Verlegerin des Gefangenen Info in Hamburg hat Klage gegen Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz durchgesetzt. Ein Gespräch mit Christiane Schneider
Die Verlegerin Christiane Schneider war bis Februar 2006 auch Landessprecherin der Linkspartei.PDS in Hamburg
Sie konnten vor dem Verwaltungsgericht gerade eine Unterlassungsklage gegen den Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Heino Vahldieck, (CDU) durchsetzen. Worum ging es?
Vahldieck hat am 23. Oktober 2005 in der ZDF-Sendung Mona Lisa behauptet, daß die Zeitung Gefangenen Info, die ich verlege und für die ich auch redaktionell Verantwortung trage, »jegliche Art von politisch motivierter Aktion, auch von gewalttätigen terroristischen Aktivitäten« rechtfertige und ich mich mit den »Tätern identifiziere«. Das haben Millionen Zuschauer gesehen. Weitere Verleumdungen folgten dann im Hamburger Abendblatt sowie in einer Sendung des NDR, wo Vahldieck seine eigenen Behauptungen über meine verlegerische Tätigkeit als Indiz für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der Hamburger Linkspartei.PDS heranzog.
Produziert der Verfassungsschutz nicht fast täglich solche Lügen? Warum haben Sie das Risiko einer Klage auf sich genommen?
Ich bin seit knapp 18 Jahren für das Gefangenen Info zuständig. Dabei stand ich viele Jahre im Fadenkreuz strafrechtlicher Ermittlungen. Fast dreißig Verfahren sind gegen mich geführt worden. Die Vorwürfe haben sich jedoch immer wieder als haltlos erwiesen. Vahldieck hätte dies wissen müssen. Schließlich wird das Gefangenen Info im Hamburger Verfassungsschutzbericht nicht einmal erwähnt. Dann kam hinzu, daß das Hamburger Abendblatt mit der Schlagzeile »PDS-Landessprecherin unter Verdacht« Vahldiecks Behauptungen aufgriff. Die Springer-Presse schlachtete die Vorwürfe aus, um die Linkspartei zu diskreditieren.
Warum richtet sich die Kampagne ausgerechnet gegen das Gefangenen Info?
Bei uns kommen politische Gefangene auch aus der RAF schon seit vielen Jahren zu Wort. Die Meinungsfreiheit gilt auch für sie. Es ging hier also direkt um die Pressefreiheit, die auch kleine und kritische Verlage und Zeitungen schützt. Solche Verleumdungen, die die Zeitschrift in Verruf bringen und mich einschüchtern sollten, müssen nicht widerstandslos hingenommen werden. Dabei geht es nicht, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, darum, ob ein tatsächlicher Schaden entstand, schon die Gefahr einer Schädigung reicht aus.
Viele Linke nehmen solche Verleumdungen aber weitgehend widerstandslos hin. Man hat sich daran fast schon gewöhnt.
Wenn mein Erfolg andere dazu ermuntert, sich gegen Bespitzelungen und Verleumdungen künftig stärker zu wehren, würde ich mich freuen. Ob man klagen sollte, hängt natürlich vom Einzelfall ab, ein solches Verfahren kostet Anstrengungen und womöglich viel Geld. Generell halte ich es aber für notwendig und aussichtsreich, sich auch rechtlich stärker zu wehren.
Was bewegt Sie eigentlich, diese Zeitung noch immer herauszugeben?
Die Auseinandersetzung zwischen der RAF und der Bundesrepublik Deutschland hat über zwei Jahrzehnte angedauert und zu tiefen Erschütterungen in diesem Land geführt. Ich bin in einem Alter, daß ich Zeitzeugin dieser Auseinandersetzungen war. Als das Blatt 1989, im Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF, gegründet wurde, bestand in der Öffentlichkeit an der Aufklärung über diese Geschichte erhebliches Interesse, was sich auch an einer Verkaufsauflage von anfangs fast 10000 Exemplaren zeigte. Die Zeitschrift, die damals und über lange Zeit von den Angehörigen der Gefangenen aus der RAF herausgegeben wurde, erfüllte ein öffentliches Interesse, weil es die Gelegenheit bot, sich über die Motive der politischen Gefangenen aus erster Hand zu informieren.
Das alles ist Jahre her …
Ja, inzwischen sind andere Gründe hinzugekommen. Ich denke an die beunruhigende Entwicklung im deutschen und weltweiten Gefängniswesen, die sich unter anderem in einer Zunahme von Isolations- und Einzelhaft ausdrückt, wo Gefangene 23 Stunden am Tag in ihrer Zelle eingeschlossen werden. Wir beschäftigen uns auch mit den Abschiebegefängnissen und informieren über die Zustände in den USA, wo es zahlreiche politische Gefangene gibt, die oft schon seit 30 oder 40 Jahren im Knast einsitzen. In der deutschen Öffentlichkeit ist dies kaum bekannt.
Das Gefangenen Info kann bezogen werden bei: GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359 Hamburg
http://www.jungewelt.de/2006/10-16/045.php
Wann schenkt Airbus seinen 57 000 Mitarbeitern (22 000 arbeiten allein in Deutschland) endlich reinen Wein ein? Diese Frage beschäftigte in der letzten Woche Airbus-Betriebsräte und Vertrauenskörperleitungen der IG Metall aus ganz Deutschland, die sich dafür zur Krisensitzung in Hamburg versammelt hatten. Nun wollen die Kollegen gemeinsam für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen, ohne sich dabei auf die Standortkonkurrenz ihres Managements einzulassen.
„Wenn einer von uns angegriffen wird, sind wir aber alle angegriffen“, sagte dazu Thomas Busch, stellv. Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats (GBR). „Wir sind nicht bereit, einzelne Auswirkungen aus dem Kostenreduzierungsprogramm ´Power 8´ zu verhandeln, ohne dass wir das gesamte Ausmaß im Airbus-Konzern kennen“, unterstrich dies auch der Hamburger Betriebsratsvorsitzende Horst Niehus, der zudem eine vollständige Offenlegung aller Planungen im Management des Airbus-Mutterkonzern EADS einforderte.
Für die eingeforderten Verhandlungen hat die Sicherung der Arbeitsplätze in den einzelnen Standorten für die Betriebsräte oberste Priorität. Aber auch um die Qualität ihrer Arbeitsplätze, die Bewahrung arbeits- und sozialrechtlicher Standards sowie die Einhaltung vertraglicher Regelungen über die Arbeitsaufteilung zwischen Deutschland und Frankreich wollen die Betriebsräte kämpfen. Eine notwendige Strategie, denn wie die EADS-Manager Beschäftigte, aber auch Steuerzahler austricksen, wurde spätestens beim Krisengipfel in Berlin klar. Während sich EADS-Co-Chef Tom Enders in Berlin für den Erhalt der Standorte in Hamburg, Nordenham, Bremen, Varel, Buxtehude und auch in Stade aussprach, erklärte Damals-noch-Airbus-Konzernchef Christian Streiff in Paris eher Gegenteiliges. Standortschließungen könnten auch in Deutschland nicht ausgeschlossen werden, verkündete er.
Alle Pläne müssen auf den Tisch, forderte deshalb nun auch der GBR-Vorsitzende Rüdiger Lütjen, der aber durchaus auch Kompromissbereitschaft, etwa bei den Arbeitszeiten, andeutete. Auch dies entspricht einem Positionspapier der Betriebsräte, in dem diese die Globalstrategie von EADS genauso verteidigen, wie etwa die Orientierung des Konzerns auf Großraumraumflugzeuge oder den systematischen Ausbau des Rüstungssegments bei Airbus und EADS. Nur von „Strukturproblemen“ wollte Lütjen reden, die durch Fehlplanungen im Management entstanden seien.
Doch solche Produktionsschwierigkeiten, die zu Lieferverzögerungen beim A 380 und der Airbus-Krise führten, haben durchaus auch etwas mit der EADS-Eigentümerstruktur und dessen vielfacher Abhängigkeit von Rüstungsaufträgen der Regierungen in Berlin und Paris, aber auch in London und Madrid zu tun. Dass etwa 12 Milliarden Euro für die Entwicklungskosten des A 380 übernommen werden konnten, wäre etwa ohne eine gleichzeitige Nutzung solcher Forschungsergebnisse für den Militärtransporter A 400 M, völlig undenkbar gewesen. Doch nun erhöhen sich die Kosten um weitere 5 Milliarden Euro, die an Fluggesellschaften wegen der Lieferverzögerungen zu zahlen sind. Ob dann aber noch der A 380 jemals in die Phase der Serienproduktion tritt, bleibt trotzdem unklar, denn 2007 kann nur ein einziger A 380 ausgeliefert werden, während allein zur Kapitalamortisation mindestens 400 dieser Fluggiganten verkauft werden müssten. Doch sind nur 159 Flugzeuge bestellt und Großabnehmer, wie die Emirate Airline, denken schon jetzt über einen Wechsel zu Boeing nach. Deshalb befürchten nun auch Wirtschaftsanalytiker, dass sich EADS von rund 40 Prozent seiner Airbus-Produktionskapazitäten trennen könnte, was dann vor allem für Hamburg eine Riesenpleite wäre, wo die Stadt fast 1 Milliarde Euro für den Ausbau des Airbus-Ports schon jetzt investiert hat.
Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe wird der Rücktritt von Konzernchef Christian Streiff bekannt gegeben. Der neue Airbus-Chef Louis Gallois will dort weiter machen, wo Streiff aufhörte mit konzernweiter Arbeitsplatzvernichtung. Der sogenannte Sanierungsplan „Power8“ soll „sofort“ umgesetzt werden, was die Zukunft nicht nur der 12 500 Hamburger Airbus-Beschäftigten in Frage stellt. Der notwendige Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze geht also in eine neue Runde.
Quelle: Wochenzeitung „Unsere Zeit“, 13.10.06, Seite 1 (Titel)
Großauftrieb von Neonazis am Samstag in Hamburg geplant
Ganz im Stil der alten SA wollen am Samstag mehrere hundert Anhänger der sogenannten Freien Kameradschaften auf Einladung der örtlichen NPD durch die Hamburger Innenstadt marschieren. Die Anhänger der militanten Neonaziführer Thomas Wulf und Christian Worch wollen unter dem Motto »Nationale Arbeitsplätze statt internationale Profite« aufmarschieren. Front soll so aber auch gegen einige NPD-Gliederungen gemacht werden, die sich, wie etwa in Niedersachsen, als zu »zögerlich und angepaßt« erwiesen hätten. Ein breites antifaschistisches Bündnis ruft unter dem Motto »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« zu Gegendemonstrationen auf.
Diese Aufforderung unterstützen auch die Gewerkschaften. »Mit populistischen Schlagwörtern wollen die Braunen die wachsende Verunsicherung der Menschen angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau für ihre nationalsozialistischen Ziele nutzen und spielen sich als Retter der deutschen Arbeitnehmer und Erwerbslosen auf«, begründete etwa DGB-Lokalchef Erhard Pumm sein Engagement. Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose will ebenfalls an der Gegendemonstration in Hamburg teilnehmen. Dabei müßten auch die »Quellen des gesellschaftlichen Rassismus und der sozialen Demagogie« benannt werden, forderte der Sprecher des »Hamburger Bündnisses gegen Rechts«, Olaf Harms. Die Neonazis würden auch wegen der Umverteilungs- und zunehmenden Kriegspolitik der etablierten Parteien immer stärker.
Die braunen Aufmärsche sind auch Anzeichen für einen heftiger werdenden Machtkampf innerhalb des rechtsextremen Lagers. Wegen der zögerlichen Haltung einiger NPD-Funktionäre, militante Aktionen zu unterstützen, sprach Worch bereits von der Gefahr eines Zerbröckelns der braunen »Volksfront«. Der niedersächsische NPD-Landesverband hatte zuvor untersagt, in seinem Namen zu den Aufmärschen mit aufzurufen, während die Kameradschaften die NPD auch als legale Plattform für ihre eigenen Aktionen nutzen wollen.
Antifa-Demo: Samstag, 10.30 Uhr, Gänsemarkt, www.kueste.vvn-bda.de
http://www.jungewelt.de/2006/10-13/039.php
Enthusiasmus für ein Zusammengehen mit der Linkspartei.PDS läßt nach Ansicht von Beobachtern nach
Ginge es nach dem Willen der Führungselite der Linkspartei.PDS, wäre die Bildung der »Neuen Linken« am besten schon morgen abgeschlossen. Der Anschluß der WASG sei dafür der einzige Weg, so lautete denn auch die Kernaussage eines Rechtsgutachtens, das Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch schon vor Wochen in Auftrag gab. Doch das stößt bei immer mehr Mitgliedern des kleineren Partners übel auf wohl deswegen war ein Kolloquium, das am Sonntag zu diesem Thema in Köln stattfand, besonders gut besucht.
Basis bockt
An der WASG-Basis zeigt sich Widerstand etwa in Bremen, wo etliche Mitglieder des Landesverbandes auf die Bildung einer überparteilichen Wählergemeinschaft für die Bürgerschaftswahlen am 13. Mai 2007 drängen. Doch die Bundesvorstände von Linkspartei und WASG bestehen auf einer Kandidatur auf der Landesliste der Linkspartei. Das aber lehnen viele Bremer WASGler ab, die der Linkspartei angesichts ihres Kurses in Berlin einen Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde in Westdeutschland nicht mehr zutrauen.
Wie der Länderratsdelegierte Heino Berg am Freitag gegenüber junge Welt erklärte, habe die Bremer WASG-Basis eigentlich schon am Sonntag die Bildung einer eigenen Wählergemeinschaft beschließen wollen. Nach einer Intervention des WASG-Bundesvorstandes sei die Mitgliederversammlung jedoch auf den 29. Oktober verschoben worden. Dennoch wollen sich nun Basisaktivisten am Sonntag treffen, um eine Kandidatur vorzubereiten.
Weniger Mitglieder
Die Basisstrukturen der WASG sind inzwischen fast überall (außer im Saarland) deutlich schwächer geworden. Die Zahl der Mitglieder, vor allem aber der Aktiven, geht nach jW-Informationen zurück. Die bevorstehende Fusion mit der Linkspartei läßt die Attraktivität deutlich sinken: Selbst in einem Stadtstaat wie Hamburg war die Beschlußfähigkeit der letzten Mitgliederversammlung nur noch mühsam herzustellen und das, obwohl dort Oskar Lafontaine sprach. Auch das Haushaltsloch im Finanzplan des Bundesvorstandes spricht Bände. Dieser mußte seine Einnahmeplanung nach jW-Recherchen um fast ein Viertel nach unten korrigieren, weil viele Mitglieder keine Beiträge zahlen.
Zunehmende Distanz
Entfremdung von der Linkspartei.PDS bewirkten zudem ihre Regierungsbeteiligung in Berlin sowie ihr katastrophales Ergebnis bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Hinzu kommt, daß der rechte Linkspartei-Flügel die »Reformer« seinen Führungsanspruch angemeldet hat. In einem Positionspapier wurden Themen wie »Haushaltskonsolidierung«, »Erneuerung der Sozialsysteme durch eine Stärkung der Zivilgesellschaft« und die »Begrenzung öffentlichen Eigentums auf unverzichtbare Staatsaufgaben« zu Kernproblemen linker Politik verklärt.
Dagegen hat das Netzwerk Linke Opposition, das sich Anfang Oktober in Felsberg als WASG-Strömung konstituierte, »fünf rote Linien« gezogen. Zu den Bedingungen für die weitere Zusammenarbeit mit der Linkspartei.PDS zählt es u. a. die »Trennung von Amt und Mandat«, den »Verzicht auf Privatisierungen« und »die Nichtbeteiligung an Regierungen, die selbst am Sozialabbau beteiligt sind«. Könne dies nicht durchgesetzt werden, müsse eine neue Urabstimmung her, forderten die rund 100 Teilnehmer der Tagung. Per Briefwahl müßten die WASG-Mitglieder dann entscheiden, ob die Fusion weiter angestrebt wird.
Es sei unwahrscheinlich, daß die Linkspartei.PDS diese »fünf roten Linien« respektiert, sagte die Vorstandsfrau der nordrhein-westfälischen WASG, Edith Bartelmus-Scholich, gegenüber junge Welt. Sollte sie mit ihrer Befürchtung recht haben, dann hat sich das Netzwerk mit seinen Forderungen allerdings schon von der Fusion verabschiedet.
Nach dem Eindruck von Beobachtern nimmt jedenfalls im Hauptquartier der Linkspartei.PDS in Berlin, im Karl-Liebknecht-Haus, kaum noch jemand die WASG richtig ernst. So mancher Funktionär betrachtet die Partei offenbar eher als eine Art Polit-Steinbruch, aus dem sich möglicherweise ein paar tausend neue Mitglieder herausbrechen lassen.
http://www.jungewelt.de/2006/10-13/040.php
1 Kommentar
Hamburg. Etwa 1400 Beschäftigte der »Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten« sind gestern in einen Warnstreik getreten. Ab 9.00 Uhr früh demonstrierten sie durch die Innenstadt, während rund 40 Kitas ganz und weitere 50 teilweise geschlossen blieben, wie ver.di-Betreuungssekretär Guntram Wille gegenüber junge Welt erklärte. Es ist bereits der zweite Warnstreik in diesem Jahr, mit dem die Beschäftigten die Übernahme des Tarifvertrags öffentliche Dienste (TVöD) fordern, nachdem die städtische Gesellschaft aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgetreten war. Sie wollte auf diese Weise Lohnkürzungen um bis zu 30 Prozent durchzusetzen. Nur angemessen bezahlte und zufriedene Beschäftigte könnten aber den Kindern »die Förderung und Fürsorge geben, die sie benötigen«, erklärte Wille, der eine Ausweitung der Aktionen ankündigte, sollten die Arbeitgeber nicht einlenken.
http://www.jungewelt.de/2006/10-13/041.php
Beschäftigte wehren sich gegen Lohnkürzungen. Rückkehr in den Arbeitgeberverband gefordert
In Hamburg hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rund 4000 Beschäftigte in 174 Einrichtungen der »Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten« für den heutigen Donnerstag zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Zuvor war die städtische Gesellschaft auf Druck des Senats aus dem kommunalen Arbeitgeberverband AVH ausgetreten, um so die Beschäftigten nicht mehr nach Tarif bezahlen zu müssen.
Dies aber hat schon jetzt dazu geführt, daß den hauswirtschaftlichen Mitarbeitern Lohnkürzungen von bis zu 30 Prozent aufgebürdet wurden, wie ver.di-Ssekretär Guntram Wille gegenüber junge Welt erläuterte. Doch auch die pädagogischen Mitarbeiter sollen nun auf Lohn verzichten: Neu eingestellte Beschäftigte auf bis zu 300 Euro im Monat. Alteingesessene Mitarbeiter bekommen Abstriche vom Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Alles zusammen läuft das auf durchschnittliche Kürzungen von acht bis zehn Prozent hinaus. Dies will die Geschäftsführung nun im Rahmen einer betrieblichen Vergütungsordnung festlegen. Doch der Betriebsrat verweigert dafür die Zusammenarbeit und besteht auf tariflichen Lösungen.
Mit dem Streik fordern die Beschäftigten die Vereinigung nun auf, in den Arbeitgeberverband zurückzukehren oder den Tarifvertrag öffentliche Dienste (TVÖD) zu übernehmen. Wille ergänzte, daß nur »angemessen bezahlte und zufriedene Beschäftigte« den Kindern in den Kitas die Förderung und Fürsorge geben könnten, die sie benötigen.
Der Warnstreik soll heute früh um neun Uhr beginnen. Im Anschluß ist eine Kundgebung sowie eine Demonstration durch die Hamburger Innenstadt geplant.
http://www.jungewelt.de/2006/10-12/015.php
Hamburger Sozialgericht entschied, daß Widerspruch gegen ALG-II-Kürzung aufschiebende Wirkung haben kann
Das Hamburger Sozialgericht hat Willkürentscheidungen von Jobcentern erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Die 52. Kammer entschied vergangene Woche, daß der per Eilantrag eingelegte Widerspruch gegen Kürzungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) aufschiebende Wirkung hat. Dem Kläger wurde zusätzlich Prozeßkostenhilfe bewilligt. (AZ S 56 AS 1765/06 ER)
Seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze sind Erwerbslose zum Abschluß von sogenannten Eingliederungsvereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) verpflichtet. Darin werden sie entweder zu Ein-Euro-Jobs oder zur Teilnahme an anderen Maßnahmen zwangsverpflichtet, oder es werden »Eigenbemühungen« und Verpflichtungen zur Jobsuche festgelegt. Kommt eine solche »Vereinbarung« nicht zustande, kann die Behörde einseitig Bedingungen diktieren. Erwerbslose sind dabei häufig der Willkür ihrer Fallmanager ausgesetzt, die saftige Kürzungen des ALG II verhängen können, wenn die »Vereinbarung« nicht eingehalten wird oder werden kann. Widerspruch dagegen wurde nicht anerkannt. Diese Praxis ist laut Gerichtsbeschluß aber rechtswidrig, wie Oswald Wilken, Vorsitzender des Ortsverbandes Kirchdorf/Wilhelmsburg des Sozialverbandes Deutschland, junge Welt am Samstag erläuterte.
Das Urteil betrifft einen Klienten Wilkens, der Opfer eines solchen Verwaltungsaktes wurde, weil er die Zustimmung zu einer ihm vorgelegten »Eingliederungsvereinbarung« verweigert hatte. Der Mann erhob dagegen Widerspruch, doch die BA bestand auf ihren Zwangsmaßnahmen. Falls er nicht nachgebe, hieß es, werde das ALG II um 30 Prozent gekürzt.
Das Gericht berief sich auf einschlägige Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Demnach entfalle zwar die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs, wenn es um Leistungskürzungen gehe. Das gelte aber nicht bei »Eingliederungsvereinbarungen«, bei denen der Widerspruch eines Betroffenen bis zur Klärung vor Gericht deren Inkrafttreten verhindere. Leistungskürzungen, die sich auf angebliche oder tatsächliche Pflichtverletzungen beziehen, könnten in einem solchen Fall nicht umgesetzt werden.
Quelle: Rundbrief der BAG-SHI Nr. 3 2006, Seite 28,
vergleiche www.bag-shi.de
Konzernboß Gallois kündigt schmerzhaften Sparkurs an. KfW-Einstieg nicht vom Tisch. Deutschland-Chef soll bleiben
[Der nachfolgende Artikel wurde gemeinsam mit jW-Redakteur Klaus Fischer verfasst]
Der neue Airbus-Lenker Louis Gallois hat aufkeimende Hoffnungen von Belegschaft und Gewerkschaften abgewürgt. Am Dienstag kündigte Gallois einen harten Sparkurs beim größten europäischen Flugzeugbauer an. »Es wird Entlassungen geben«, sagte er dem französischen Radiosender Europe-1. Für konkrete Angaben über das Sanierungsprogramm sei es allerdings noch zu früh. Zunächst wolle man mit den Sozialpartnern beraten.
Neuer starker Mann
Der Airbus-Mutterkonzern EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) hatte am Montag abend den bereits gerüchteweise bekannten Personalwechsel an der Führungsspitze bestätigt. Der Verwaltungsrat akzeptierte den Rücktritt von Christian Streiff und berief Gallois zu dessen Nachfolger. Der 62jährige Sozialist Gallois war erst Anfang Juli an die EADS-Konzernsspitze aufgerückt. Zuvor hatte er sich einen Namen als Chef der französischen Staatsbahn SNCF gemacht, wo er ein knallhartes Sparprogramm ohne großen Widerstand der Gewerkschaften durchsetzen konnte. Vermutlich will der Top-Manager, der auch seinen Chefposten bei EADS behält, dies nun auch bei Airbus versuchen und Betriebsräte sowie Gewerkschaften stärker einbinden.
Vorgänger Streiff hatte sich nur drei Monate an der Airbus-Spitze gehalten. Im Zusammenhang mit den jüngsten Lieferverzögerungen beim Großraumflugzeug A 380 wollte er den Gesamtkonzern umstrukturieren. Dabei sollten politisch gewachsene Strukturen des mit Steuermilliarden aus Deutschland und Frankreich aufgepäppelten Konzerns zerschlagen und u.a. die A380-Produktion vollständig in Toulouse konzentriert werden.
Gallois hingegen sieht das größte Handicap des Konzerns nicht in seinen komplizierten Führungs- und Fertigungsstrukturen. Er macht vor allem die Schwäche des US-Dollar verantwortlich dafür, daß Konkurrent Boeing wieder besser dastehe als Airbus. »Der Dollar ist zusammengebrochen«, so Gallois. Dennoch gab er sich zuversichtlich, daß die Sanierung des europäischen Flugzeugbauers schneller abgeschlossen sein könnte als von seinem Vorgänger Streiff befürchtet. Dieser hatte von einer 15-jährigen Konsolidierungsphase gesprochen. Zumindest an den Börsen wird Gallois Berufung willkommen geheißen. Am Dienstag legte die EADS-Aktie bis Mittag um vier Prozent zu.
Inwieweit die Beschäftigten am größten deutschen Konzernstandort Hamburg jetzt aufatmen können, bleibt abzuwarten. Zwar scheint die Idee, die Montage des A380 aus Hamburg abzuziehen, vom Tisch. Doch auch hier könnte der angekündigte Stellenabbau für Entlassungen sorgen. Als einer der ersten sollte Presseberichten zufolge Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken betroffen sein. Dem drohe der Rauswurf, hieß es in der Welt. Dem langjährigen Manager werden zwar keine direkten Versäumnisse vorgeworfen. Doch gehört Puttfarcken zu den Verantwortlichen, die die Produktionsprobleme in Hamburg seit längerem kannten und dennoch nicht angemessen darauf reagiert haben, hieß es. Die Spekulationen hätten keine Grundlage, sagte Airbus-Sprecher Tore Prang am Dienstag. Puttfarckens Position »stand und steht definitiv nicht zur Disposition«.
Inzwischen hat sich auch der zurückgetretene Streiff zu Wort gemeldet. Die bisherige Organisation innerhalb des EADS-Konzerns habe als Hauptziel, »das subtile Gleichgewicht von Machtmenschen und Postitionen« zu erhalten, so der Exmanager in der Tageszeitung Le Figaro. Dies sei angesichts der schweren Krise, in der sich das Unternehmen befinde, ein großes Hindernis. Airbus sei auch Jahre nach seiner Gründung »zum Teil noch immer eine Nebeneinanderreihung von vier Gesellschaften«, so Streiff.
Berliner Notfallplan
Auch die Bundesregierung scheint dem derzeitigen Burgfrieden bei EADS und Airbus nicht zu trauen. Einem Bericht des Handelsblatts zufolge arbeite Berlin entgegen aller offiziellen Bekundungen an einem Geheimplan, um notfalls beim Airbus-Mutterkonzern EADS einzusteigen. Demzufolge solle die bundeseigene KfW-Bankengruppe im Auftrag von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ein Modell entwickeln, das einen zeitlich befristeten Kauf von EADS-Aktien möglich mache. Die Beteiligung solle so ausgestaltet werden, daß die KfW dafür keine Aktien von Telekom oder Post verkaufen müsse, zitierte das Blatt einen hohen Regierungsbeamten. Die Bundesregierung prüfe gleich mehrere Optionen für den Fall, daß der Autokonzern DaimlerChrysler seinen Anteil an EADS weiter reduziert,wie die Zeitung weiter berichtete. Derzeit hält DaimlerChrysler 22,5 Prozent, hat aber bereits angekündigt, den Anteil auf bis zu 15 Prozent zu verkleinern. In jedem Fall wolle die Bundesregierung verhindern, daß der deutsche Einfluß durch den Rückzug der Stuttgarter sinke, hieß es.
http://www.jungewelt.de/2006/10-11/037.php
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Bildungsgewerkschaftstagung in Hamburg forderte »Schule für alle« als Gegenmodell zur Dreigliedrigkeit
»Länger gemeinsam lernen wir brauchen eine Schule für alle.« Mit der einhelligen Verabschiedung der gleichlautenden »Hamburger Erklärung« endete am Wochenende eine von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) initiierte und von zahlreichen Bündnispartnern getragene bildungspolitische Fachtagung in Hamburg. Auf dieser betonte Hamburgs GEW-Chef Klaus Bullan, Untersuchungen hätten ergeben, wie ungerecht und ausgrenzend das gegenwärtige dreigegliedrige Schulsystem sei.
Nur in Österreich und Deutschland werden Kinder bereits nach der Jahrgangsstufe vier in verschiedene Bildungswege getrennt, während in den Benelux-Ländern eine solche Trennung erst drei, in Frankreich und Italien vier und in Griechenland und Portugal erst fünf Schuljahre später erfolgt. Den Spitzenwert halten die skandinavischen Länder. Hier erfolgt die Trennung der Schüler erst zu Beginn der Berufsausbildung.
»Auch in Deutschland benötigen wir deshalb jetzt eine Schule für alle, in der die Kinder ganztags und von der ersten Klasse bis zum Abitur gemeinsam unterrichtet werden«, forderte Bullan zum Abschluß der Tagung.
Infos: www.gew-hamburg.de
Deutsch-Lette Siegerist steht an der Spitze. Hunderte kamen zur Gründungsveranstaltung
In Bremen hat sich eine neue rechtspopulistische Partei gegründet, die unter dem Titel »Bremen muß leben« bei den Bürgerschaftswahlen am 13. Mai kommenden Jahres antreten und bis zu 20 Prozent aller Wählerstimmen erreichen will. Damit sind Absprachen im rechten Lager passé, wonach in Bremen nur die »Deutsche Volksunion« (DVU) kandidieren und als rechtes Sammelbecken fungieren sollte. Die DVU ist bislang nur im Stadtparlament von Bremerhaven vertreten.
NPD-Anhänger dürften sich im Zweifel eher für die neue Rechtsformation entscheiden, denn bei ihnen gilt die DVU als »kapitalistisch-reaktionäre« Kraft. Zudem ist die neue Partei eine Schöpfung des Chefs der »Deutschen Konservativen« (DK), Joachim Siegerist. Welche Mobilisierungskraft Siegerist in Bremen hat, wurde schon am Freitag abend bei der Gründungsveranstaltung deutlich, zu der Hunderte Anhänger ins Hilton Hotel pilgerten.
Als Bild-Kolumnist, Wahlkampfmanager für CDU-Ministerpräsidenten, Mitbegründer einer »Bürgeraktion für Strauß« sowie Autor reaktionärer Bücher hatte Siegerist schon in den 80er und 90er Jahren Karriere gemacht. 1995 wäre der Deutsch-Lette fast Ministerpräsident von Lettland geworden, wo seine Partei bei den Parlamentswahlen zweitstärkste Kraft des Landes wurde. Für antikommunistische und nationalistische Veranstaltungen konnte Siegerist zuvor bis zu 140000 Menschen mobilsieren. »Anständig konservativ« soll nun auch sein neues rechtes Sammelbecken in Bremen sein, das den Zweistädtestaat dann »sicher, sauber und schuldenfrei« machen will. Siegerist ist mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestraft.
Nicht nur die rechte Szene, sondern auch Anhänger von SPD und CDU sollen im Mai für die neue Rechtspartei mobilisiert werden. Wohl deshalb standen auf der Gründungsveranstaltung auch eher Sachthemen, wie der »Kampf gegen Multi-Kulti« oder die Lösung der prekären Finanzlage, im Vordergrund. Als Festredner erschien der Siegener Volkswirtschaftsprofessor Bernd-Thomas Ramb, der untersuchen will, ob und wie man die Verursacher der Bremer Finanzkrise »persönlich haftbar« machen kann. Zudem sollen Stellen im öffentlichen Dienst und die Sozialausgaben gekürzt, der Sicherheitsetat aber soll aufgestockt werden.
http://www.jungewelt.de/2006/10-10/038.php
Recht auf Bildung: Hamburger Rektoren verweigern Herausgabe von Daten für Zentralregister
In Hamburg nimmt der Widerstand gegen ein neues zentrales Schülerregister (ZSR) zu, das die Bürgerschaft erst im letzten Jahr beschlossen hatte, um so von Verwahrlosung bedrohte Kinder besser zu schützen. Doch trotz dieser Absicht, hat bisher nur ein Drittel aller Schulen Daten abgeliefert. Ursprünglich sollte das Register schon Anfang Oktober komplett sein. Doch viele Lehrer verweigern die Herausgabe um Schüler zu schützen.
Warum sich etliche Hamburger Schulleiter weigern, Daten für das geplante zentrale Schulregister herauszugeben, kam erst vor einigen Tagen heraus. Ein Rektor hatte sich anonym an das »Hamburger Abendblatt« gewandt.
Seit mindestens 15 Jahren werden demnach in etlichen Hamburger Schulen auch Kinder unterrichtet, deren Eltern keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Weil aber auch diese Kinder ein »Recht auf Bildung« haben, hätten er und seine Kollegen, die Kinder nicht bei der Ausländerbehörde gemeldet. Greife nun aber das neue Register, würden betroffene Eltern ihre Kinder wieder von der Schule nehmen, um nicht entdeckt und abgeschoben zu werden, befürchtete der Rektor.
Reihenweise schlossen sich daraufhin weitere Pädagogen dieser Stellungnahme an, die auf viele Hundert solcher Fälle aufmerksam machten. Scharf reagierte daraufhin Schulsenatorin Alexandra Dinges- Dierig (CDU), die nun am vergangenen Freitag alle Schulleiter schriftlich dazu aufforderte, illegale Schüler sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Eventuell würden sonst sogar disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Im Zweifel für die Kinder
Doch dem widersprechen nun fast 70 Vertreter von Kinder- und Flüchtlingsorganisationen, aus den Gewerkschaften und Kirchen, die in einem offenen Brief betroffene Pädagogen dazu aufforderten, sich im Zweifel für die Kinder zu entscheiden, also sie weder bei der Ausländerbehörde, noch im neuen Register zu melden. Empörte Christdemokraten, aber auch einige Spitzenpolitiker der SPD, wie etwa der Hamburger Fraktionschef Michael Neumann, sehen darin nun einen »Aufruf zum Rechtsbruch «.
Rechtspopulistische Töne
Schon zuvor hatte der frühere Innensenator Roger Kusch, der inzwischen eine eigene rechtspopulistische Partei gegründet hat, via Springerpresse die betroffene Pädagogen mit Kriminellen verglichen. Illegale Ausländerkinder müssten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch, was im Übrigen auch in ihrem eigenen Interesse wäre.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Karin Haas, widersprach dem scharf. Das »humanitäre Handeln« der Hamburger Lehrer sei durch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen gedeckt, die auch das bundesdeutsche Ausländerrecht nicht brechen könne, sagte Haas.
Ein Standpunkt, den auch der Menschenrechtsexperte Hendrik Cremer vertritt, der sich außerdem auf die Kinderrechtskonvention der UN bezog. Demnach bestehe das Recht auf Bildung auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Staatsangehörigkeit eines Kindes. Ähnlich argumentierte auch Antje Möller von den Grünen, die sich nun außerdem auf eine Empfehlung der so genannten Süssmuth- Kommission bezieht.
In dieser nach der CDU-Politikerin Rita Süssmuth benannten Zuwanderungskommission der Bundesregierung, waren auch unabhängigen Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass Lehrer nicht dazu verpflichtet werden könnten, den Aufenthaltsstatus ihrer Schüler zu ermitteln.
Quelle: Printausgabe des Neuen Deutschland, 09.10.2006, Seite 5
Airbus-Belegschaften werfen Management schwere Versäumisse vor
Belegschaftsvertreter aus allen deutschen Airbus-Standorten wollen gemeinsam gegen Standortschließungen und Personalabbau kämpfen. »Wenn einer von uns angegriffen wird, sind wir alle angegriffen«, betonte am Freitag Thomas Busch, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender auf dem Krisengipfel der Belegschaftsvertreter in Hamburg.
Eine Verlagerung der A 380 Produktion nach Toulouse werde nicht hingenommen. »Wenn jemand uns dieses Projekt wegnehmen will, wird er spüren, was Hamburg auf die Beine stellen kann«, sagte der Betriebsratschef des Hamburger Werks, Horst Niehus.
Kurzfristig setzen die Betriebsräte auf ein System von Arbeitszeitkonten, das, um branchentypische Auftragsschwankungen abzufangen, schon 2003 eingeführt wurde. Die Strukturprobleme müssten hingegen in einer gemeinsamen Steuerungsgruppe von Management und Belegschaftsvertretern besprochen werden. Dem schloss sich IG-Metall-Küste-Chefin Jutta Blankau an, die zudem eine »andere Unternehmenskultur« und mehr Risikomanagement forderte. Arbeitnehmer hätten immer wieder auf technische Probleme, die jetzt zu den Produktionsverzögerungen führten, hingewiesen. Doch solche Einwände habe das Management stets »vom Tisch gewischt«, weshalb zeitliche Fertigungsvorgaben unrealistisch blieben.
Fertigungsschwierigkeiten haben bei Airbus auch etwas mit der komplizierten Eigentümerstruktur des Mutterkonzerns EADS zu tun, der zudem von Rüstungsaufträgen der französischen, deutschen, spanischen und britischen Regierung vielfältig abhängig ist. So war die Verteilung von Produktionskomponenten auf weit entfernte Standorte, was erhebliche logistische und technische Koordinationsprobleme auslöste, stets auch eine Frage des Proporzes. Dazu kommen Eitelkeiten und Machtkämpfe im Management, das sich auch letzte Woche wieder wunderbar austobte.
Während der deutsche EADS-Co-Chef Tom Enders in Berlin gegenüber Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vom Erhalt aller deutschen Standorte sprach, erklärte in Paris der Franzose Christian Streiff, dass dies keineswegs sicher sei. Im Tausch für den Großraumjet A 380 könne Hamburg gegebenenfalls Produktionsanteile der Flugzeugtypen A 330 und A 340 übernehmen. Bisher war dafür nur der Verkaufsschlager A 320 im Gespräch, was aber in Frankreich auf heftigen Widerstand stieß. Für Analysten wird indes zunehmend unklar, ob der A 380 überhaupt noch die Phase einer Serienproduktion erreicht. 12 Milliarden Euro hat das deutsch-französische Prestigeprojekt schon an Entwicklungskosten verschlungen. Nun kommen weitere 5 Milliarden Euro hinzu, die an die Fluggesellschaften gezahlt werden müssen. Um das aufzufangen, müssten mindestens 400 Flugzeuggiganten mittelfristig verkauft werden. Bestellt sind aber erst 159. Großabnehmer wie Emirate Airline (43 georderte Maschinen) denken längst über einen Wechsel zu Boeing nach.
Der US-Konkurrent bietet ab 2009 eine überarbeitete Version des B 747 an, der dem Fassungsvermögen des A 380 weitgehend entspricht, aber billiger ist. So werden nun selbst in Hamburg Stimmen laut, die von einer Fehlplanung der Stadtregenten sprechen, die Industriepolitik mit Prestige verwechselt hätten.
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=98287&IDC=3
Airbus-Belegschaften wollen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen
Wann endlich schenkt Airbus seinen Mitarbeitern reinen Wein ein? Diese Frage beschäftigte Betriebsräte und Gewerkschafter aus allen deutschen Standorten des Flugzeugbauers gestern in Hamburg. Die Beschäftigtenvertreter betonten auf ihrer Krisensitzung in der Hansestadt, daß man sich nicht gegeneinander ausspielen lassen wolle. »Wenn einer von uns angegriffen wird, sind alle angegriffen«, erklärte der Hamburger Betriebsratschef Horst Niehus. Der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats (GBR), Thomas Busch, ergänzte, zwischen die Belegschaften des Konzerns passe »kein Blatt«.
Wie das gegenseitige Ausspielen der Standorte bislang funktionierte, konnte man am Vortag beobachten, als der Co-Chef des Mutterkonzerns EADS, Tom Enders, bei einem Gespräch mit Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) der deutschen Öffentlichkeit eine Beruhigungspille nach der anderen verabreichte, und Airbus-Chef Christian Streiff zugleich in Paris vor die Presse trat mit entgegengesetzten Nachrichten. Während sich Enders in Berlin für den Erhalt aller deutschen Standorte aussprach und erklärte, Hamburg samt A 380 bleibe einer der wichtigsten Produktionsstätten, betonte Streiff gegenüber Le Monde, die Verlagerung der A380-Fertigung werde weiterhin erwogen und sei eine »offene Frage«. Der Airbus-Chef zog dann eine völlig neue Variante aus dem Ärmel: Demnach könnten im Tausch gegen den A380 nun die Flugzeugklassen A330 und A340 nach Hamburg wechseln. Bislang war stets nur von einem möglichen Wechsel des Verkaufsschlagers A320 die Rede. Doch das bringt Arbeitsplätze in Frankreich in Gefahr, weshalb die französischen Gewerkschaften gegen einen solchen Plan erbitterten Widerstand ankündigten.
Gleiches taten nun jedoch auch die deutschen Belegschaftsvertreter. »Wenn jemand versucht, ein Projekt wie den A380 aus Hamburg abzuziehen, dann wird er spüren, was Hamburg auf die Beine stellen kann«, drohte Niehus. In einem Positionspapier des GBR heißt es allerdings, man wolle den Dialog mit der Unternehmensspitze »konstruktiv führen, ohne dabei Grundpositionen aufzugeben«.
http://www.jungewelt.de/2006/10-07/052.php
Anmerkung: Zum Thema Airbus habe ich viele Beiträge verfasst. Analytisch darüber hinaus geht aber ein Beitrag meines Kollegen Winfried Wolf. Da dieser Online nur bedingt zu lesen ist, füge ich hier eine PDF-Datei hinzu. Der Beitrag schildert, wie wahnsinnig das ganze A 380 Projekt von Anfang an gewesen ist …

Polizei schlug Revolte von 200 Asylbewerbern nieder. Sie verlangten bessere Lebensbedingungen
Eine Revolte von rund 200 Insassen eines zentralen Aufnahmelagers der Ausländerbehörde Oldenburg ist in dieser Woche von der Polizei niedergeschlagen worden. Wie das Online-Nachrichtenportal redglobe.de am Freitag meldete, hatten die Flüchtlinge in einer spontanen Demonstration auf dem Hof des im Nachbarort Blankenburg gelegenen Lagers bessere Lebensbedingungen, vor allem gesünderes Essen, gefordert. In diesem Lager sei die Ernährung besonders vitaminarm, was zu Krankheiten und Mangelerscheinungen bei den überwiegend afrikanischen Flüchtlingen führe.
Statt auf die Forderungen einzugehen, habe die Lagerleitung jedoch die Polizei gerufen, die bei ihrem Einsatz mehrere Demonstranten verletzt habe, hieß es. Einigen Flüchtlingen drohen nach Mitteilung der Blankenburger Polizei nun noch Strafanzeigen, da bei dem Einsatz ein Beamter leicht verletzt worden sei.
Zu Protesten in dem sieben Kilometer vor Oldenburg gelegenen ehemaligen Dominikanerkloster, das seit 1990 zunächst als Erstaufnahmelager und dann als Sammellager für Flüchtlinge genutzt wird, kam es schon vor Jahren. 1994 traten 40 Flüchtlinge in einen Hungerstreik, wonach zusätzliche Kochmöglichkeiten eingerichtet wurden. Flüchtlingsorganisationen fordern seit Jahren die Schließung des Lagers und die dezentrale Unterbringung der Bewohner.
Anläßlich des europäischen Migrationsaktionstages war für den Freitag abend in Oldenburg eine Protestdemonstration angekündigt. Aktionen für ein besseres Leben der Flüchtlinge und gegen die Politik der Abschiebungen sind auch in Köln, Berlin, Freiburg, Frankfurt am Main, Jena, Augsburg, Hamburg und Nürnberg vorgesehen.
Weitere Infos unter www.redglobe.de und www.noborder.org
http://www.jungewelt.de/2006/10-07/012.php
Fluggesellschaften stornieren Bestellungen und wechseln zur Konkurrenz. Glos trifft Streiff zu Krisengespräch
Die Airbus-Krise hat sich am Mittwoch weiter zugespitzt, nachdem die EADS-Manager am Vorabend bekanntgeben mußten, daß sich die Auslieferung bestellter A-380-Großraumjets um ein weiteres Jahr verzögern wird. Die Firma Singapore Airlines, die zehn Flugzeuge bestellt hatte, teilte daraufhin mit, nun beim Konkurrenten Boeing zu kaufen. Einen solchen Wechsel prüft auch der größte Airbus-Kunde Emirates Airlines, auf den 43 der insgesamt 159 vorliegenden A-380-Bestellungen kommen. Auch die australische Qantas setzt auf Boeing, wie Finanzchef Peter Gregg in Sydney mitteilte. In Malaysia forderte Airlines-Gewerkschaftschef Mustafa Maarof einen Ausstieg seiner Linie aus dem A-380-Programm.
Damit ist die Zukunft des mit 12000 Mitarbeitern größten deutschen Airbus-Standortes in Hamburg noch unsicherer als zuvor. Zwar hat sich der EADS-Verwaltungsrat bislang nicht auf eine neue Aufgabenverteilung zwischen Hamburg und Toulouse einigen können, doch vieles spricht dafür, daß das Management das A-380-Programm auf Toulouse konzentrieren könnte. Die Lage ist jedenfalls so ernst, daß sich Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Donnerstag in Berlin mit Airbus-Vorstandschef Christian Streiff treffen will.
Spekuliert wird unterdessen, ob der Bund über die Förderbank KfW bei EADS mit einsteigt. Das hatten Regierungssprecher zwar stets dementiert, doch durch die nun immer wahrscheinlicher werdende Verlagerung der A-380-Produktion auf Toulouse sieht die Bundesregierung das »europäische Gleichgewicht« in dem Luftfahrtkonzern gefährdet, wie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Mittwoch erklärte.
Da niedersächsische Standorte ebenfalls von Produktionsstillegungen betroffen sein könnten, will sich auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in der kommenden Woche mit der Konzernspitze treffen. Belegschaftsvertreter und die IG Metall kündigten erste Arbeitskampfaktionen gegen den drohenden Jobverlust an.
http://www.jungewelt.de/2006/10-05/057.php