8. März 2007

Appell an Friedensbewegung, Auslandseinsätze im Nahen und Mittleren Osten in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Gespräch mit Inge Humburg

[dieses Interview führte jW-Redakteurin Wera Richter]

Inge Humburg ist Mitglied der »Friedensinitiative Wilhelmsburg« in Hamburg

Die Hamburger »Friedensinitiative Wilhelmsburg« hat die Friedensbewegung in einem offenen Brief aufgefordert, sich stärker auf bestimmte Fragen zu konzentrieren. Was haben Sie konkret vorgeschlagen?

Wir meinen, daß die Forderung »Abzug der Bundeswehr aus Afgha­nistan und dem Nahen und Mittleren Osten« in den Mittelpunkt der Aktivitäten gerückt werden muß. Alle Anzeichen sprechen für eine Zuspitzung der Lage in der Region: US-Luftschläge gegen den Iran werden propagandistisch und militä-ri­sch vorbereitet, in Irak und Afghanistan sollen die Truppenstärken erhöht werden. Taliban und NATO haben große Frühjahrsoffensiven angekündigt. Die Kriegsereignisse von Georgien bis Somalia, vom Hindukusch bis Palästina stehen in engem Zusammenhang. Es geht um Öl, Gas und Vorherr­schaft. In diese Kriege werden wir durch die Politik der Bundesregierung immer stärker hineingezogen.

Dann soll sich die Kampagne vor allem gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung richten?

Ein Erfolg der Friedensbewegung in diesem Land wäre angesichts der derzeitigen Probleme der US-Regierung ein wichtiger Beitrag gegen die Aus­weitung der Kriege. Deshalb hebt unser Aufruf, den wir als Basis für die Kampagne und für eine Unterschriftensammlung vorschlagen, das Handeln gegen die Politik der jeweils eigenen Regierung hervor. In den USA, in Italien und Großbritannien gibt es sehr erfolgreiche Kampagnen und Massenproteste für den Truppenrückzug. Wir sollten in der BRD unseren Teil beitragen und uns an die Seite der Friedenskräfte in aller Welt stellen.

Was schlagen Sie außer einer Unterschriftensammlung vor?

Wir wollen diese Fragen auf den Ostermärschen und in Vorbereitung des G-8-Gipfels und in Heiligendamm selbst zuspitzen. Die Menschen müssen überall mit den For­derungen nach Truppenrückzug konfrontiert werden. Die Unterschriftensammlung gibt uns die Möglichkeit, mit ihnen in die Diskussion zu kommen. In unserem Stadtteil, einem Arbeiterviertel mit hohem Migrantenanteil, haben wir gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere türkische Kollegen haben oft eine klare Haltung gegen den Krieg. Und wir wollen das Parlament zur Tribüne machen. Die Linkspartei.PDS leistet im Bundestag gute Arbeit. Mit einer Kampagne der Friedensbewegung würde diese auch auf der Straße stärker wahrgenommen werden.

Um die Bundesregierung unter Druck zu setzen braucht es etwas mehr, oder?

Sicher, aber wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur im Kopf gegen den Krieg ist oder es in Umfragen formuliert, sondern sich auch politisch formiert und mit Unterschriftensammlungen, Aktionen und Demonstrationen aktiv wird, sieht das schon anders aus. Erst recht, wenn man berücksichtigt, daß es bei den Kriegskräften im Land widersprüchliche Interessen gibt. Wir können uns nicht damit begnü­gen, die Politik zu kommentieren. Wir müssen, den Anspruch haben, unsere Forderungen durch­zusetzen.

Halten Sie die Forderung nach Rückzug der Bundeswehr momentan wirklich für durchsetzbar?

Ich meine, daß wir mit unserem Aufruf die Köpfe und Herzen von Millionen errei­chen können. Die überwiegende Mehrheit der Menschen ist gegen die Einsätze der Bundeswehr in Afghanistan und anderswo. Sie fürchten eine Ausweitung der Kriege und die möglichen Folgen. Das Thema wird uns wegen der Zuspitzung der Lage, wegen der deutschen EU-Präsidentschaft und des G-8-Gipfels ständig begleiten.

Hat »die Friedensbewegung« auf Ihren Vorschlag reagiert? Sie läßt sich ja nicht gern sagen, was sie zu tun hat, weil die lokalen Gruppen selbst über ihre Schwerpunkte entschei­den sollen.

Die Friedensbewegung ist vielfältig durch die unterschiedlichen weltanschaulichen Zugänge zur Friedensfrage und eine bunte Vielfalt von Aktionsformen. Das ist eine ihrer Stärken und soll es auch bleiben. Aber was spricht dagegen, gemeinsam die Lage einzuschätzen und dann die Kräfte zu bündeln? Unser Vorschlag für eine Kampagne ist ein Angebot zur Diskussion. Aufruf und Forderungen sind offen für Verbesserungen. Wir haben eine Homepage eingerichtet, wo wir die Debatte führen wollen. Wir wollen aber auch zu einem Ergebnis und zur gemeinsamen praktischen Arbeit kommen. Die Ereignisse drängen.

Der Offene Brief an die Friedensbewegung und der Vorschlag für die Kampagne finden sich unter: www.truppenabzug-jetzt.de

Quelle: Junge Welt
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