31. Mai 2008

Nach Debakel bei Kommunalwahl lecken CDU und SPD weiter ihre Wunden. Stärkere Abgrenzung vom Koalitionspartner soll Landtagswahl 2010 retten

Eine Woche nach den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein stehen Spitzenpolitiker von CDU und SPD gehörig unter Druck. Das Land wird derzeit von einer großen Koalition unter Führung der Christdemokraten regiert. Bei der Wahl am 25. Mai hatten beide Parteien dramatische Verluste hinnehmen müssen.

Besonders angeschlagen ist Exinnenminister und SPD-Landeschef Ralf Stegner. Ihm wird von seinen Genossen eine entscheidende Verantwortung für das mit 26,6 Prozent schlechteste Kommunalwahlergebnis seiner Partei seit 1946 zur Last gelegt. Doch auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat Probleme, der Basis seiner Partei zu erklären, wie die Verluste von 12,2 Prozent bis zu den Landtagswahlen 2010 wieder wettgemacht werden könnten.

Um sich vom Koalitionspartner abzugrenzen, hatte Stegner im Kommunalwahlkampf auf soziale Themen wie den Mindestlohn gesetzt. In Städten und Gemeinden gehe es aber nicht um solche Fragen, sondern um Müllgebühren, Spielplätze, Straßenbau und Busfahrpläne, argumentieren jetzt Kommunalpolitiker seiner Partei. Sie fühlen sich offenbar um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Stegner wird vorgeworfen, mit seiner Strategie der Linken eine Steilvorlage geboten zu haben.

Der Landeschef dagegen meinte, die SPD hätte noch schlechter abgeschnitten, wenn er solche Themen nicht aufgegriffen hätte. Alles werde er jetzt dafür tun, daß sich der Linkspartei-Erfolg bei den Landtagswahlen 2010 nicht wiederholt. Die SPD müsse »unterscheidbarer« von der CDU werden. Wie das funktioniert, solle auf einer Parteikonferenz im Juni geklärt werden.

Ähnlich hilflos zeigt sich Carstensen. Auf einer Kreisvorsitzenden-Beratung der CDU kündigte er an, eine Arbeitsgruppe einzuberufen, die Ideen dafür sammeln soll, wie seine Partei in der Schul- und Bildungspolitik mehr Profil und Distanz zum kleineren Koalitionspartner zeigen könne. Dem liegt wohl die Annahme zugrunde, daß etliche CDU-Stammwähler am Sonntag einfach zu Hause geblieben sind.

Abgrenzung scheint auch bei den kleineren Parteien das Zauberwort zur Erklärung der Wahlergebnisse zu sein. Am Donnerstag titelte etwa die im südlichen Dänemark erscheinende Wochenzeitung Der Nordschleswiger mit einer Story darüber, wie es der Landtagsabgeordneten des Südschleswigschen Wählerbunds (SSW), Anke Spoorendonk, in ihrer Heimatgemeinde Harrislee gelang, in einzelnen Stimmbezirken »Traumergebnisse« von bis zu 80 Prozent herauszuholen. Dies zeige, daß die auf Distanz zu den etablierten Parteien beruhende Politik der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein von den Wählern honoriert werde. In Flensburg sei es anders gekommen, weil der dortige SSW zu eng mit dem Establishment verbunden sei.

Katerstimmung herrscht auch bei der NPD. Ihr Spitzenkandidat für Nordfriesland, Kevin Stein, sieht im Ergebnis seiner Partei eine »vollständige und enttäuschende« Niederlage. Die Neonazis waren im Landesdurchschnitt lediglich auf 0,4 Prozent gekommen.

Daß es ihnen überhaupt gelang, Mandate in Lauenburg und Kiel zu holen, hält Linkspartei-Landessprecher Lorenz Gösta Beutin für den »traurigsten Punkt« in seiner Wahlanalyse. Das antifaschistische Profil der Linken müsse gestärkt werden. Wirksam sei dies aber nur, wenn auch die sozialpolitische Glaubwürdigkeit erhalten bleibe. Mutmaßungen über ein »rot-rot-grünes« Bündnis in Lübeck widersprach am Freitag im Gespräch mit junge Welt auch Ragnar Lüttke, Kreischef der dortigen Linken.

Verwendung: Junge Welt vom 31. Mai 2008
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21. Mai 2008

Protest gegen Nazi-Aufmarsch in Kiel, Januar 2005Schleswig Holstein: Antifaschistisches Bündnis mobilisiert vor Kommunalwahlen am Sonntag zu Protesten gegen rechts

Unter der Losung »Keine Stimme den Nazis« ruft ein »Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus« für Samstag in Kiel zu einer Demonstration auf. Anlaß für diese Aktion am Vorabend der schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen, sei der Versuch der NPD, am Sonntag auch in den Kieler Stadtrat einzuziehen. Doch nicht nur in der Landeshauptstadt, auch in Ostfriesland, Ostholstein und Lauenburg will die Neonazipartei mit 102 Kandidaten und unter der Losung »Deutsche Sozialleistungen nur für Deutsche« bei diesen Kommunalwahlen punkten. »Selbst haben die nur 240 Mitglieder«, sagte Bettina Jürgensen, eine der Sprecherinnen des antifaschistischen Bündnisses und Bezirkschefin der DKP in Schleswig-Holstein gegenüber junge Welt. Aber sie seien eng verwoben mit den »Freien Kameradschaften«, und ihr Wahlkampf ziele auf »Haß gegen Minderheiten, Rassismus und Ausgrenzung«. Durch die Beteiligung an den Wahlen und den möglichen Einzug in die Kommunalparlamente versuchten die Rechten zu einem »Teil des akzeptierten politischen Spektrums« zu werden, so Jürgensen. Doch weder in Kiel, noch irgendwo sonst in Schleswig-Holstein sei ein Platz für die Nazis, heißt es in dem Aufruf für die Demonstration, die von der DIDF, diversen Gewerkschaftsgruppen, dem Kreisschülerrat, der VVN-BdA sowie Linkspartei und DKP unterstützt wird.

Daß etliche der rechten Kandidaten wegen Körperverletzung oder Volksverhetzung bereits rechtskräftig verurteilt worden sind, macht ihr Auftreten zu einem besonderen Skandal. Das Antifa-Bündnis verweist in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die in Kiel antretenden Zwillingsbrüder Lars und Filip Jochimsen. Erst kürzlich mußten beide wegen schwerer Körperverletzung und illegalem Waffenbesitz eine einjährige Haftstrafe absitzen. Verwiesen wird außerdem auf den vorbestraften NPD-Kandidaten Peter von der Born. Dieser fiel in der Vergangenheit auch dadurch auf, daß er Antifaschisten mehrfach zusammenschlug.

Solche Leute würden nun in Kiel versuchen, auch die Kontrolle über Teile des öffentlichen Raums zu erlangen, so Jürgensen. Was das heißt, wurde vielen Kielern am 20. April bewußt: Unter Polizeischutz feierten 30 grölende Neonazis in der Preetzer Straße im Stadtteil Gaarden Hitlers Geburtstag. Mit nächtlichen Anschlägen auf Räume von Initiativen, Kultur- und Wohnprojekten, einem Kinder- und einem Buchladen, aber auch auf Privatwohnungen hielten sie anschließend den Stadtteil eine Woche lang im Atem. Vor Veranstaltungslokalen der Linkspartei zerstachen sie Fahrradreifen und warfen Pflastersteine in Fenster- und Schaufensterscheiben. Auch die Scheiben einer Arbeitsloseninitiative gingen zu Bruch. Hinzu kamen mehrere Messerattacken gegen ausländische Jugendliche.

Die Angriffe richteten sich »gezielt gegen Personen, Projekte und Einrichtungen, die nicht in das rassistische und menschenfeindliche Weltbild der Neofaschisten passen«, sagte Jürgensen. Doch Polizei und Staatsschutz würden deren Krawalle nur als Teil eines »Bandenkriegs« bewerten und dem Treiben keinen Einhalt gebieten. Anfang Mai demonstrierten rund 500 Antifaschisten gegen die zunehmende rechte Gewalt. Am Samstag soll ein noch deutlicheres Zeichen gegen rechts in Kiel gesetzt werden.

Samstag, 24. Mai, 11.30 Uhr, Bahnhofvorplatz: »Keine Stimme den Nazis«, Demo

Verwendung: Junge Welt vom 21. Mai 2008
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09. Mai 2008

Hamburger Bündnis gegen RechtsHamburger Bürgerschaft diskutierte über rechten Aufmarsch am 1. Mai. GAL und CDU wollen von Neonazigewalt nichts wissen und sagen »linken Chaoten« den Kampf an

Die Grün-Alternative Liste (GAL) hat am Mittwoch abend in der Hamburgischen Bürgerschaft gezeigt, was mitregieren für sie heißt. Sie verteidigte das »Demonstrationsrecht« für Neonazis. Unter dem Titel »Konsequenzen aus dem Neonaziaufmarsch am 1. Mai ziehen« hatte die Partei Die Linke das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. CDU und Grünen fielen zu dem Aufmarsch und den antifaschistischen Protesten im Arbeiterstadtteil Barmbek aber nur die Stichworte »Krawall« und »Keine Toleranz gegen Gewalt« ein. Letztere ordneten sie den Gegendemonstranten zu. Die Partei von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wollte die Gelegenheit offenbar nutzen, um klarzumachen, wer in der Bürgerschaft das Sagen hat. Von Beust war zuvor mit den Stimmen seiner Partei, der Grünen sowie einer weiteren aus dem Oppositionslager erneut zum Bürgermeister gewählt worden. Daß die Abgeordneten der Grün-Alternativen Liste (GAL) nicht mucken würden, war zu erwarten. Der Übereifer, mit dem sie dann agierten, überraschte aber doch. Grünen-Vize-Fraktionschef Christian Maaß ließ keinen Zweifel daran, daß eine »Unschuldsvermutung« auch für Neonazis zu gelten habe. Schon deshalb habe der Aufzug nicht verboten werden können.

Die Vizefraktionschefin der Linken, Christiane Schneider, stellte dagegen klar, daß es eine »Fehleinschätzung hinsichtlich der von den Nazis ausgehenden Gefahren« gegeben hat. Faktenreich wies sie im Rathaus nach, wie viele Übergriffe es an diesem Tag durch die etwa 1000 angereisten Rechten auf Ausländer, Antifaschisten und Journalisten gab. Der Gipfel sei gewesen, wie diese schon bei ihrer Anreise einen ganzen S-Bahn-Zug gekapert hätten. Durch den Zuglautsprecher hätten sie bekanntgegeben, »daß Deutsche und Ausländer künftig wieder getrennt verreisen. Letztere in Viehwaggons«. Allein das, sagte Schneider, hätte reichen müssen, den Aufmarsch noch zu verbieten. Völlig unverständlich sei es ihr daher, wie prügelnde Polizisten dann versucht hätten, den Neonazis die Straßen frei zu machen. Nur der »politischen Entschlossenheit« der 10000 Gegendemonstranten sei zu verdanken, daß dies mißlungen sei.

Derartige Blockaden will der »schwarz-grüne« Senat künftig als »gewalttätig« diffamieren. An der Absicht seiner Partei, die »Linkschaoten« zu bekämpfen, ließ der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Manfred Jäger, keinen Zweifel. Scharf attackierte er das Oberverwaltungsgericht, weil dieses per Eilentscheidung auch die Antifaschisten nach Barmbek gelassen hatte. Erst dadurch seien die »Krawalle« möglich gewesen. »Da ist was schiefgelaufen« befand denn auch der innenpolitische Sprecher der SPD Andreas Dressel.

Die grüne Abgeordnete Antje Möller distanzierte sich schließlich von den Antifaschisten: Gewalt stünde im Widerspruch zu einer »bunten, vielfältigen und friedlichen« Demonstration. »Wir verurteilen jede Gewalt – egal, von welcher Seite«, so Möller. Ihr Vizefraktionschef Maaß befand gar, der »Schutz Andersdenkender« gehöre nun mal zur Demokratie. Das machte Eindruck auf den Koalitionspartner. Der CDU-Mann und am Mittwoch vereidigte Innenminister Christoph Ahlhaus versprach, die Gewalttäter auch künftig zu bekämpfen. Daß die nicht bei den Neonazis, sondern im Hamburger Bündnis gegen rechts zu suchen sind, schien bei CDU und Grünen ausgemachte Sache zu sein. Und wenn die Neonazis doch ein bißchen über die Stränge geschlagen hätten? Karl-Heinz Warnholz (CDU) hat eine einfache Erklärung: Die Übergriffe der Rechten seien erst durch den Aufruf der Antifaschisten, »den Nazis keinen Meter« zu geben, provoziert worden.

Antifaschistische Positionen bezog hingegen der Fraktionskollege von Dressel, ver.di-Landesbezirkschef Wolfgang Rose (SPD): Wenn 75 Jahre nach der Erstürmung des Gewerkschaftshäuser Nazis durch Hamburg marschieren, dann sei dies für alle Gewerkschafter eine »ungeheuere Provokation«. Ihm fehle daher jedes Verständnis, daß der Nazi-Marsch und die damit zusammenhängende »Volksverhetzung« nicht verboten worden wäre. Ähnlich die Bauer-Konzernbetriebsrätin und Linkspartei-Abgeordnete Kersten Artus. Für sie war der Nazi-Aufmarsch gar eine »Kriegserklärung« an alle »arbeitenden und erwerbslosen Menschen«. Dem entgegenzutreten, sei notwendig gewesen.

[Anmerkung: in der Veröffentlichung für die Tageszeitung musste der letzte Absatz dieses Berichts – hier kursiv dargestellt – aus Platzgründen leider gestrichen werden.]

Verwendung: Junge Welt vom 9. Mai 2008
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02. Mai 2008

IG Metall Jugend und IG Metall Senioren aus HamburgMit einer machtvollen Demonstration haben am 1. Mai mehr als 8000 Menschen gegen einen Neonaziaufmarsch im Hamburger Arbeiterstadtteil Barmbek demonstriert. Unter dem Motto »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen« war deren Zusammenrottung vor allem als Provokation gegen die Gewerkschaften gedacht. Denn 75 Jahre nachdem die Gewerkschaftshäuser von Nazis besetzt worden waren, hatten deren Erben ihre Veranstaltung ausgerechnet für jenen Ort angemeldet, an dem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seine traditionelle Maikundgebung durchführen wollte. Der verzog sich daraufhin in das zehn Kilometer entfernt liegende St. Pauli, was von vielen Gewerkschaftern als Zurückweichen vor den Rechtsextremisten kritisiert wurde.

Dagegen hielten allerdings eine Barmbeker Anwohnerinitiative und das »Hamburger Bündnis gegen Rechts«, welches auch von der Gewerkschaftsjugend unterstützt wurde. Die erfolgreiche Mobilisierung führte dazu, daß die rund 1000 angereisten Neonazis kaum vom Fleck kamen, obwohl ein Großaufgebot von Bereitschaftspolizisten mit Wasserwerfern und Knüppelattacken immer wieder versuchte, das »Demonstrationsrecht« der Neonazis zu »verteidigen«. Und das, obwohl das Oberverwaltungsgericht Hamburg am Vorabend die ursprünglich von der Innenbehörde verfügte Absperrung des Stadtteils, vor allem der Fuhlsbüttler Straße, für die antifaschistischen Demonstranten aufgehoben hatte.

Unter dem Motto »Barmbek nimmt Platz« verzögerten die Teilnehmer ihr Marschtempo erheblich, was dazu führte, daß der braune Aufmarsch steckenblieb. Es sei eine »Schande für die Demokratie und für Hamburg«, daß erst couragierte Antifaschisten kommen müßten, um die Neofaschisten zu stoppen, hatte zuvor die 84jährige Naziverfolgte und Auschwitz-Überlebende Esther Béjarano den Teilnehmern der antifaschistischen Demonstration das Ziel des Tages vorgegeben: Nazis zu stoppen, wo immer man sie trifft. Auch außerhalb des Demonstrationszuges schnitten daraufhin Antifaschisten den Ansammlungen der Neonazis immer wieder ihren Weg ab. Lange Zeit blieben diese deshalb in kleinere und von Gegendemonstranten belagerte Kleinstgruppen aufgeteilt. Sporadisch kam es dabei zu Auseinandersetzung zwischen Nazigegnern und der Polizei. Augenzeugen berichteten, daß einige Mülltonnen und Papierkörbe angezündet sowie Rauchbomben geworfen wurden. Ein Einsatzfahrzeug der Polizei sei umgeworfen worden, sagte ein Behördensprecher.

Einen weiteren größeren NPD-Aufmarsch gab es mit 1000 Teilnehmers in Nürnberg, wo der Parteivorsitzende Udo Voigt als Hauptredner auftreten sollte. Seit dem Vormittag zogen 4000 Antifaschisten durch die Stadt, die von der Polizei daran gehindert wurden, zu den Neonazis vorzudringen. Laut Polizei kam es zu »vereinzelten leichten Rangeleien« zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten.

Bilder zur antifaschistischen Demonstration sehen Sie hier.

Verwendung: Junge Welt vom 02. Mai 2008



01. Mai 2008

Heute haben in Hamburg etwa 8000 (neuere Meldungen sprechen sogar von 10000) Menschen gegen einen Aufmarsch von Neofaschisten im Arbeiterstadtteil Barmbek demonstriert. Anbei veröffentliche ich hierzu einige Fotos. Mit reißerischen Fotos der Gewalt, kann und will ich allerdings nicht dienen. Denn diese waren für diese eindrucksvolle Demonstration (auch wenn die Springermedien, Rundfunk und Fernsehen etwas anderes melden) keineswegs typisch oder kennzeichnend.

Esther Béjarano (VVN) und Rolf Becker (ver.di HH FB 08) DGB Jugend Hamburg
IG Metall Jugend und IG Metall Senioren aus Hamburg Kollegen von ver.di und GEW
Anwohnerprotest gegen Nazis in Barmbek Hamburger Bündnis gegen Rechts
Demonstration gegen Nazis in Barmbek (Fuhlsbüttler Straße) Awohnerprotest gegen Nazis im Barmbek
Militanter Neonazi-Trupp an der Alten Wöhr Neonazi Christian Worch und Kumpane sitzen stundenland am Rübenkamp fest

Zum Thema des Nazi-Aufmarsches lesen Sie bitte auch meinen Artikel Nazi-Provokation stieß auf Widerstand

Verwendung: bisher nur hier



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29. April 2008

Rolf BeclerIn Hamburg hat sich der DGB vor der Mai-Demo von den Neofaschisten übertölpeln lassen. Ein Gespräch mit Rolf Becker

Der Schauspieler Rolf Becker ist Mitglied des Ortsvereinsvorstandes im Fachbereich Medien von ver.di Hamburg

Man rechnet damit, daß am 1.Mai etwa 1000 Neofaschisten durch den Hamburger Stadtteil Barmbek marschieren. Die dort vorgesehene Mai-Kundgebung hat der DGB daher nach St. Pauli verlegt. Das ist von Ihnen und weiteren Gewerkschaftern kritisiert worden. Warum?

Wenn die Rechtsextremisten am 1. Mai aufmarschieren, knüpfen sie an das Konzept ihrer faschistischen Vordenker von 1933 an: Gewerkschaftliche Themen besetzen und gewerkschaftliche Passivität nutzen, um Mitglieder zu vereinnahmen und Massenanhang zu gewinnen. Einer solchen Entwicklung muß frühzeitig entgegengetreten werden. Wir kritisieren, daß die Gewerkschaftsmitglieder nicht sofort informiert und mobilisiert wurden, als bekannt wurde, daß am 1. Mai in Hamburg ein Aufmarsch der Neonazis bevorsteht.

DGB-Landeschef Erhard Pumm hat eingewandt, daß versammlungsrechtlich die Neonazis im Vorteil waren –daß es also keine Alternative dazu gab, die Gewerkschaftsdemo zu verlegen.

Wir wollen das mal glauben. Es ändert aber nichts daran, daß die Mitglieder hätten informiert werden müssen. Dann wäre gründlicher beraten worden, wie wir uns gegen diese Provokation wehren. Nicht nur über die Gerichte, sondern vor allem politisch. Nicht die Verlegung der Abschlußkundgebung nach St. Pauli steht im Zentrum unserer Kritik, sondern der Umstand, wie unpolitisch und technisch mit dem Problem umgegangen wurde. Um die gewerkschaftliche Einheit zu wahren, hatten wir vorgeschlagen, neben der Kundgebung in St. Pauli noch eine zweite und ebenfalls vom DGB verantwortete durchzuführen, die an der Gedenktafel für die NS-Opfer am Gewerkschaftshaus beginnt und dann als Demonstration nach Barmbek führt. Leider wurde unser Vorschlag ignoriert.

Wieso ist jetzt die gewerkschaftliche Einheit geschwächt?

Weil es eine Aufsplitterung der Kräfte und eine breite Verunsicherung der Mitgliedschaft gibt. Die Gewerkschaftsjugend und weitere gewerkschaftliche Gremien mobilisieren im Bündnis mit zahlreichen Initiativen nach Barmbek. Die anderen gehen nach St. Pauli. Ein gemeinsamer politischer Rahmen ist nicht erkennbar. Geschützt durch die Kraft unserer gewerkschaftlichen Organisation sind nur diejenigen, die nach St. Pauli gehen. Nicht aber die, die sich den Neonazis entgegenstellen. Von der Innenbehörde und den Springer-Medien wird diese Tatsache bereits genutzt, um das Bündnis von DGB-Jugend, gewerkschaftlich Aktiven und Antifa-Organisationen als Chaotenveranstaltung zu diffamieren. Damit läßt sich auch entsprechendes polizeiliches Vorgehen begründen.

Sehen Sie nicht die Gefahr, daß gewerkschaftliche Themen dadurch in den Hintergrund geraten?

Wir werden auf jeden Fall die gemeinsamen Anliegen zur Sprache bringen. Es geht uns um die Bewahrung gewerkschaftlicher Einheit. Antifaschismus muß Bestandteil jeglicher Politik der Gewerkschaften bleiben. Er sollte sich nicht auf Grundsatzerklärungen und Reden beschränken. Wenn wir da etwas aufweichen lassen, begehen wir die Fehler, die 1933 zum Untergang der Gewerkschaften führten.

Worin bestanden diese?

Die faschistische Bewegung wurde unterschätzt. Noch nach der Machtübernahme hoffte die ADGB-Führung, die Gewerkschaften durch Wohlverhalten retten zu können. Sie rief für den 1. Mai 1933 sogar zur Beteiligung an den Maifeiern der Naziregierung auf. Einen Tag später wurden die Gewerkschaftshäuser gestürmt, aktive Mitglieder verhaftet; später in die Konzentrationslager gesperrt, vielfach gefoltert und ermordet. Erhard Pumm hat daran erinnernd vor fünf Jahren eine Gedenktafel am Gewerkschaftshaus enthüllt. Für uns ist sie Mahnung und Verpflichtung zugleich.

Mit Blick auf mögliche Auseinandersetzungen warnt die Polizei vor einer Teilnahme in Barmbek. Wo werden Sie demonstrieren?

Natürlich in Barmbek. Schon aus Solidarität mit der Gewerkschaftsjugend und anderen gewerkschaftlichen Gremien. Ich werde mich dort auch am Mikrofon äußern. So wie die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano. Bei ähnlicher Gelegenheit wurde sie vor wenigen Jahren Ziel eines Wasserwerfers. Die Wiederholung eines solchen Vorfalls kann erschwert werden, wenn sich viele beteiligen.

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29. Aprir 2008

Hamburg: Neonazis wollen am 1. Mai auf der Route des DGB marschieren. Der verlegt seine Abschlußkundgebung. Antifaschistisches Bündnis mobilisiert zum Protest

Die Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert das Verbot eines am 1.Mai im Arbeiterstadtteil Barmbek geplanten Neonaziaufmarsches. Das sei auch versammlungsrechtlich möglich, erklärte die Abgeordnete Christiane Schneider am Montag gegenüber junge Welt. Die Antwort des Senats auf zwei kleine Anfragen von ihr hatte ergeben, daß alle für die rechte Veranstaltung angekündigten Redner, darunter der Neonazi-Anwalt und NPD-Landeschef Jürgen Rieger, bereits wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt worden sind. »Volksverhetzung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Straftatbestand«, so Schneider. Es bestehe die Gefahr, daß die Würde von Naziverfolgten und von Flüchtlingen verletzt werde. Auch deshalb sei der CDU-Senat verpflichtet, den Aufmarsch zu unterbinden, so die Linkspartei-Politikerin. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom Januar 2008. Wer wegen Volksverhetzung bereits verurteilt worden sei, habe demnach kein Recht mehr, auf öffentlichen Versammlungen als Redner aufzutreten.

Für den Neonaziaufmarsch unter dem Motto »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen« wird durch eine Vielzahl von Organisationen, wie etwa dem »Aktionsbüro Norddeutschland« oder dem neonazistischen »Störtebeker-Netzwerk« mobilisiert. Die Polizei geht deshalb von etwa 1 000 Teilnehmern aus. Die Veranstaltung ist eine bewußte Provokation gegen die Gewerkschaft, denn sie soll exakt dort stattfinden, wo deren Dachverband DGB seine Abschlußkundgebung nach der Maidemonstration durchführen wollte. Diese wurde vom DGB nun nach St. Pauli verlegt, was in Neonazikreisen als »kläglicher Rückzug« verhöhnt wird.

Zur antifaschistischen Gegendemonstration rufen indes das »Hamburger Bündnis gegen Rechts«, die Gewerkschaftsjugend, VVN, DKP und Linkspartei, aber auch etliche Einzelgewerkschafter auf. Unterstützt wird das Bündnis auch von 40 Initiativen, Gewerbetreibenden, Kultureinrichtungen und Kirchengemeinden aus Barmbek selbst. Gelänge es den Neonazis am Donnerstag mittag loszumarschieren, würden in allen umliegenden Kirchengemeinden die Sturmglocken läuten, gaben Aktive aus Barmbek bekannt. Im gesamten Viertel hängen Plakate mit durchgestrichenen Hakenkreuzen. Sie werben für ein antifaschistisches Stadtteilfest, das im Anschluß an die Demo stattfinden soll.

Ob es den Antifaschisten gelingen wird, in den Kern von Barmbek vorzustoßen, ist allerdings fraglich. Die Innenbehörde bestätigte am Montag, daß deren geplante Demoroute nicht akzeptiert werde. Vor allem die Fuhlsbüttler Straße – das Herz von Barmbek – ist tabu. Noch-Innensenator Udo Nagel (parteilos) will die Neonazigegner mit Auflagen und durch Tausende Beamte in eher randständige Bereiche abdrängen. Bündnissprecher Wolfram Siede kündigte am Montag gegenüber jW an, juristisch gegen die Einschränkung vorgehen zu wollen.

Raushalten aus dem Ganzen will sich der DGB. Dessen Lokalchef Erhard Pumm bestätigte am Montag auf einer Pressekonferenz, daß es ihm vor allem darum gehe, die gewerkschaftliche Mai-Kundgebung abzusichern. Diese nach St. Pauli zu verlegen, sei mit den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften abgestimmt. Als Flucht vor den Neonazis könne man das nicht bezeichnen, so Pumm. Die Rechten hätten ihre Veranstaltung zwei Wochen vor der des DGB angemeldet und deshalb versammlungsrechtlich die besseren Karten gehabt, so Pumm. Gleichzeitig verwies er darauf, daß es im Anschluß an die Mai-Kundgebung ein »Kulturfest gegen rechts« geben werde.

Hamburg: 1. Mai, 10 Uhr U/S-Bahn Barmbek: »Kein Platz für Nazis!«, Kundgebung und Demonstration

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18. April 2008

Schlagabtausch in der Hamburgischen Bürgerschaft vor der Koalitionsbildung

Die bevorstehende Besiegelung der ersten schwarz-grünen Länderkoali­tion hat in der Hamburgischen Bürgerschaft zum einem heftigen Schlagabtausch geführt. Die SPD hatte eine »Aktuelle Stunde« zum Thema »Nach der Wahl ist vor der Wahl« angemeldet. Öffentlichkeitswirksam sollten am Mittwoch abend so vor allem die Grünen an ihre Wahlversprechen erinnert werden: Kein neues Kohlekraftwerk im Stadtteil Moorburg, keine Fahrrinnenvertiefung der Elbe. Doch das Spiel »Alte Freunde, neue Feinde« ging zumindest für die beantragende Partei von SPD-Landeschef Ingo Egloff kräftig daneben. Mit Blick auf Äußerungen von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gab die Grünen-Frak­tionsvorsitzende Christa Goetsch diesen Ball geschickt zurück: Es sei nicht zu erkennen, ob die Sozialdemokraten nun für oder gegen das Kraftwerk sind. Leichtes Spiel hatte da Dora Heyenn: Die Linke-Fraktionschefin geißelte die »Prinzipienlosigkeit« beider Parteien, nicht nur in der Umweltpolitik, sondern auch und vor allem in der So­zialpolitik. Diese habe für die Bildung einer neuen Stadtregierung offenbar kaum eine Rolle gespielt.

Unter Schwarz-Grün werde die »Spaltung der Stadt« vertieft, konstatierte Joachim Bischoff. Von Zwischenrufen unbeirrt, verwies der Linke-Parlamentarier darauf, daß allein in Hamburg 200000 Menschen von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. Die Grünen deuteten daraufhin immerhin an, daß es mit der neuen Regierung in Hamburg die Wiedereinführung des 2003 von der CDU geschliffenen Sozialtickets geben wird. Doch zu welchem Preis? Redner unterstrichen unisono, daß für diese »Mindestmobilität« der Bezieher von Arbeitslosengeld II dann auch jene Anteile mitberücksichtigt werden müßten, die in den Hartz-IV-Sätzen für den öffentlichen Nahverkehr bereits enthalten sind. Wie erschreckend gering diese sind, das vermochte im Plenum dann aber nur der linke Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Joithe zu sagen. Selbst bis zu seinem Parlamentseinzug »Hartz-IV-Betroffener«, wies er Cent für Cent nach, daß ein Sozialticket, das im Monat mehr als 15 Euro kostet, seinen Namen nicht verdient. »Leistungsberechtigte« müßten sich dieses Ticket dann nämlich »buchstäblich vom Munde absparen«. Joithe forderte, daß auch Bezieher von Grundsicherungsleistungen, die wegen Alters oder dauerhafter Erwerbsminderung längst aus der offiziellen Arbeitslosigkeit herausgefallen sind, zum Kreis der Berechtigten gehören müßten. Viel Aufmerksamkeit hatte der 57jährige Erwerbslosenvertreter schon zuvor erregt: Obwohl die mit nur acht Abgeordneten vertretene Linke kein Anrecht darauf hatte, wurde er vom Parlament zu einem seiner Vizepräsidenten gewählt.

Ebenso gut vorbereitet zeigte sich die Linksfraktion auch bei der Behandlung ihres Antrags, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD durch Hamburg zu unterstützen. »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen, das geächtet gehört«, mit diesen Worten attackierte die Abgeordnete Christiane Schneider Innensenator Udo Nagel (parteilos). Dieser hatte sich geweigert, Erkenntnisse seiner Behörde, die ein Verbotsverfahren stützen, an die Bundesbehörden zu übermitteln. Schneider forderte außerdem, daß ein für den 1. Mai in Hamburg geplanter Aufmarsch militanter Neonazis wegen »Volksverhetzung« verboten wird. Die Aktivitäten von Antifaschisten gegen diesen Marsch, seien hingegen ein »ermutigendes Zeichen«. Die Finanzierung sogenannter V-Leute in der NPD müsse eingestellt werden, forderte Schneider. Die seien »Fleisch vom Fleisch der Neofaschisten«. Eine derartig klare Sprache wohl bisher nicht gewohnt, wurde der Linken-Antrag nicht abgelehnt, sondern zur weiteren Prüfung in den zuständigen Ausschuß verwiesen.

Verwendung: Junge Welt vom 18. April 2008
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15. April 2008

NPD und »Freie Kameradschaften« wollen am 1. Mai durch Hamburg-Barmbek marschieren. Dort findet sonst die traditionelle Gewerkschaftsdemo statt

Kein Fußbreit den Faschisten!« – Diese antifaschistische Formel nimmt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Hamburg offenbar nicht sehr ernst. 75 Jahre nachdem die Gewerkschaftshäuser durch die Nazis okkupiert und die Arbeiterorganisationen zerschlagen wurden, hat dieser seine traditionelle 1. Mai-Kundgebung von Barmbek nach St. Pauli verlegt. Sie gibt damit den Stadtteil für Neofaschisten frei. Wo sonst die Gewerkschaften demonstrieren, haben »Freie Nationalisten« und Anhänger der neofaschistischen NPD bereits im vergangenen Jahr einen eigenen Aufmarsch unter dem Motto »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen« angemeldet. »Wer zuerst anmeldet, hat das Zugriffsrecht«, meint DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Fern ab des Geschehens soll es nun nach der verlegten Gewerkschaftskundgebung ein »Kulturfest gegen rechts« geben, fügt er hinzu.

Ergreifen die Gewerkschaften die Flucht vor den Neofaschisten? Für das Netzwerk der Hamburger Gewerkschaftslinken wäre dies ein Skandal. In einem offenen Brief an den Vorstand des DGB wird dessen Entscheidung massiv kritisiert. Die Mitglieder und die Basis seien daran nicht beteiligt worden. Erinnert wird zudem, daß erst vor fünf Jahren eine Tafel für die Erinnerung an die Ereignisse vom 1. und 2. Mai 1933 am Gewerkschaftshaus angebracht worden sei. »Und jetzt, bei der ersten Provokation der Nachfahren jener Nazibanden durch ihre Okkupation unseres Kundgebungsplatzes sollen wir zurückweichen?« Mit »ehrendem Gedenken an die vor 75 Jahren in die Gefängnisse geprügelten Gewerkschafter«, habe dies nichts zu tun, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Brief.

Den Nazis nicht weichen, will indes das Hamburger Bündnis gegen rechts. »Wir wünschen uns, daß sich am 1. Mai so viele Menschen wie möglich den Nazis in Barmbek entgegenstellen«, heißt es im eigenen Aufruf für einen »antifaschistischen 1. Mai«. Daß die Nazis am Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse durch Hamburg marschieren und dabei gewerkschaftliche Kundgebungsplätze in Anspruch nehmen wollen, betrachtet Bündnissprecher Wolfram Siede als »eine gezielte Provokation«, der nun mit aller Kraft entgegengetreten werden müsse. Unterstützt wird dies auch von der Gewerkschaftsjugend. »Der 1. Mai ist unser Tag«, so DGB-Jugendsprecher Olaf Schwede gegenüber junge Welt. Deshalb werde seine Organisation am 1. Mai auch nicht durch St. Pauli, sondern durch Barmbek demonstrieren.

Die Entscheidung für die geänderte Demoroute am 1. Mai hatte der Vorstand des DGB auch mit der Sorge begründet, daß es im Verlauf einer Kundgebung in der Nähe eines Neonaziaufmarsches zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen könnte. Wenn die Mehrheit der Gewerkschafter mit dieser Begründung fernbleibt, läuft das darauf hinaus, daß die dennoch in Barmbek Demonstrierenden den Polizeimaßnahmen »schutzlos ausgeliefert sind«, kritisiert das Netzwerk der Gewerkschaftslinken. Entsolidarisierung sei im Widerstand gegen Neonazis das »falsche Signal«. Gefordert wird deshalb nun, daß der DGB, neben der bereits angemeldeten Kundgebung für St. Pauli, auch eine zweite und vom ihm getragene Antifa-Veranstaltung für Barmbek anmeldet.

Wie notwendig das wäre, zeigt das Triumphgeheul bei der NPD. Den DGB verhöhnend, spricht ihr Landeschef Jürgen Rieger bereits von einem »klägliche Rückzug« der Gewerkschaften. Da damit auch die Linke zerstritten sei, rechnet er selbst nur mit »Kleingruppen«, die den Aufmarsch behindern könnten. Rieger fordert die Anhänger seiner Partei auf, am 1. Mai in Hamburg ein Zeichen für die gewachsene Stärke des »nationalen Sozialismus« zu setzen. Er selbst rechnet mit 500 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet.

Nähere Infos: http://keine-stimme-den-nazis.org

Verwendung: Junge Welt vom 15. April 2008
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18. Februar 2008

Hamburg: Gleich drei rechte Parteien kandidieren für die Bürgerschaft

Rund 600 Antifaschisten haben am Sonntag in Hamburg gegen eine Wahlveranstaltung der Deutschen Volksunion (DVU) mit deren Bundesvorsitzendem Gerhard Frey demonstriert. Kurz zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht das städtische Congress-Centrum Hamburg (CCH) verpflichtet, der DVU einen Saal zu vermieten. Dies entspreche dem Grundsatz der »Gleichbehandlung« aller für die Bürgerschaftswahlen am 24. Februar antretenden Parteien, hieß es zur Begründung. Neonazis hätten kein Recht auf eine solche Gleichbehandlung, betonte indes das »Hamburger Bündnis gegen rechts«. Es rief zu einer Protestkundgebung direkt vor dem Center auf.

Daß die DVU ihre Wahlveranstaltung für rassistische Hetze nutzt, wurde gleich zu Beginn der Veranstaltung deutlich. Vor etwa 250 Anhängern, darunter auch Angehörige aus den militant neofaschistischen »freien Kameradschaften« um Neonaziführer Christian Worch, fabulierte Frey über »kriminelle Ausländer« und »rote Politbonzen«, die das Land ruinierten. Er forderte, daß »deutsches Geld« nur für Deutsche zur Verfügung stehe und betonte, daß er noch heute stolz auf die Leistungen seines Vaters in der Wehrmacht sei.

»Jawohl« und »Frey, Frey, Frey«, riefen daraufhin einige der Anwesenden und klatschten so laut, daß Frey mit seiner Rede ins Stocken und schließlich sogar aus dem Konzept geriet. Erst jetzt erkannten die DVU-Ordner, daß der nachhaltige Applaus nicht aus den eigenen Reihen, sondern von etwa 25 Antifaschisten kam, die es trotz der zahlreichen Polizeisperren geschafft hatten, in den Saal zu gelangen. Für sie wurde es nun ungemütlich. Geschubst und getreten, gezerrt und geschlagen, landeten sie schließlich vor der Tür.

Aus dem ultrarechten Lager tritt für die Bürgerschaftswahlen nur die DVU an. Sie ist zwar in Hamburg relativ schwach, doch im sogenannten Deutschland-Pakt zwischen NPD und DVU hatten sich beide Parteien darauf geeinigt, daß es bei Landtagswahlen keine Konkurrenzkandidaturen geben dürfe und man sich gegenseitig und im Wechsel unterstützt.

Doch im Wahlkampf der DVU ist von der NPD bisher wenig zu sehen. Multimillionär Frey finanziert mit seinem Vermögen zwar den Druck der Propagandamaterialien. Doch was nützt dies, wenn das anschließend keiner verteilt? Die DVU-Wahlkampagne bleibe jedenfalls »weit unter dem, was wir erwartet haben«, so Antifa-Bündnis-Sprecher Wolfram Siede gegenüber jW. Er vermutet, daß Teile der NPD, darunter ihr Hamburger Landesverband, den Pakt mit der DVU nicht wollen. Ein schlechtes Wahlergebnis für die DVU würde den innerparteilichen Druck erhöhen, von diesem künftig wieder Abstand zu nehmen.

Ein Einzug der DVU in die Hamburger Bürgerschaft ist jedenfalls nicht zu erwarten. Das gilt auch für zwei weitere Parteien am rechten Rand: die vom ehemaligen CDU-Justizsenator Roger Kusch gegründete Partei »Rechte Mitte Heimat Hamburg« und den von Ex-Innensenator Dirk Nockemann – ein ehemaliger Parteigänger von Ronald Barnabas Schill – aufgebauten Hamburger Landesverband der Deutschen Zentrumspartei. Doch anders als 2001, wo Schill mit seinen Law-and-order-Parolen zum Liebling der Hamburger Boulevardmedien avancierte, stoßen seine Erben zur Zeit auf wenig Resonanz.

Verwendung: Junge Welt vom 18. Februar 2008
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15. Mai 2007

Mit einem Denkzettel für die große Koalition und einem deutlichen Linksrutsch ist die Bürgerschaftswahl in Bremen am Sonntag zu Ende gegangen. Sowohl die SPD (minus 5,5 – jetzt 36,8 Prozent) als auch die CDU (minus 4,1 – jetzt 26,7) erlitten dabei schwere Verluste. Die Grünen kamen mit 16,4 Prozent (plus 3,6) hingegen auf ihr bundesweit bisher bestes Ergebnis. Ins Parlament kam mit 6 Prozent auch die FDP. Strahlender Sieger ist Die Linke, die aus dem Stand 8,4 Prozent erreichte – aber für keine Art von Regierungsbeteiligung zur Verfügung steht.

Die rechtsextreme DVU erzielte landesweit zwar nur 2,75 Prozent, doch weil sie in Bremerhaven mit 5,4 Punkten die 5-Prozent-Hürde überwand, stellt sie nun ebenfalls einen Abgeordneten im Landesparlament. Demgegenüber erzielte eine zweite rechtspopulistische Liste (»Bürger in Wut«) nur 4,99 Prozent aller Stimmen in Bremerhaven. Zum Einzug in das Landesparlament fehlte ihr eine Stimme.

Obwohl die seit 62 Jahren in Bremen regierende SPD damit die größten Einbußen eingefahren hat, erheben die Sozialdemokraten unter Bürgermeister Jens Böhrnsen erneut den Anspruch, die Verhandlungen über eine Regierungsbildung zu führen. Der 57jährige ließ aber am Montag offen, ob er die große Koalition mit der CDU fortführen oder aber ein Bündnis mit den Grünen schließen will. Er werde sich in den kommenden 14 Tagen »mit denen, die in Betracht kommen« besprechen, hieß es schon am Wahl­abend – allerdings nicht mit der Linken.

Die grüne Spitzenkandidatin Karoline Linnert meldete indes »einen berechtigten Anspruch mitzuregieren« bereits am Wahlabend an. Auch Grünen-Bundeschefin Claudia Roth meinte, daß die SPD-CDU- Koalition von »Rot-Grün« ersetzt werden müsse. Dies vertrat auch Grünen-Landessprecherin Susan Mittrenga, die am Montag ihre »Lust auf Regierungsverantwortung« bekräftigte. (ag)

Verwendung: Junge Welt

Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der jW vom 15. Mai 2007. Lesen Sie daher auch die Artikel Überraschender Erfolg und »Wir sprechen vom ›Wunder von Bremen‹«.

Die gesamte Schwerpunktseite vom 15. Mai können Sie außerdem hier als PDF-Datei herunterladen.



09. Mai 2007

Ehemaliger Schill-Parteigänger konnte Kandidatur in Bremerhaven erschleichen

Wer am Sonntag in Bremerhaven die Bürgerschaftsliste der Linken wählt, der wählt mindestens einen Rechten. Denn auf Listenplatz 2 der dortigen Bürgerschaftsliste haben die Linken im Januar Joachim Weihrauch gewählt. Am Montag nachmittag wurde bekannt, daß der parteilose Weihrauch bereits 2003 für die Bürgerschaft kandidiert hat – als Parteigänger des Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill.

Als er im Dezember des gleichen Jahres aus seiner eigenen »Partei Rechtsstaatliche Offensive« ausgeschlossen wurde, fand Weihrauch Asyl bei der ebenfalls rechtslastigen »Pro Deutsche Mitte«. Dort brachte es der 73jährige immerhin zum Pressesprecher des Bremer Landesverbandes.

Merkwürdigerweise flog die Sache erst am Montag auf, als sich einige Linke über dubiose Positionen des Kandidaten wunderten. Im Internetportal www.kandidatenwatch.de antwortete er auf die Bürgerfrage, ob er die Einstellung der früheren »Top-Terroristin« Susanne Albrecht in den Bremer Schuldienst für richtig halte, dies sei »eine abartige Provokation gegenüber jeden anständig denkenden Menschen«. Angesichts solchen »moralgeistigen Unvermögens« der »politischen Klasse« sei auch »nicht auszuschließen, daß ein nach 10 Jahren Haftentlassener mehrfacher Kinderschänder im Bremer Amt für Kinder- und Jugendhilfe als Sozialarbeiter eingestellt werden könnte«, führt der Kandidat aus. Ebenso scharf wendet sich Weihrauch gegen die »Verschleuderung« von Steuergeldern, fordert eine »rigorosere Einsparungspolitik« und Erhöhung von Steuern, Abgaben und Gebühren. Nur so könne der Bremer Haushalt saniert werden.

Für die Linke eine kalte Dusche – doch nicht unverschuldet. Die Bürgerschaftsliste für Bremerhaven wurde im Januar auf Betreiben der Landes­chefs von WASG und Linkspartei im Schnellverfahren durchgewinkt – gegen die Kritik der Bremerhavener Kreisverbände, die ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Kandidaten forderten. Weihrauch hatte sich seinerzeit bei der Kandidatenkür als »Sprecher der Regionalgruppe Bremen im Bund der Energieverbraucher« vorgestellt.

Gegenüber jW zeigte sich Linkspartei-Landeschef Klaus-Rainer Rupp am Dienstag tief bestürzt. Er fühlt sich von Weihrauch betrogen, denn dieser habe schon Wochen vor dem Parteitag mitdiskutiert und dabei gezielt den Eindruck vermittelt, er sei ein Linker.

Konsterniert war auch WASG-Bundesvorstandsmitglied Lucy Redler aus Berlin, die am Dienstag in Bremen weilte und an einer Wahlkampfveranstaltung teilnahm. Nur die Linke würde bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen eine antifaschistische Rolle spielen, betonte Redler. Gelänge es Weihrauch tatsächlich ein Mandat für die Bürgerschaft zu gewinnen, erwarte sie, daß die Fraktion ihn sofort ausschließe.

Das fordert auch Rupp, der zudem alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen will, zu verhindern, daß Weihrauch länger im Namen der Linken spricht. Man darf gespannt sein, was Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, die heute in Bremen auftreten wollen, den Wählern erklären werden. Eingehen müssen sie auf die »Affäre Weihrauch« – nicht zuletzt weil am Sonntag Tausende Bürger Bremerhavens gegen einen drohenden Einzug der DVU in das dortige Stadtparlament demonstrierten. Auch das sind potentielle Linkswähler.

Weihrauchs Chancen, in die Bürgerschaft einzuziehen, sind allerdings gering. Die Linke in Bremerhaven müßte dazu mindestens zehn Prozent der Stimmen erhalten.

Verwendung: Junge Welt
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28. März 2007

Lübeck. Hunderte Faschisten aus dem Umfeld der NPD und der »freien Kameradschaften« wollen am Samstag quer durch Lübeck marschieren. Vorwand: der 65. Jahrestag eines alliierten Bombenangriffs auf die Stadt. Seit Wochen schon mobilisieren Lübecker Antifaschisten unter dem Motto »Wir können sie stoppen!« zu Gegenaktionen. 15 Kirchengemeinden unterstützen das Antifa-Bündnis, hinzu kommen Gewerkschaften und Betriebsräte, die türkische Gemeinde sowie zahlreiche Schüler- und Studentengruppen. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), die Grünen, Ortsverbände der SPD, die Linkspartei und die Jungsozialisten, Einrichtungen der Diakonie und die autonomen antifaschistischen Gruppen sind Teil des Bündnisses. Vor einem Jahr gelang es, die Neonazis zu stoppen, als sich rund 4000 Menschen ihrem Aufmarsch entgegenstellen.(AG)

Info: Auftaktkundgebung am Samstag um 10 Uhr auf dem Lübecker Markt

Verwendung: Junge Welt
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2. März 2007

Hamburg. Mit seinem letztlich gescheiterten Vorhaben, ein Hotel in der Innenstadt von Delmenhorst zu kaufen, machte er monatelang Schlagzeilen. Jetzt ist der bundesweit bekannte Rechtsextremist Jürgen Rieger neuer Landesvorsitzenden der Hamburger NPD. Wie die Neonazipartei jetzt informierte, votierten bereits am Wochenende auf einem geheimgehaltenen Landesparteitag von 21 Delegierten 18 für Rieger und nur drei für Anja Zysk, die bisherige Landesvorsitzende. Der braune Anwalt gilt dem Hamburger Verfassungsschutz als Bindeglied zwischen »Altnazis und jüngeren aktionistischen Rechtsextremisten«.

Verwendung: Junge Welt
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9. Februar 2007

Hamburg: Abservierte Landeschefin der NPD mobilisiert gegen Moscheebaupläne. Neue Führungsclique träumt indes von Bündnis mit »Islamisten«

Rechtsradikale aus dem Umfeld der früheren Hamburger NPD-Landesvorsitzenden Anja Zysk wollen am Samstag durch den Stadtteil Bergedorf marschieren, um gegen den geplanten Bau einer Moschee zu protestieren. Antifaschistische Gruppen mobilisieren ihrerseits, den fremdenfeindlichen Aufmarsch zu stoppen.

Neonazigrößen wie der Anwalt Jürgen Rieger oder der Chef der »Freien Kameradschaften«, Thomas Wulf, die mittlerweile in der Hamburger NPD den Ton angeben, hatten sich seit Wochen gegen den Aufmarsch gewandt. Sie spekulieren auf ein Bündnis mit »Islamisten«. Der Streit eskalierte und hatte schließlich sogar ein Ausschlußverfahren des NPD-Bundesvorstandes gegen Zysk zur Folge, während gleichzeitig Neuwahlen für den Hamburger Landesvorstand der Rechtspartei angeordnet wurden. Zysk will jetzt beweisen, wie groß ihre Mobilisierungskraft noch ist und kann auf die Unterstützung mehrerer Kreisverbände aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen zählen, die ebenfalls zu der Aktion in Bergedorf aufrufen.

Brisanz hat der braune Aufmarsch unter anderem deshalb, weil der Streit um den Bau von Moscheen auch das bürgerliche Lager entzweit. In anderen Hamburger Stadtbezirken waren ähnliche Vorhaben am Widerstand von CDU-Volksvertretern gescheitert. Demgegenüber haben in Bergedorf alle in der Bezirksversammlung vertretenen Parteien den Neubau eines muslimischen Gotteshauses begrüßt. Das »Rathaus-Bündnis« von SPD, CDU, Grünen, Kirchen und Gewerkschaften will den Neonazis am Samstag mit einem »Fest gegen rechts« entgegentreten. Besucher sollen dort Gelegenheit haben, sich ein Modell der geplanten Moschee anzusehen.

Doch das Fest findet weit ab von der Route der Rechten statt. Antifaschistische Gruppen rufen deshalb zusätzlich zu einer Demonstration auf: Sie wollen den Aufmarsch stoppen. Unterstützt wird die Aktion von WASG, Linkspartei, DKP und VVN sowie zahlreichen unabhängigen Gruppen.

Während ein Versuch der Polizeibehörden den rechten Aufmarsch wegen »Volksverhetzung« zu untersagen, vom Oberverwaltungsgericht kassiert wurde, sehen sich die Antifaschisten Schikanen ausgesetzt. So will die Polizei die Antifa-Demo zeitlich und räumlich von den Rechten fernhalten, zwangsweise umleiten und erst ab 12 Uhr zulassen. Das aber wollen die Antifaschisten nicht hinnehmen, die auf ihrem Demonstrationsrecht beharren und zu einer Auftaktkundgebung um 10 Uhr am Bahnhof Bergedorf, Ausgang Weidenbaumsweg aufrufen.

Auch im niedersächsischen Rotenburg wollen Neofaschisten am Samstag provozieren. Erwartet werden etwa 100 Neonazis, die vor allem aus der so genannten Kameradschaft »Snevern Jungs« und den »Autonomen Nationalisten« mobilisiert werden sollen. Eine antifaschistische Gegendemonstration beginnt um 10 Uhr auf dem Neuen Markt.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-09/046.php



16. Januar 2007

Neonazipartei kündigt Ausschlußverfahren gegen ehemalige Hamburger Landesvorsitzende an. »Freie Kameradschaften« gestärkt

Die NPD hat am Wochenende ein Ausschlußverfahren gegen ihre Anfang Januar zurückgetretene Hamburger Landesvorsitzende Anja Zysk angekündigt. Ein »ordentliches Ausschlußverfahren« werde notwendig, weil Zysk wiederholt »vertrauliche Parteivorgänge« veröffentlicht und damit gegen Paragraph 8a der Satzung verstoßen habe, hieß es in einer am Sonntag abend verbreiteten Mitteilung. Ein weiteres Parteiverfahren soll gegen das ehemalige Hamburger Landesvorstandsmitglied Thorsten de Vries vom »Deutschen Kameradschafts-Bund« durchgeführt werden. Dieser habe den Parteifrieden »fortwährend und grob gestört«, hieß es in der Mitteilung. Presseberichten zufolge hatte de Vries die ehemalige Landeschefin Anfang November in einer E-Mail als »mosaische Levantiner Hexe« bezeichnet und außerdem geschrieben: »Ich würde die Alte sofort an die Wand stellen wenn ich die Möglichkeiten dazu hätte«. Zysk hatte daraufhin am 8. Januar Strafanzeige gegen de Vries erstattet.

Daß der Bundesvorstand daraufhin auch gegen de Vries ein Parteiverfahren einleitete, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich mit der Weichenstellung im Hamburger Landesverband der Flügel um Thomas Wulff im NPD-Bundesvorstand durchgesetzt hat. Wie das rechtsextremistische Störtebeker-Netz berichtet, nahm Wulff an der letzten Hamburger Landesvorstandssitzung am 4. Januar teil, obwohl er offenbar gar nicht dazu eingeladen war. Aufforderungen der Landesvorsitzenden, die Sitzung zu verlassen, hätte Wulff ignoriert »und zwar ohne daß der ebenfalls anwesende Bundesparteivize Peter Jacob Marx dagegen intervenierte«.

Wulff gilt als Chef der militant-extremistischen »Freien Kameradschaften« und ist persönlicher Referent von Parteichef Udo Voigt. Unter Verwendung offen nazistischen Vokabulars möchte Wulff die NPD weiter radikalisieren, weshalb er in Hamburg auch den Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger zum neuen Landesvorsitzenden küren möchte. Zysk gilt hingegen als eine Vertreterin des sogenannten Bürgerflügels, der die NPD zu einer rechten »Volkspartei« fortentwickeln möchte.

Dessen Einfluß wird aber zunehmend geringer und zumindest in Hamburg ist der Weg für Rieger nun frei, denn NPD-Bundesvize Marx hatte am Wochenende angekündigt, daß er die Neuwahl des Landesvorstandes bereits in den nächsten Wochen organisieren möchte. Zysk dürfte dabei nach der Einleitung eines Parteiverfahrens kaum noch Chancen haben. Ihr ist zum Verhängnis geworden, daß sie die Öffentlichkeit über die Konflikte in der NPD informiert hatte. Das und vor allem die Anzeige gegen de Vries gilt in der Neonazipartei als Verrat.

Befaßt hat sich der Bundesvorstand der NPD unterdessen auch mit der eigenen Wahlpolitik. Während dabei für die Bürgerschaftswahlen in Bremen, das sogenannte Bündnis mit der Deutschen Volksunion (DVU) bekräftigt wurde, kündigte Parteichef Voigt bereits an, bei den Landtagswahlen in Bayern, Hessen und Niedersachsen zu kandidieren. »Angesichts des desolaten Zustandes der CSU und der Demontage von Edmund Stoiber« sieht Voigt dabei in Bayern die derzeit größten Chancen, 2008 in einen weiteren Landtag einzuziehen.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-16/033.php



10. Januar 2007

Vor Landtagswahlen 2008 proben militante Rechte und »Freie Kameradschafter« den Aufstand in neofaschistischer Partei

Der Kampf um die Vorherrschaft in der neofaschistischen NPD ist spätestens seit den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern auch in anderen Landesverbänden heftig entbrannt. In Hamburg und Niedersachsen fordern die Anhänger eines radikaleren und militanten Kurses, für den die »Freien Nationalisten« Christian Worch und Thomas Wulff sowie der Anwalt Jürgen Rieger stehen, die Neubesetzung der Führungspositionen.

Neuwahl gefordert

In Niedersachsen forderten über zehn Prozent der rund 550 Mitglieder mit einer Unterschriftenliste die Einberufung eines Sonderparteitages noch im kommenden Monat. Ziel der Versammlung ist offenbar die Wahl eines neuen Vorstandes und die Abwahl des Vorsitzenden Ulrich Eigenfeld. Damit ist aus dem seit langem schwelenden Streit zwischen Eigenfeld und seinem Stellvertreter Adolf Dammann ein offizieller Machtkampf geworden. Gegenstand der Auseinandersetzung ist die im Januar 2008 bevorstehende Landtagswahl in Niedersachsen. In der Vergangenheit habe der Landesvorstand die Wahlen auf die leichte Schulter genommen und damit das »überlebensnotwendige Wahlziel des Landesverbandes« nicht erreicht, heißt es in der Resolution, die mehrheitlich von Dammanns Unterstützern unterzeichnet wurde. Ziel müsse ein Wahlergebnis sein, das der Partei Zugang zur staatlichen Finanzierung ermöglicht, denn erst dann könne an der Verbesserung der parteilichen Strukturschwächen in Niedersachsen gearbeitet werden. Dies sei unter Eigenfeld nicht möglich. Vor allem seine ablehnende Haltung zu den »Freien Nationalisten« stehe einem erfolgreichen Wahlkampf im Weg.

Nach Eigenfelds Redeverbot gegen den bekannten Neonazi Dieter Riefling 2005 hatten zahlreiche Personen und Gruppen aus der Neonaziszene angekündigt, ihre Zusammenarbeit mit der NPD in Niedersachsen einzustellen. Im Vorfeld einer von Dammann angemeldeten Kundgebung im vergangenen Oktober in Göttingen hatte Eigenfeld diesen aufgefordert, sein Amt in der Partei niederzulegen. Der Grund: Dammann habe auf dem Flugblatt zur Kundgebung unabgesprochen das NPD-Logo verwendt und damit den Eindruck einer offiziellen Parteieinladung erweckt.

Streit um Moscheebau

Die »Freie Nationalisten« sind sich ihrer Machtposition beim bevorstehenden Wahlkampf bewußt. Der Hamburger Neonazi Christian Worch fragt offen, warum Eigenfeld noch Landesvorsitzender sein könne und hofft auf einen Führungswechsel. Er läßt keinen Zweifel daran, daß die »Freien Nationalisten« Dammann an der Spitze sehen wollen. Andernfalls tendiere das Interesse, den Wahlkampf in Niedersachsen zu unterstützen, gegen Null.

In Hamburg hat es die NPD nicht leichter. Bereits Ende vergangener Woche ist der gesamte Vorstand unter der bisherigen Landesvorsitzenden Anja Zysk zurückgetreten. Auf einer Vorstandssitzung hat Thomas Wulff, Chef der »Freien Kameradschaften« und für diese im Bundesvorstand der NPD, Zysk angegriffen, weil diese im Stadtteil Bergedorf eine Kampagne gegen den Neubau einer Moschee unterstützt hatte. Wulf will den Neonazianwalt Jürgen Rieger als neuen Landesvorsitzenden vorschlagen. Für diesen ideologischen Machtkampf kam der Streit um die Moschee, Rieger und Wulff treten für ein Bündnis mit sogenannten Islamisten ein, gerade recht. Doch Zysk hat noch nicht aufgegeben: Am Montag erstattete sie eine Strafanzeige gegen Thorsten de Vries (Deutscher Kameradschafts-Bund), weil der sie auf besagter Vorstandssitzung eine tollwütige Hexe, die er am liebsten an die Wand stellen wolle, genannt hatte. Zysk gibt sich »bürgernah« und sorgt sich, daß sich die Partei bei den Wahlen wieder isolieren könnte. Heftigen Angriffen sieht sich auch ihr Stellvertreter Martin Dembowsky ausgesetzt. Die Betreiber des neonazistischen »Aktionsbüro Norddeutschland« bezeichneten ihn erst kürzlich als »Feind der Bewegung«, weil er sich jahrelang in einer Freimaurersekte engagiert habe.

Die Anhänger der militant-extremistischen Neofaschisten um Jürgen Rieger, der wie Wulff inzwischen auch im NPD-Bundesvorstand sitzt, fühlen sich nach dem Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern bestärkt, ihr offen faschistisches Gedankengut wieder massenwirksamer zu vertreten. Die 2008 in Niedersachsen, Hessen, Bayern und Hamburg bevorstehenden Landtagswahlen, könnten dafür ein geeignetes Experimentierfeld sein.

[Dieser Artikel wurde gemeinsam mit Kai Budler verfasst]

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-10/001.php



Verfolgte des Naziregimes erinnerten mit Mahnwache an Deportation Hamburger Juden

Mit einer Mahnwache vor dem Hauptbahnhof haben am Mittwoch abend in Hamburg zahlreiche Mitglieder des Auschwitz-Komitees und der VVN-BdA, unterstützt von Antifa-Gruppen und der Gewerkschaft ver.di, an die Verschleppung und Deportation von 756 Hamburger Juden am 6. Dezember 1941 erinnert.

Mit Hilfe der Bahn wurden sie damals in die Vernichtungslager der Nazis transportiert, nur 24 überlebten. Doch während die Bahn vom 4. bis 10. Dezember mit zahlreichen Veranstaltungen an den 100. Jahrestag zur Eröffnung des Hamburger Hauptbahnhofs erinnert, durfte das Gedenken an den 65. Jahrestag der Deportation nicht auf dem Bahngelände stattfinden. Ausgesperrt waren so auch die Auschwitz-Überlebende und Trägerin der Carl-von-Ossietzky-Medaille Esther Bejarano sowie die in der Hansestadt sehr bekannte Verfolgte des Naziregimes und Antifaschistin Steffi Wittenberg, die nun bei Wind und Regen auf dem Bahnhofsvorplatz an die Deportierten erinnerten.

Skandalös nannte dies der Schauspieler und ver.di-Aktivist Rolf Becker, der in seiner Ansprache vor allem an das Schicksal jener 92 jüdischen Kinder erinnerte, die damals »wie Vieh« durch die Nazis abtransportiert wurden. Millionen jüdischer Menschen, aber auch Sinti und Roma, Kommunisten und Gewerkschafter, Männer und Frauen, Greise und Kinder sei es damals so ergangen, wofür die Bahn eine konkrete Verantwortung trage. Das war ein Verbrechen unter aktiver Beteiligung der damaligen Reichsbahn, sagten auch Bejarano und Wittenberg.

Wittenberg schilderte, wie Kinder und Jugendliche, die sie selbst noch aus der Schule oder vom Spielen kannte, in die Viehwaggons der Reichsbahn getrieben wurden. Angekommen in den Konzentrationslagern, mußten selbst diese Kinder noch jahrelang Zwangsarbeit verrichten, bevor sie ermordert wurden. »Die Deutsche Bahn ist Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn«, woraus auch eine Verpflichtung enstünde, »an diese Verbrechen zu erinnern«, sagte die 82jährige Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Esther Bejarano. Sie forderte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn energisch dazu auf, sich »unserem Kampf gegen das Vergessen nicht länger in den Weg zu stellen«.

»Wir sind in der Pflicht, immer wieder darauf hinzuweisen, daß dieses mörderische System auch aus der Mitte der Gesellschaft und von ganz normalen Menschen getragen wurde«, betonte deshalb Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose. Er erinnerte daran, wie etwa in Hamburg für die Deportierten selbst auf ihrem Weg »in die Versklavung, Ausbeutung, Folter und Tod« noch Fahrpreise berechnet wurden. Der Gewerkschaftschef will sich deshalb dafür einsetzen, daß die Klarsfeld-Ausstellung »11 000 Kinder« an »geeigneter und zentraler Stelle« auch auf dem Hamburger Hauptbahnhof gezeigt wird.

http://www.jungewelt.de/2006/12-08/049.php



Polizei hatte Schutz zugesagt, rührte aber keinen Finger. Skandal wird Hamburgs Bürgerschaft beschäftigen

Mitten in Hamburg haben am Donnerstag abend rund 20 Neonazis eine Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes ( DGB ) trotz Anwesenheit der Polizei verhindert. Die Angreifer kamen nach Angaben der Gewerkschaftsjugend aus dem Umfeld der NPD und der sogenannten »Freien Kameradschaften«. Auch der NPD-Kreisvorsitzende Karl-Heinrich Goebel war dabei.

Der Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft, Michael Neumann, verlangte am Freitag, der Neonazi-Angriff und das Verhalten der Polizei müßten umgehend aufgeklärt werden. Couragierte Bürger, die sich gegen Nazis zur Wehr setzen und über diese aufklären wollen, dürften nicht im Stich gelassen werden. Neumann will das Thema nun in die Bürgerschaft einbringen. Bestürzt reagierte am Freitag auch DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Die Innenbehörde, forderte er, müsse rechtlich klarstellen, wie sie künftig Veranstaltungen demokratischer Organisationen schützten wolle.

Die Gewerkschaftsjugend des DGB wollte nach eigenen Angaben mit der Veranstaltung über die rechte Szene speziell im Hamburger Bezirk Wandsbek aufklären. Die Polizei habe zuvor dem Jugendbildungsreferenten des DGB, Heiko Humburg, Schutz zugesichert. Als die Neonazis kurz vor Beginn versucht hätten, mit Gewalt in den Saal einzudringen, habe die Polizei Humburg aufgefordert, sie entweder hereinzulassen oder aber jedem einzelnen Störer persönlich sein Hausverbot zu erläutern. Da beides nicht möglich gewesen sei, habe die Veranstaltung abgebrochen werden müssen.

http://www.jungewelt.de/2006/11-18/018.php



Linke raus, Schwarze rein. Harald Ringstorff (SPD) will jetzt zusammen mit der CDU Mecklenburg-Vorpommern regieren

Im Schweriner Landtag soll am heutigen Dienstag der SPD-Politiker Harald Ringstorff erneut zum Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern gewählt werden. SPD und CDU hatten dafür erst gestern ihren 57seitigen Koalitionsvertrag im Schweriner Schloß unterzeichnet. Doch inhaltliche Debatten gab es dabei offenbar kaum, nur um die Posten wurde eifrig gefeilscht.

Der 67jährige Ringstorff arbeitete als Chemiker in der DDR zwei Jahrzehnte für Rostocker Schiffsbaukombinate. Während der »Wende« war er an der Gründung der Ost-SPD beteiligt. Seine Wahl gilt als sicher, nachdem CDU und SPD auf Sonderparteitagen das Koali­tionspapier durch die jeweilige Parteibasis mit großer Mehrheit hatten absegnen lassen. Unmut gab es nur im Detail und vor allem bei der SPD. Die mußte nämlich das Innenressort der CDU überlassen und ging auch beim Bildungs- und Wirtschaftsministerium leer aus. Ringstorff hatte die große Koalition als alternativlos bezeichnete, weil die bisherige SPD-Linkspartei.PDS-Koalition nach den Landtagswahlen im September nur noch eine Stimme Vorsprung im Landtag hat. Das aber reicht nach Ringstorffs Meinung nicht für die Bildung einer »handlungsfähigen Regierung« aus.

Ändern wird sich damit nicht nur das Personal, sondern auch die Ausrichtung der Landespolitik. Die Regierung wird auf die Einführung von Studiengebühren ebenso Kurs nehmen wie auf eine verstärkte Förderung der Wirtschaft. Schluß ist nun mit arbeitsmarktpolitischen Experimenten von Exminister Helmut Holter (Linkspartei.PDS), dem es immerhin gelang, einige hundert neue Stellen vor allem im Bildungsbereich zu schaffen. CDU und SPD hätten Anregungen aus der Wirtschaft aufgegriffen, lobte denn auch Unternehmerverbandschef Klaus Hering.

Zwei bislang von der Linkspartei.PDS geleitete Ministerien werden aufgegeben: zum einen das Arbeitsministerium, das dem Wirtschaftsressort unter CDU-Landeschef Jürgen Seidel zugeschlagen wird. Zum anderen das Umweltministerium, das dem Agrarministerium eingegliedert wird. Die Linkspartei.PDS steht somit vor einem Scherbenhaufen, denn alles, was sie durchsetzen konnte, wird nun in Windeseile beseitigt.

Doch während die Linkspartei noch Schwierigkeiten damit hat, sich auf ihre neue Oppositionsrolle einzustellen, stiehlt die NPD-Fraktion ihr bereits die Schau. Diese beschloß am Wochenende, ihren Fraktionschef Udo Pastörs als Gegenkandidat zu Ringstorff aufzustellen. Als Ausdruck des Protestes gegen das Postengeschacher der letzten Tage und damit Ringstorff einen Denkzettel erhält, wie NPD-Landeschef Stefan Köster betonte.

http://www.jungewelt.de/2006/11-07/049.php



VVN nennt NPD-Vorhaben gezielte Provokation

Mit einem breiten Aktionsbündnis, das von ganz links bis hin zu Mitgliedern der CDU reicht, dem sich aber auch Jugendverbände, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen und Turnvereine angeschlossen haben, will die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) einen für heute in Bremen angekündigten Aufmarsch der NPD verhindern.

Dass der NPD-Aufmarsch wenige Tage vor dem Jahrestag der Pogromnacht stattfinden soll, bezeichnete VVN-Landeschef Raimund Gaebelein als »gezielte Provokation«, die unbedingt verhindert werden müsse. Doch kommt es heute zu diesem Aufmarsch, wäre dies für die Weserstadt eine gefährliche Premiere, denn bisher konnte Derartiges in Bremen immer verhindert werden. Auch SPD, CDU und Grüne forderten deshalb in einem Dringlichkeitsantrag für die Bürgerschaft, den Senat und das zuständige Stadtamt dazu auf, »alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen, nach denen die geplante Demonstration der NPD versagt werden kann«. Sonst, so warnte SPD-Fraktionschefin Cornelia Wiedemeyer, wäre der »soziale Friede« in Gefahr.

Den NPD-Aufmarsch zu verbieten, dazu konnte sich das Stadtamt aber erst am Mittwoch dieser Woche entschließen und weil nach »aktueller Lagebeurteilung durch die Polizei« keine andere Möglichkeit gesehen wurde, die »erwarteten Sicherheitsstörungen« durch die Antifaschisten zu verhindern. Die NPD zog vor das Verwaltungsgericht, das schließlich am Donnerstagabend verkündete, dass solche Störungen durchaus und durch die Polizei »beherrschbar« wären. Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) hatte zuvor angegeben, nur 2300 Beamte zur Verfügung zu haben, weil Einsatzkräfte auch durch ein Fußballspiel von Werder Bremen gegen Energie Cottbus gebunden sind. Gestern wollte Röwekamp noch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen, mit dessen endgültiger Entscheidung erst heute zu rechnen ist.

Kritik am Innensenator kam unterdessen vom »Bündnis gegen Rechts«, weil die Verbotsinitiative des ihm unterstellten Stadtamtes nicht politisch, sondern nur mit einer Gefährdungsprognose begründet war. Die aber stand von vornherein auf wackeligen Füßen und gefährdete zudem auch die antifaschistischen Gegenaktionen, an denen sich heute vermutlich Tausende von Bremern, darunter auch Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), beteiligen wollen. Unbeliebt hatte sich das Stadtamt beim Bündnis auch schon zuvor gemacht, als es für die Gegenaktionen nur eine Demo-Route weit entfernt vom Nazi-Aufmarsch genehmigte.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland, 04.11.2006, Seite 5

Einen guten Beicht von der Aktion können Sie hier lesen



Hamburg: ver.di-Landeschef präsentierte Liste der Superreichen der Hansestadt und fordert ungewohnt deutlich Umverteilung von oben nach unten

In Hamburg hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in ungewöhnlich scharfer Form einen grundlegenden politischen Kurswechsel für die Hansestadt gefordert. Grundsätzlich gelte dabei, daß, wer den Reichen nichts nehme, den Armen auch nichts geben könne, sagte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose, der am Dienstag nachmittag eine Liste mit detaillierten Angaben zu den 36 reichsten Bürgern der Stadt vorlegte. Deren Gesamtvermögen liegt demnach bei rund 43,2 Milliarden Euro. Geld zur Lösung der Probleme der über 200000 Armen in Hamburg sei also genug da, so Rose. Deren Armut gebe es »nicht trotz, sondern wegen des Reichtums« der anderen, sagte Rose.

Angeführt wird die Liste von der Familie Herz, die allein rund 10,1 Milliarden Euro ihr eigen nennt. Ihr folgen die Familie Otto mit rund 5,4 Milliarden sowie die Zeitungsverleger Heinz Bauer und Friede Springer mit 2,95 bzw. 2,75 Milliarden Euro. Das allein ist schon mehr, als die Stadt jedes Jahr in ihrem Haushalt zur Verfügung hat. Für diese Superreichen forderte Rose eine »gerechte Vermögens- und Erbschaftssteuer«, die jährlich 423 Millionen Euro zusätzlich in die städtischen Kassen bringen soll. Damit könnten Maßnahmen gegen die soziale Spaltung finanziert werden könnten. Rose schlug eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Veränderung des Steuersystems vor.

Darüber hinaus verlangte der ver.di-Landeschef konkrete Maßnahmen für Hamburg, die »Hauptstadt der Steuerhinterziehung«. Nach Roses Vorstellung sollen künftig 200 zusätzliche Betriebsprüfer den Reichen bei ihren Steuerabrechnungen genauer auf die Finger schauen. Sonst würden weiterhin jedes Jahr Hunderte Millionen Euro verlorengehen. Rose will sich auch dafür einsetzen, daß der CDU-Senat einen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegt. Weiter forderte er einen Stopp der Privatisierungen und ein Ende der »Kaputtsparpolitik«.

Daß sich Rose so deutlich für eine Umverteilung von Reichtum aussprach, zeugt durchaus von Mut, denn die mächtige Springerpresse wird ihn dafür vermutlich regelrecht zerreißen. Handelskammer-Chef Hans-Jörg Schmidt-Trenz gab dafür bereits eine Vorlage, als er der Gewerkschaft am Mittwoch vorwarf, in »populistischer Weise Sozialneid zu schüren« und »Menschen an den Pranger« zu stellen.

Doch Rose hatte bei seinen Einlassungen vermutlich eine Umfrage der vergangenen Woche im Blick. Diese zeigte, wie groß die Unzufriedenheit mit der amtierenden Landesregierung inzwischen ist. Wäre am Sonntag Bürgerschaftswahl, würde demnach die CDU von bisher 47,2 auf rund 35 Prozent absacken. Doch die Umfrage verdeutlichte auch, daß die »linken« Oppositionsparteien nur teilweise von diesem Absturz profitieren. Während SPD und Grüne immerhin noch leichte Gewinne verzeichnen konnten, sank der Umfragewert für die Linkspartei sogar von sechs auf unter vier Prozent.

So ist die Gefahr groß, daß Rechts­populisten den verbreiteten Unmut ausnutzen, denn die Oppositionsparteien haben durch ihre Politik in anderen Landesregierungen und im Bund für etliche Wähler jede Anziehungskraft verloren. Rose kritisierte insbesondere die in fast allen Parteien geführte Diskussion über die »Unterschicht«. Dabei tue man so, als sei für Armut und Arbeitslosigkeit vor allem das Verhalten der Betroffenen verantwortlich. »Armut, Hoffnungslosigkeit und das Abdriften ganzer Bevölkerungsgruppen« hätten ihre Ursache aber in der »ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen«, so der Gewerkschaftsfunktionär.

http://www.jungewelt.de/2006/11-02/045.php



CDU rutscht in der Wählergunst ab / Rechtspopulist sieht neue Chancen gekommen

Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ist die Hamburger CDU in der Gunst ihrer Wähler dramatisch abgestürzt.

Wäre am Sonntag Bürgerschaftswahl, käme die Partei von Bürgermeister Ole von Beust auf noch 35 Prozent, während die SPD mit 36 Prozent erstmals wieder an ihr vorbeiziehen würde. Für die Grünen gäbe es 14, für die FDP sechs und für die Linke aus PDS und WASG vier Prozent. Eine der Ursachen für diesen dramatischen Vertrauensverlust – bei der Bürgerschaftswahl 2004 erzielte die Regierungspartei noch 47,2 Prozent – ist dabei offenbar ihr Umgang mit den Volksentscheiden. So hatte die CDU erst kürzlich ein per Volksabstimmung eingeführtes neues Wahlrecht, mit dem die Bürger mehr Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten haben sollten, einfach wieder gekippt. Missachtet wurden Volksentscheide gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser und der staatlichen Berufsschulen. 70 Prozent der Wahlbürger finden das laut Umfrage »nicht in Ordnung«.

Doch nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Michael Greven ist der Erdrutsch auch ein Zeichen für die »Normalisierung im Politikbetrieb«. Nun werde die Koalitionsfrage wieder wichtiger. Selbst CDU-Strategen hatten innerparteilich schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es der Union im traditionell eher sozialdemokratisch geprägten Hamburg sehr schwer fallen werde, das Ergebnis von 2004 noch einmal zu wiederholen.

Damals gelang es dem Bürgermeister, die ehemaligen Schill-Wähler zu holen, nachdem der Rechtspopulist in sehr unappetitlicher Form von Beust als einen »Schwulen« geoutet hatte und daraufhin aus dem Senat herausflog. Ist es deshalb ein Zufall, dass nun die Springerpresse, die in der Hansestadt 80 Prozent des Zeitungsmarktes beherrscht, schon seit Wochen mit dem ehemaligen Justizsenator Roger Kusch, er hat inzwischen eine eigene Partei unter dem Namen »Heimat Hamburg« gegründet, eine neue rechtspopulistische Galionsfigur regelrecht aufbaut?

Gleich dutzendweise veröffentlichten die Springerblätter in den letzten Wochen jedenfalls Stellungnahmen, in denen sich dieser über angeblich »steigende Jugendkriminalität«, das »Drogenelend« oder auch »illegale Ausländerkinder« auslässt. Auch als neuer Koalitionspartner für die CDU hat sich dabei Kusch schon selbst ins Spiel gebracht.

Unterdessen bewertete Linkspartei-Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack das eigene Umfrageergebnis zurückhaltend positiv. Die Linke habe eine gute Chance, bei den Bürgerschaftswahlen 2008 ins Parlament einzuziehen, wenn es ihr gelinge, eigene Alternativen noch besser auszuarbeiten. Erneut soll deshalb Anfang November ein stadtpolitischer Kongress stattfinden.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland 01.11.06, Seite 4



Geschaßter Justizsenator wird von Springer-Presse in Hamburg als Rechtspopulist aufgebaut

Zieht bei den nächsten Bürgerschaftswahlen im Februar 2008 auch in Hamburg eine neue rechtspopulistische Partei in die Bürgerschaft ein? Unwahrscheinlich ist dies nicht, denn nach dem Rauswurf von Ronald Barnabas Schill aus dem Senat vor rund zwei Jahren hat nun die Springer-Presse eine neue rechtspopulistische Galionsfigur für die Hansestadt entdeckt. Es ist Roger Kusch, der ehemalige Justizsenator, der Anfang des Jahres aus dem Senat flog, weil er vertrauliche Akten weitergegeben hatte. Dessen neue Partei »Heimat Hamburg« erfreut sich jedenfalls auf ihren Veranstaltungen, wie etwa gestern abend im bürgerlichen Nienstedten, erheblichen Zuspruchs und gerammelt voller Säle. Gleich dutzendweise hatten das Hamburger Abendblatt, die Welt, aber auch die Bild-Zeitung – alles Blätter aus dem Springer-Verlag – zuvor Stellungnahmen der neuen Kusch-Partei abgedruckt.

Von einer Gefahr für das christliche Abendland durch die »Herausforderung Islam« sprach Kusch etwa gestern abend. Doch auch die angeblich »steigende Jugendkriminalität« und das wachsende »Drogenelend« sind Themen für den Ex-Senator, der Hamburgs Sicherheit von »Hunderten jungen Intensivtäter« bedroht sieht. Noch mehr Polizei, noch mehr Gefängnisse, noch mehr Abschiebungen, so lauten seine einfachen Antworten. Demgegenüber sei aber die Union unter Angela Merkel und Ole von Beust nun »an den linken Rand gerutscht«, wie sich etwa auch bei der Gesundheitsreform zeige, die für Kusch »Sozialismus pur« ist.

Doch bei all der Demagogie fehlt es dem noblem Kusch bislang noch an jener Ausstrahlungskraft, die Schill hatte, als er 2001 mit sozialer Demagogie und Ausländerfeindlichkeit auf Anhieb nicht nur konservative, sondern auch ehemalige sozialdemokratische Wähler gewinnen und ein Wahlergebnis von fast 20 Prozent einfahren konnte.

Ganz offenkundig arbeitet die Springer-Presse, die 80 Prozent des Zeitungsmarkts in Hamburg beherrscht, gezielt daran, Kusch aufzubauen. Bei Meinungsumfragen liegt die CDU nun schon seit Monaten deutlich unterhalb von 50 Prozent in der Hansestadt. Eine absolute Mehrheit konnte sie dort nur ein einziges Mal holen, als nämlich nach dem Rauswurf von Schill dessen Wähler direkt zur Union wechselten. Ob sich das aber im eher sozialdemokratisch geprägten Hamburg wiederholen läßt, halten selbst Unionsstrategen für unwahrscheinlich. Deshalb suchen sie schon jetzt nach denkbaren Koalitionspartnern. Als Mehrheitsbeschaffer dafür wird nun Kusch ins Spiel gebracht.

http://www.jungewelt.de/2006/10-24/029.php



Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Antifaschisten wegen verfremdeter Hakenkreuze auf Plakaten ein

Dürfen auf Antifaplakaten Hakenkreuze in die Tonne getreten werden? Wie berichtet, hatte Ende September das Stuttgarter Landgericht den Geschäftsführer eines Versandhandels zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt, weil dieser Plakate, Buttons und T-Shirts, die zerschlagene, durchgestrichene oder im Mülleimer landende Hakenkreuze zeigten, vertrieb. Rund 17000 Artikel wurden beschlagnahmt, weil sie angeblich Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen zeigen würden. Am Dienstag wurde indes bekannt, daß die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Stade in einem ähnlichen Fall ihre Ermittlungen eingestellt hat und das eingezogene Material betroffenen Antifagruppen bereits wieder zurückgegeben hat. Dies bestätigte Staatsanwalt Johannes Kiers gegenüber jW.

In Stade hatten Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und der Grünen Jugend am 9. September mit Plakaten, auf denen in die Mülltonne getretene Hakenkreuze zu sehen war, gegen einen Infostand der NPD zur Kommunalwahl protestiert. Die Polizei beschlagnahmte das Material. Doch anders als ihre Stuttgarter Kollegen halten die Staatsanwälte in Stade den Strafrechtsparagraphen 86 a, der die »Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen« untersagt, ausdrücklich für nicht tangiert. Die Abbildungen würden eine »Gegnerschaft zu den Zielen der verfassungsfeindlichen Organisationen« klar zum Ausdruck bringen, betonte die Staatsanwaltschaft in einer schriftlichen Stellungnahme. In Berlin und Leipzig hatten Staatsanwälte bereits zuvor auf eine Verfolgung der Träger solcher Symbole verzichtet, dies aber nicht explizit begründet. VVN und die Landtagsfraktion der Grünen in Hannover begrüßten die Entscheidung der Stader Staatsanwälte.

http://www.jungewelt.de/2006/10-18/022.php



Großauftrieb von Neonazis am Samstag in Hamburg geplant

Ganz im Stil der alten SA wollen am Samstag mehrere hundert Anhänger der sogenannten Freien Kameradschaften auf Einladung der örtlichen NPD durch die Hamburger Innenstadt marschieren. Die Anhänger der militanten Neonaziführer Thomas Wulf und Christian Worch wollen unter dem Motto »Nationale Arbeitsplätze statt internationale Profite« aufmarschieren. Front soll so aber auch gegen einige NPD-Gliederungen gemacht werden, die sich, wie etwa in Niedersachsen, als zu »zögerlich und angepaßt« erwiesen hätten. Ein breites antifaschistisches Bündnis ruft unter dem Motto »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« zu Gegendemonstrationen auf.

Diese Aufforderung unterstützen auch die Gewerkschaften. »Mit populistischen Schlagwörtern wollen die Braunen die wachsende Verunsicherung der Menschen angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau für ihre nationalsozialistischen Ziele nutzen und spielen sich als Retter der deutschen Arbeitnehmer und Erwerbslosen auf«, begründete etwa DGB-Lokalchef Erhard Pumm sein Engagement. Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose will ebenfalls an der Gegendemonstration in Hamburg teilnehmen. Dabei müßten auch die »Quellen des gesellschaftlichen Rassismus und der sozialen Demagogie« benannt werden, forderte der Sprecher des »Hamburger Bündnisses gegen Rechts«, Olaf Harms. Die Neonazis würden auch wegen der Umverteilungs- und zunehmenden Kriegspolitik der etablierten Parteien immer stärker.

Die braunen Aufmärsche sind auch Anzeichen für einen heftiger werdenden Machtkampf innerhalb des rechtsextremen Lagers. Wegen der zögerlichen Haltung einiger NPD-Funktionäre, militante Aktionen zu unterstützen, sprach Worch bereits von der Gefahr eines Zerbröckelns der braunen »Volksfront«. Der niedersächsische NPD-Landesverband hatte zuvor untersagt, in seinem Namen zu den Aufmärschen mit aufzurufen, während die Kameradschaften die NPD auch als legale Plattform für ihre eigenen Aktionen nutzen wollen.

Antifa-Demo: Samstag, 10.30 Uhr, Gänsemarkt, www.kueste.vvn-bda.de

http://www.jungewelt.de/2006/10-13/039.php



Deutsch-Lette Siegerist steht an der Spitze. Hunderte kamen zur Gründungsveranstaltung

In Bremen hat sich eine neue rechtspopulistische Partei gegründet, die unter dem Titel »Bremen muß leben« bei den Bürgerschaftswahlen am 13. Mai kommenden Jahres antreten und bis zu 20 Prozent aller Wählerstimmen erreichen will. Damit sind Absprachen im rechten Lager passé, wonach in Bremen nur die »Deutsche Volksunion« (DVU) kandidieren und als rechtes Sammelbecken fungieren sollte. Die DVU ist bislang nur im Stadtparlament von Bremerhaven vertreten.

NPD-Anhänger dürften sich im Zweifel eher für die neue Rechtsformation entscheiden, denn bei ihnen gilt die DVU als »kapitalistisch-reaktionäre« Kraft. Zudem ist die neue Partei eine Schöpfung des Chefs der »Deutschen Konservativen« (DK), Joachim Siegerist. Welche Mobilisierungskraft Siegerist in Bremen hat, wurde schon am Freitag abend bei der Gründungsveranstaltung deutlich, zu der Hunderte Anhänger ins Hilton Hotel pilgerten.

Als Bild-Kolumnist, Wahlkampfmanager für CDU-Ministerpräsidenten, Mitbegründer einer »Bürgeraktion für Strauß« sowie Autor reaktionärer Bücher hatte Siegerist schon in den 80er und 90er Jahren Karriere gemacht. 1995 wäre der Deutsch-Lette fast Ministerpräsident von Lettland geworden, wo seine Partei bei den Parlamentswahlen zweitstärkste Kraft des Landes wurde. Für antikommunistische und nationalistische Veranstaltungen konnte Siegerist zuvor bis zu 140000 Menschen mobilsieren. »Anständig konservativ« soll nun auch sein neues rechtes Sammelbecken in Bremen sein, das den Zweistädtestaat dann »sicher, sauber und schuldenfrei« machen will. Siegerist ist mehrfach wegen Volksverhetzung vorbestraft.

Nicht nur die rechte Szene, sondern auch Anhänger von SPD und CDU sollen im Mai für die neue Rechtspartei mobilisiert werden. Wohl deshalb standen auf der Gründungsveranstaltung auch eher Sachthemen, wie der »Kampf gegen Multi-Kulti« oder die Lösung der prekären Finanzlage, im Vordergrund. Als Festredner erschien der Siegener Volkswirtschaftsprofessor Bernd-Thomas Ramb, der untersuchen will, ob und wie man die Verursacher der Bremer Finanzkrise »persönlich haftbar« machen kann. Zudem sollen Stellen im öffentlichen Dienst und die Sozialausgaben gekürzt, der Sicherheitsetat aber soll aufgestockt werden.

http://www.jungewelt.de/2006/10-10/038.php



Recht auf Bildung: Hamburger Rektoren verweigern Herausgabe von Daten für Zentralregister

In Hamburg nimmt der Widerstand gegen ein neues zentrales Schülerregister (ZSR) zu, das die Bürgerschaft erst im letzten Jahr beschlossen hatte, um so von Verwahrlosung bedrohte Kinder besser zu schützen. Doch trotz dieser Absicht, hat bisher nur ein Drittel aller Schulen Daten abgeliefert. Ursprünglich sollte das Register schon Anfang Oktober komplett sein. Doch viele Lehrer verweigern die Herausgabe – um Schüler zu schützen.

Warum sich etliche Hamburger Schulleiter weigern, Daten für das geplante zentrale Schulregister herauszugeben, kam erst vor einigen Tagen heraus. Ein Rektor hatte sich anonym an das »Hamburger Abendblatt« gewandt.

Seit mindestens 15 Jahren werden demnach in etlichen Hamburger Schulen auch Kinder unterrichtet, deren Eltern keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Weil aber auch diese Kinder ein »Recht auf Bildung« haben, hätten er und seine Kollegen, die Kinder nicht bei der Ausländerbehörde gemeldet. Greife nun aber das neue Register, würden betroffene Eltern ihre Kinder wieder von der Schule nehmen, um nicht entdeckt und abgeschoben zu werden, befürchtete der Rektor.

Reihenweise schlossen sich daraufhin weitere Pädagogen dieser Stellungnahme an, die auf viele Hundert solcher Fälle aufmerksam machten. Scharf reagierte daraufhin Schulsenatorin Alexandra Dinges- Dierig (CDU), die nun am vergangenen Freitag alle Schulleiter schriftlich dazu aufforderte, illegale Schüler sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Eventuell würden sonst sogar disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Im Zweifel für die Kinder

Doch dem widersprechen nun fast 70 Vertreter von Kinder- und Flüchtlingsorganisationen, aus den Gewerkschaften und Kirchen, die in einem offenen Brief betroffene Pädagogen dazu aufforderten, sich im Zweifel für die Kinder zu entscheiden, also sie weder bei der Ausländerbehörde, noch im neuen Register zu melden. Empörte Christdemokraten, aber auch einige Spitzenpolitiker der SPD, wie etwa der Hamburger Fraktionschef Michael Neumann, sehen darin nun einen »Aufruf zum Rechtsbruch «.

Rechtspopulistische Töne

Schon zuvor hatte der frühere Innensenator Roger Kusch, der inzwischen eine eigene rechtspopulistische Partei gegründet hat, via Springerpresse die betroffene Pädagogen mit Kriminellen verglichen. Illegale Ausländerkinder müssten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch, was im Übrigen auch in ihrem eigenen Interesse wäre.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Karin Haas, widersprach dem scharf. Das »humanitäre Handeln« der Hamburger Lehrer sei durch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen gedeckt, die auch das bundesdeutsche Ausländerrecht nicht brechen könne, sagte Haas.

Ein Standpunkt, den auch der Menschenrechtsexperte Hendrik Cremer vertritt, der sich außerdem auf die Kinderrechtskonvention der UN bezog. Demnach bestehe das Recht auf Bildung auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Staatsangehörigkeit eines Kindes. Ähnlich argumentierte auch Antje Möller von den Grünen, die sich nun außerdem auf eine Empfehlung der so genannten Süssmuth- Kommission bezieht.

In dieser nach der CDU-Politikerin Rita Süssmuth benannten Zuwanderungskommission der Bundesregierung, waren auch unabhängigen Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass Lehrer nicht dazu verpflichtet werden könnten, den Aufenthaltsstatus ihrer Schüler zu ermitteln.

Quelle: Printausgabe des Neuen Deutschland, 09.10.2006, Seite 5



Streit in Hamburg: Dürfen Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere zur Schule gehen?

In Hamburg planen Schulleiter, die Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere an ihren Schulen unterrichtet haben, ohne sie der Ausländerbehörde zu melden, ein heimliches Gipfeltreffen, um sich über ihr gemeinsames Vorgehen gegenüber der Schulbehörde zu verständigen. Dies meldete am Mittwoch das Hamburger Abendblatt. Die Direktoren befürchten, daß die Kinder wegen des geplanten neuen zentralen Schülerregisters (ZSR), auf das auch die Ausländerbehörde Zugriff hätte, von dieser ermittelt und somit – samt ihrer Eltern – abgeschoben werden könnten.

Daß in Hamburg überhaupt Kinder von Eltern ohne gültigen Aufenthaltsstatus heimlich unterrichtet werden, war erst Ende letzter Woche bekanntgeworden, nachdem sich ein Schulleiter an Journalisten wandte. Demnach hätten etliche Schulen seit mindestens 15 Jahren solche Kinder unterrichtet, obwohl sie diese nach gültigem Recht hätten melden müssen. Doch die Pädagogen wollten durch ihr couragiertes Verhalten auch solchen Kindern den Zugang zu Bildung und sozialer Integration ermöglichen, den ihnen das Ausländerrecht sonst verwehrt. Aber nach Einführung des ZSR befürchten die Lehrer nun, daß die Eltern betroffener Kinder diese nicht mehr zur Schule schicken, weil sie Angst haben könnten, entdeckt und abgeschoben zu werden.

Kirchen- und Flüchtlingsorganisationen, aber auch Vertreter der Elternkammer appellierten daraufhin an den Senat, auf das neue Melderegister zu verzichten. Dieser Vorstoß trifft aber auf den erbitterten Widerstand der Abschiebungsverfechter in Bürgerschaft und Senat. Die fordern vielmehr, daß sich die Schulleiter nun disziplinarrechtlich verantworten müssen. Den Aufruf kirchlicher Hilfsorganisationen, betroffene Kinder auch weiterhin zu unterrichten und sie einfach nicht in das neue Melderegister einzutragen, bewerten sie als eine »Aufforderung zum Rechtsbruch«. Doch inzwischen hat das Verhalten der Schulleiter dazu geführt, daß auch Kommunalpolitiker aller Parteien eine Überprüfung der bisherigen Abschiebepraxis fordern, denn in einigen Schulen, die sich in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil befinden, sind offenbar noch viel mehr Kinder betroffen, als zunächst angenommen. Während der SPD-Migrationspolitiker Aydan Özoguz für sie eine weitere Schulausbildung forderte, verglich der frühere Hamburger Innensenator Roger Kusch, der eine neue rechtspopulistische Partei gegründet hat, um Schill zu beerben, deren Eltern, aber auch die Pädagogen mit Kriminellen. Illegale Ausländerkinder hätten in Hamburg nichts zu suchen und müßten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch.

http://www.jungewelt.de/2006/10-05/005.php



Nazi-Anwalt Rieger will nach NPD-Beitritt jetzt in der Hansestadt aktiv werden

Nachdem der Nazi-Anwalt Jürgen Rieger kürzlich in Hamburg der NPD beigetreten ist, hat der Verfassungsschutz vor einem Erstarken der Nazi-Partei nun auch in Hamburg gewarnt. Vor allem wegen seines großen Vermögens rage der Jurist aus dem üblichen Personal der Rechtsextremisten deutlich heraus, sagte Amts­chef Heino Vahldieck am Freitag vor Journalisten.

Doch auch Antifaschisten fürchten, daß die Hamburger NPD, die mit mageren 95 Mitgliedern bis vor kurzem eher einem Altherrenverein glich, an Bedeutung gewinnt. 50 neue Mitglieder konnte die 34jährige Landesvorsitzende Anja Zysk seit Riegers Kandidatur für die NPD im vergangenen Bundestagswahlkampf aus dem Umfeld der »freien Kameradschaften« als Neumitglieder gewinnen.

Riegers Ambitionen erstrecken sich jedoch nicht nur auf Hamburg. Seit Wochen macht er z. B. Schlagzeilen damit, daß er in Delmenhorst ein braunes Schulungszentrum eröffnen will. Darüber hinaus beabsichtigt der NPD-Unterbezirk Stade, Rieger sogar als neuen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD vorzuschlagen. Würde Rieger auf dem Parteitag im November kandidieren, müßte er sich gegen den bisherigen Vizechef Ulrich Eigenfeld durchsetzen, der parteiintern als Kritiker des zunehmenden Einflusses von Kameradschaftsaktivisten in der NPD gilt. Viele dieser Faschisten, die noch deutlich rechts von der NPD stehen, sind in den zurückliegenden Monaten der Partei beigetreten. Für sie könnte Rieger Gallions- und Integrationsfigur werden.

Hofiert wird der Nazi-Jurist auch in Sachsen, wo er kürzlich auf einem Parteifest auftrat. In Mecklenburg-Vorpommern, so heißt es, ist Rieger sogar als offizieller Berater einer künftigen Landtagsfraktion im Gespräch. Konfrontiert damit reagierten Vertreter des NPD-Bundesvorstands eher reserviert. Man freue sich über »jeden Neuzugang«, hieß es lediglich.

Zeichnet sich damit ein Machtkampf in der 1964 gegründeten NPD ab? Konflikte gibt es dort zumindest um den sogenannten Deutschlandpakt, den die Parteispitze mit der DVU schloß, um Konkurrenzkandidaturen zu vermeiden. Doch die DVU ist als »kapitalistisch-reaktionäre Partei« vor allem bei Basisaktivisten in der NPD umstritten.

http://www.jungewelt.de/2006/09-11/048.php