Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse durch Hamburg marschieren und dabei gewerkschaftliche Kundgebungsplätze in Anspruch nehmen wollen, betrachtet Bündnissprecher Wolfram Siede als »eine gezielte Provokation«, der nun mit aller Kraft entgegengetreten werden müsse. Unterstützt wird dies auch von der Gewerkschaftsjugend. »Der 1. Mai ist unser Tag«, so DGB-Jugendsprecher Olaf Schwede gegenüber junge Welt. Deshalb werde seine Organisation am 1. Mai auch nicht durch St. Pauli, sondern durch Barmbek demonstrieren.

Die Entscheidung für die geänderte Demoroute am 1. Mai hatte der Vorstand des DGB auch mit der Sorge begründet, daß es im Verlauf einer Kundgebung in der Nähe eines Neonaziaufmarsches zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen könnte. Wenn die Mehrheit der Gewerkschafter mit dieser Begründung fernbleibt, läuft das darauf hinaus, daß die dennoch in Barmbek Demonstrierenden den Polizeimaßnahmen »schutzlos ausgeliefert sind«, kritisiert das Netzwerk der Gewerkschaftslinken. Entsolidarisierung sei im Widerstand gegen Neonazis das »falsche Signal«. Gefordert wird deshalb nun, daß der DGB, neben der bereits angemeldeten Kundgebung für St. Pauli, auch eine zweite und vom ihm getragene Antifa-Veranstaltung für Barmbek anmeldet.

Wie notwendig das wäre, zeigt das Triumphgeheul bei der NPD. Den DGB verhöhnend, spricht ihr Landeschef Jürgen Rieger bereits von einem »klägliche Rückzug« der Gewerkschaften. Da damit auch die Linke zerstritten sei, rechnet er selbst nur mit »Kleingruppen«, die den Aufmarsch behindern könnten. Rieger fordert die Anhänger seiner Partei auf, am 1. Mai in Hamburg ein Zeichen für die gewachsene Stärke des »nationalen Sozialismus« zu setzen. Er selbst rechnet mit 500 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet.

Nähere Infos: http://keine-stimme-den-nazis.org

Verwendung: Junge Welt vom 15. April 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



14. März 2008

Athanasios Drougias Zahlreiche Ärzte kommunaler Kliniken folgten am Donnerstag einem Aufruf des Marburger Bunds zu Warnstreiks. Gespräch mit Athanasios Drougias

Athanasios Drougias ist Leiter der Verbandskommunikation der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und Pressesprecher des Bundesvorstands

Einem Aufruf Ihrer Organisation folgend haben sich am gestrigen Donnerstag zahlreiche Ärzte aus kommunalen Kliniken an Arbeitskampfaktionen beteiligt. Worum ging es bei diesen Warnstreiks?

Hintergrund sind die ins Stocken geratenen Tarifverhandlungen zwischen uns und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA). Die Arbeitgeber haben in den bisherigen drei Verhandlungsrunden kein Tarifangebot für die rund 55000 Ärzte an den 700 kommunalen Kliniken vorgelegt. Das aber führt unter den Medizinern zu erheblichem Unmut. Und dem haben sie Ausdruck verliehen – vor allem in Baden-Württemberg, Hessen und Nord­rhein-Westfalen. Die Warnstreiks sind ein Schuß vor den Bug der Arbeitgeber.

Wie war die Resonanz unter den Ärzten?

Noch besser als wir es erwartet hatten. Denn wir hatten für diesen ersten Streiktag gar nicht so groß getrommelt, auch um steigerungsfähig zu bleiben. Doch allein bei unserer zentralen Aktion in Wiesbaden waren über 1000 Ärzte an den Protesten beteiligt. Bundesweit waren es mehrere tausend Ärztinnen und Ärzte.

Was fordern Sie konkret?

Wir wollen eine deutliche Erhöhung der Grundvergütung für die Ärzte, denn die liegt im internationalen Vergleich weit unter dem, was üblich ist. Für die Kommunalkliniken fordern wir eine Erhöhung der Gehälter um durchschnittlich 10,2 Prozent. Außerdem verlangen wir die umgehende Anpassung der Ostgehälter an das Westniveau. Es gibt ja immer noch diesen unsäglichen Ostabschlag. Er führt dazu, daß die dort Beschäftigten drei Prozent weniger verdienen als die im Westen.

Wie begründet die Gegenseite, daß sie bisher kein Angebot vorgelegt hat?

Mit dem Hinweis, daß kein Geld da sei. Für mich ist das Verhandlungstaktik, denn schon in der zweiten Tarifrunde wurde angedeutet, daß unsere Forderungen durchaus finanzierbar sind. Außerdem gilt: Was wir jetzt für die Ärzte in den Kommunalkliniken fordern, das wird in den Universitätskliniken und in den berufsgenossenschaftlichen Kliniken längst gezahlt.

In vielen Krankenhäusern sind Arztstellen nicht besetzt. Wie wollen Sie darauf Einfluß nehmen?

Daß etliche Stellen nicht besetzt sind, hängt eben auch damit zusammen, daß die Gehälter so schlecht sind. Es flüchten immer mehr Ärzte ins Ausland, was wiederum Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen des verbleibenden Personals hat. Hinzu kommt, daß etliche Kliniken Probleme damit haben, eine angemessene Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Mit ihrem Sparkurs schneiden sich die Klinikbetreiber ins eigene Fleisch.

In der vergangenen Woche hatte auch ver.di Beschäftigte aus den Kommunalkliniken zu Warnstreiks aufgerufen. Warum gibt es keine bessere Koordination zwischen den Gewerkschaften?

Die Tarifverhandlungen werden getrennt geführt, weil wir ganz unterschiedliche Berufsgruppen vertreten. Wir vertreten die Ärzte, ver.di das übrige Klinikpersonal. Doch es gibt auch inhaltliche Unterschiede: Uns geht es nur um die Entgelttabelle, also um die Gehälter. Bei ver.di geht es auch um den kompletten Mantel, also auch um Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen. Letzteres könnten wir gar nicht neu verhandeln, weil wir da schon einen gültigen Tarifvertrag haben. Ob künftig eine bessere Synchronisation möglich ist, müssen wir sehen.

Ver.di argumentiert, daß bei der gegebenen Form der Krankenhausfinanzierung das Geld, das die Ärzte zuviel erhalten, beim übrigen Personal fehlt. Solidarische Gewerkschaftspolitik sehe anders aus.

Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen. Es ist noch keine zwei Jahre her, daß wir das erste Mal einen eigenen Tarifvertrag durchgesetzt haben. Auch damals hat uns ver.di kritisiert. Nur was kam heraus? Weil es uns gelang, einen guten Tarifvertrag für die Ärzte durchzusetzen, konnte dann auch ver.di die Forderung erheben, die Gehälter in den Pflegeberufen anzupassen. Da gab es dann 35 Euro im Monat mehr für jede Pflegekraft.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir müssen mal sehen, was die Arbeitgeber uns jetzt anbieten. Wenn sie allerdings meinen, gegen uns weiterhin taktieren zu können, uns weiter hinzuhalten, dann kann dieser Tarifkonflikt schnell eskalieren.

Verwendung: Junge Welt vom 14. März 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



04. März 2008

Streikkundgebung in Hamburg 4. März 2008In vielen Teilen Deutschlands begann am Dienstag eine zweitägige Warnstreikwelle im öffentlichen Dienst.

In Hannover legten bereits morgens um 3 Uhr früh hunderte Bus- und Bahnfahrer ihre Arbeit bis sieben Uhr nieder. Ganztägig gestreikt wurde in den Nahverkehrsbetrieben von Braunschweig und Göttingen, in 35 Krankenhäusern, zahlreichen Stadtwerken, Müllabfuhren und Kommunalverwaltungen Niedersachsens und Bremens. Ver.di gab an, dass sich allein an diesen Aktionen rund 20.000 Beschäftigte beteiligten. Sie versammelten sich gegen Mittag zu einer Streikkundgebung in Hannover.

Arbeitskampfaktionen gab es zudem in 26 Städten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Hier beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben rund 6.700 Beschäftigte. In Schleswig-Holstein zählte die Gewerkschaft 4.000 Streikende. Hier legten die Busfahrer der Kieler Verkehrsgesellschaft KVG bereits früh um 4 Uhr ihre Arbeit nieder. Streikkundgebungen folgten im Laufe des Vormittags in Kiel, Lübeck, Neumünster und Flensburg. In Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich an den Warnstreiks etwa 1.000 Mitarbeiter, in Brandenburg und in Berlin waren es über 10.000.

Eindrucksvoll auch die Streikkundgebung auf dem Hamburger Gänsemarkt mit etwa 4.000 Teilnehmern. Gekommen waren Beschäftigte aus zahlreichen Einrichtungen der Stadt, aus den Kindertagesstätten, aber auch aus den hier ansässigen Bundesbehörden. Vor diesen kündigte ver.di-Bundesvorsitzender Frank Bsirske eine Ausweitung der Streikwelle für Mittwoch auch auf West- und Süddeutschland an. Indirekt bestätigte der Gewerkschaftschef verschiedene Meldungen, wonach am Mittwoch auch auf Flughäfen gestreikt wird.

Streikkundgebung in Hamburg 4. März 2008Heftig machte Bsirske auf der Kundgebung in Hamburg auch seinen Unmut über die stockenden Tarifverhandlungen für die etwa 1,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen Luft. »Wenn es am Ende dieser Woche bei den Verhandlungen mit den Arbeitgebern kein akzeptables Angebot gibt, dann ist das Ende unserer Geduld erreicht und dann wird auch dauerhaft gestreikt«, so der Gewerkschaftschef. Mit Blick auf die fünfte Verhandlungsrunde, die am Donnerstag im Potsdam beginnt, warf Bsirske den Arbeitgebern Verzögerungstaktik vor. »Diese wollen sich doch nur in die Schlichtung flüchten«, rief Bsirske. Doch das Angebot der Arbeitgeberseite – diese hatte Gehaltserhöhungen von 4 Prozent für zwei Jahre, gleichzeitig aber auch eine Anhebung der Arbeitszeiten auf 40 Stunden in der Woche angeboten – seien für seine Gewerkschaft keine Verhandlungsgrundlage. Dieses liefe doch nur darauf hinaus, dass sich der »Reallohnverlust der letzten Jahre« verstetige, so Bsirske. »Die haben wohl nicht mehr alle«, rief der Gewerkschaftschef empört und kündigte an, dass seine Gewerkschaft Arbeitszeitverlängerungen keineswegs akzeptieren werde.

Streikkundgebung in Hamburg 4. März 2008Wie berichtet fordert ver.di für die Beschäftigte im Bund und in den Kommunen acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro im Monat zusätzlich. Eine Forderung die in Hamburg auch der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, offensiv verteidigte. Wenn die Arbeitgeberseite demgegenüber zunehmend auf so genannte »leistungsgerechte« Lohnkomponenten setze, dabei gleichzeitig aber den Nominallohn effektiv kürze, dann verdiene dies nur Widerstand. »Leistungsgerecht« sollten demgegenüber die Politiker bezahlt werden, forderte Wendt. Doch dann hätten sie nicht mal das Geld »um sich die Butter für ihr Brot zu kaufen«, lästerte der Polizeigewerkschafter. Die Stimmung unter den Streikenden brachte er damit aber auf den Punkt.

(Hamburg 04. März 2008, 12:30 Uhr)

Anmerkung:

Dieser Text wurde für die Ausgabe der Jungen Welt vom 05. März 2008 zugearbeitet. Allerdings ergab sich dann am Nachmittag durch weitere Streikankündigungen – so zum Beispiel für die Berliner BVG, für die Flughäfen und für die Lokomotivführer – eine neue Nachrichtenlage. Sie führte dazu, dass von den hier wiedergegebenen Informationen nur ein kleinerer Teil verwandt werden konnte. Siehe hierzu den zusammenfassenden Beitrag Alle Räder stehen still meines jW-Kollegen Peter Wolter.

Verwendung als Zuarbeit für: Junge Welt vom 05. März 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



1 Kommentar

04. März 2008

Luftverkehr ohne FeuerwehrHeute neue Warnstreikwelle im öffentlichen Dienst. Laut Pressebericht erwägt Gewerkschaft, Flugbetrieb weitgehend lahmzulegen

Nachdem die »Arbeitgeber« im Tarifstreit mit den rund 2,1 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen vergangene Woche in der vierten Verhandlungsrunde abermals kein verbessertes Angebot vorgelegt haben, sondern mit ihrer Forderung nach Erhöhung der wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden noch Öl ins Feuer gossen, ruft die Gewerkschaft ver.di für den heutigen Dienstag zu Warnstreiks auf. Schwerpunkt sind Hamburg und Niedersachsen. Auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin sind Aktionen geplant.

Mit etwa 3500 Teilnehmern rechnet ver.di-Pressesprecherin Sabine Bauer in Hamburg. Dort hat die Gewerkschaft zu zeitlich befristeten Arbeitsniederlegungen in der Stadtreinigung, in Krankenhäusern und Kindertagesstätten, aber auch in etlichen Bundesbehörden schon ab sechs Uhr morgens aufgerufen. Von acht bis zehn Uhr ist eine Kundgebung auf dem Gänsemarkt geplant. Neben dem ver.di-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske sollen dort auch die Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie des Deutschen Beamtenbundes sprechen.

In Hannover hatte ver.di schon für drei Uhr früh zu Warnstreiks aufgerufen, u. a. beim Nahverkehrsbetrieb üstra. Mit Rücksicht auf den Beginn der CeBIT war geplant, die Arbeitsniederlegung allerdings um sieben Uhr wieder zu unterbrechen. Diese Rücksichtnahme verbindet ver.di-Landesbezirksleiter Siegfried Sauer mit der Erwartung, daß sich der Kommunale Arbeitgeberverband von der Forderung nach einer Verlängerung der Arbeitszeit verabschiedet. »Wir hoffen, daß Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil und auch der Regionspräsident Hauke Jagau dieses Zeichen verstehen«, so Sauer in einer Pressemitteilung.

In Berlin liegt der Schwerpunkt der Arbeitskampfaktionen bei den teilprivatisierten Wasserbetrieben (BWB) sowie in der Stadtreinigung. Mit Betriebsbeginn um acht Uhr sollen sich alle Streikenden vor der BWB-Unternehmenszentrale in der Nähe des Alexanderplatzes versammeln. Dort beginnt um neun Uhr eine Demonstration, die vom Roten Rathaus über die Spandauer Straße bis zum Molkenmarkt führt. Unterstützt wird diese Aktion durch Beschäftigte aus den Senatsverwaltungen, der Arbeitsagentur und von der Rentenversicherung. So will die Gewerkschaft auf die parallel mit dem Berliner Senat stattfindenden Tarifverhandlungen hinweisen. Ebenfalls bestreikt werden die Wasser- und Schiffahrtsämter von Berlin und Brandenburg. Bis 13 Uhr sollen sämtliche Schleusenanlagen in Berlin und Brandenburg betroffen sein.

Weder dementiert noch bestätigt wurde von ver.di ein Bericht der Neuen Presse in Hannover, wonach die Gewerkschaft plant, fast alle deutschen Flughäfen in der Hauptverkehrszeit lahmzulegen. Nicht betroffen wären demnach lediglich Flughäfen mit Haustarifverträgen, also Dresden, Leipzig und Bremen. Falls angestellte Bundespolizisten streikten, könnte wegen der fehlenden Sicherheitskontrolle niemand mehr an Bord, schrieb das Blatt. Sollten die Feuerwehren einbezogen werden, müßte der gesamte Flugbetrieb ruhen. Möglicherweise müsse sogar der Luftraum über Deutschland aus Sicherheitsgründen gesperrt werden, hieß es.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kündigte indes an, daß es auch in der fünften, am Donnerstag beginnenden Verhandlungsrunde keine Angebotsnachbesserungen geben wird. Die bisherige Offerte sieht Einkommenssteigerungen von vier Prozent über zwei Jahre, eine Ausweitung der leistungsbezogenen Bezahlung sowie eine unbezahlte Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden vor. Demgegenüber fordert ver.di eine lineare Einkommenserhöhung von acht Prozent, mindestens jedoch 200 Euro pro Beschäftigten.

Verwendung: Junge Welt vom 04. März 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



28. Februar 2008

HD WiechersSchleswig-Holstein: Warnstreiks in Kitas. AWO-Beschäftigte wollen 9,4 Prozent mehr Lohn. Ein Gespräch mit Hans Dieter Wiechers

Hans Dieter Wiechers ist Betriebsrat bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Unterelbe und Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission der Gewerkschaft ver.di für die AWO Schleswig-Holstein gGmbH

Für den heutigen Donnerstag hat die Gewerkschaft ver.di zahlreiche Beschäftigte aus den Kindertagesstätten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Schleswig-Holstein zu einem Warnstreik aufgerufen. Demnach soll die Arbeit ganztägig in jeweils einer Kita pro Landkreis niedergelegt werden. Worum geht es?

Da der alte Tarifvertrag für unseren Bereich schon im letzten Jahr ausgelaufen ist, wollen wir den Druck dafür erhöhen, daß es einen neuen und einheitlichen Tarifvertrag für alle 3500 AWO-Beschäftigten in Schleswig-Holstein gibt. Neben denen in Kindertagesstätten geht es um die Beschäftigten in etlichen Beratungsstellen, zahlreichen Pflege- und Jugendhilfeeinrichtungen, aber auch um die bei betreuten Wohngruppen sowie weiteren sozialen Dienstleistungsangeboten.

Was fordern Sie konkret?

Gehaltserhöhungen um 9,4 Prozent, eine Einmalzahlung für alle Beschäftigten von 500 Euro, einen jährlichen Sonderbonus für Gewerkschaftsmitglieder von 200 Euro, die Erhöhung des Urlaubsanspruchs auf generell 30 Werktage und ein Jahressondergeld, also Weihnachtsgeld, das künftig bei 90 und nicht, wie im letzten Tarifvertrag geregelt, nur bei 81 Prozent des monatlichen Bruttolohns liegt. Außerdem fordern wir die Übernahme des Manteltarifvertrags aus dem öffentlichen Dienst und die Aufgabe zeitlich befristeter Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund.

Warum fordern Sie 9,4 Prozent, während im öffentlichen Dienst nur acht Prozent gefordert werden?

Unsere Forderung von 9,4 Prozent orientiert sich an der Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten vom vergangenen Jahr. Die Politiker begründeten dies damit, daß sich die Diäten seit 2003 nicht mehr erhöht haben. Das aber gilt auch für die Löhne der AWO-Beschäftigten. Wir sagen, daß unsere Arbeit genausoviel wert ist wie die der Politiker. Die sind es ja auch, die letztlich darüber entscheiden, wieviel Geld in sozialen Einrichtungen oder in den Kindertagesstätten zur Verfügung steht.

Wie haben die AWO-Vertreter auf Ihre Forderungen reagiert?

In den bisherigen Verhandlungen sind sie darauf gar nicht eingegangen. Statt dessen verlangen sie, daß sich die wöchentliche Arbeitszeit von jetzt 38,5 auf 40 Stunden erhöht, daß sich unser Urlaubsanspruch und die Jahressonderzahlung reduzieren, daß die Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung drastisch gekürzt werden. Für uns ist das eine reine Provokation, denn zusammengerechnet würden sich damit unsere Löhne effektiv um etwa zehn Prozent reduzieren.

Bei Neubeschäftigten ist die Geschäftsführung bereits dazu übergegangen, die 40 Wochenstunden einzuführen und den Lohn um weitere zehn Prozent zu kürzen. Bei Bruttolöhnen von etwa 1200 Euro für Kita-Kollegen mit zeitlich befristetem Vertrag bzw. 1600 Euro für eine Festangestellte ist das für uns nicht hinnehmbar.

Die AWO-Geschäftsführung hat in den Verhandlungen eingewandt, daß bei Erfüllung der Gewerkschaftsforderungen für das Unternehmen Insolvenz angemeldet werden müßte.

Das ist eine reine Schutzbehauptung, denn gleichzeitig weigert sich die Geschäftsführung beharrlich, dem Betriebsrat konkrete Zahlen zur wirtschaftlichen Lage unseres Unternehmens vorzulegen. Wir sind ein Tendenzbetrieb, wird gesagt. Doch auch in einem Tendenzbetrieb könnte die Geschäftsführung einen Wirtschaftsausschuß einrichten und uns dort dann das Zahlenmaterial zur Verfügung stellen.

Warum fordern Sie einen Sonderbonus für Gewerkschaftsmitglieder?

Die Mitglieder der Gewerkschaft sind die tragende Kraft in jedem Tarifkampf. Nur sie sind an Arbeitsniederlegungen beteiligt, nur sie tragen durch ihre Beiträge die Kosten eines solchen Arbeitskampfes. Ein Sonderbonus in der von uns geforderten Höhe ist deshalb mehr als gerechtfertigt.

Wie ist die Stimmung unter Ihren Kollegen? Wie geht es nach dem heutigen Streiktag weiter?

Die Stimmung ist ausgezeichnet. Heute streiken wir ja nur in ausgewählten Kitas. Doch nun fragen uns etliche Kolleginnen und Kollegen auch aus anderen Kitas und von den weiteren Einrichtungen, warum sie nicht mitstreiken dürfen. Bleibt die Arbeitgeberseite in den Verhandlungen so stur wie bisher, dann werden wir ihrem Wunsch sicherlich schon bald nachkommen.

Verwendung: Junge Welt vom 28. Februar 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



1 Kommentar

22. Februar 2008

Unter dem Motto »Für ein sozial gerechtes Hamburg – Keine Fortsetzung der CDU Regierung« haben Anfang dieser Woche rund 120 Hamburger Gewerkschaftsfunktionäre zur Wahl der Linkspartei bei den Bürgerschaftswahlen aufgerufen. In dem Aufruf heißt es:

Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter rufen auf, bei der Bürgerschaftswahl 2008 die Partei Die Linke zu wählen.

Sieben Jahre von Beust – mit und ohne Schill – müssen wir teuer bezahlen: Kitagebühren, Büchergeld an Schulen, Studiengebühren, Wegfall des HVV-Sozialtickets und höhere Eintrittspreise bei Schwimmbädern sind nur einige Beispiele. Wir haben nicht vergessen, daß gegen den Willen der Hamburger Krankenhäuser privatisiert wurden, daß die HEW verkauft, soziale Einrichtungen hemmungslos dichtgemacht, Kinder und Jugendliche verwahrlosen, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst verlängert, Arbeitsplätze vernichtet und Mitbestimmungsrechte abgebaut wurden. (…) Die Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel wurden ohne Rücksicht auf die Beschäftigten und ihre Familien fast ins Uferlose verlängert. (…)

Es geht auch anders. Zusätzliche sozialversicherungspflichtige, tariflich bezahlte Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Mindestlöhne in allen Bereichen sind angesichts des Wirtschaftsaufschwungs und der (Milliarden)Gewinne der Unternehmen möglich. Ein Stopp und eine Rücknahme der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Daseinsvorsorge der Hamburger. Mit Klimaschutz können Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine demokratische Arbeitswelt braucht und verträgt volle Arbeitnehmerrechte. (…)

Viele der Kandidatinnen und Kandidaten der Linken sind Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Sie setzen sich engagiert für diese Ziele ein. (…) Nur mit der Partei Die Linke ist ein politischer Wechsel möglich. (…)

[Dieser Beitrag ist Teil einer Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 22. Februar 2008. Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag Bürgerschaft mit links und das Interview meiner jW-Kollegin Claudia Wangerin mit Olaf Harms »›Panorama‹ hat in Hamburg nicht gewirkt«. Die gesamte gestaltete Seite können Sie sich hier auch als PDF-Datei downloaden.]

Verwendung: Junge Welt vom 22. Februar 2008



14. Februar 2008

»Gleiche Arbeit – gleiches Geld« – IG Metall will keine Zweiklassengesellschaft in Betrieben

Unter dem Motto »Gleiche Arbeit – gleiches Geld« hat die IG Metall Küste am Mittwoch in Hamburg eine Leiharbeitskampagne gestartet. Ziel der Aktion sei es, die betriebliche Gleichstellung von Leiharbeitern mit den Beschäftigten der Stammbelegschaften zu erreichen, betonte IG-Metall-Pressesprecher Daniel Friedrich gegenüber junge Welt. In bis zu 25 Betrieben in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sollen in diesem Sinne bis Ende des Jahres Regelungen zur Leiharbeit zwischen den Betriebsräten und den Unternehmensführungen vereinbart werden.

Darüber hinaus will die Gewerkschaft das Thema im Zusammenhang mit Abweichungen vom Tarifvertrag auch in der Öffentlichkeit thematisieren.

»Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft in den Betrieben«, so Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IG Metall Küste, auf einer Beratung von 120 Betriebsräten ihres Bezirks am Mittwoch in Hamburg. Sie betonte, daß Leiharbeit nicht zu Dumpinglöhnen führen dürfe. Es gehe um die Verwirklichung des Grundsatzes »Gleiches Geld für gleiche Arbeit« und zunächst darum, bessere und fairere Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter zu erstreiten. Ein Schwerpunkt der Kampagne liege bei Betrieben im Schiffbau. »Wir werden alles dafür tun, daß die Menschen zu vernünftigen Bedingungen ihre Arbeit machen können«, so Blankau vor den Betriebsräten.

Für den 2. Vorsitzenden der Gewerkschaft, Detlef Wetzel, ist der Einsatz von Leiharbeitern vor allem mit der »Verdrängung regulärer Beschäftigung« verbunden. Das sei aber nicht nur ein Problem der Beschäftigten, sondern auch der Unternehmen. Ein zu hoher Anteil von Leiharbeitern bringe Verluste bei der Qualität und der Prozeßsicherheit. »Die Unternehmen überziehen«, rief Wetzel vor den Betriebsräten aus. Die Schraube müsse nun dringend zurückgedreht werden. Er forderte, daß Leiharbeit wieder zu ihrem Ursprung zurückgeführt werden müsse, also als Flexibilitätsreserve zu nutzen sei. Bei der Zusammenkunft kündigte Wetzel an, das Thema auch bundesweit voranzutreiben. Neben den Aktivitäten im Betrieb müsse auf politischer Ebene gehandelt werden. Als einen ersten Schritt begrüßte Wetzel die vom Bundesarbeitsminister geplante Einführung eines Mindestlohns für die Leiharbeitsbranche durch die Aufnahme in das Entsendegesetz. Der betreffende Tarifvertrag schreibt Stundenlöhne von mindestens 7,31 Euro im Westen bzw. 6,36 Euro im Osten vor. »Ungeschützte prekäre Arbeit kann kein Leitbild für die Gesellschaft sein«, so der Gewerkschafter. Deshalb müsse die Politik mehr Verantwortung übernehmen und wirksame gesetzliche Grundlagen schaffen.

Verwendung: Junge Welt vom 14.02.2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



11. Februar 2008

Betonköpfe sind immer die anderen: Gregor Gysi gibt acht, daß sein Feindbild von der DKP nicht entweichtHamburg: Konferenz der Linkspartei zur Gewerkschaftspolitik geriet zur Wahlkampfveranstaltung

Etwa 200 Menschen waren am Samstag zu einer norddeutschen Regionalkonferenz der Arbeitsgemeinschaft »Betrieb & Gewerkschaft« der Partei Die Linke gekommen. Strategien zur Eindämmung der Leiharbeit, gegen Lohndumping und für die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte standen auf dem Programm. Doch 14 Tage vor den Bürgerschaftswahlen in Hamburg spielten die Inhalte dann doch eher eine Nebenrolle. Mittelpunkt der Konferenz war Gregor Gysi, der den anwesenden Gewerkschaftern der IG Metall, von ver.di und GEW prophezeite, seine Partei werde nach dem 24.Februar mit einem »Top-Ergebnis« in das Rathaus einziehen.

Entsprechend mediengerecht war schon der Tagungsauftakt im Bürgerhaus des Arbeiterstadtteils Wilhelmsburg gestaltet: Der frischgebackene niedersächsische Landtagsabgeordnete Manfred Sohn überreichte seinen Hamburger Genossen einen Staffelstab, in den die 5,1- und die 7,1-Prozentmarken, die Wahlergebnisse der Partei in Hessen und Niedersachsen symbolisierend, eingeritzt waren. Nur darüber, also im zweistelligen Bereich, sei nun auf dem Holz noch Platz, erklärte Sohn. Die Szene wurde von den Medienvertretern allerdings kaum wahrgenommen, denn die Kameraaugen richteten sich zum nämlichen Zeitpunkt auf eine Pressekonferenz mit Gysi.

Der bereitete die Öffentlichkeit darauf vor, daß seine Partei nach dem erwarteten glänzenden Hamburger Wahlergebnis die Festung Bayern stürmen werde. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag verwies darauf, daß Exkanzler Gerhard Schröder (SPD) der Vater der aktuellen Erfolge der Partei Die Linke ist. Er habe mit seiner »neoliberalen Politik« die Gründung der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) geradezu herausgefordert, die maßgeblich für den Aufstieg der aus der Fusion mit der PDS-Nachfolgerin Linkspartei hervorgegangenen Partei Die Linke auch im Westen war.

Im Verlauf der Beratung empörte Gysi sich, daß die reiche Bundesrepublik in punkto Lohnhöhe nur auf Platz elf der 15 Kernländer der Europäischen Union steht. Sieglinde Friess, ver.di-Fachbereichsleiterin für den öffentlichen Dienst in Hamburg, forderte Die Linke zur Solidarität mit den Beschäftigten bei Bund und Kommunen in den bevorstehenden Tarifkämpfen auf, kündigte aber auch an, sie werde die Linke im Wahlkampf unterstützen. Sie hoffe dabei, daß die Hamburger Linke »ganz anders« sei als die in Berlin. Friess erhielt dafür den stärksten Beifall des Tages. Gysi erklärte dazu sehr allgemein, die mitregierenden Berliner Genossen hätten zwar »am Anfang sehr viel falsch gemacht«, doch inzwischen laufe auch »vieles richtig«.

Während der Pressekonferenz hatte Gysi erneut bewiesen, daß für ihn jede Solidarität aufhört, wenn es um Kandidaturen von DKP-Mitgliedern auf Linkspartei-Ticket geht. Auf die Frage eines Journalisten, warum wie zuvor in Niedersachsen nun auch in Hamburg DKP-Genossen auf den Wahllisten der Linken zu finden seien, erklärte er, es gebe »unüberbrückbare Gegensätze« zwischen seiner Partei und der DKP, bat aber süffisant um Verständnis für die Westlinke: Die sei in der Alt-BRD stets erfolglos gewesen und hätte folglich froh sein müssen, wenigstens über eine »marxistisch-leninistische Sekte« zu verfügen. Ein klares Feindbild ersetzt beim Linke-Frontmann offenbar weiterhin jede Kenntnis der Lage vor Ort. Auf Begeisterung dürfte er damit bei den Hamburger Genossen nicht stoßen.

Verwendung: Junge Welt vom 11. Februar 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



2 Kommentare

11. Februar 2008

Gewerkschaftspolitische Konferenz der LINKEN vor Hamburg-Wahl

»Schluss mit Sozial- und Lohndumping« – unter diesem Motto stand in Hamburg eine am Samstag stattgefundene gewerkschaftspolitische Regionalkonferenz der Partei DIE LINKE mit etwa 200 Teilnehmern aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg.

Der Erörterung politischer Strategien gegen Leiharbeit und Dumpinglöhne und dem Bemühen dienend, bot das Treffen 14 Tage vor den Wahlen in Hamburg vor allem eine Menge Stoff für den Wahlkampf. Aufgeboten hatte die LINKE dafür ihren Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi. Der kündigte vor den Gewerkschaftern aus IG Metall, GEW und ver.di, bereits an, dass seine Partei am 24. Februar mit einem »Top-Ergebnis« in das Hamburger Rathaus einziehen würde. »Als drittstärkste Kraft« mit einem Wahlergebnis von »10 Prozent + x«, so hatte indes Dora Heyenn, Spitzenkandidatin der Hamburger LINKEN, bereits einige Tage zuvor vorgegeben. Wenn aber heute im Westen ernsthaft über solche Ergebnisse diskutiert werde, dann zeige dies, dass sich die »alte Bundesrepublik« gravierend verändert habe, so Gysi vor der Presse. Nie habe er selbst geglaubt, dass sich eine »solche Akzeptanz« für eine Partei links der SPD und den Grünen so schnell ergebe. Er betonte auf einer Pressekonferenz, dass die »alte PDS«, diese Stimmungen der von der Politik der SPD enttäuschten Wähler ohne WASG und ohne Oskar Lafontaine »niemals« hätte auffangen können.

Scharf attackierte der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag dann im Saal auch die Politik der gegenwärtigen Bundesregierung. Sie trage heute dazu bei, dass sich der Reichtum auf der einen Seite immer stärker mit der Armut vieler anderer verbinde. Es sei eine Schande, dass die »reiche Bundesrepublik« gemessen an der Höhe ihrer Löhne heute erst auf Platz 11 von 15 Kernländern der Europäischen Union stehe. Dann empfahl Gysi seinen Hamburger Parteifreunden, in den verbleibenden Wahlkampfwochen verstärkt auf Bildungspolitik und die »Verweigerung sozialer Chancengleichheit« durch die anderen Parteien als Thema zu setzen. CDU-Bürgermeister Ole von Beust und sein Herausforderer von der SPD, Michael Naumann, seien sich da so ähnlich, dass sie eine »kräftige linke Opposition« dringend benötigen würden.

Dass sich die LINKE für eine Gemeinschaftsschule bis Klasse 10 und den Ausbau von Kindertagesstätten stark mache, unmittelbar nach den Wahlen zudem einen Antrag auf Einführung einer »Ausbildungsplatzabgabe auf der Landesebene« in die Bürgerschaft einbringen werde, hatte Heyenn im Gespräch mit den Journalisten schon zuvor betont. Nach den Wahlen werde ihre Partei zudem beantragen, dass öffentliche Aufträge, sei es auf Landes- oder auf der Bezirksebene, nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge einhalten und einen Mindestlohn zahlen. Forderungen, die bei den Gewerkschaftern, unter ihnen etliche Parteilose, auf einen fruchtbaren Boden fielen.

Da SPD, CDU, Grüne und FDP die LINKE wie ein »Schmuddelkind« behandeln, habe sie sich dafür entschieden, für diese Partei öffentlich Position zu beziehen, sagte vor den Teilnehmenden der Konferenz die in Hamburg sehr beliebte Gewerkschaftsfunktionärin Siggi Friess. Sie ist Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft ver.di für den öffentlichen Dienst und kündigte für die letzte Wahlkampfwoche – und gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gewerkschaftern – einen Wahlaufruf für die LINKE an.

Verwendung: Neues Deutschland vom 11. Februar 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



08. Februar 2008

Die DKP Betriebsgruppe Hamburger Hafen und die DKP Wohngebietsgruppe Harburg / Wilhelmsburg laden Interessierte zu einer Politische Hafenrundfahrt zu gewerkschaftlichen und kommunalpolitischen Fragen ein. Im Zentrum stehen dabei die Probleme der Hafenentwicklung und der Stadtteilentwicklung in Wilhelmsburg.

Die Hafenrundfahrt findet statt am 15. März 2008

(mehr …)



08. Februar 2008

Bernhard Wieszczeczynski
Hamburg: Nie wurden so viele Container umgeschlagen. Dennoch rutschte der Hafen international auf Platz neun. Gespräch mit Bernhard Wieszczeczynski

Bernhard Wieszczeczynski ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb Hamburg

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, daß der Containerumschlag im Hamburger Hafen 2007 um 11,6 Prozent auf den Rekord von 9,9 Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen ist. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nutzt das, um erneut eine Fahrrinnenvertiefung der Elbe zu fordern. Die aber trifft bei Umweltverbänden wie bei den Anrainergemeinden auf heftigen Widerstand. Wie sehen Sie das?

Als Interessenvertreter der Hafenarbeiter – sei es als Betriebsrat oder als Mitglied des Fachgruppenvorstands von ver.di – ist mir zunächst wichtig, daß tariflich abgesicherte Arbeitsplätze im Hafen erhalten oder neu geschaffen werden. Natürlich muß die Anpassung mit den notwendigen Schutzmaßnahmen für die Anrainer begleitet werden. Dennoch brauchen wir die Vertiefung des Fahrwassers, weil Schiffe mit einer Ladekapazität bis 9000 TEU schon jetzt den Hafen nur bei Hochwasser anlaufen können. Zur ökologischen Frage: Die Unterelbe ist kein Naturschutzreservat, sondern seit Jahrzehnten eine industriell genutzte Wasserstraße. Mit oder ohne Fahrrinnenanpassung. Daß sie schiffbar bleibt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.

Mit der Vertiefung würde auch die Sturmflutgefahr zunehmen. Wer soll die zusätzlichen Milliarden für die Deichsicherung bezahlen? Die Hafenwirtschaft?

Das ist völlig richtig, daß die Hafenwirtschaft stärker zur Kasse gebeten werden sollte, sich an solchen Kosten zu beteiligen. Sie ist es ja auch, die die Gewinne einstreicht.

Kritik gibt es auch am Flächenverbrauch durch neue Kaianlagen. In Hongkong werden 24 Millionen TEU auf einem Bruchteil der Hamburger Fläche umgeschlagen. Was läuft in Hamburg schief?

Unser Hafen ist in seiner Struktur historisch gewachsen. Das kann man nicht mal eben umkrempeln oder mit Hongkong vergleichen. Der Boom hat auch die Hafenbetriebe überrollt. Mit den Baumaßnahmen am Burchardkai und am Eurogate sollen vorhandene Flächen besser genutzt werden. Auch das neue Terminal im mittleren Freihafen entsteht innerhalb des Hafens.

Im internationalen Vergleich ist Hamburg vom achten auf den neunten Platz der größten Seehäfen abgerutscht. Stößt der Hafen an Grenzen? Die Nordsee ist 120 Kilometer entfernt – Containerriesen der nächsten Generation mit bis zu 12000 TEU werden ihn nicht mehr anlaufen können.

Auf welchem Platz wir liegen, ist mir egal. Es würde ja auch keiner auf die Idee kommen, daß Deutschland zum Agrarstaat werden soll, nur weil China Exportweltmeister wird. Hamburg baut jedenfalls seine Führung als bedeutendster deutscher Seehafen aus.

Sie haben das Arbeitsplatzargument bemüht. Tatsächlich entstehen gegenwärtig ein paar hundert neue Jobs. Doch bei einer Gesamtbilanz der vom Hafen abhängigen Arbeitsplätze zeigt sich, daß deren Zahl seit Jahrzehnten sinkt.

Die Frage, welche Arbeitsplätze vom Hafen abhängig sind, kann je nach Blickrichtung unterschiedlich beantwortet werden. Es ist jedenfalls Tatsache, daß neue Arbeitsplätze entstehen – nach jahrzehntelangem Rückgang durch die Containerisierung. Nicht nur im Umschlag, sondern auch in den angegliederten Branchen der Logistik und der Distribution. Beschäftigtenzahlen wie in den 70er Jahren werden wir zwar nicht mehr erreichen. Doch der Laden z. B., in dem ich arbeite, vergrößert sich in diesem Jahr von 1000 auf 1200 Kollegen. Darunter viele, die arbeitslos waren. So ist es in fast allen Hafenbetrieben.

43 Prozent der bei Ihnen umgeschlagenen Container werden anschließend wieder verschifft. Besonders arbeitsintensiv ist das nicht.

Ob ein Container, den wir löschen, per LKW, per Bahn oder auf dem Wasser weitertransportiert wird, macht für die Umschlagsbetriebe keinen Unterschied. Ein großer Teil der Empfänger befindet sich in Skandinavien und in Osteuropa. Und aus ökologischer Sicht ist der Transport per Schiff sicherlich zu begrüßen.

[Lesen Sie zu diesem Thema auch das Protokoll einer Arbeitsgruppensitzung von „Wilhelmsburg gehört uns“ (Thematik Hafenentwicklung versus Stadtteilentwicklung in Hamburg-Wilhelmsburg) und den Beitrag Arbeiten im Hafen – Wohnen in Hafennähe (Ankündigung einer politischen Hafenrundfahrt in Hamburg am 15. März 2008]

Verwendung: Junge Welt vom 08. Februar 2008



25. Januar 2008

Streikkundgebung vor der Hauptverwaltung von Hennes & Mauritz (H&M) , 24. Januar 2008Hamburg. Etwa 400 Beschäftigte des Bekleidungskonzerns Hennes & Mauritz (H&M) demonstrierten am Donnerstag nachmittag in Hamburg. Zu der zentralen Streikkundgebung der Gewerkschaft ver.di vor der H&M-Zentrale in der Spittaler Straße kamen Beschäftigte aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Berlin. Ver.di hatte die Beschäftigten erst vor wenigen Tagen zu Streikaktionen in dem Unternehmen aufgerufen. Bislang weigert sich der Konzern zu dem Tarifstreit im Einzelhandel Stellung zu nehmen. Die Gewerkschaftssekretärin Malene Volkers forderte H&M auf, diese »Passivhaltung« endlich aufzugeben. Sollte es keine »deutlichen Lohnerhöhungen« geben und stünden die Zuschläge zur Debatte, dann müsse sich die Firma auf eine Vielzahl von Streiks einrichten. Ver.di hatte die Führung der Textilkette zuvor aufgefordert, bis Mitte Februar einen Termin zu nennen, an dem die festgefahrenen Verhandlungen wieder aufgenommen werden. (ag)

Verwendung: Junge Welt vom 25. Januar 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



22. Januar 2008

Gewerkschafter in Kompetenzteam berufen. Ver.di-Landeschef auch als Senator für Arbeit im Gespräch

In Hamburg hat SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann am Wochenende sein Kompetenzteam erweitert: Gesine Schwan, Koordinatorin der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit Polen, soll den SPD-Bürgermeisterkandidaten nun in Fragen der Europa-Politik beraten. Für den Wirtschaftsbereich übernimmt SPD-Landes­chef Ingo Egloff und für den Hafen der ehemalige Vorsitzende der Hamburger Hafen- und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), Peter Dietrich, die Verantwortung. Der eigentliche Clou: Zuständig für Arbeitsmarktpolitik wird ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Für den Fall eines Sieges bei den Bürgerschaftswahlen Ende Februar ist er sogar als ein künftiger Senator für Arbeit im Gespräch.

Am Wochenende kündigte Rose an, daß er die Ein-Euro-Jobs »drastisch zurückfahren« und statt dessen die in der Hansestadt gänzlich abgeschafften Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) wieder einführen werde. Unter tarifvertraglich gesicherten Bedingungen, fügte der Gewerkschafter hinzu. Mit einer »Hamburger Garantieerklärung« will Rose dafür sorgen, daß jeder Schulabgänger einen Ausbildungsplatz und eine berufliche Perspektive erhält.

Wahlpolitisch wird die Nominierung des populären Gewerkschaftsmanns indes vor allem der Linken Schwierigkeiten bereiten. Denn Rose gilt nicht nur als ausgesprochen glaubwürdig, sondern auch als willensstark. So stritt er jahrelang für eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik, gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, gegen Dumpinglöhne und für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Für Linkspartei-Landessprecherin Christiane Schneider ist die Nominierung von Rose ein »deutliches Signal« dafür, daß auch in der Hamburger SPD »die soziale Realität wieder stärker zur Kenntnis genommen wird«, betonte sie am Montag gegenüber junge Welt. Sie sei allerdings »sehr gespannt«, wie Rose »seine Politik gegen die Armut und für mehr Arbeit« innerhalb der eigenen Partei und gegen die dortigen Wirtschaftslobbyisten, durchsetzen wolle, so Schneider.

Verwendung: Junge Welt vom 22. Januar 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



04. Dezember 2007

Einzelhandelskonzern attackiert erst im November gewählten Betriebsrat in Hamburg

Lidl_Betriebsrat_HamburgNach den Betriebsratswahlen in einer Hamburger Lidl-Filiale Anfang November schlägt der Konzern nun zurück. Die Wahlen werden vom Unternehmen angefochten, ein ver.di-Gewerkschafter wurde Ende letzter Woche entlassen. Am Montag kündigte ver.di-Fachbereichsleiter Ulrich Meinecke deshalb Gegenmaßnahmen an: Mit einer Unterschriftensammlung sollen die skandalösen Vorgänge öffentlich gemacht werden. Doch gleichzeitig steigt der Druck auf die 17 Mitarbeiter. Sie haben Angst vor weiteren Entlassungen bis hin zur Schließung der Filiale.

Für den Discounter war es eine Niederlage, als die Gewerkschaft die Wahl eines Betriebsrates in einem der 33 Hamburger Lidl-Märkte Anfang November verkündete. Nach Gewerkschaftsangaben gibt es in nicht mal zehn der bundesweit rund 2800 Lidl-Filialen Betriebsräte.Das gehört zur Unternehmensphilosophie des extrem gewerkschaftsfeindlichen Einzelhandelskonzerns. Wie eine geheime Kommandosache hatte die Gewerkschaft deshalb die Vorbereitung der Betriebsratswahlen in der Filiale am Eidelstedter Markt behandelt. Und nachdem es gelungen war, einen innerbetrieblichen Wahlvorstand zu bilden, halfen auch die »Vier-Augen-Gespräche« der Vorgesetzten oder die Drohung, Überstunden und damit verbundene Zuschläge zu streichen, nicht mehr. Mit 100 Prozent der Stimmen wählten die Mitarbeiter Tayed Azzab zu ihrem Betriebsrat.

Doch in den Vorstandsetagen bei Lidl gibt man sich nicht geschlagen. Nun sind Juristen nach Gewerkschaftseinschätzung dabei, Unregelmäßigkeiten bem Wahlablauf zu konstruieren. Und mit der Entlassung eines ersten Mitarbeiters – er war noch in der Probezeit – sollen die anderen zermürbt werden. Gleichzeitig soll den Beschäftigten in den anderen Filialen bedeutet werden, von Betriebsratswahlen die Finger zu lassen, vermutete Meinecke am Montag. Die Entlassung sei nur ein »Nachtreten« der Geschäftsführung, denn daß man dort fachlich mit dem Mitarbeiter zufrieden war, sei ihm erst kurz zuvor bestätigt worden. Mit der Sammlung von Unterschriften gegen die Entlassung will die Gewerkschaft nun Druck auf den Eigentümer der bundesweit 2850 Lidl-Filialen, den Schwarz-Konzern, ausüben.

Verwendung: Junge Welt vom 4. Dezember 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



1 Kommentar

19. November 2007

Detlef_Baade
Ausstand bei der Bahn im Hamburger Hafen deutlich zu spüren. Docker solidarisch. Ein Gespräch mit Detlef Baade

Detlef Baade ist Betriebsrat bei Eurogate Hamburg und ver.di-Schwerbehindertenvertreter

In der vergangenen Woche hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für mehrere Tage den Güterverkehr lahmgelegt. Wie hat sich das im Hamburger Hafen ausgewirkt?

Der Hamburger Hafen wird jeden Tag von etwa 35 Hochseeschiffen angelaufen. Rund 6000 Container werden täglich per Bahn umgeschlagen. Das sind fast 30 Prozent der Gesamtmenge. Insofern war der Streik deutlich zu spüren, denn von täglich 200 Güterzügen ist fast die Hälfte ausgefallen. Schwierigkeiten gab es vor allem bei den Exportcontainern, also bei jenen, die auf die Schiffe verladen werden. Da etliche Container zu spät geliefert wurden, blieben sie stehen. Doch unsere Terminals werden inzwischen von etwa 50, meist privaten Eisenbahnunternehmen angefahren. Und mit Hilfe dieser Privaten, die einen Marktanteil von etwa 50 Prozent haben, gelang es den Unternehmen, Gassen zu schlagen. Würde die GDL zu längeren Streikaktionen aufrufen – also zu solchen, die über drei Tage hinausgehen – dann wäre so etwas kaum noch möglich, und nicht nur der Hafen, sondern auch die Zulieferbetriebe kämen in arge Bedrängnis.

Wie haben die Hafenarbeiter den Streik erlebt? Gab es Verständnis und Solidarität?

Die große Mehrzahl unserer Kollegen hat großes Verständnis für diesen Streik. Da gab es viele und meist spontane Äußerungen der Solidarität. Auch unter den ver.di-Vertrauensleuten spüren immer mehr Kollegen, daß wir als Gewerkschaft mit diesem Streik der Lokomotivführer solidarisch sein müssen. Durch Aktionen, aber auch in der Aufklärung der Öffentlichkeit. In unserem Betrieb haben wir das auf einer Vollversammlung der Vertrauensleute bereits diskutiert.

Die ver.di-Spitze argumentiert aber doch, daß dieser Streik nur der Versuch sei, Einzelinteressen auf Kosten anderer durchzusetzen.

Es wäre natürlich viel besser, wenn sich auch die Kollegen der Gewerkschaft Transnet diesem Arbeitskampf anschließen würden. Das gäbe der Sache viel mehr Kraft. Angesichts des Reallohnverlustes, den die Triebwagenfahrer und das übrige Fahrpersonal in den vergangenen Jahren hinnehmen mußten, und angesichts des unverschämt niedrigen Lohnniveaus ist dieser Arbeitskampf mehr als gerechtfertigt. Denn von Arbeit muß man leben können. Zudem verteidigen die GDL-Kollegen ja auch unser Streikrecht. Ist dieses demokratische Grundrecht erst einmal eingeschränkt, dann sieht nicht nur die GDL ziemlich alt aus, sondern wir alle.

Sehen Sie nicht die Gefahr einer dauerhaften Spaltung der Gewerkschaften, wenn für immer mehr Berufsgruppen Sondertarifverträge ausgehandelt werden?

Die Tarifgemeinschaft muß auch bei der Bahn langfristig wiederhergestellt werden. Doch ich wiederhole: Dieser Arbeitskampf ist berechtigt und notwendig. Denn nicht nur die Löhne, sondern auch die Arbeitsbedingungen haben sich für die Mitarbeiter der Bahn immer weiter verschlechtert. Was hat Transnet konkret dagegen getan? Während sich die Belegschaft zwischen 1994 und 2006 fast halbierte, haben sich die Konzerngewinne der Deutschen Bahn im gleichen Zeitraum vervielfacht. Nun streikt die GDL für eine Rücknahme dieser Verschlechterungen. Und dafür soll sie platt gemacht werden, ein Exempel soll statuiert werden. Eine Niederlage der GDL würde dazu führen, Tür und Tor für einen Angriff auf alle anderen Gewerkschaften zu öffnen. Nicht wer kämpft, spaltet die Gewerkschaftsbewegung, sondern diejenigen, die immer wieder bereit sind, zurückzuweichen oder faule Kompromisse zu machen. Ich fordere alle DGB-Gewerkschaften deshalb dazu auf, Solidaritätsaktionen mit den Lokführern und dem übrigen Fahrpersonal zu organisieren.

Eine entsprechende Initiative ging in Hamburg vom ver.di-Fachbereich 8 und von der Deutschen Journalistenunion (dju) aus. Die Kollegen laden für Montag abend um 18.30 Uhr zu einer Solidaritätsveranstaltung ins Gewerkschaftshaus (Besenbinderhof). Doch in der ver.di-Landesleitung war der Druck sehr stark, die Veranstaltung wieder abzusagen.

Das verstehe ich nicht, denn auch wenn die GDL nicht zum DGB gehört, so sind es doch unsere Kollegen. Die Einheit der Gewerkschaften wiederherzustellen ist keine akademische Aufgabe, sondern sie realisiert sich in den konkreten Tageskämpfen. Ich gehe deshalb davon aus, daß in der Folge dieser Veranstaltung noch viele Solidaritätsaktionen stattfinden. Diesen Willen der Basis muß auch unsere Leitung akzeptieren.

Verwendung: Junge Welt vom 19. November 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



1 Kommentar

13. November 2007

Einzelhandelsstreik HamburgTrotz Einschüchterungsversuchen wird Arbeitskampf im Einzelhandel verstärkt. Kundgebungen und Demonstrationen in Hamburg und Berlin

In Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind am Montag erneut zahlreiche Einzelhandeslbetriebe bestreikt worden. Zu einer ver.di-Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz kamen mehrere hundert Beschäftigte von Rewe, Reichelt, Schlecker, real, Penny Kaufland und Kaisers. Mit Trommeln und Trillerpfeifen erneuerten sie ihre Forderungen nach 6,5 Prozent mehr Lohn, Beibehaltung der Spät- und Nachtzuschläge sowie einer »Azubiquote« von zehn Prozent. Außerdem verlangten sie die Angleichung der Ostlöhne an das Westniveau.

»Die Abend- und Nachtzuschläge betragen 20, beziehungsweise 50 Prozent vom Stundenlohn. Wenn die gestrichen werden, bleibt von unserem Gehalt nicht mehr viel übrig«, berichtete eine Rewe-Verkäuferin. Beschäftigte von Reichelt hatten auf Plakaten den Werbeslogan ihres Betriebs »Wir lieben Lebensmittel« mit dem Zusatz »aber wir müssen sie uns auch kaufen können« versehen. Mehrere Redner auf dem Alexanderplatz riefen die Streikenden auf, sich nicht einschüchtern zu lassen: »Alle Kolleginnen und Kollegen, die heute nicht hier sind, sind nicht im Betrieb geblieben, weil sie ihren Chef so gernhaben. Die haben einfach eine Scheißangst nach den Einschüchterungsaktionen der Arbeitgeber.« Man müsse alle ermutigen, an den Streiks teilzunehmen, denn das einzige, wovor man wirklich Angst haben müsse, sei ein Scheitern des Tarifkampfes: »Wir haben nichts zu verlieren!« sagte ver.di-Sekretär Siegmar Roder, bedauerte allerdings, daß es bisher nur in wenigen Fällen gelinge, Filialen dichtzubekommen. Mit Aushilfen von Zeitarbeitsfirmen habe der Betrieb bislang meist aufrecht erhalten werden können.

In Hamburg ging am Montag in zahlreichen Kaufhäusern, Discountern und Supermärkten nichts mehr. In anderen Geschäften war der Verkauf massiv eingeschränkt. Gestreikt wurde bei Karstadt und Kaufhof, bei Rewe, Penny und Marktkauf, in Toom-, Sky- und Plusmärkten sowie in Filialen von Max Bahr und Thalia-Buchhandlungen. Mehr als 1000 Beschäftigte waren dem Aufruf der Gewerkschaft ver.di zu Ausstand und Demonstration gefolgt. Zum ersten Mal gingen dabei die Beschäftigten aller Betriebe, die seit Ende vergangener Woche bestreikt wurden, gemeinsam auf die Straße. Die Aktionen waren verstärkt worden, weil die Tarifrunde für die mehr als 50000 Beschäftigten der Branche in Hamburg festgefahren ist. Auch in der Hansestadt geht es vor allem um die Streichung der Zuschläge für Abend- und Spätstunden. »In der Tarifauseinandersetzung ist dies ein neuer Anlauf für die Durchsetzung von Lohnerhöhungen und für den Erhalt des Manteltarifvertrages mit Urlaub und Urlaubsgeld, mit Nacht- und Spätzuschlägen, mit Weihnachtsgeld und Altersvorsorge«, so ver.di-Fachbereichsleiter Ulrich Meinecke am Montag auf der Abschlußkundgebung am Gerhart-Hauptmann-Platz.

Arbeitsniederlegungen gab es zu Wochenbeginn auch in Schleswig-Holstein. Schwerpunkt des dortigen Arbeitskampfes war das Zentrallager von Rewe in Norderstedt, von dem aus Märkte in ganz Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern beliefert werden. Bereits um drei Uhr früh legten die ersten Beschäftigten ihre Arbeit nieder. In Niedersachsen in der Region Hannover setzten die Beschäftigten von Rewe, Extra und Penny ihren am Freitag begonnenen Ausstand fort. Am heutigen Dienstag findet unter anderem eine Kundgebung an der Berliner Philharmonie (8 Uhr) statt, zu der ver.di weit über 2000 Teilnehmern erwartet. In Köln werden die Beschäftigten von 39 Rewe- und 15 Penny-Filialen ganztägig die Arbeit niederlegen.

Verwendung: Junge Welt vom 13. November 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



13. November 2007

Rund 500 Mitarbeiter müssen an die Spree umziehen

Der bereits vor mehreren Monaten angekündigte Umzug der Zeitungen Bild und Bild am Sonntag von Hamburg nach Berlin wird nun konkret. Wie der Verlag am Montag in Hamburg ankündigte, werden beide Blätter schon ab Ostern 2008 in Berlin produziert. Vorgesehen ist, daß rund 500 Mitarbeiter aus Redaktion und Verlag von der Alster an die Spree umziehen. Das aber, so sagte ver.di-Landesbezirksleiter Wolfgang Rose, sei eine »fatale Verlagerung von Arbeitsplätzen«, durch die der Mediensektor in Hamburg weiter ausblute.

Alle Erfahrungen zeigten, daß bei derartigen Konzernoperationen Arbeitsplätze nicht nur verlagert, sondern auch vernichtet werden, faßte Rose in einer Stellungnahme seine Befürchtungen zusammen. Doch sein Appell an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sich für den Hamburger Standort einzusetzen, hat bisher nichts gebracht. Der Konzern teilte am Montag nur mir, daß er den Betroffenen bei der Wohnungssuche in Berlin helfen werde und ebenso bei der Jobsuche für die jeweiligen Partnerinnen oder Partner. Konkretisiert wurde dies allerdings genausowenig wie das Versprechen, nach geeigneten Tagesstätten für die Kinder der Mitarbeiter Ausschau zu halten.

Wie viele der 500 vorgesehenen Mitarbeiter nach Berlin ziehen werden, ist nach Verlagsangaben bisher nicht abzusehen. Wer nicht umziehen wolle, für den müßten »sozialverträgliche Lösungen« gefunden werden, so ein Konzernsprecher. Er betonte, daß es dem Springer-Konzern bei dem Umzug nicht um Personalabbau, sondern nur um »publizistische und unternehmenspolitische« Überlegungen gehe.

Doch dagegen steht, daß beim Umzug des Finanzbereichs des Springer-Konzerns von Hamburg nach Berlin, bereits im Juni 34 Kündigungen ausgesprochen wurden. Es waren die ersten Kündigungen dieser Art im Springer-Verlag seit 1978. So warnt denn auch der Vorsitzende des ver.di-Fachbereichs Medien und Morgenpost-Betriebsrat Holger Artus, daß sich andere Mitarbeiter ebenfalls »auf einen wesentlich härteren Umgang« in dem Medienkonzern einstellen müßten.

Verwendung: Junge Welt vom 13. November 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



09. November 2007

Der Streik der Lokführer bei der Deutsche-Bahn-Tochter Rai­lion hat bereits wenige Stunden nach seinem Beginn am Donnerstag um 12 Uhr zu erheblichen Beeinträchtigungen des Güterverkehrs geführt. Die Zentren und Rangierbahnhöfe würden »nach und nach vollaufen«, sagte der GDL-Bezirkschef von Berlin-Sachsen-Brandenburg, Hans-Joachim Kernchen, im RBB. Wenn Züge nicht aus den Anlagen herausführen, seien die Kapazitäten irgendwann erschöpft. Nach Angaben der Bahn sind in Ostdeutschland bis zum frühen Abend über 90 Prozent aller geplanten Güterzüge ausgefallen.

Stark betroffen waren auch die deutschen See- und Binnenhäfen, wo die Be- und Entladung der Schiffe am heutigen Freitag teilweise zum Erliegen kommen könnte. Im Hamburger Hafen wurde ein Krisenstab eingerichtet. Viele Reedereien haben ihre Schiffe bereits umgeleitet, was für die Hafenbetreiber Millionenverluste bedeutet. Die örtlichen Beschäftigten stehen oftmals auf der Seite der GDL »Die Forderungen der Lokomotivführer nach deutlich höherem Lohn sind gerechtfertigt. Deshalb sind wir Hafenarbeiter mit dem Streik solidarisch«, erklärte am Donnerstag Thomas Adler, Betriebsrat im Gesamthafenbetrieb Hamburg, gegenüber jW. »Die GDL kämpft nicht nur ums Geld, sondern auch um die historischen Rechte aller Arbeitnehmer. Sie verteidigt unser Streikrecht«, sagte Detlef Baade, Betriebsrat bei Eurogate und ver.di-Schwerbehindertenvertreter.

Auch bei Fahrzeugherstellern gab es bereits am Donnerstag erste Engpässe. Firmensprecher von VW und Opel wollten Kurzarbeit nicht ausschließen, falls die Streiks länger andauern sollten. Das Porschewerk in Leipzig muß am heutigen Freitag eventuell seine Produktion einstellen, da die Anlieferung wichtiger Teile aus Bratislava auf der Kippe stehe, erklärte ein Konzernvertreter. Die Arbeitsniederlegung im Güterverkehr soll noch bis Sonnabend morgen fortgesetzt werden.

Die Bahn zeigte sich am Donnerstag allerdings unbeeindruckt. »Es wird absehbar kein neues Angebot geben«, erklärte Transportvorstand Norbert Bensel am Nachmittag. Einige Stunden zuvor hatte die Nachrichtenagentur AP erstmalig den Wortlaut der von den im August als Vermittler in dem Tarifstreit bestellten CDU-Politiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler verfaßten »Interpretation« des Moderationsergebnisses veröffentlicht. Aus dem Papier geht eindeutig hervor, daß Geißler und Biedenkopf von einem »eigenständigen Tarifvertrag« der GDL ausgingen, »der Entgelt und Arbeitszeitregelungen für Lokomotivführer umfaßt«. Die von der Bahn AG verlangte »Konflikt- und Widerspruchsfreiheit« tariflicher Regelungen innerhalb des Konzerns »ist auch gewährleistet, wenn sie durch zwei selbständige Tarifverträge« und einer darauf aufbauenden Kooperationsvereinbarung basiere, heißt es weiter. Bisher hatte die Bahn AG stets behauptet, laut dem Moderationsergebnis seien unterschiedliche Tarifverträge im Konzern ausgeschlossen.

Mehrere GDL-Sprecher reagierten auf die Weigerung der Bahn, ein Angebot für einen eigenständigen Vertrag vorzulegen, mit der Ankündigung, die Streiks in der kommenden Woche auszuweiten. Solange die Konzernleitung seiner Gewerkschaft »nur ein Kinderzimmer mit Laufgestell zugestehen will «, werde man weiterkämpfen, sagte der GDL-Vizechef Günther Kinscher im WDR. Er sei zudem guter Hoffnung, daß die Wirtschaftsverbände wegen der Auswirkungen des Streiks Druck auf den Eigentümer Bund ausüben und den Bahnvorstand zur Räson bringen würden.

[Der vorgestellte Beitrag wurde von meinem jW-Kollegen Rainer Balcerowiak verfasst. Meinerseits wurden die Passagen zur Solidarität durch die Hafenbetriebsräte beigesteuert. – AG]

Verwendung: Junge Welt vom 9. November 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



19. Oktober 2007

Rostock. Ihren Unmut über drohenden Stellenabbau in der Stadtverwaltung und die Teilprivatisierung des Rostocker Volkstheaters haben am Mittwoch abend rund 800 Menschen vor der Rostocker Bürgerschaft mit lauten Pfiffen und Buhrufen deutlich gemacht. »Wir haben mit unseren Protesten schon viel bewegt und geben nicht auf«, sagte ver.di- Gewerkschaftssekretär Frank Pieper zu den Demonstranten. Die Demonstration richtete sich gegen die Auswirkungen eines Nachtragshaushalts für 2007, den die Mehrheit der Abgeordneten aus CDU, SPD und Grünen beschlossen hatte.
(ag /jW)

Verwendung: Junge Welt vom 19. Oktober 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



6 Kommentare

08. Oktober 2007

Hamburg: Einzelhandelsbeschäftigte demonstrierten für Tarifvertrag und überreichten Grußbotschaft an GDL

Mit einer Demonstration durch die Hamburger Innenstadt haben mehrere hundert Beschäftigte am Freitag auf die seit einer Woche andauernden Streikaktionen in der Lagerwirtschaft des Otto-Konzerns aufmerksam gemacht. Unterstützt wurden sie von einer Delegation der Belegschaft des großen Otto-Lagers im sachsen-anhaltinischen Haldensleben, die ebenfalls seit dem 28. September im Ausstand ist. Zum Arbeitskampf aufgerufen hatte die Dienstleitungsgewerkschaft ver.di, nachdem es ihr trotz monatelanger Verhandlungen bislang nicht gelungen ist, einen Tarifabschluß für die Beschäftigten des Einzelhandels durchzusetzen.

Brisanz haben die Aktionen laut ver.di auch deshalb, weil die etwa 2000 Lagerarbeiter bei Otto überwiegend Teilzeitbeschäftigte sind und mit ihren geringeren Löhnen kaum über die Runden kommen. In den Tarifverhandlungen fordert die Gewerkschaft eine Erhöhung der Einkommen um rund fünf Prozent sowie die Fortzahlung des bisherigen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes. Die Unternehmer haben dies durch die Kündigung des Manteltarifvertrags in Frage gestellt.

Ver.di-Streikführer Ulrich Meinecke rief am Freitag zur unbefristeten Fortsetzung der Arbeitskampfaktionen bei Otto auf. Das Versandhaus habe im Unternehmerlager eine gewichtige Stimme und könne deshalb dafür sorgen, in den Tarifverhandlungen »endlich zu einem Durchbruch zu kommen«, sagte Meinecke. Am Vormittag waren die Streikenden zum Hauptbahnhof gezogen, um den streikenden Lokführern eine Grußbotschaft zu überbringen. Dem Versuch des Bahn-Vorstandes, durch gerichtliche Entscheidungen das legitime Streikrecht der Beschäftigten zu untergraben, trete man gemeinsam entgegen, hieß es in der Solidaritätserklärung.

Verwendung: Junge Welt vom 8. Oktober 2007
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier



11. August 2007

Wolfgang Rosestrong>Hamburg: Ver.di-Landeschef freut, daß Die Linke DGB-Forderungen aufgreift, ­kandidiert aber für die SPD. Gespräch mit Wolfgang Rose

Wolfgang Rose ist Landesbezirksleiter der Gewerkschaft ver.di in Hamburg

Unter Ihrer Mitwirkung haben die Gewerkschaften Forderungen für die Bürgerschaftswahlen im Februar 2008 vorgelegt. Demnach sollen Ein-Euro-Jobs durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt, die Privatisierungen gestoppt und ein neues integriertes Schulsystem eingeführt werden. Gefordert werden die Streichung der Studiengebühren, die Stärkung der Mitbestimmungsrechte und mehr Geld für Soziales. Von den Parteien vertritt das nur Die Linke. Sie selbst kandidieren für die SPD. Macht Ihnen das keine Schwierigkeiten?

Überhaupt nicht. Denn wenn Die Linke unsere nun schon vor Monaten erarbeiteten Forderungen einfach übernimmt, dann kann ich als Gewerkschafter da doch nichts dagegen haben. Im übrigen wird über diese Punkte auch bei der SPD und über manche auch bei der Grün-Alternativen Liste, GAL, beraten.

Doch als Abgeordneter der SPD werden Sie eine Politik vertreten müssen, die diesen Forderungen widerspricht.

Das sehe ich nicht so. Denn in einem Gespräch zwischen dem DGB und der Landesspitze der SPD konnten wir schon jetzt ein großes inhaltliches Einvernehmen feststellen.

Privatisierungsprojekte, wie etwa bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken (HEW), gab es auch schon in der Regierungszeit der SPD. Und auch die Hartz-IV-Gesetze und die Ein-Euro-Jobs sind eine Erfindung der SPD.

Daß die Privatisierung der HEW ein Fehler war, ist inzwischen bei fast allen Parteien anerkannt. Doch heute haben wir es mit einer Situation zu tun, wo die SPD sowohl bei der Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser als auch bei der Privatisierung der Hamburger Hafen- und Logistik AG und auch bei der Hochbahn und den Altenpflegeheimen dem CDU-Senat energisch widerspricht. Daß wir als Gewerkschaften Hartz IV ablehnen, ist allgemein bekannt. Aber es steht als Bundesgesetz in Hamburg nicht zur Disposition. Doch der CDU-Senat hat sich in Hamburg entgegen dem Bundesgesetz ausschließlich auf 13000 Ein-Euro-Jobs konzentriert, alle anderen Beschäftigungsförderungs- und Weiterbildungsmaßnahmen wurden weitgehend liquidiert. Als Gewerkschaften fordern wir ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Ich denke, das wird im Wahlprogramm der SPD Verankerung finden.

Sie können doch nicht leugnen, daß es Widersprüche zwischen Sozialdemokraten und Gewerkschaften gibt. So hat etwa SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann die Forderung nach einer »Schule für alle« sofort in Frage gestellt. Und beim Mindestlohn verweigert er jegliche Konkretisierung bezüglich der Höhe. Sehr konkret wurde er hingegen, was Ihren künftigen Part in der Bürgerschaft anbetrifft: den eines »Korrektivs und Ermahners«. Das ist die typische Rolle eines vielleicht lauten, aber einflußlosen Jungsozialisten.

Sie können gerne weiterhin versuchen, fortwährend an Hand kleinster Meinungsunterschiede große Gegensätze zwischen den Gewerkschaften und der SPD in Hamburg aufzubauen. Daran beteilige ich mich nicht. Denn mir geht es darum, konkrete Verbesserungen für die Arbeitnehmer durchzusetzen. Beim Mindestlohn wie bei der Schulreform gab es in Gewerkschaft und Gesellschaft langwierige Diskussionsprozesse, die noch nicht zu Ende sind. Und diesbezüglich dann die Rolle eines Korrektivs oder eines Ermahners einzunehmen, um so gewerkschaftliche Positionen zu verankern, ist nicht ehrenrührig. Jedenfalls dann nicht, wenn es so gelingt, reale Verbesserungen für die Arbeitnehmer durchzusetzen.

Dann machen wir es konkret: Unmittelbar nach den Wahlen will Die Linke eine Bundesratsinitiative für einen Mindestlohn auf der Basis gewerkschaftlicher Forderungen in der Bürgerschaft beantragen. Werden Sie dem Antrag zustimmen, oder werden Sie sich der Fraktionsdisziplin unterwerfen?

Das werde ich heute noch nicht beantworten. Ich will beim Mindestlohn nicht nur recht haben, sondern ihn durchsetzen. Konkret wird dann zu berücksichtigen sein, welche Koalition nach den Wahlen möglich wird und wie es gelingt, Arbeitnehmerinteressen im Koalitionsvertrag und der Senatspolitik zu verankern. Denn dafür muß man Überzeugungsarbeit leisten, auch im Parlament. Wer hingegen nur plakative Forderungen aufstellt, der nützt den Arbeitnehmern nur wenig.

Verwendung: Junge Welt vom 11. August 2007