Verlegerin des Gefangenen Info in Hamburg hat Klage gegen Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz durchgesetzt. Ein Gespräch mit Christiane Schneider

Die Verlegerin Christiane Schneider war bis Februar 2006 auch Landessprecherin der Linkspartei.PDS in Hamburg

Sie konnten vor dem Verwaltungsgericht gerade eine Unterlassungsklage gegen den Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Heino Vahldieck, (CDU) durchsetzen. Worum ging es?

Vahldieck hat am 23. Oktober 2005 in der ZDF-Sendung Mona Lisa behauptet, daß die Zeitung Gefangenen Info, die ich verlege und für die ich auch redaktionell Verantwortung trage, »jegliche Art von politisch motivierter Aktion, auch von gewalttätigen terroristischen Aktivitäten« rechtfertige und ich mich mit den »Tätern identifiziere«. Das haben Millionen Zuschauer gesehen. Weitere Verleumdungen folgten dann im Hamburger Abendblatt sowie in einer Sendung des NDR, wo Vahldieck seine eigenen Behauptungen über meine verlegerische Tätigkeit als Indiz für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der Hamburger Linkspartei.PDS heranzog.

Produziert der Verfassungsschutz nicht fast täglich solche Lügen? Warum haben Sie das Risiko einer Klage auf sich genommen?

Ich bin seit knapp 18 Jahren für das Gefangenen Info zuständig. Dabei stand ich viele Jahre im Fadenkreuz strafrechtlicher Ermittlungen. Fast dreißig Verfahren sind gegen mich geführt worden. Die Vorwürfe haben sich jedoch immer wieder als haltlos erwiesen. Vahldieck hätte dies wissen müssen. Schließlich wird das Gefangenen Info im Hamburger Verfassungsschutzbericht nicht einmal erwähnt. Dann kam hinzu, daß das Hamburger Abendblatt mit der Schlagzeile »PDS-Landessprecherin unter Verdacht« Vahldiecks Behauptungen aufgriff. Die Springer-Presse schlachtete die Vorwürfe aus, um die Linkspartei zu diskreditieren.

Warum richtet sich die Kampagne ausgerechnet gegen das Gefangenen Info?

Bei uns kommen politische Gefangene – auch aus der RAF – schon seit vielen Jahren zu Wort. Die Meinungsfreiheit gilt auch für sie. Es ging hier also direkt um die Pressefreiheit, die auch kleine und kritische Verlage und Zeitungen schützt. Solche Verleumdungen, die die Zeitschrift in Verruf bringen und mich einschüchtern sollten, müssen nicht widerstandslos hingenommen werden. Dabei geht es nicht, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, darum, ob ein tatsächlicher Schaden entstand, schon die Gefahr einer Schädigung reicht aus.

Viele Linke nehmen solche Verleumdungen aber weitgehend widerstandslos hin. Man hat sich daran fast schon gewöhnt.

Wenn mein Erfolg andere dazu ermuntert, sich gegen Bespitzelungen und Verleumdungen künftig stärker zu wehren, würde ich mich freuen. Ob man klagen sollte, hängt natürlich vom Einzelfall ab, ein solches Verfahren kostet Anstrengungen und womöglich viel Geld. Generell halte ich es aber für notwendig und aussichtsreich, sich auch rechtlich stärker zu wehren.

Was bewegt Sie eigentlich, diese Zeitung noch immer herauszugeben?

Die Auseinandersetzung zwischen der RAF und der Bundesrepublik Deutschland hat über zwei Jahrzehnte angedauert und zu tiefen Erschütterungen in diesem Land geführt. Ich bin in einem Alter, daß ich Zeitzeugin dieser Auseinandersetzungen war. Als das Blatt 1989, im Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF, gegründet wurde, bestand in der Öffentlichkeit an der Aufklärung über diese Geschichte erhebliches Interesse, was sich auch an einer Verkaufsauflage von anfangs fast 10000 Exemplaren zeigte. Die Zeitschrift, die damals und über lange Zeit von den Angehörigen der Gefangenen aus der RAF herausgegeben wurde, erfüllte ein öffentliches Interesse, weil es die Gelegenheit bot, sich über die Motive der politischen Gefangenen aus erster Hand zu informieren.

Das alles ist Jahre her …

Ja, inzwischen sind andere Gründe hinzugekommen. Ich denke an die beunruhigende Entwicklung im deutschen und weltweiten Gefängniswesen, die sich unter anderem in einer Zunahme von Isolations- und Einzelhaft ausdrückt, wo Gefangene 23 Stunden am Tag in ihrer Zelle eingeschlossen werden. Wir beschäftigen uns auch mit den Abschiebegefängnissen und informieren über die Zustände in den USA, wo es zahlreiche politische Gefangene gibt, die oft schon seit 30 oder 40 Jahren im Knast einsitzen. In der deutschen Öffentlichkeit ist dies kaum bekannt.

Das Gefangenen Info kann bezogen werden bei: GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359 Hamburg

http://www.jungewelt.de/2006/10-16/045.php