Recht auf Bildung: Hamburger Rektoren verweigern Herausgabe von Daten für Zentralregister
In Hamburg nimmt der Widerstand gegen ein neues zentrales Schülerregister (ZSR) zu, das die Bürgerschaft erst im letzten Jahr beschlossen hatte, um so von Verwahrlosung bedrohte Kinder besser zu schützen. Doch trotz dieser Absicht, hat bisher nur ein Drittel aller Schulen Daten abgeliefert. Ursprünglich sollte das Register schon Anfang Oktober komplett sein. Doch viele Lehrer verweigern die Herausgabe um Schüler zu schützen.
Warum sich etliche Hamburger Schulleiter weigern, Daten für das geplante zentrale Schulregister herauszugeben, kam erst vor einigen Tagen heraus. Ein Rektor hatte sich anonym an das »Hamburger Abendblatt« gewandt.
Seit mindestens 15 Jahren werden demnach in etlichen Hamburger Schulen auch Kinder unterrichtet, deren Eltern keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Weil aber auch diese Kinder ein »Recht auf Bildung« haben, hätten er und seine Kollegen, die Kinder nicht bei der Ausländerbehörde gemeldet. Greife nun aber das neue Register, würden betroffene Eltern ihre Kinder wieder von der Schule nehmen, um nicht entdeckt und abgeschoben zu werden, befürchtete der Rektor.
Reihenweise schlossen sich daraufhin weitere Pädagogen dieser Stellungnahme an, die auf viele Hundert solcher Fälle aufmerksam machten. Scharf reagierte daraufhin Schulsenatorin Alexandra Dinges- Dierig (CDU), die nun am vergangenen Freitag alle Schulleiter schriftlich dazu aufforderte, illegale Schüler sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Eventuell würden sonst sogar disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Im Zweifel für die Kinder
Doch dem widersprechen nun fast 70 Vertreter von Kinder- und Flüchtlingsorganisationen, aus den Gewerkschaften und Kirchen, die in einem offenen Brief betroffene Pädagogen dazu aufforderten, sich im Zweifel für die Kinder zu entscheiden, also sie weder bei der Ausländerbehörde, noch im neuen Register zu melden. Empörte Christdemokraten, aber auch einige Spitzenpolitiker der SPD, wie etwa der Hamburger Fraktionschef Michael Neumann, sehen darin nun einen »Aufruf zum Rechtsbruch «.
Rechtspopulistische Töne
Schon zuvor hatte der frühere Innensenator Roger Kusch, der inzwischen eine eigene rechtspopulistische Partei gegründet hat, via Springerpresse die betroffene Pädagogen mit Kriminellen verglichen. Illegale Ausländerkinder müssten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch, was im Übrigen auch in ihrem eigenen Interesse wäre.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Karin Haas, widersprach dem scharf. Das »humanitäre Handeln« der Hamburger Lehrer sei durch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen gedeckt, die auch das bundesdeutsche Ausländerrecht nicht brechen könne, sagte Haas.
Ein Standpunkt, den auch der Menschenrechtsexperte Hendrik Cremer vertritt, der sich außerdem auf die Kinderrechtskonvention der UN bezog. Demnach bestehe das Recht auf Bildung auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Staatsangehörigkeit eines Kindes. Ähnlich argumentierte auch Antje Möller von den Grünen, die sich nun außerdem auf eine Empfehlung der so genannten Süssmuth- Kommission bezieht.
In dieser nach der CDU-Politikerin Rita Süssmuth benannten Zuwanderungskommission der Bundesregierung, waren auch unabhängigen Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass Lehrer nicht dazu verpflichtet werden könnten, den Aufenthaltsstatus ihrer Schüler zu ermitteln.
Quelle: Printausgabe des Neuen Deutschland, 09.10.2006, Seite 5
Streit in Hamburg: Dürfen Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere zur Schule gehen?
In Hamburg planen Schulleiter, die Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere an ihren Schulen unterrichtet haben, ohne sie der Ausländerbehörde zu melden, ein heimliches Gipfeltreffen, um sich über ihr gemeinsames Vorgehen gegenüber der Schulbehörde zu verständigen. Dies meldete am Mittwoch das Hamburger Abendblatt. Die Direktoren befürchten, daß die Kinder wegen des geplanten neuen zentralen Schülerregisters (ZSR), auf das auch die Ausländerbehörde Zugriff hätte, von dieser ermittelt und somit samt ihrer Eltern abgeschoben werden könnten.
Daß in Hamburg überhaupt Kinder von Eltern ohne gültigen Aufenthaltsstatus heimlich unterrichtet werden, war erst Ende letzter Woche bekanntgeworden, nachdem sich ein Schulleiter an Journalisten wandte. Demnach hätten etliche Schulen seit mindestens 15 Jahren solche Kinder unterrichtet, obwohl sie diese nach gültigem Recht hätten melden müssen. Doch die Pädagogen wollten durch ihr couragiertes Verhalten auch solchen Kindern den Zugang zu Bildung und sozialer Integration ermöglichen, den ihnen das Ausländerrecht sonst verwehrt. Aber nach Einführung des ZSR befürchten die Lehrer nun, daß die Eltern betroffener Kinder diese nicht mehr zur Schule schicken, weil sie Angst haben könnten, entdeckt und abgeschoben zu werden.
Kirchen- und Flüchtlingsorganisationen, aber auch Vertreter der Elternkammer appellierten daraufhin an den Senat, auf das neue Melderegister zu verzichten. Dieser Vorstoß trifft aber auf den erbitterten Widerstand der Abschiebungsverfechter in Bürgerschaft und Senat. Die fordern vielmehr, daß sich die Schulleiter nun disziplinarrechtlich verantworten müssen. Den Aufruf kirchlicher Hilfsorganisationen, betroffene Kinder auch weiterhin zu unterrichten und sie einfach nicht in das neue Melderegister einzutragen, bewerten sie als eine »Aufforderung zum Rechtsbruch«. Doch inzwischen hat das Verhalten der Schulleiter dazu geführt, daß auch Kommunalpolitiker aller Parteien eine Überprüfung der bisherigen Abschiebepraxis fordern, denn in einigen Schulen, die sich in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil befinden, sind offenbar noch viel mehr Kinder betroffen, als zunächst angenommen. Während der SPD-Migrationspolitiker Aydan Özoguz für sie eine weitere Schulausbildung forderte, verglich der frühere Hamburger Innensenator Roger Kusch, der eine neue rechtspopulistische Partei gegründet hat, um Schill zu beerben, deren Eltern, aber auch die Pädagogen mit Kriminellen. Illegale Ausländerkinder hätten in Hamburg nichts zu suchen und müßten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch.
http://www.jungewelt.de/2006/10-05/005.php
Nazi-Anwalt Rieger will nach NPD-Beitritt jetzt in der Hansestadt aktiv werden
Nachdem der Nazi-Anwalt Jürgen Rieger kürzlich in Hamburg der NPD beigetreten ist, hat der Verfassungsschutz vor einem Erstarken der Nazi-Partei nun auch in Hamburg gewarnt. Vor allem wegen seines großen Vermögens rage der Jurist aus dem üblichen Personal der Rechtsextremisten deutlich heraus, sagte Amtschef Heino Vahldieck am Freitag vor Journalisten.
Doch auch Antifaschisten fürchten, daß die Hamburger NPD, die mit mageren 95 Mitgliedern bis vor kurzem eher einem Altherrenverein glich, an Bedeutung gewinnt. 50 neue Mitglieder konnte die 34jährige Landesvorsitzende Anja Zysk seit Riegers Kandidatur für die NPD im vergangenen Bundestagswahlkampf aus dem Umfeld der »freien Kameradschaften« als Neumitglieder gewinnen.
Riegers Ambitionen erstrecken sich jedoch nicht nur auf Hamburg. Seit Wochen macht er z. B. Schlagzeilen damit, daß er in Delmenhorst ein braunes Schulungszentrum eröffnen will. Darüber hinaus beabsichtigt der NPD-Unterbezirk Stade, Rieger sogar als neuen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD vorzuschlagen. Würde Rieger auf dem Parteitag im November kandidieren, müßte er sich gegen den bisherigen Vizechef Ulrich Eigenfeld durchsetzen, der parteiintern als Kritiker des zunehmenden Einflusses von Kameradschaftsaktivisten in der NPD gilt. Viele dieser Faschisten, die noch deutlich rechts von der NPD stehen, sind in den zurückliegenden Monaten der Partei beigetreten. Für sie könnte Rieger Gallions- und Integrationsfigur werden.
Hofiert wird der Nazi-Jurist auch in Sachsen, wo er kürzlich auf einem Parteifest auftrat. In Mecklenburg-Vorpommern, so heißt es, ist Rieger sogar als offizieller Berater einer künftigen Landtagsfraktion im Gespräch. Konfrontiert damit reagierten Vertreter des NPD-Bundesvorstands eher reserviert. Man freue sich über »jeden Neuzugang«, hieß es lediglich.
Zeichnet sich damit ein Machtkampf in der 1964 gegründeten NPD ab? Konflikte gibt es dort zumindest um den sogenannten Deutschlandpakt, den die Parteispitze mit der DVU schloß, um Konkurrenzkandidaturen zu vermeiden. Doch die DVU ist als »kapitalistisch-reaktionäre Partei« vor allem bei Basisaktivisten in der NPD umstritten.
http://www.jungewelt.de/2006/09-11/048.php