16. April 2008

Erstes Schiff der neuen »Braunschweig-Klasse« wird in Dienst gestellt. Proteste in Rostock-Warnemünde angekündigt

Am heutigen Mittwoch soll am Marinestützpunkt in Rostock Hohe Düne die Korvette Braunschweig F 260, als erste der neuen Kriegsschiffsklasse K 130, offiziell in den Marinedienst gestellt und dabei der Öffentlichkeit präsentiert werden. Schon am Donnerstag soll das mit modernsten Angriffswaffen ausgestattete Schiff, wieder aus dem Hafen auslaufen. Dagegen will ein örtliche Friedensbündnis u.a. mit einer Mahnwache protestieren. Die Anschaffung der Korvette verstoße gegen Artikel 87a des Grundgesetzes, wonach deutsche Streitkräfte nur »zur Verteidigung« dienen sollen.

Tatsächlich handelt es sich bei dem in einer Veröffentlichung der Bundeswehr als »graue Lady« bezeichneten Boot, um eines der aggressivsten Waffensysteme, über die die Marine derzeit verfügt. Mit seiner Einsatzdauer, seinen Tarnkappen-Eigenschaften und seinen vier landzielfähigen Flugkörpern mit 200 Kilometern Reichweite, ist es insbesondere für den Kampfeinsatz in fremden Küstengewässern konzipiert. In Militärdokumenten werden die Korvetten deshalb den »Eingreifkräften« zugeordnet. Ihr Einsatz im »Krieg gegen den Terror« im Rahmen der »Operation Enduring Freedom« am Horn von Afrika und im Indischen Ozean ist bereits geplant. Damit, so heißt es, verbessere die Marine ihre Fähigkeit zur präzisen Bekämpfung von Landzielen.

Damit werde nicht nur der grundgesetzwidrige Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee beschleunigt, sondern gleichzeitig an die »unselige Kanonenbootpolitik der imperialistischen deutschen kaiserlichen Marine« angeknüpft, erklärte die Sprecherin des Rostocker Friedensbündnisses Cornelia Mannewitz. Alle fünf Korvetten der neuen Bootsklasse (Stückpreis: 240 Millionen Euro) sollen in Rostock stationiert werden. Der damit verbundene Ausbau des dortigen Marinestützpunktes zu einem der modernsten Militärstandorte gehe aber an den »existentiellen Bedürfnissen« der Menschen vorbei. Während für militärische Zwecke viel Geld ausgegeben werde, seien die öffentlichen Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern kaum noch in der Lage, ihren elementaren Aufgaben gerecht zu werden, heißt es in einem Aufruf des Friedensbündnisses.

Protestaktionen in Rostock-Warnemünde: heute, 13 Uhr, Reichpietsch­ufer, Donnerstag 9.30 Uhr, Uferweg, Yachthafenresidenz

Verwendung: Junge Welt vom 16. April 2008
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09. Oktober 2007

Deutsche Leihsoldaten im Irakkrieg verstrahlt – Mitwirkung bei US-Einsatz von Uranbomben in Afghanistan durch Tornado-Aufklärer

Vorbemerkung:

Dieser Weblog dient dazu eigene Artikel zu dokumentieren. Doch heute mache ich eine Ausnahme, denn die Nachricht die am morgen im Email-Postfach fand (zugeschickt von www.0815-info.de), deutet auf einen so gewaltigen Skandal hin, dass sie sofort verbreitet werden muss: Wurden Deutsche Soldaten – und entgegen den offiziell verkündeten Beschlüssen der deutschen Bundesregierung unter Gerhard Schröder – tatsächlich als so genannte „Leih-Soldaten“ im Irak-Krieg eingesetzt? Die Sache zu recherchieren übersteigt meine eigenen Möglichkeiten. Sie liegen im innenpolitischen Bereich und weshalb ich diese Nachricht nun an die außenpolitischen Redaktionen der Zeitungen weitergeleitet habe, für die ich selbst regelmäßig schreibe. Mal sehen, was die Kollegen dazu noch rausbekommen werden.

Andreas Grünwald

Doch hier nun zunächst die Veröffentlichung, die ich heute morgen im E-Mail-Postfach fand:

Deutsche Leihsoldaten im Irakkrieg verstrahlt – Mitwirkung bei US-Einsatz von Uranbomben in Afghanistan durch Tornado-Aufklärer

von Christoph R. Hörstel

In einem Krankenhaus in Deutschland liegt ein Bundeswehrsoldat (hoher Unteroffiziersrang) mit einer erstaunlichen militärischen Karriere: Im Frühjahr 2003 wurde ihm in Aussicht gestellt, er könne seine Beförderungschancen verbessern, indem er aus der Bundeswehr offiziell ausscheide, bei den US-Truppen anheuere, mit diesen in den Irakkrieg zöge – und später wieder zur Bundeswehr (Heer/Infanterie) zurückkehre.

1. Ein Infanterie-Zug der Bundeswehr als US-Kanonenfutter im Irak

Nach Aussagen des Unteroffiziers war es ein kompletter Zug von Soldaten der deutschen Bundeswehr (Zugstärke normalerweise zwischen 50 und 70 Mann), der im März 2003 loszog – und im Irak-Krieg an der Seite von US-Truppen dort eingesetzt wurde, wo Strahlenschäden zu erwarten waren.

Nach Aussagen des erkrankten Unteroffiziers kam es dadurch anders als im Vorgespräch mit Bundeswehr-Vorgesetzten angeboten: Im Anschluss an den Dienst im Irak verstarb die Hälfte seiner deutschen Kameraden dieser deutsch-amerikanischen Sondertruppe an Krebs, offenbar verursacht durch Strahlung. Die Bundeswehr habe ihm, so sagt der überlebende Bundeswehr-Zeuge, zwar auch – wie allen anderen – nach Beendigung seines US-Auftrages die Rückkehr in die Bundeswehr angeboten, doch wegen seines Zustands sei ihm zunächst die Wiederaufnahme in die Bundeswehr und damit auch jegliche Fürsorge verweigert worden – und erst später habe die Bundeswehr diese Entscheidung zurückgenommen, sich um ihn gekümmert und ihn versorgt.

Die Aussage dieses Soldaten ist auch in sofern von Bedeutung, als in Erwägung gezogen werden muss, dass zum Zeitpunkt dieser leihweisen Überlassung von Mannschaften an die US-Streitkräfte die Bundesregierung Schröder unter hohem Druck der USA stand, da sie offiziell die Teilnahme deutscher Soldaten am Irakkrieg strikt abgelehnt hatte. Diese Ablehnung wurde seinerzeit innenpolitisch (Schröder gewann dadurch die Wiederwahl 2002) und außenpolitisch stark beachtet. Deshalb ist als wahrscheinlich anzusehen, dass die Soldaten, um die Regierung Schröder nicht völlig zu diskreditieren, den komplizierten Weg des Ausscheidens aus der Bundeswehr und des späteren Wiedereintritts wählen mussten, das Ganze bei strikter Verpflichtung zur Geheimhaltung.

Doch es gibt neben dem Vorwurf des politischen Falschspiels einen womöglich noch schwerer wiegenden Gesichtspunkt: Es ist nun kaum anzunehmen, dass die Führungsspitzen beider Armeen nicht wussten, welcher Art der Einsatz der „Leihsoldaten“ sein sollte. Mit Sicherheit war er geeignet, US-Truppenteile von derart verlustreichen militärischen Operationen zu entlasten.

Das Problem der US-Streitkräfte mit dem „Golfkriegssyndrom“ (Strahlenschäden bei Militärpersonal aus der Operation „Desert Storm“ von 1991, dem 2. Golfkrieg anlässlich der Besetzung Kuwaits durch die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein) ist hinlänglich bekannt, immer noch sind tausende Schadenersatzansprüche ungeklärt.

Daraus ergibt sich hier die Frage, ob diese Soldaten bewusst in einem Himmelfahrtskommando „verheizt“ wurden, als eine Art menschenverachtendem Tausch gegen das Ausbleiben weiterer Repressalien durch die USA gegen Deutschland wegen der offiziellen deutschen Verweigerungshaltung.

Dabei ist klar festzuhalten: Der Bundesregierung war zum Zeitpunkt der Verwendung ihres Unteroffiziers im Irak sehr wohl bewusst, wie gefährlich die von US-Truppen verwendete DU-Munition (DU = Depleted Uranium) ist, auch für die eigenen Leute. Das beweist der folgende Fall.

2. Schießbuch Rajlovac

DichtigkeitsprüfungDem Autor liegt komplett (in Fotokopie) das Schießbuch eines Bundeswehrsoldaten vor, der 2001 im Feldlager Rajlovac (s. Anhang 1) bei der SFOR (s. Anhang 2) Dienst tat. (Jeder Soldat der Bundeswehr muss ein Schießbuch führen, in das seine Schießübungen von den jeweils Beaufsichtigenden eingetragen werden).

Wenn es noch einen Zweifel daran gibt, dass

– Bundesregierung und Nato wissen, dass Uran-Munition gefährliche Schäden verursacht
– in Bosnien-Herzegowina Uran-Munition verwendet wurde

dann wird der beigefügte Auszug aus dem Schießbuch eines Bundeswehr-Soldaten, der im Jahre 2001 im damaligen SFOR-Feldlager Rajlovac (bei Sarajevo) Dienst tat diesen Zweifel endgültig widerlegen:

Denn dort steht (auf S. 25 des Schießbuches eingeheftet):

„Die Teilnahme an der Ausbildung Maßnahmen zur Vorsorge und zum Schutz gegen Depleted Uranium Munition (DU-Munition) wird bestätigt. Rajlovac, (Tag und Monat zum Informantenschutz geschwärzt) 2001, unleserliche Unterschrift, OFW (= Oberfeldwebel)“

Darunter werden die Prüfwerte für die Dichtigkeit der Gasmaske des Soldaten („Größe 3 – Brille: JA“) angegeben (wiederum zum Informantenschutz geschwärzt).

3. Opfer von Uranmunition in Afghanistan

Es gibt eine Menge Verbrechen und Skandale rund um den Krieg in Afghanistan

– doch die womöglich folgenreichsten sind noch gar nicht genügend erforscht: Die Rede ist von schwersten gesundheitlichen Schädigungen einschließlich Schäden am Genmaterial bei Afghanen hin zur Säuglingssterblichkeit auf Grund schwerster Missbildungen – durch den Einsatz von Uranwaffen seitens der USA.

Dass ein solcher Einsatz auch gegenwärtig noch erfolgt, erklärt Prof. Dr. Albert Stahel, Dozent für Strategische Studien am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Er schätzt, etwa die Hälfte aller in Afghanistan eingesetzten Bomben seien Uranbomben. Die USA bestreiten bisher, in Afghanistan Uranmunition eingesetzt zu haben, Forschungsergebnisse bei den Opfern von Prof. Dr. Aslan Durakovic weisen jedoch darauf hin, dass diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht. Außerdem meldet das amerikanische „Air Force Print News Today“ in aller Offenheit auch aktuell in diesem Jahr immer wieder den Einsatz von Uranwaffen.

Opfer von UranmunitionDie betroffenen Menschen leiden z. T. extrem unter den bekannten Folgewirkungen, schwerst geschädigte Kinder sterben in den Hospitälern z. T. nur wenige Tage nach der Geburt unter furchtbaren Schmerzen. Der in den USA lebende gebürtige Afghane Dr. Mohammad Daud Miraki erklärte mir bei Übergabe des beigefügten Bildmaterials, (aufgenommen am 13. März 2006 im Malalai Women Hospital, Kabul durch Dr. Miraki, der auch ein Video von dem abgebildeten unbekannten Kind erstellte) dass alle Beteiligten nicht nur um ihre Karriere sondern um ihr Leben fürchten müssten, wenn sie sich an Untersuchungen von Schäden beteiligen, die einen Uranwaffen-Hintergrund vermuten lassen. Konkret führte Dr. Miraki an:

– Eltern wollen ihre Namen und die ihrer möglicherweise geschädigten Kinder nicht nennen
– Ärzte wollen sich an Untersuchungen nicht beteiligen
– Klinikleitungen wollen diese Untersuchungen nicht anordnen.

Vergessen ist der Eid des Hippokrates, der verlangt, dass alles getan wird, um lebensverlängernde Maßnahmen durchzuführen, vor allem gehört dazu selbstverständlich eine treffsichere und nachprüfbare Diagnose.

Eine rasche Stichprobe bei der deutschen Leitung eines deutsch finanzierten Hospitals in Kabul, das dort seit über zehn Jahren erfolgreich arbeitet, ergab, dass man auch dort Repressionen befürchtet, falls sich das Hospital an der Verifizierung des Verdachts auf Uranschäden beteiligt.

Eine solche Reaktion aller betroffenen muss zwangsläufig verschiedene Schuldvermutungen schüren:

a.) Die repressiven politischen Mächte wissen um ihre Verbrechen und suchen sie mit allen Mitteln zu vertuschen
b.) Wissenschaftliche begründete Zweifel an der Gefährlichkeit von Uranwaffen sollen vielfach nur dazu dienen, die Uranwaffen-Anwender reinzuwaschen.
c.) Schließlich hat sich die tägliche Truppenpraxis nicht nur bei der Bundeswehr längst entschieden, Uranwaffen aller Art als gefährlich einzustufen – und damit in Berührung kommendes Personal vor diesen Gefahren durch Gegenmaßnahmen wie (Punkt 2) beschrieben zu schützen.

Die Folgerungen

Zum früheren Verteidigungsminister Struck ist zu sagen, dass Schuld auf sich geladen hat, weil er Angehörige der Bundeswehr dazu anhalten ließ, sich am Irakkrieg ohne den grundgesetzlich dafür zwingend vorgeschriebenen Bundestagsbeschluss zu beteiligen. Erschwerend kommt das trickreiche Vorgehen durch die vorübergehende Außerdienststellung bei der Bundeswehr, das als betrügerisch betrachtet werden kann. Schließlich waren die Betroffenen noch Bundeswehrsoldaten, als sie erstmals über ihre US-Verwendung aufgeklärt wurden.

Der Einsatz von Uranwaffen ist ein Bruch von Menschen- und Kriegsvölkerrecht erster Güte. Die Bundesrepublik Deutschland ist daran zwar nicht direkt durch eigene Anwendung beteiligt, jedoch durch vielfältige Mitwirkung (ISAF, Tornado, OEF) und Unterstützung der Beschuldigten (USA) entsteht eine durchaus justitiable Beihilfe-Situation.

Unter diesen Umständen müsste es sich geradezu verbieten, dass dieser Bundestag die Regierungsvorlage zur Mandatsverlängerung ISAF/Tornado bedingungslos unterstützt, weil dies weitere Uranwaffenverwendung zwangsläufig unterstützt, insbesondere im Fall der Tornado-Aufklärer.

Dass ausgerechnet Struck, jetzt in seiner neuen Position als SPD-Fraktionschef im Bundestag, eben diese Fraktion politisch stark unter Druck setzt, ausgerechnet um den Einsatz deutscher Tornado-Aufklärer zu verlängern – das ist ein einsamer Höhepunkt von Gewissenlosigkeit.

Künftiges Vorgehen des Bundestages

Unter den erwähnten Umständen sollte der deutsche Bundestag zunächst einmal das Aufschnüren des ISAF-Tornado-Pakets durchsetzen und ohne jeglichen innerfraktionellen Druck der verfassungsrechtlich eindeutig verbrieften Gewissensfreiheit der Abgeordneten bei der Abstimmung zu überlassen.

Tornados aber auch ISAF-Truppen darf die Bundesregierung erst dann wieder zum Einsatz vorsehen, wenn:

– Geklärt und nachprüfbar sichergestellt ist, dass das dem Aufklärungsflug folgende Bombardement keine Uranwaffen enthält
– keine Zivilisten schädigt (Kriegsvölkerrecht!)
– Eine wissenschaftlich unangreifbare Untersuchung der Beschuldigungen zu Einsatz und Wirkung von Uranwaffen durch mehrere offizielle Institutionen erfolgt, mindestens eine davon eine UN-Organisation und eine andere das Bundesamt f. Strahlenschutz
– eine Bearbeitung des Themas in NATO, EU und UNO durch geeignete Maßnahmen bis April 2008 erfolgt
– nachprüfbare und sanktionsfähige Vorsorge-Maßnahmen für einen weltweiten Verwendungsstopp der Uranmunition bei allen Nato-Aktionen getroffen sind
– Sanktionen für die künftige Verwendung der Munition beschlossen sind
– Wiedergutmachung für die angerichteten Schäden bei anderen Völkern ebenso wie beim eigenen Personal zeitnah beschlossen ist

Es muss sicherlich nicht darauf hingewiesen werden, dass jedes Mitglied des Bundestages, das jetzt einer Verlängerung des ISAF/Tornado-Mandats bedingungslos zustimmt, sich mitschuldig macht an den Verbrechen in Afghanistan und möglichen weiteren, die zweifellos geplant sind (US-Luftkrieg gegen Iran!).

Quellen:
Zeitfragen Nr. 41, v. 11.10.2006, S.9 nach: „Undiagnosed Illnesses and Radioactive Warfare”, in: Croatian Medical Journal, 44(5):520-532, 2003, Übersetzung: Zeitfragen

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Quelle: 0815-info vom 08. Oktober 2007
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3 Kommentare

04. September 2007

Lorenz Gösta Beutin, Landessprecher der Partei Die Linke in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein: In Kiel gründete sich Landesverband der Linkspartei. Ein Gespräch mit Lorenz Gösta Beutin

Lorenz Gösta Beutin ist Landessprecher der Partei Die Linke in Schleswig-Holstein

Auf dem Fusionsparteitag von WASG und Linkspartei am Sonntag in Kiel wurden Sie mit großer Mehrheit zum Landessprecher gewählt. Dies geschah, obwohl Sie in der Debatte um die strittige Satzung mehrfach sehr zugespitzte Beiträge lieferten. Was waren dafür Ihre Motive?

Mit der Landessatzung haben wir den Rahmen für unser politisches Eingreifen festgelegt. Zwei Grund­entwürfe standen sich dabei gegenüber: ein eher vorstandsorientiertes und ein eher basisdemokratisches und auf die Rechte der Mitglieder orientiertes Parteimodell. Die Debatte hat sich dann an der Frage zugespitzt, ob die politische Führung im Landesverband beim Vorstand oder aber bei unserem Landesrat, in dem die Kreisverbände durch Delegierte vertreten sind, liegen soll.

Mehrheitlich entschied sich der Parteitag dann dafür, daß der Landesrat das »höchste beschlußfassende Organ« unseres Landesverbandes zwischen den Parteitagen ist. Für mich war das eine wichtige Frage. Das alte hierarchische Parteienmodell, bei dem nur die Vorstände über die Politikrichtung entscheiden, hat sich überlebt. Wenn wir »mehr Demokratie« fordern, dann müssen wir das auch in der eigenen Partei anwenden. Zudem wird hiermit und mit den Möglichkeiten des Mitgliederentscheids die Teilnahme der Mitglieder am Parteileben gestärkt.

Lothar Bisky hat auf dem Parteitag kritisch bemerkt, daß sich Die Linke nur mit zehn Prozent ihrer Zeit um eigene, sonst aber um die Probleme der Bürger kümmern sollte.

Das können wir doch aber erst, wenn wir uns einen vernünftigen Rahmen für dieses Eingreifen und Kümmern geschaffen haben. Den zu schaffen, das stand am Sonntag im Mittelpunkt. Die weiteren Fragen, wie etwa die Ausarbeitung unseres programmatischen Profils im Vorfeld der im Mai 2008 anstehenden Kommunalwahlen, werden wir im Oktober auf der Fortsetzung des Parteitages behandeln.

Sie selbst haben dafür ein »bewegungsorientiertes Konzept« vorgeschlagen. Was soll das heißen?

Das heißt, daß wir unsere Forderungen eben nicht am »grünen Tisch«, sondern als ein Teil der sozialen Bewegungen und unter Einbeziehung dieser Bündnisse entwickeln werden. Wir sind Teil der Bewegung gegen Sozialabbau, der antifaschistischen Initiativen und der Aktionen gewerkschaftlicher Gegenwehr.

Ist dies der Grund, warum Sie in einem weiteren Antrag eine Bestätigung der Antikriegspolitik Ihrer Partei gefordert haben?

Daß es im Umfeld des »Forums demokratischer Sozialismus« einige gibt, die auf eine Revision unserer Positionen und vor allem unseres bedingungslosen Neins zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr drängen, ist doch inzwischen offensichtlich. Sie meinen, so regierungsfähig zu werden. Wir betonen hingegen, daß unsere Partei oppositionsfähig werden muß. Ohne eine glasklare Antikriegspolitik geht das nicht.

In Ihrer Kandidatenvorstellung haben Sie kein Geheimnis daraus gemacht, zur »Antikapitalistischen Linken« zu gehören. Was sagen Sie denen, die nun befürchten, Schleswig-Holstein könne zu einem neuen Sammelbecken der Parteiopposition werden?

Als Landessprecher vertrete ich alle Mitglieder und nicht nur einzelne Strömungen. Doch in Schleswig-Holstein haben sich sowohl die ehemalige Linkspartei als auch die WASG stets für die friedenspolitischen Positionen des Münsteraner und des Dortmunder Parteitags stark gemacht. Und auch in vielen anderen Fragen, wie etwa dem Problem der Regierungsbeteiligungen oder auch der Perspektive einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, gibt es innerhalb des Landesverbandes keine wesentlichen Widersprüche. Besonders wichtig ist es mir, daß in unserem Landesvorstand alle Strömungen und alle Positionen vertreten sind. Bei uns wird niemand ausgegrenzt. Wir setzen auf gemeinsame Diskussionen, auf konstruktive Zusammenarbeit und darauf basierende Integration.

Wie bereiten Sie sich auf die Kommunalwahlen vor?

Mit einer Kampagne gegen die Privatisierung und für die Rekommunalisierung der bereits privatisierten Bereiche, mit der Ausarbeitung unserer Forderungen und im Rahmen eines antikapitalistischen Kommunalwahlprogramms. Gegen die neoliberale Politik aller anderen Parteien setzen wir auf klare Opposition. Und so schaffen wir auch die Voraussetzungen dafür, mit offenen Listen, also unter Beteiligung von Vertretern aus den sozialen Bewegungen, aus Erwerbsloseninitiativen, aus den Gewerkschaften und anderen linken Gruppen, bei den Wahlen anzutreten.

Verwendung: Junge Welt vom 4. September 2007
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04. September 2007

Stehende Ovationen für den Gründungsbeschluss Die Linke in Schleswig-HolsteinDie Linke in Schleswig-Holstein gegründet. Landessprecher repräsentiert antikapitalistische Strömung. Landesrat als höchstes beschlußfassendes Gremium

Stehend applaudierten die Delegierten, und einen kurzen Moment lang wurde es ganz feierlich am Sonntag in Kiel. Die 75 Delegierten aus allen Kreisverbänden Schleswig-Holsteins beschlossen einstimmig die Fusion von Linkspartei und WASG zur Partei Die Linke. Für viele war das ein historischer Augenblick, denn nun bestehe die Chance, auch zwischen Nord- und Ostsee eine »starke Linke« aufzubauen, wie etliche Redner betonten. Richtig euphorisch wurde es, als einer daran erinnerte, daß sich im gleichen Saal 1918 Deutschlands erster Arbeiter- und Soldatenrat gebildet hatte.

Während es den Delegierten 1918 um nicht weniger als die Revolution ging, war von revolutionärer Stimmung am Sonntag im Legienhof zunächst allerdings nur wenig zu spüren. Der Abstimmung zur Gründung des Landesverbandes der Partei Die Linke war eine lange Satzungsdebatte vorausgegangen. Vor allem Mitglieder der Strömung »Antikapitalistische Linke« traten dafür ein, die »innerparteiliche Demokratie« durch die zu beschließende Satzung zu stärken. Ihrem Antrag wurde mit 45 Ja-Stimmen, bei 31-Nein-Stimmen, nach stundenlanger Debatte entsprochen. Nun wird nicht der Landesvorstand der Partei, sondern ein Landesrat, in dem die Vertreter der Kreisverbände sitzen, das »höchste politische Beschlußgremium zwischen den Parteitagen« sein. Nur dort können dann Grundsatzentscheidungen gefaßt werden.

Lorenz Gösta Beutin in der SatzungsdebatteEingebracht hatte den Antrag eine Gruppe um den ehemaligen WASG-Sprecher Lorenz Gösta Beutin, der am Sonntag schließlich auch zum Landessprecher der Partei gewählt wurde. Beutin ist den Parteioberen in Berlin nicht nur wegen der Satzungsdiskussion suspekt. Der 29Jährige hatte sich schon in der Vergangenheit vehement für eine stärkere Berücksichtigung des Mitgliederwillens starkgemacht. Er steht für einen klaren Oppositions- und auch Friedenskurs.

Das bekam am Sonntag in Kiel vor allem der anwesende Parteichef Lothar Bisky zu spüren. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte er erklärt, daß er das »absolute Nein« seiner Partei zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr inzwischen ablehne. Das veranlaßte Beutin, einen Antrag an die Delegierten des Landesparteitages vorzubereiten, in dem Biskys Position zurückgewiesen werden sollte. Die Debatte konnte am Sonntag nur entschärft werden, weil Bisky schließlich erklärte, die FAZ habe ihn falsch zitiert.
Zur neuen Landessprecherin gewählt: Antje Jansen
Bei den Wahlen zum Landesvorstand kam es zu einer Reihe von Kampfkandidaturen, bei denen sich der Parteilinke Beutin als bekennender »Sozialist« deutlich durchsetzen konnte. Zur zweiten Vorstandssprecherin wurde Antje Jansen gewählt, die ebenfalls für eine klare friedenspolitische Haltung steht. Die langjährige Lübecker Bürgerschaftsabgeordnete war Vorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein, verließ die Partei aber 1999 wegen der deutschen Beteiligung am Jugoslawien-Krieg unter SPD-Grüner Flagge. Heute ist Die Linke für Jansen die einzige Alternative »zur neoliberalen und Kriegspolitik« der etablierten Parteien.Bettina Jürgensen, Landesvorsitzende der DKP, überbrachte die Grüße ihrer Partei

Mit großem Applaus wurde das Grußwort der Landesvorsitzenden der DKP, Bettina Jürgensen, bedacht, die auf eine gute Zusammenarbeit orientierte.

Verwendung: Junge Welt vom 4. September 2007
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12. April 2007

Wilhelm_Achelpöhler»Grüne Friedensinitiative« will durchsetzen, daß in der ehemaligen Antikriegspartei wieder über Friedenspolitik diskutiert wird. Ein Gespräch mit Wilhelm Achelpöhler

Der Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler ist Sprecher des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen in Münster

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat den Ostermarschierern Schwarzweißmalerei vorgeworfen. Das Militärische würde durch die Friedensbewegung zu pauschal abgelehnt, hieß es. Einige Grünen-Politiker haben deshalb am Ostermontag die »Grüne Friedensinitiative« (GFI) gegründet. Was ist deren Ziel?

Wir wollen die Debatte um friedenspolitische Alternativen wieder voranbringen, denn in der Friedensbewegung liegen die Wurzeln unserer Partei. Dafür stehen ja auch Namen, wie etwa Petra Kelly. Dafür steht aber auch unser jahrelanger Kampf gegen die Nachrüstung und für Abrüstungsinitiativen. Wenn Claudia Roth diese Traditionen jetzt negiert, so verdeutlicht das eine unheilvolle Entwicklung in unserer Partei. Als GFI betonen wir hingegen: Wir stehen in der Tradition dieser Ostermärsche. Wir sind gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir wollen, daß auch bei den Grünen wieder mehr über Friedenspolitik diskutiert wird.

Sie sind Mitglied einer Partei, die nicht nur den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien, sondern auch den ebenso völkerrechtswidrigen Bundeswehreinsatz in Afghanistan gebilligt hat. Auf dem Rostocker Parteitag im November 2001 stimmten 80 Prozent aller Delegierten dem Militäreinsatz in Afghanistan zu. Das ist doch kaum noch zu wenden?

Kurzfristig nicht. Ob es langfristig möglich ist, weiß ich nicht. Ein wichtiger Unterschied zu den 80ern besteht ja darin, daß sich die weltpolitischen Konstellationen grundlegend verändert haben. Heute geht es auch um die Außenpolitik Deutschlands. In den 80er Jahren kritisierten wir die Politik der USA und des Warschauer Paktes. Die Kritik an der eigenen Außenpolitik ist aber deshalb sehr schwierig, weil dies mit einer Denkblockade verbunden ist. Es wird gesagt, daß nur diejenigen regierungsfähig sind, die diese Militäreinsätze der NATO billigen. Das ist ein sehr merkwürdiges Verständnis unserer parlamentarischen Demokratie. Denn im Grunde wird damit gesagt, daß es zwar Wahlen gibt, daß sich an der Politik, zumindest an der Außenpolitik, aber nichts verändern darf.

Sie haben sich eine große Aufgabe gestellt, denn alle Umfragen zeigen, daß die Zustimmung zu den Kriegseinsätzen unter den Anhängern Ihrer Partei besonders groß ist.

Das liegt doch auch daran, daß über Alternativen kaum noch nachgedacht und diskutiert wird. Wenn aber nun am Samstag im Länderrat der Grünen über einen Antrag des Bundesvorstandes diskutiert wird, mit dem dieser die Fortsetzung des ISAF-Einsatzes in Afghanistan billigen will, soll es anders sein. Wir werden dann darauf hinweisen, daß derjenige, der zum ISAF-Einsatz ja sagt, auch ja zum Einsatz der »Tornado«-Flugzeuge sagt.

Ihr Kreisverband gilt als links. Doch im Bundestag werden Sie durch Winfried Nachtwei vertreten. Der war nicht nur für den Militäreinsatz in Jugoslawien, sondern er hat auch dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan zugestimmt. Wie paßt das zusammen?

Winni und ich sind hier unterschiedlicher Meinung, so wie sich sicher auch die Mitglieder unseres Kreisverbandes in dieser Frage nicht einig sind. Auch wenn Winni nicht immer die Mehrheit auf seiner Seite hatte, so wird er doch sicher von einer ganz großen Mehrheit des Kreisverbandes respektiert, mich eingeschlossen.

Wen vertritt die GFI dann aber eigentlich?

Daß wir mit unseren Positionen in der Minderheit sind, wissen wir selbst. Unsere Grundsatzkritik ist ja erst der Einstieg in eine neue Debatte. Völlig verloren hätten wir dann, wenn selbst eine solche Kritik nicht mehr möglich wäre.

Doch was verbindet Sie dann noch mit dieser Partei? Etwa die Sozialpolitik?

Ich bin seit 1980 dabei. Es gibt ja eine ganze Reihe von Themen, wie etwa beim Klimaschutz, bei denen ich mit meiner Partei sehr konform bin. In sozialpolitischen Fragen bin ich allerdings auch in der Minderheit. Und überhaupt: Was ist ein Ketzer ohne seine Kirche? Münster war schon immer ein Nest von Wiedertäufern.

Nähere Infos unter www.gruene-friedensinitiative.de

Verwendung: Junge Welt



28. März 2007

Außenminister treffen sich am Wochenende in Bremen. Breites Bündnis mobilisiert dagegen

Bremen ist immer eine Reise wert. Das dachten sich nicht nur die Stadtmusikanten, sondern auch die EU-Außenminister. Doch anders als die Märchenfiguren, die gegen Räuber vorgingen, wollen die Außenminister am Samstag und Sonntag beraten, wie sie ihre Macht gegenüber ärmeren Ländern noch besser durchsetzen können. Es geht um eine gemeinsame Sicherheitspolitik, eine neue EU-Verfassung und die Haltung Europas zu den Raketenplänen der USA. Und auch das Verhältnis Europas zur neuen Palästinenser-Regierung steht auf der Tagesordnung der zweitägigen Konferenz.

Ein »Bremer Bündnis« macht gegen das Außenministertreffen Front. Die Protestaktionen beginnen am Freitag um 19.30 Uhr im DGB-Haus. Organisiert von der Bildungsgemeinschaft SALZ und dem Bremer Friedensforum will dort die Bundestagsabgeordnete der Linken, Inge Höger, am Beispiel des Umbaus der Bundeswehr zur Interventionsarmee über die militärpolitischen und strategischen Ziele der EU-Länder sprechen. Daß sich die EU dabei zunehmend als Machtblock der Herrschenden bewährt, ist Thema des parteilosen linken Europaabgeordneten Tobias Pflüger. Um eine historische Einordnung dieser Entwicklung geht es schließlich Claudia Haydt von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. Unterstützt wird die Veranstaltung auch von der Bremer WASG, der DKP und der Linkspartei.

Gegen Rassismus, Militarisierung und soziale Ausgrenzung richtet sich die Demonstration am Samstag. Sie steht unter dem Motto »Zäune angreifen« und beginnt um elf Uhr am Goetheplatz. Zäune wird es in der Tat geben: Nicht nur das Tagungshotel, sondern auch der Rathausbereich sollen bereits am Freitag durch einen 1 800 Meter langen Sicherheitszaun hermetisch abgeriegelt werden.

Verwendung: Junge Welt
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9. März 2007

Bremer Mahnwache für den Frieden feierte gestern 25. Geburtstag. Ein Gespräch mit Ingeborg Kramer

Ingeborg Kramer ist 73 Jahre alt und gehört zu den Mitinitiatorinnen der seit 25 Jahren in Bremen bestehenden Mahnwache für den Frieden

Gemeinsam mit anderen Frauen organisieren Sie nun seit 25 Jahren die Bremer Mahnwache für den Frieden. Wie ist es dazu gekommen?

Unsere Mahnwache, die jeden Donnerstag vor dem Rathaus auf dem Marktplatz stattfindet, ist ursprünglich im Zusammenhang mit der Anti­atombewegung entstanden. So wollten wir unsere Kinder unterstützen, die seinerzeit in Brokdorf und Gorleben demonstrierten. Doch schnell wurde uns dabei klar, daß es einen Zusammenhang zwischen dieser Frage und der Frage der Atombewaffnung gibt. Unsere Aktion wurde deshalb zu einer Mahnwache für den Frieden.

Wer beteiligt sich an der Aktion?

Meist sind wir zehn bis 15 Frauen, wovon die meisten inzwischen auch etwas älter sind. Angefangen hat alles mit einem Kontakt zur Evangelischen Frauenhilfe, heute beteiligen sich Frauen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Schichten. Es sind Christinnen, aber auch Kommunistinnen, die ja schon sehr lange für Frieden und Abrüstung eintreten. Gemeinsam ziehen wir jeden Donnerstag vor das Rathaus. Es gab auch Zeiten, wo unsere Mahnwache täglich stattfand. So war es zum Beispiel während des gesamten Krieges gegen Jugoslawien. Häufig verbinden wir die Mahnwache dann auch mit Unterschriftensammlungen oder der Verteilung von Materialien. Das ist unser Beitrag zur Aufklärung der Menschen.

Wie reagieren die Bremer?

Am Anfang war es manchmal sehr schwierig. Vor allem, wenn ehemalige Kriegsteilnehmer uns regelrecht beschimpften. Da schlug uns sehr viel Distanz und Ablehnung entgegen. Vor allem dann, wenn wir der antisowjetischen Hetze entgegen- und für Versöhnung auftraten. Doch heute überwiegt eher die Zustimmung, und die Leute sagen, das ist gut, daß ihr das macht.

Trotzdem gibt es Kriege mit deutscher Beteiligung, und die Kriegsgefahr wächst weiter. Ist das nicht manchmal frustrierend?

Natürlich. Doch durch die Solidarität in unserer Gruppe und auch die unserer Familien konnten wir uns gegenseitig immer wieder aufrichten.

Was steht heute, am 25. Geburtstag, im Vordergrund Ihrer Aktionen?

Der Widerstand gegen den Einsatz der »Tornados« in Afghanistan, der ja auch Deutschland immer stärker in diesen Krieg mit einbezieht. Wir hinterfragen auch die Funktion unseres Landes als eine große Drehscheibe für den US-Nachschub von Soldaten und Waffen. Ebenfalls wollen wir wissen, warum sich die politischen Führer der Industriestaaten beim G-8-Gipfel eigentlich hinter Mauern verstecken müssen.

Am heutigen Freitag will der Bundestag die deutsche Unterstützung bei der NATO-Frühjahrsoffensive in Afghanistan beschließen. Nur so sei der Wiederaufbau des Landes zu sichern. Was sagen Sie dazu?

Mit immer mehr Soldaten kann doch der Frieden nicht gesichert werden. Im Gegenteil: Dadurch wird es immer schlimmer. Wir sagen den Menschen, daß sie dabei nicht mitmachen dürfen. Meinungsumfragen haben ja bereits ergeben, daß rund 75 Prozent aller Deutschen gegen diesen Einsatz der »Tornados« sind.

So ähnlich ist es auch mit dem Iran, wo die Situation ja unter anderem deshalb immer weiter eskaliert, weil die Politik der USA, aber auch die der Europäischen ­Union und der Bundesregierung, diesem Land kaum noch einen Ausweg läßt. Auch wenn ich selber Kernenergie ablehne, hat das Land natürlich das Recht, diese Kernenergie friedlich zu nutzen.

In Hamburg hat die »Friedens­initiative Wilhelmsburg« der gesamten Friedensbewegung vorgeschlagen, alle Kräfte auf die Forderung nach einem »Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und dem Nahen und Mittleren Osten« zu konzentrieren.

Ich habe die Diskussion mit großem Interesse verfolgt und ich bin sehr dafür, diesem Aufruf zu folgen. Der Einsatz von deutschen Soldaten ist ein offener Bruch des Grundgesetzes, den die meisten Menschen ablehnen. Eine solche Kampagne müßte dann ähnlich laufen wie zum Beispiel in den achtziger Jahren der Kampf gegen den NATO-Doppelbeschluß durch den Krefelder Appell.

Verwendung: Junge Welt
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8. März 2007

Appell an Friedensbewegung, Auslandseinsätze im Nahen und Mittleren Osten in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Gespräch mit Inge Humburg

[dieses Interview führte jW-Redakteurin Wera Richter]

Inge Humburg ist Mitglied der »Friedensinitiative Wilhelmsburg« in Hamburg

Die Hamburger »Friedensinitiative Wilhelmsburg« hat die Friedensbewegung in einem offenen Brief aufgefordert, sich stärker auf bestimmte Fragen zu konzentrieren. Was haben Sie konkret vorgeschlagen?

Wir meinen, daß die Forderung »Abzug der Bundeswehr aus Afgha­nistan und dem Nahen und Mittleren Osten« in den Mittelpunkt der Aktivitäten gerückt werden muß. Alle Anzeichen sprechen für eine Zuspitzung der Lage in der Region: US-Luftschläge gegen den Iran werden propagandistisch und militä-ri­sch vorbereitet, in Irak und Afghanistan sollen die Truppenstärken erhöht werden. Taliban und NATO haben große Frühjahrsoffensiven angekündigt. Die Kriegsereignisse von Georgien bis Somalia, vom Hindukusch bis Palästina stehen in engem Zusammenhang. Es geht um Öl, Gas und Vorherr­schaft. In diese Kriege werden wir durch die Politik der Bundesregierung immer stärker hineingezogen.

Dann soll sich die Kampagne vor allem gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung richten?

Ein Erfolg der Friedensbewegung in diesem Land wäre angesichts der derzeitigen Probleme der US-Regierung ein wichtiger Beitrag gegen die Aus­weitung der Kriege. Deshalb hebt unser Aufruf, den wir als Basis für die Kampagne und für eine Unterschriftensammlung vorschlagen, das Handeln gegen die Politik der jeweils eigenen Regierung hervor. In den USA, in Italien und Großbritannien gibt es sehr erfolgreiche Kampagnen und Massenproteste für den Truppenrückzug. Wir sollten in der BRD unseren Teil beitragen und uns an die Seite der Friedenskräfte in aller Welt stellen.

Was schlagen Sie außer einer Unterschriftensammlung vor?

Wir wollen diese Fragen auf den Ostermärschen und in Vorbereitung des G-8-Gipfels und in Heiligendamm selbst zuspitzen. Die Menschen müssen überall mit den For­derungen nach Truppenrückzug konfrontiert werden. Die Unterschriftensammlung gibt uns die Möglichkeit, mit ihnen in die Diskussion zu kommen. In unserem Stadtteil, einem Arbeiterviertel mit hohem Migrantenanteil, haben wir gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere türkische Kollegen haben oft eine klare Haltung gegen den Krieg. Und wir wollen das Parlament zur Tribüne machen. Die Linkspartei.PDS leistet im Bundestag gute Arbeit. Mit einer Kampagne der Friedensbewegung würde diese auch auf der Straße stärker wahrgenommen werden.

Um die Bundesregierung unter Druck zu setzen braucht es etwas mehr, oder?

Sicher, aber wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur im Kopf gegen den Krieg ist oder es in Umfragen formuliert, sondern sich auch politisch formiert und mit Unterschriftensammlungen, Aktionen und Demonstrationen aktiv wird, sieht das schon anders aus. Erst recht, wenn man berücksichtigt, daß es bei den Kriegskräften im Land widersprüchliche Interessen gibt. Wir können uns nicht damit begnü­gen, die Politik zu kommentieren. Wir müssen, den Anspruch haben, unsere Forderungen durch­zusetzen.

Halten Sie die Forderung nach Rückzug der Bundeswehr momentan wirklich für durchsetzbar?

Ich meine, daß wir mit unserem Aufruf die Köpfe und Herzen von Millionen errei­chen können. Die überwiegende Mehrheit der Menschen ist gegen die Einsätze der Bundeswehr in Afghanistan und anderswo. Sie fürchten eine Ausweitung der Kriege und die möglichen Folgen. Das Thema wird uns wegen der Zuspitzung der Lage, wegen der deutschen EU-Präsidentschaft und des G-8-Gipfels ständig begleiten.

Hat »die Friedensbewegung« auf Ihren Vorschlag reagiert? Sie läßt sich ja nicht gern sagen, was sie zu tun hat, weil die lokalen Gruppen selbst über ihre Schwerpunkte entschei­den sollen.

Die Friedensbewegung ist vielfältig durch die unterschiedlichen weltanschaulichen Zugänge zur Friedensfrage und eine bunte Vielfalt von Aktionsformen. Das ist eine ihrer Stärken und soll es auch bleiben. Aber was spricht dagegen, gemeinsam die Lage einzuschätzen und dann die Kräfte zu bündeln? Unser Vorschlag für eine Kampagne ist ein Angebot zur Diskussion. Aufruf und Forderungen sind offen für Verbesserungen. Wir haben eine Homepage eingerichtet, wo wir die Debatte führen wollen. Wir wollen aber auch zu einem Ergebnis und zur gemeinsamen praktischen Arbeit kommen. Die Ereignisse drängen.

Der Offene Brief an die Friedensbewegung und der Vorschlag für die Kampagne finden sich unter: www.truppenabzug-jetzt.de

Quelle: Junge Welt
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Zum Antikriegstag: Kundgebungen und Demonstrationen in 166 Orten

Zum Antikriegstag am heutigen Freitag hat das Bonner Netzwerk Friedenskooperative bundesweit 166 Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt– deutlich mehr als in den letzten Jahren. Größere Aktionen gibt es in Aachen, Berlin, Bremen, Duisburg, Bonn, Eisenach, Fellbach, Freiburg, Hamburg, Herne, Kaiserslautern, Köln, München, Regensburg, Rostock, Schweinfurt, Schwerte. In vielen weiteren Orten sind zudem Mahnwachen, Kranzniederlegungen, Diskussionsveranstaltungen und Friedensfeste geplant. Für Samstag nachmittag rufen etliche Gruppen dann zur Teilnahme an der jährlichen Gedenkveranstaltung »Blumen für Stukenbrock« auf dem Gelände des sowjetischen Soldatenfriedhofs in Stukenbrock (bei Bielefeld) auf. Dort waren in einem Arbeitslager der deutschen Faschisten etwa 65000 Kriegsgefangene getötet worden.

Seit 1957 erinnern Friedensgruppen, aber auch Gewerkschaften beim Antikriegstag (in den neuen Bundesländern heißt er auch »Weltfriedenstag«) an den Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht auf Polen, der am 1.September 1939 den Zweiten Weltkrieg auslöste. Dieser Anlaß wird auch genutzt, um gegen die Aggression Israels gegen die Palästinenser und den Libanon zu protestierten. Der in Kassel ansässige Bundesausschuß Friedensratschlag fordert neue politische Initiativen unter Einbeziehung aller regionalen Konfliktparteien. Zugleich wird von der Bundesregierung verlangt, keine eigenen Truppen oder Kriegsschiffe in den Nahen Osten zu schicken. Deutsche Soldaten hätten weder dort noch anderswo etwas zu suchen. Gewarnt wird zudem vor einer weiteren Eskalation im Atomkonflikt zwischen den USA und dem Iran.

Auch der Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes ( DGB ) verweist auf diese Konflikte und fordert zugleich humanitäre an Stelle militärischer Hilfe durch die EU. Der DGB setzt sich außerdem für den Abzug der Besatzungstruppen aus dem Irak ein. Die Befriedung des Landes könne nur durch die Vereinten Nationen eingeleitet werden, während die Präsenz ausländischer Truppen zur weiteren Gewalteskalation beitrage. Grundsätzlich plädiert der Gewerkschaftsbund für eine präventive Friedenspolitik, die auch die Hauptursachen der Kriege, also die ökonomischen Interessen, stärker berücksichtigt.

Dieses Thema spielt auch in den Aufrufen regionaler Friedensgruppen eine Rolle. In ihnen werden außerdem die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik scharf kritisiert. So die wachsenden Ausgaben für die Rüstung, die zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr; die anhaltende Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren. Nicht selten münden die Aufrufe deshalb in der Forderung, bei den Militärausgaben zu sparen. Frei werdende Mittel könnten so in soziale und Bildungsprogramme gesteckt werden. Eine bundesweite Unterschriftenkampagne des Friedensratschlags dazu hat bereits begonnen.

Info: www.friedenskooperative.de

www.blumen-fuer-stukenbrock.de

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/09-01/016.php



Rüstungsexpertin als Präsidentin der Hamburger Universität bestätigt

Deutschlands größte Universität wird künftig von einer Raketenforscherin geleitet, der Geschäfte mit der Rüstungsindustrie vorgeworfen werden. Der Akademische Senat (AS) der Universität Hamburg bestätigte am Donnerstag unter lautstarken Protesten mit neun Ja- gegen sechs Nein-Stimmen die Wahl von Monika Auweter-Kurtz, die bisher das Stuttgarter Steinbeis-Transferzentrum für Plasma- und Raumfahrttechnologie leitete. Die studentischen Vertreter im AS wollen die Entscheidung allerdings nicht akzeptieren, da ihrer Ansicht nach die Mehrheit des gesamten AS notwendig gewesen wäre. Vier AS-Mitglieder waren der Sitzung ferngeblieben.

Auweter-Kurtz war von dem neu eingerichteten Hochschulrat nominiert worden, der zur Hälfte mit hochschulfremden Personen wie Ex-Unilever-Chef Johan Lindenberg oder Sparkassenvorstand Harald Vogelsang besetzt ist. Da die Kandidatenauswahl unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, sprachen die Vertreter der Studentenschaft von einem »undemokratischen und autoritären Verfahren.« Bela Rogalla, studentischer Interessenvertreter im AS, sagte, die Ernennung sei ein Schlag ins Gesicht für alle – schließlich orientiere sich die Universität Hamburg am Leitbild der Friedensforschung. Unbestritten sei zudem, daß Auweter-Kurtz im Auftrag des Rüstungskonzerns Bayern-Chemie Protac Raketenbrennkammern der Typhoon-Gefechtsraketen des Eurofighters getestet habe.

Olaf Walther, ebenfalls studentischer Vertreter im AS, lehnte die Ernennung von »Raketen-Moni« auch deshalb ab, weil sie sich für die Einführung von Studiengebühren stark macht. Die würden aber, wie eine Urabstimmung gezeigt habe, von 95 Prozent der Hamburger Studenten abgelehnt.

Proteste gegen das Ernennungsverfahren gibt es auch von außerhalb. Die Linkspartei.PDS wirft der Stuttgarter Professorin vor, eng mit der US-Air-Force und der NASA zusammengearbeitet zu haben. Linkspartei-Landessprecher Horst Bethge befürchtet zudem, daß sich nun auch die Kooperation der Universität Hamburg mit dem Rüstungskonzern EADS verstärkt.

http://www.jungewelt.de/2006/07-28/037.php



Friedensbewegung bereitet Proteste gegen Bush-Besuch in Stralsund vor. Linkspartei-Minister wollen sich an Antikriegsaktivitäten beteiligen – möglicherweise fernab in Greifswald

Während US-Präsident George W. Bush in Camp David und Bagdad in den vergangenen Tagen mit seinen Getreuen das weitere Vorgehen im besetzten Irak beraten hat, haben sich Vertreter der deutschen Friedensbewegung auf die Proteste gegen dessen Besuch in Stralsund verständigt. Die Vorbereitungen für die Staatsvisite in Mecklenburg-Vorpommern Mitte Juli laufen auf Hochtouren. Im Mittelpunkt der Aktionsplanung stehen zwei Demonstrationen, die am 14. Juli in Stralsund stattfinden sollen, wie Monty Schädel, Bundessprecher der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsgegnerInnen« (DFG-VK) am Dienstag gegenüber junge Welt bestätigte. Doch schon für den Abend zuvor sind zahlreiche dezentrale Kundgebungen und Veranstaltungen in über 30 Städten – so etwa in Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Bremen, Dortmund, Bochum, Frankfurt (Main), Potsdam sowie in Essen und Worms – vorgesehen. Wie die Aktionen in Stralsund stehen auch sie unter dem Motto »Not welcome, Mr. President. Bush und Merkel: Kriege beenden – Kriegsplanungen stoppen«.

Während sich die Friedensbewegung sehr einig zeigt, gibt es in der Linkspartei.PDS durchaus unterschiedliche Orientierungen. Für eine Teilnahme an den Aktionen in Stralsund mobilisiert etwa der örtliche Linkspartei-Kreisvorsitzende Marc Quintana Schmidt, der dem »Kriegstreiber Bush« direkt vor Ort entgegentreten möchte. Der Landesvorstand seiner Partei hält das für unrealistisch und möchte deshalb zu einem Friedensfest ins 35 Kilometer entfernte Greifswald einladen. Erfahrungen beim Bush-Besuch in Mainz hätten gezeigt, daß Aktionen vor Ort unrealistisch seien, rechtfertigte Linkspartei-Sprecher Kay Spieß Planungen für Fernabproteste.

Inhaltlich will die Friedensbewegung vor allem die Kriegs- und Hegemonialpolitik der US-Administration sowie die »arrogante Machtpolitik« des Präsidenten angreifen. Von der Bundesregierung verlangt sie, mögliche Kriegsaktionen gegen den Iran nicht zu unterstützen. Bisher leiste die Bundesregierung aber »beträchtliche Hilfe für den Kriegskurs der USA«, heißt es in dem Demonstrationsaufruf (siehe unten). Vor allem die »Komplizenschaft mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak« müsse sofort beendet werden. Leider sei nun zu befürchten, daß das Treffen in Stralsund als »Kriegsrat« mißbraucht werde, damit Bush und Merkel dort ihre nächsten Schritte im Konflikt mit Iran abstimmen könnten, sagte dazu Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag. Der Protestprofi wies in diesem Zusammenhang auf »nationale Interessen« Deutschlands hin, Konflikte auch militärisch zu lösen, weshalb sich die Friedensbewegung auch klar von Aktionen der NPD abgrenze, die den Bush-Besuch selbst für ihren Landtagswahlkampf nutzen möchte.

Unterschiedliche Haltungen ruft unterdessen die Aktionsorientierung der Linkspartei.PDS hervor. Während DFG-Mann Schädel auf die Mitarbeit der örtlichen PDS im Friedensbündnis, aber auch auf bundesweite Beschlüsse der Friedensbewegung, in Stralsund zu demonstrieren, hinwies, zeigten sich Friedensgruppen aus Hamburg von der Linkspartei irritiert. Deren Aktivisten warnen davor, daß das Greifswalder Friedensfest durch die zuständigen Versammlungsbehörden auch als Einladung dafür mißverstanden werden könnte, Stralsund selbst für Demonstrationen zu blockieren. Positiv ist immerhin, daß sich – so Linkspartei-Sprecher Spieß – die eigenen Minister an Protesten beteiligen werden.

http://www.jungewelt.de/2006/06-14/006.php

Not welcome, Mr. President!
jW dokumentiert Aufruf der Friedensbewegung

* Am Wochenende trafen sich Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher bundesweiter Friedensorganisationen und lokaler Friedensinitiativen in Berlin, um gemeinsame Aktivitäten anläßlich des Besuchs von US-Präsident Bush in Stralsund zu planen. Der zentrale Aufruf zu Protesten steht unter dem Motto »Not welcome, Mr. President Bush und Merkel: Kriege beenden – Kriegsplanungen stoppen!«

Wir empfangen US-Präsident Bush bei seinem Besuch am 14. Juli 2006 in Stralsund mit gebührend breitem Protest. Seine arrogante Machtpolitik wird mittlerweile von einem Großteil der Gesellschaft in den USA abgelehnt. Auch hier muß ihm deutlich gemacht werden, daß er nicht willkommen ist.

Von der Gastgeberin, Bundeskanzlerin Merkel, verlangen wir, daß sie keine Kriegsaktionen gegen den Iran unterstützt. Alle bisherigen Versuche, politische Probleme militärisch zu lösen, sind opferreich gescheitert. Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein! Ein Krieg gegen Iran würde nicht nur viele Menschenleben kosten und die Infrastruktur des Landes zerstören. Die Zivilgesellschaft, die in Frieden und frei von Unterdrückung, solidarisch und demokratisch leben will, würde zerschlagen werden. Dennoch läßt die US-Regierung keinen Zweifel daran, den Iran militärisch angreifen zu wollen.

Selbst den Einsatz eigener Atomwaffen will sie nicht ausschließen. Widerspruch aus Europa kann diese Pläne verhindern. Die Bundesregierung leistete bereits beträchtliche Hilfe für den Kriegskurs der USA: durch die Nutzung der hier gelegenen Militärflughäfen, durch die Bewachung der US-Militäreinrichtungen; durch den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und am Horn von Afrika sowie durch die Ausbildungs- und Materialhilfe für irakische Truppen. Diese Komplizenschaft muß beendet werden!

Die Bundesregierung hat erstmals im Krieg gegen Jugoslawien 1999 das völkerrechtlich verbindliche und im Grundgesetz verankerte Verbot des Angriffskrieges gebrochen. Sie betreibt zielstrebig den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee. Mit dem angekündigten neuen »Weißbuch« des Verteidigungsministers Jung sollen der »Verteidigungsfall« umdefiniert und weltweite Kampfeinsätze der Bundeswehr gerechtfertigt und zum Normalfall erklärt werden. Innenpolitisch begleitet den sogenannten »Kampf gegen den Terror« ein zunehmender Abbau sozialer Leistungen und demokratischer Rechte. Bald soll die Bundeswehr auch im Inneren eingesetzt werden. Die Fußballweltmeisterschaft dient als erster Probelauf.

Innenminister Schäuble will durch Folter beschaffte Informationen verwerten und so das weltweite Folterverbot durchlöchern. Die US-Regierung braucht die europäischen Staaten als enge Verbündete für ihre »Koalition der Willigen«, um weitere »Kriege gegen den Terror« führen zu können. Aber die Kriege der USA sind selbst Terror und Quelle immer neuer Gewalt. Tatsächlich geht es ihnen um die Kontrolle der wichtigsten Öl-und anderer Energiequellen im Nahen und Mittleren Osten bis nach Zentralasien.

Wir fordern:

– Kein Krieg gegen den Iran
– Abzug der Besatzungstruppen aus Irak und Afghanistan
– Schluß mit der Beteiligung von NATO, EU und Bundeswehr an den Kriegen weltweit
– Bestrafung aller Verantwortlichen für Folter, Mißhandlung von Gefangenen und Angriffen gegen Zivilisten
– Eine Atomwaffenfreie Zone in der Region des Nahen und Mittleren Ostens
– Eine neue internationale Initiative zu weltweiter systematischer atomarer Abrüstung, wie im Atomwaffensperrvertrag festgelegt
– Einrichtung einer ständigen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten
– Keine Kriege um Öl oder andere Ressourcen: Ausstieg aus Atom- und fossiler Energie, Einstieg in erneuerbare Energien

Dafür treten wir ein:

Um die drängenden Probleme der Menschen global friedlich lösen zu können, braucht die Welt keine Kriegsallianzen, wie sie z.B. bei den G-8-Gipfeln geschmiedet werden, sondern Abrüstung und solidarische Zusammenarbeit. Wir wollen die Respektierung des Völkerrechts, staatlicher Souveränität und Grenzen sowie ein ziviles und soziales Europa mit der Verpflichtung zur Abrüstung. Wir brauchen vorrangig öffentlich geförderte Arbeitsplätze und Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit und Umweltschutz. Dafür werden wir gemeinsam am 14. Juli in Stralsund und am 13. bzw. 15. Juli überall im Land demonstrieren!

http://www.jungewelt.de/2006/06-14/008.php



Bush-Besuch Mitte Juli wird vom größten Polizeieinsatz in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns begleitet

Um den geplanten Besuch von US-Präsident George W. Bush am 13. /14. Juli in Stralsund gibt es erneut heftigen Streit. So forderte am Freitag die Fraktionschefin der Linkspartei.PDS im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Angelika Gramkow, die Bundesregierung auf, die Kosten für die Sicherheit zu übernehmen. Bush sei im Juli schließlich nicht auf Einladung der Landesregierung, sondern der Bundesregierung im Land. Ähnlich äußerte sich auch Landesinnenminister Gottfried Timm (SPD).

Doch solche Debatten hält Mecklenburgs CDU-Generalsekretär Lorenz Caffier für »kleinkariert«. Wer wie Timm und Gramkow eine öffentliche Debatte über die Kosten der Sicherheit führe, zeige nur, daß ihm der Besuch des US-Präsidenten eigentlich nicht passe. Immerhin 15000 Einsatzkräfte will die Landesregierung nach den Planungen ihres Innenministeriums für die Sicherheit des Merkel-Gastes aufbringen, was auf den größten Polizeieinsatz in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns hinausläuft.

Bürger und Touristen werden ebenfalls ihren Beitrag leisten. Diese allerdings eher unfreiwillig, wenn am 13. und 14. Juli ganze Stadtbezirke hermetisch abgeriegelt werden. Betroffen ist jedoch nicht nur Stralsund, sondern auch Rostock, wo das Flugzeug mit dem Präsidenten am 13. Juli landen wird. Schon einen Tag zuvor sind aber die 15000 Sicherheitskräfte im Einsatz, zu denen nicht nur 7000 Bereitschaftspolizisten zählen, sondern auch Sondereinsatzkommandos, Hubschrauberbesatzungen, Präzisionsschützen, Spürhunde und Taucher. Mit dabei sind ebenfalls 33 Notärzte und 83 Rettungssanitäter sowie 13 Polizeiseelsorger.

Das aber kann Mecklenburg-Vorpommern allein nicht wuppen, weshalb Timm sich nun an seine Amtskollegen in den übrigen Ländern wandte. Diese sollen, wie auch die Bundesregierung, ihren Teil zur Sicherheit des US-Präsidenten aufbringen. Dabei wird Mecklenburg-Vorpommern Mitte Juli nicht nur mit eigenen Kräften in ein Notstandsgebiet verwandelt, sondern auch durch Sicherheitskräfte, die Bush selbst mitbringt. Von 800 bis 1200 Spezialkräften ist die Rede, die ihren obersten Chef auf Schritt und Tritt begleiten werden. Es geht um rund 400 Straßenkilometer, an denen vielerorts Kanaldeckel und andere potentielle Schlupflöcher unliebsamer Kameraden zugeschweißt werden sollen. Nur den geringsten Teil dieser Straßen wird Bush wirklich sehen, denn eigentlich wird er zwischen Rostock und Stralsund mit dem Hubschrauber befördert. Bei den Straßen handelt es sich vor allem um »Ausweichstrecken«, die gesichert werden sollen.

Begründet wird dieses Sicherheitsspektakel angeblich unter anderem mit den geplanten Protestaktionen der Friedensbewegung, die für den 14. Juli zur Demonstration gegen Bush in Stralsund aufruft. Schon am Tag zuvor soll es auch in anderen Bundesländern wie in Berlin zu regionalen Kundgebungen kommen. Die »Koalition der Unwilligen«, wie sich etwa ein regionales Aktionsbündnis in Berlin genannt hat, will für die Teilnahme an der Demo in Stralsund auch eigene Busse anmieten.

http://www.jungewelt.de/2006/06-10/035.php



2 Kommentare

Am Pfingstwochenende sind über den Leipziger Flughafen rund 400 US-Soldaten in Nachschubgebiete für den Irak- und Afghanistan-Krieg transportiert worden. Dies bestätigte Volker Külow, Mitglied des sächsischen Landtages für die Linkspartei.PDS, am Dienstag gegenüber junge Welt. Er bewertete das als einen »klaren Verstoß« gegen den 1990 geschlossenen Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der den Transport von NATO-Truppen über das frühere Gebiet der DDR ausdrücklich ausschließt. Doch nun seien derartige Truppentransporte in Leipzig unter anderem durch Fotos nachgewiesen worden, sagte Külow, der zugleich ankündigte das Thema nun auch in den Landtag zu bringen. Dort solle die Staatsregierung die Parlamentarierer »lückenlos« aufklären.

Bereits in der vorigen Woche hatte der Nachrichtendienst »German-for­eign-Policy« auf solche Truppentransporte hingewiesen, die nach Angaben von Friedensgruppen in Leipzig am 23. Mai stattgefunden hatten. Wie am vergangenen Wochenende waren dafür Flugzeuge des US-Militärlogistikers »World Airways« eingesetzt worden, der US-Soldaten bislang vor allem mit Zwischenstopp über Shannon in Irland in die Kriegsgebiete transportiert hatte. Doch der NATO-Flughafen in Shannon soll geschlossen werden, weshalb Friedensgruppen befürchten, daß Leipzig nun dauerhaft als neue Drehscheibe für das US-Militär genutzt werden könnte. Über Shannon wurden bisher pro Quartal rund 117000 US-Soldaten in die Kriegsgebiete transportiert.

Von einem »Urlaubsdrehkreuz für US-Truppen« sprachen hingegen Vertreter des Leipziger Flufghafens, die offenbar bemüht waren, die Sache herunterzuspielen. Doch auch der reine Rücktransport von US-Truppen nach einem Kriegseinsatz, z.B. in dem kürzlich durch ein Massaker an Zivilisten bekanntgewordenen Haditha, oder in den Heimaturlaub wäre nach dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag rechtswidrig.

Die Nutzung des Leipziger Flughafens für militärische Zwecke hatte unterdessen schon im März begonnen, als Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) dort, wie berichtet, das NATO-Luftdrehkreuz »Strategic Airlift Interim Solution« (SALIS) eröffnete. Doch bislang sprach Jungs Generalstab immer nur vieldeutig von der Schaffung »strategischer Lufttransportkapazitäten für die Streitkräfte«. Die dafür in Leipzig stationierten Großraumtransporter des Typs Antonow An-124-100 würden vorrangig für Materialtransporte eingesetzt, so für den bevorstehenden Einsatz europäischer Truppen im Kongo. Von Truppentransporten durch US-Maschinen war hingegen nicht die Rede.

Noch im März hatte das Verteigungsministerium erklärt: »Es werden in Leipzig-Halle keine NATO- bzw. EU-Truppen stationiert. Die Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle als Be- und Entladeort wird eher die Ausnahme darstellen.«

Als nun erste Maschinen auch von World Airways in Leipzig auftauchten, hieß es, daß diese Maschinen dort nur betankt werden. Inzwischen hat Flughafensprecher Uwe Schuhart die Truppentransporte von US-Soldaten bestätigt, die er allerdings verharmlosend als »Urlaubsflüge« bezeichnete, die ab 1.Juli regelmäßig stattfinden sollen.

Fast 1,3 Milliarden Euro öffentliche Fördergelder – so Linkspartei-Abgeordneter Külow – haben der Bund, das Land und die Stadt Leipzig in den vergangenen Jahren in den Ausbau des sächsischen Airports gesteckt. Doch wie sich nun herausstellt offenbar nicht nur für die Förderung der Zivilluftfahrt, sondern für militärstrategische Zielsetzungen.

http://www.jungewelt.de/2006/06-07/055.php



Hamburg. In Hamburg macht die Friedensbewegung gegen einen eventuellen Luftangriff der USA auf den Iran mobil. Dafür verabschiedeten am Donnerstag abend rund 150 Friedensaktivisten in Hamburg einen ersten Aufruf. »Wir haben keine Sympathie für das iranische Regime«, heißt es darin; doch ein Krieg »wäre ein Verbrechen«. Eine erste Protestkundgebung gegen den drohenden Krieg soll bereits am heutigen Samstag um 13 Uhr am Bahnhof Altona stattfinden. (ag)

http://www.jungewelt.de/2006/03-25/044.php



Militaria-Sammlung der Stamm-Stiftung soll im Hafen ausgestellt werden. Stadt zahlte 30 Millionen Euro für Speicherumbau und verzichtete auf Mitspracherecht

Am Mittwoch abend fand im völlig überfüllten Kaisersaal des Hamburger Rathauses eine Anhörung des Kulturausschusses der Bürgerschaft zum neuen »Schiffahrts- und Marinemuseum« der Peter-Tamm-Stiftung statt. Das Museum soll 2007 im historischen Kaispeicher B des Hafens eröffnet werden. Die Umbaukosten hatte die Stadt durch einen Zuschuß von 30 Millionen Euro bereits übernommen.

Während Bürgermeister Ole von Beust (CDU) dies als weitere Perle seiner Standortpolitik feierte, kam aus der Friedensbewegung heftige Kritik, denn im neuen Museum soll die private Militaria Sammlung von Peter Tamm ausgestellt werden. Befürchtet wird ein Wallfahrtsort für rechte und militaristische Kreise. Auf der Anhörung mit den Stiftungsvertretern sollten die Befürchtungen widerlegt werden. Doch während Tamm nicht mal erschienen war, hatte auch Stiftungsgeschäftsführerin Russalka Nikolov dazu nur wenig zu sagen. Nicht die Militaria-Sammlung und ihre Einbindung in ein Museumskonzept stand im Mittelpunkt ihrer Ausführungen, sondern die Gestaltung eines Empfangsbereichs. Deutlich sagte Nikolow, daß es ein Mitspracherecht der Stadt für das Museumskonzept nicht gäbe. Dies sei vertraglich ausgeschlossen. Der hilflose Ausschuß will nun weiter beraten.

Faschistische Symbole

Militaria- und Marineexponate hat der heute 77jährige ehemalige Springer-Geschäftsführer Tamm jahrzehntelang gesammelt. Es sind bis heute einige zehntausend Exponate. Unter ihnen 27000 Schiffsmodelle, unzählige Waffen, aber auch Uniformen sowie Vitrinen voller Großadmiralsstäbe. Gesammelt hat Tamm auch Dokumente zur Seekriegsstrategie des ehemaligen deutschen Großadmirals und Oberbefehlshabers der faschistischen Seekriegsflotte, Karl von Dönitz. Ebenfalls solche des britischen Flottenführers Admiral Horatio Nelson, der 1805 die vereinten Seestreitkräfte von Frankreich und Spanien versenkte. Zur Sammlung gehören die Kriegsbilder von Willy von Stöwer, Marinemaler von Kaiser Wilhelm II. Doch der Schwerpunkt liegt in der Zeit des Faschismus, und nirgendwo sonst findet man eine so große Ansammlung von Hakenkreuzen und Zeugnissen aus der Nazizeit wie im Haus von Tamm. Als Eigentümer eines Verlags gibt Tamm aber auch Kriegsliteratur unter Titeln wie »Deutsche Kampfschwimmer im Zweiten Weltkrieg« oder »Seekrieg im Ärmelkanal« heraus.

Vertrag für 99 Jahre

Bereits im Februar 2004 hatte die Hamburger Bürgerschaft den 30-Millionen-Zuschuß zum Umbau des Kaispeichers, der im Juni 2005 begann, bewilligt. Vertraglich wurde der Tamm-Stiftung eine Nutzung des Speichers (15000 Quadratmeter) ohne jeglichen Mietzins für 99 Jahre zugesichert. Die Friedensbewegung hat mit Aktionen und Kampagnen auf die Pläne reagiert und inzwischen auch Politiker der SPD und der Grünen erreicht. Die Bürgerschaftsabgeordnete Luisa Fiedler (SPD) stellte am Mittwoch die Frage, welchen Sinn es etwa habe, im neuen Museum den Marschallstab »des verurteilten Kriegsverbrechers Dönitz« zu zeigen. Doch diese Frage blieb genauso unbeantwortet wie die 57 Detailfragen aus der Hamburger Friedensbewegung, die diese schriftlich vorgelegt hatte. Die Tamm-Stiftung macht, was sie will, denn Bürgerschaft und Senat haben sich vertraglich um jede Einflußmöglichkeit gebracht.

http://www.jungewelt.de/2006/02-10/020.php