Friedensbewegung bereitet Proteste gegen Bush-Besuch in Stralsund vor. Linkspartei-Minister wollen sich an Antikriegsaktivitäten beteiligen möglicherweise fernab in Greifswald
Während US-Präsident George W. Bush in Camp David und Bagdad in den vergangenen Tagen mit seinen Getreuen das weitere Vorgehen im besetzten Irak beraten hat, haben sich Vertreter der deutschen Friedensbewegung auf die Proteste gegen dessen Besuch in Stralsund verständigt. Die Vorbereitungen für die Staatsvisite in Mecklenburg-Vorpommern Mitte Juli laufen auf Hochtouren. Im Mittelpunkt der Aktionsplanung stehen zwei Demonstrationen, die am 14. Juli in Stralsund stattfinden sollen, wie Monty Schädel, Bundessprecher der »Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsgegnerInnen« (DFG-VK) am Dienstag gegenüber junge Welt bestätigte. Doch schon für den Abend zuvor sind zahlreiche dezentrale Kundgebungen und Veranstaltungen in über 30 Städten so etwa in Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Bremen, Dortmund, Bochum, Frankfurt (Main), Potsdam sowie in Essen und Worms vorgesehen. Wie die Aktionen in Stralsund stehen auch sie unter dem Motto »Not welcome, Mr. President. Bush und Merkel: Kriege beenden Kriegsplanungen stoppen«.
Während sich die Friedensbewegung sehr einig zeigt, gibt es in der Linkspartei.PDS durchaus unterschiedliche Orientierungen. Für eine Teilnahme an den Aktionen in Stralsund mobilisiert etwa der örtliche Linkspartei-Kreisvorsitzende Marc Quintana Schmidt, der dem »Kriegstreiber Bush« direkt vor Ort entgegentreten möchte. Der Landesvorstand seiner Partei hält das für unrealistisch und möchte deshalb zu einem Friedensfest ins 35 Kilometer entfernte Greifswald einladen. Erfahrungen beim Bush-Besuch in Mainz hätten gezeigt, daß Aktionen vor Ort unrealistisch seien, rechtfertigte Linkspartei-Sprecher Kay Spieß Planungen für Fernabproteste.
Inhaltlich will die Friedensbewegung vor allem die Kriegs- und Hegemonialpolitik der US-Administration sowie die »arrogante Machtpolitik« des Präsidenten angreifen. Von der Bundesregierung verlangt sie, mögliche Kriegsaktionen gegen den Iran nicht zu unterstützen. Bisher leiste die Bundesregierung aber »beträchtliche Hilfe für den Kriegskurs der USA«, heißt es in dem Demonstrationsaufruf (siehe unten). Vor allem die »Komplizenschaft mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak« müsse sofort beendet werden. Leider sei nun zu befürchten, daß das Treffen in Stralsund als »Kriegsrat« mißbraucht werde, damit Bush und Merkel dort ihre nächsten Schritte im Konflikt mit Iran abstimmen könnten, sagte dazu Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag. Der Protestprofi wies in diesem Zusammenhang auf »nationale Interessen« Deutschlands hin, Konflikte auch militärisch zu lösen, weshalb sich die Friedensbewegung auch klar von Aktionen der NPD abgrenze, die den Bush-Besuch selbst für ihren Landtagswahlkampf nutzen möchte.
Unterschiedliche Haltungen ruft unterdessen die Aktionsorientierung der Linkspartei.PDS hervor. Während DFG-Mann Schädel auf die Mitarbeit der örtlichen PDS im Friedensbündnis, aber auch auf bundesweite Beschlüsse der Friedensbewegung, in Stralsund zu demonstrieren, hinwies, zeigten sich Friedensgruppen aus Hamburg von der Linkspartei irritiert. Deren Aktivisten warnen davor, daß das Greifswalder Friedensfest durch die zuständigen Versammlungsbehörden auch als Einladung dafür mißverstanden werden könnte, Stralsund selbst für Demonstrationen zu blockieren. Positiv ist immerhin, daß sich so Linkspartei-Sprecher Spieß die eigenen Minister an Protesten beteiligen werden.
http://www.jungewelt.de/2006/06-14/006.php
Not welcome, Mr. President!
jW dokumentiert Aufruf der Friedensbewegung
* Am Wochenende trafen sich Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher bundesweiter Friedensorganisationen und lokaler Friedensinitiativen in Berlin, um gemeinsame Aktivitäten anläßlich des Besuchs von US-Präsident Bush in Stralsund zu planen. Der zentrale Aufruf zu Protesten steht unter dem Motto »Not welcome, Mr. President Bush und Merkel: Kriege beenden Kriegsplanungen stoppen!«
Wir empfangen US-Präsident Bush bei seinem Besuch am 14. Juli 2006 in Stralsund mit gebührend breitem Protest. Seine arrogante Machtpolitik wird mittlerweile von einem Großteil der Gesellschaft in den USA abgelehnt. Auch hier muß ihm deutlich gemacht werden, daß er nicht willkommen ist.
Von der Gastgeberin, Bundeskanzlerin Merkel, verlangen wir, daß sie keine Kriegsaktionen gegen den Iran unterstützt. Alle bisherigen Versuche, politische Probleme militärisch zu lösen, sind opferreich gescheitert. Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein! Ein Krieg gegen Iran würde nicht nur viele Menschenleben kosten und die Infrastruktur des Landes zerstören. Die Zivilgesellschaft, die in Frieden und frei von Unterdrückung, solidarisch und demokratisch leben will, würde zerschlagen werden. Dennoch läßt die US-Regierung keinen Zweifel daran, den Iran militärisch angreifen zu wollen.
Selbst den Einsatz eigener Atomwaffen will sie nicht ausschließen. Widerspruch aus Europa kann diese Pläne verhindern. Die Bundesregierung leistete bereits beträchtliche Hilfe für den Kriegskurs der USA: durch die Nutzung der hier gelegenen Militärflughäfen, durch die Bewachung der US-Militäreinrichtungen; durch den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und am Horn von Afrika sowie durch die Ausbildungs- und Materialhilfe für irakische Truppen. Diese Komplizenschaft muß beendet werden!
Die Bundesregierung hat erstmals im Krieg gegen Jugoslawien 1999 das völkerrechtlich verbindliche und im Grundgesetz verankerte Verbot des Angriffskrieges gebrochen. Sie betreibt zielstrebig den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee. Mit dem angekündigten neuen »Weißbuch« des Verteidigungsministers Jung sollen der »Verteidigungsfall« umdefiniert und weltweite Kampfeinsätze der Bundeswehr gerechtfertigt und zum Normalfall erklärt werden. Innenpolitisch begleitet den sogenannten »Kampf gegen den Terror« ein zunehmender Abbau sozialer Leistungen und demokratischer Rechte. Bald soll die Bundeswehr auch im Inneren eingesetzt werden. Die Fußballweltmeisterschaft dient als erster Probelauf.
Innenminister Schäuble will durch Folter beschaffte Informationen verwerten und so das weltweite Folterverbot durchlöchern. Die US-Regierung braucht die europäischen Staaten als enge Verbündete für ihre »Koalition der Willigen«, um weitere »Kriege gegen den Terror« führen zu können. Aber die Kriege der USA sind selbst Terror und Quelle immer neuer Gewalt. Tatsächlich geht es ihnen um die Kontrolle der wichtigsten Öl-und anderer Energiequellen im Nahen und Mittleren Osten bis nach Zentralasien.
Wir fordern:
Kein Krieg gegen den Iran
Abzug der Besatzungstruppen aus Irak und Afghanistan
Schluß mit der Beteiligung von NATO, EU und Bundeswehr an den Kriegen weltweit
Bestrafung aller Verantwortlichen für Folter, Mißhandlung von Gefangenen und Angriffen gegen Zivilisten
Eine Atomwaffenfreie Zone in der Region des Nahen und Mittleren Ostens
Eine neue internationale Initiative zu weltweiter systematischer atomarer Abrüstung, wie im Atomwaffensperrvertrag festgelegt
Einrichtung einer ständigen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten
Keine Kriege um Öl oder andere Ressourcen: Ausstieg aus Atom- und fossiler Energie, Einstieg in erneuerbare Energien
Dafür treten wir ein:
Um die drängenden Probleme der Menschen global friedlich lösen zu können, braucht die Welt keine Kriegsallianzen, wie sie z.B. bei den G-8-Gipfeln geschmiedet werden, sondern Abrüstung und solidarische Zusammenarbeit. Wir wollen die Respektierung des Völkerrechts, staatlicher Souveränität und Grenzen sowie ein ziviles und soziales Europa mit der Verpflichtung zur Abrüstung. Wir brauchen vorrangig öffentlich geförderte Arbeitsplätze und Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit und Umweltschutz. Dafür werden wir gemeinsam am 14. Juli in Stralsund und am 13. bzw. 15. Juli überall im Land demonstrieren!
http://www.jungewelt.de/2006/06-14/008.php
Bush-Besuch Mitte Juli wird vom größten Polizeieinsatz in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns begleitet
Um den geplanten Besuch von US-Präsident George W. Bush am 13. /14. Juli in Stralsund gibt es erneut heftigen Streit. So forderte am Freitag die Fraktionschefin der Linkspartei.PDS im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Angelika Gramkow, die Bundesregierung auf, die Kosten für die Sicherheit zu übernehmen. Bush sei im Juli schließlich nicht auf Einladung der Landesregierung, sondern der Bundesregierung im Land. Ähnlich äußerte sich auch Landesinnenminister Gottfried Timm (SPD).
Doch solche Debatten hält Mecklenburgs CDU-Generalsekretär Lorenz Caffier für »kleinkariert«. Wer wie Timm und Gramkow eine öffentliche Debatte über die Kosten der Sicherheit führe, zeige nur, daß ihm der Besuch des US-Präsidenten eigentlich nicht passe. Immerhin 15000 Einsatzkräfte will die Landesregierung nach den Planungen ihres Innenministeriums für die Sicherheit des Merkel-Gastes aufbringen, was auf den größten Polizeieinsatz in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns hinausläuft.
Bürger und Touristen werden ebenfalls ihren Beitrag leisten. Diese allerdings eher unfreiwillig, wenn am 13. und 14. Juli ganze Stadtbezirke hermetisch abgeriegelt werden. Betroffen ist jedoch nicht nur Stralsund, sondern auch Rostock, wo das Flugzeug mit dem Präsidenten am 13. Juli landen wird. Schon einen Tag zuvor sind aber die 15000 Sicherheitskräfte im Einsatz, zu denen nicht nur 7000 Bereitschaftspolizisten zählen, sondern auch Sondereinsatzkommandos, Hubschrauberbesatzungen, Präzisionsschützen, Spürhunde und Taucher. Mit dabei sind ebenfalls 33 Notärzte und 83 Rettungssanitäter sowie 13 Polizeiseelsorger.
Das aber kann Mecklenburg-Vorpommern allein nicht wuppen, weshalb Timm sich nun an seine Amtskollegen in den übrigen Ländern wandte. Diese sollen, wie auch die Bundesregierung, ihren Teil zur Sicherheit des US-Präsidenten aufbringen. Dabei wird Mecklenburg-Vorpommern Mitte Juli nicht nur mit eigenen Kräften in ein Notstandsgebiet verwandelt, sondern auch durch Sicherheitskräfte, die Bush selbst mitbringt. Von 800 bis 1200 Spezialkräften ist die Rede, die ihren obersten Chef auf Schritt und Tritt begleiten werden. Es geht um rund 400 Straßenkilometer, an denen vielerorts Kanaldeckel und andere potentielle Schlupflöcher unliebsamer Kameraden zugeschweißt werden sollen. Nur den geringsten Teil dieser Straßen wird Bush wirklich sehen, denn eigentlich wird er zwischen Rostock und Stralsund mit dem Hubschrauber befördert. Bei den Straßen handelt es sich vor allem um »Ausweichstrecken«, die gesichert werden sollen.
Begründet wird dieses Sicherheitsspektakel angeblich unter anderem mit den geplanten Protestaktionen der Friedensbewegung, die für den 14. Juli zur Demonstration gegen Bush in Stralsund aufruft. Schon am Tag zuvor soll es auch in anderen Bundesländern wie in Berlin zu regionalen Kundgebungen kommen. Die »Koalition der Unwilligen«, wie sich etwa ein regionales Aktionsbündnis in Berlin genannt hat, will für die Teilnahme an der Demo in Stralsund auch eigene Busse anmieten.
http://www.jungewelt.de/2006/06-10/035.php
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Am Pfingstwochenende sind über den Leipziger Flughafen rund 400 US-Soldaten in Nachschubgebiete für den Irak- und Afghanistan-Krieg transportiert worden. Dies bestätigte Volker Külow, Mitglied des sächsischen Landtages für die Linkspartei.PDS, am Dienstag gegenüber junge Welt. Er bewertete das als einen »klaren Verstoß« gegen den 1990 geschlossenen Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der den Transport von NATO-Truppen über das frühere Gebiet der DDR ausdrücklich ausschließt. Doch nun seien derartige Truppentransporte in Leipzig unter anderem durch Fotos nachgewiesen worden, sagte Külow, der zugleich ankündigte das Thema nun auch in den Landtag zu bringen. Dort solle die Staatsregierung die Parlamentarierer »lückenlos« aufklären.
Bereits in der vorigen Woche hatte der Nachrichtendienst »German-foreign-Policy« auf solche Truppentransporte hingewiesen, die nach Angaben von Friedensgruppen in Leipzig am 23. Mai stattgefunden hatten. Wie am vergangenen Wochenende waren dafür Flugzeuge des US-Militärlogistikers »World Airways« eingesetzt worden, der US-Soldaten bislang vor allem mit Zwischenstopp über Shannon in Irland in die Kriegsgebiete transportiert hatte. Doch der NATO-Flughafen in Shannon soll geschlossen werden, weshalb Friedensgruppen befürchten, daß Leipzig nun dauerhaft als neue Drehscheibe für das US-Militär genutzt werden könnte. Über Shannon wurden bisher pro Quartal rund 117000 US-Soldaten in die Kriegsgebiete transportiert.
Von einem »Urlaubsdrehkreuz für US-Truppen« sprachen hingegen Vertreter des Leipziger Flufghafens, die offenbar bemüht waren, die Sache herunterzuspielen. Doch auch der reine Rücktransport von US-Truppen nach einem Kriegseinsatz, z.B. in dem kürzlich durch ein Massaker an Zivilisten bekanntgewordenen Haditha, oder in den Heimaturlaub wäre nach dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag rechtswidrig.
Die Nutzung des Leipziger Flughafens für militärische Zwecke hatte unterdessen schon im März begonnen, als Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) dort, wie berichtet, das NATO-Luftdrehkreuz »Strategic Airlift Interim Solution« (SALIS) eröffnete. Doch bislang sprach Jungs Generalstab immer nur vieldeutig von der Schaffung »strategischer Lufttransportkapazitäten für die Streitkräfte«. Die dafür in Leipzig stationierten Großraumtransporter des Typs Antonow An-124-100 würden vorrangig für Materialtransporte eingesetzt, so für den bevorstehenden Einsatz europäischer Truppen im Kongo. Von Truppentransporten durch US-Maschinen war hingegen nicht die Rede.
Noch im März hatte das Verteigungsministerium erklärt: »Es werden in Leipzig-Halle keine NATO- bzw. EU-Truppen stationiert. Die Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle als Be- und Entladeort wird eher die Ausnahme darstellen.«
Als nun erste Maschinen auch von World Airways in Leipzig auftauchten, hieß es, daß diese Maschinen dort nur betankt werden. Inzwischen hat Flughafensprecher Uwe Schuhart die Truppentransporte von US-Soldaten bestätigt, die er allerdings verharmlosend als »Urlaubsflüge« bezeichnete, die ab 1.Juli regelmäßig stattfinden sollen.
Fast 1,3 Milliarden Euro öffentliche Fördergelder so Linkspartei-Abgeordneter Külow haben der Bund, das Land und die Stadt Leipzig in den vergangenen Jahren in den Ausbau des sächsischen Airports gesteckt. Doch wie sich nun herausstellt offenbar nicht nur für die Förderung der Zivilluftfahrt, sondern für militärstrategische Zielsetzungen.
http://www.jungewelt.de/2006/06-07/055.php
Rosenkäufer sollen Blumenimporteure auffordern, sich bei den Lieferanten in Kolumbien für eine freie Gewerkschaftsarbeit einzusetzen. Ein Gespräch mit Aidé Silva Mateus
Aidé Silva Mateus ist Vorsitzende der kolumbianischen Blumenarbeitergewerkschaft Untraflores
Interview: Andreas Grünwald
F: Allein in Deutschland werden jährlich Rosen im Wert von einer Milliarde Euro verkauft. Viele dieser Blumen kommen aus Kolumbien. Welche Bedeutung hat dies für Ihre Volkswirtschaft?
Der internationale Rosenmarkt gehört zu den wichtigsten Devisenquellen des Landes, weshalb auch die Anbauflächen ständig wachsen. Unsere Rosen werden vor allem in die USA gebracht. Gewinnbringend werden sie auch in Deutschland, Japan und Rußland verkauft. Doch dafür müssen auf den Plantagen 90000 Menschen, überwiegend Frauen, unter den erbärmlichsten Bedingungen schuften.
F: Hat sich die Ausbeutung der Blumenarbeiter noch verschärft?
Das Pensum ist durch ein neues Arbeitssystem noch einmal gestiegen. Einzelne Gruppen müssen nun monatelang die gleichen Tätigkeiten, zum Beispiel in gebückter Haltung ausüben. Erkrankungen wie Rückenleiden oder Sehnenscheidenentzündungen nehmen damit zu. Die zuständigen Stellen weigern sich aber häufig, sie dann auch als Berufskrankheit anzuerkennen. So werden die Kranken ohne Entschädigung und ohne Rente einfach entlassen. Die Ausbeutung nimmt aber auch durch Subunternehmen zu, die nur noch befristet einstellen. In Stoßzeiten sind Vertragslaufzeiten von acht bis 15 Tagen keine Seltenheit mehr. In diesen Zeiten arbeiten wir auch schon mal 36 Stunden ohne längere Pause.
F: Ruht die Arbeit denn zumindest nach der Behandlung der Rosen mit Pestiziden?
Nach dem Gesetz schon je nach Giftkategorie bis zu 18 Stunden. Doch ich kenne kein einziges Unternehmen, das sich daran hält. In der Regel müssen wir schon nach ein oder zwei Stunden wieder in die Gewächshäuser, wenn das Gift gerade mal getrocknet ist. 2003 kam es zu einem großen Unfall, als auf einer Plantage gleich 380 Arbeiter in Ohmacht fielen. Doch die Firma kam mit einer kleinen Geldstrafe davon; bis heute gibt es niemanden, der die Pestizideinsätze kontrolliert.
F: 2001 haben Sie dann Ihre Gewerkschaft gegründet.
Zunächst als Industriegewerkschaft. Doch gezielt strichen die Unternehmer unseren Mitgliedern alle Vergünstigungen und bedrohten sie sogar mit Kündigungen. Der Druck war so groß, daß wir landesweit nur noch sechs Mitglieder hatten. Erfolg brachte dann eine Doppelstrategie, bei der wir zusätzlich zum Dachverband auch Betriebsgewerkschaften gründeten. Vorstandsvertreter der Betriebsgewerkschaften haben nach dem kolumbianischen Arbeitsgesetz einen gewissen Kündigungsschutz. Heute haben wir 1 600 Mitglieder und sind in fünf großen Betrieben verankert.
F: Was können Rosenkäufer z. B. in Deutschland tun, um Ihre junge Gewerkschaft zu unterstützen?
Die Unternehmer haben Angst vor internationaler Solidarität, denn sie fürchten, daß dadurch ihr Bild von der sauberen Rose aus Kolumbien angekratzt wird. Das könnte zu Marktverlusten führen. 2003 war ich schon einmal in Deutschland und habe damals mit Blumenimporteuren diskutiert, was dann sofort eine nachhaltige Wirkung in meinem eigenen Betrieb hatte. Seitdem ist es mir erlaubt, zum Arzt zu gehen, um dort mein durch Pestizide verursachtes Asthma behandeln zu lassen. Natürlich erhalte ich dann keinen Lohn.
Gut wäre es, wenn Rosenkäufer ihre Blumenimporteure auffordern, sich ihrerseits bei den Lieferanten in Kolumbien für eine freie Gewerkschaftsarbeit einzusetzen.
http://www.jungewelt.de/2006/05-09/002.php
Hamburg. In Hamburg macht die Friedensbewegung gegen einen eventuellen Luftangriff der USA auf den Iran mobil. Dafür verabschiedeten am Donnerstag abend rund 150 Friedensaktivisten in Hamburg einen ersten Aufruf. »Wir haben keine Sympathie für das iranische Regime«, heißt es darin; doch ein Krieg »wäre ein Verbrechen«. Eine erste Protestkundgebung gegen den drohenden Krieg soll bereits am heutigen Samstag um 13 Uhr am Bahnhof Altona stattfinden. (ag)
http://www.jungewelt.de/2006/03-25/044.php
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt: Iranische Oppositionsgruppen in der Bundesrepublik
Unlängst jährte sich zum dritten Mal der Beginn des Irak-Krieges. Für die Friedensbewegung ein Anlass auch vor Maßnahmen gegen den Iran zu warnen, mit dem die USA-Administration unter dem Vorwand der Ausschaltung von Atomanlagen einen Regierungswechsel in Teheran herbeiführen will. Doch Protest dagegen kommt nicht nur aus der Friedensbewegung, sondern auch von Exil-Iranern.
Die exiliranischen Gruppen fürchten, dass ein Krieg die Mullahs eher stärkt, während demokratische Widerstandsbewegungen zurückgeworfen werden. So sieht es etwa Nosrat Taymoorzadeh vom »Komitee der Solidarität mit den iranischen Arbeitern«, das sich nach den Busfahrerstreiks in Teheran (ND berichte) bildete. Ein drohender Krieg gegen den Iran sei nur Bestandteil jener »jahrzehntelangen Bemühungen der USA«, das Land mit seinen Erdölreserven zu unterwerfen. Käme jetzt ein Krieg, würde sich die Unterdrückung durch die Führung der islamischen Republik und unter dem »Deckmantel der Verteidigung des Vaterlandes« weiter verstärken.
Das sieht auch Zaman Masudi vom Koordinationsrat der Iranerinnen und Iraner in Hamburg so, die erst kürzlich einen »Marsch gegen Frauenunterdrückung« mit- organisierte, bei dem mehrere tausend Frauen von Frankfurt (Main) über Mainz, Köln und Düsseldorf zum internationalen Gerichtshof in Den Haag zogen. Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, klagten sie dort die Frauenunterdrückung im Iran an, wo Auspeitschungen und Steinigungen, aber auch Hinrichtungen und Folterungen wegen angeblichen Ehebruchs nach wie vor auf der Tagesordnung sind. Doch nicht minder vehement wandten sich die Frauen gegen die Kriegsdrohungen aus den USA.
Solche Aktionen zur Unterstützung von Widerstandsbewegungen in der Heimat sind typisch für die meisten Exil-Gruppen, wie man sie in Deutschland vor allem in Hamburg, Berlin, Köln oder Frankfurt (Main) antrifft. Wir können den Kampf im Iran nur unterstützen, ihn aber nicht ersetzen, sagte dazu Taymoorzadeh gegenüber ND, der sich als politischer Flüchtling schon vor vielen Jahren in der Hansestadt eine neue Existenz als Buchdrucker aufgebaut hat.
Wie Masudi kommt auch Taymoorzadeh aus einer der vielen marxistischen Gruppen, die sich in den 60er Jahren von der kommunistischen Tudeh-Partei abspalteten, um für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen, während sich die Tudeh-Partei selbst sechs Jahre lang als ein treuer Bündnispartner von Ajatollah Chomeini erwies. Ein historischer Irrtum, den zahlreiche Mitglieder mit ihrem Leben und die einst einflussreiche Partei mit einen starken Bedeutungsverlust bezahlen mussten.
Viele aktive Immigranten kommen aus solchen marxistischen Gruppen, deren Mitglieder schon Anfang der 70er Jahre vor dem Schah und später dann vor dem Chomeini-Regime flüchten mussten. Doch in Deutschland trifft man sich eher in überparteilichen Gruppen, wo die konkrete Solidaritätsarbeit im Vordergrund steht.
Verbindung in die Heimat schaffen Chaträume im Internet, wo Diskussionen mit Aktiven aus der Frauen- und Studentenbewegung oder, wie im Fall des Busfahrerstreiks, mit lokalen Gewerkschaftsaktivisten auch aus dem Iran stattfinden. Hier setzt man auf soziale Bewegungen, denn die Armut und das Elend sind groß. Die Arbeitslosenquote liegt im Iran bei über 30 Prozent und in Folge dieser Armut sind vier Millionen Menschen drogenabhängig. Es sind vor allem die jungen Menschen unter 30, denen das Mullah-Regime kaum mehr etwas zu bieten hat. Und sie stellen immerhin 60 Prozent der iranischen Bevölkerung.
So vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Nachrichten über Widerstandsaktionen eintreffen. Mut macht vor allem, dass die Frauen- und die Arbeiterbewegung Fortschritte macht, denn es ist keine Kleinigkeit, wenn sich unter Teheraner Bedingungen 13 000 Busfahrer in einer unabhängigen Gewerkschaft organisierten. Doch wie schwierig ein demokratischer Umsturz in der Heimat wird, zeigt ebenfalls die Situation im Exil, wo neben den linken Gruppen auch Monarchisten und islamische Volksmudschahedin aktiv sind. Sie unterstützen die Ambitionen der USA on, während es Diskussionen mit den linken Gruppen kaum gibt.
Quelle: Nur Print-Ausgabe vom 24. März 2006 / Seite 13
Hamburg. Die Linkspartei-Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Antirassismus hat die Forderung des Bundestagsabgeordneten Hakki Keskin, den sogenannten Talat-Pascha-Marsch in Berlin nicht zu verbieten, scharf verurteilt. Wie berichtet, wollen türkische Nationalisten am Samstag an den ehemaligen osmanischen Innenminister Talat Pascha erinnern, der vor 85 Jahren in Berlin von einem armenischen Attentäter ermordet wurde. Talat Pascha gilt als Hauptverantwortlicher für den Genozid an der armenischen Bevölkerung. Der Aufmarsch in Berlin steht unter der Losung »Stoppt die Lüge vom Völkermord an den Armeniern«. Dokumente, die den damaligen Völkermord beweisen, bezeichnete Keskin als »gefälscht«.
Keskins Position laufe auf eine Leugnung des Völkermords hinaus, kritisierte Yavuz Fersoglu von der Linkspartei gestern in Hamburg. In einem Brief an den Fraktionsvorstand fordert Fersoglu die Linksfraktion zu einer klaren Stellungnahme gegen den Aufmarsch auf. Die Leugnung des Völkermords dürfe »keine Stimme« in der linken Fraktion mehr haben.
(jW)
http://www.jungewelt.de/2006/03-17/024.php
Exilgruppen starten »Marsch gegen Frauenunterdrückung« von Frankfurt/Main nach Den Haag
Zahlreiche iranische Exilgruppen haben zu einem »großen Marsch gegen Frauenunterdrückung von Deutschland nach Holland« aufgerufen. Er soll Teil einer Kampagne gegen die Unterdrückung von Frauen im Iran sein und am Sonnabend in Frankfurt am Main beginnen. Der Weg soll über Mainz, Köln und Düsseldorf bis nach Den Haag führen, wo am 8. März, dem internationalen Frauentag, eine Kundgebung vor dem Internationalen Gerichtshof stattfinden soll.
In ihrem Aufruf verweisen die Initiatorinnen auf die brutale Unterdrückung von Frauen durch das Regime in Teheran. Nach wie vor seien dort Auspeitschungen und Steinigungen durch das islamische Rechtssystem geschützt. Hinrichtungen und Folterungen wegen angeblichen Ehebruchs seien an der Tagesordnung. Mit ihrem Aufmarsch wollen die Veranstalter erreichen, daß der internationale Gerichtshof diese Verletzung der Menschenrechte anklagt.
Gleichzeitig wenden sich die Veranstalter vehement gegen die anhaltenden Kriegsdrohungen gegen den Iran aus den USA. So soll auf einem der Haupttransparente »Imperialisten Hände weg vom Iran« gefordert werden. Darüber hinaus werden die »Freilassung aller politischen Gefangenen«, ein Ende der Polygamie sowie die »Trennung von Staat und Religion« eingefordert.
Unterstützt wird die Veranstaltung durch den Hamburger Völkerrechtler und Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion, Professor Norman Paech.
http://www.jungewelt.de/2006/03-02/026.php
IG BAU befürchtet durch Bolkestein-Richtlinie weiteres Lohndumping. Am heutigen Dienstag wird in Strasbourg demonstriert. Ein Gespräch mit Andreas Steppuhn
* Andreas Steppuhn ist Mitglied des Bundesvorstandes der Industriegewerkschaft Bauen- Agrar-Umwelt (IG BAU) und außerdem Bundestagsabgeordneter der SPD
F: Am Samstag haben in Berlin 40000 Menschen gegen die Verabschiedung der Bolkestein-Richtlinie durch das Europäische Parlament demonstriert. Die IG BAU ruft auch zu der Protestdemonstration auf, die am heutigen Dienstag in Strasbourg stattfindet. Warum sind Sie gegen die Richtlinie?
Im ihrem Entwurf ist das sogenannte Herkunftslandprinzip wenn auch nicht mehr mit diesem Begriff verankert, wonach Beschäftigte aus dem Ausland in Deutschland zu den Bedingungen ihres Heimatlandes arbeiten dürften. Das würde einen großflächigen Prozeß des Sozial- und Lohndumpings auslösen.
F: Die EU-Kommission argumentiert, daß dadurch 600000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen könnten.
Das glaube ich nicht. Vielmehr würden sich vorhandene Arbeitsplätze verlagern. Die Probleme, die wir mit Schwarzarbeit und Lohndumping haben, würden sich noch verschärfen.
F: Was wären die Folgen auf den Baustellen?
Nach der Richtlinie könnte eine polnische Firma mit polnischen Arbeitskräften und zu polnischen Arbeitsbedingungen hier auf den Markt gehen. Damit würden Mindestlöhne am Bau keine Rolle mehr spielen. Es wäre aber auch denkbar, daß sich deutsche Bauunternehmer formal im Ausland ansiedeln, um dann hiesige Arbeitnehmer zu den schlechteren Bedingungen des Auslands zu beschäftigen. Damit würden sich die Arbeitsbedingungen in allen Ländern der EU verschlechtern, und bestehende Arbeitsplätze wären gefährdet.
Außerdem müßten Entsendefirmen hiesige Sicherheitsbestimmungen nicht mehr einhalten. Wir hätten keine Kontrolle mehr über das, was auf den Baustellen geschieht, weil unsere Arbeitsschutzbestimmungen nicht mehr greifen würden. Durch schlechteres oder fehlendes Arbeitsmaterial zum Beispiel im Gerüstbau wären die Menschen weitgehend ungeschützt. Entfallen würde auch die Pflicht, Schutzhelme und Sicherheitsschuhe zu tragen.
F: Warum hatten Sie auch zu der Demo in Berlin aufgerufen? Sollte da Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden?
Laut Koalitionsvertrag akzeptiert die Bundesregierung den bisherigen Richtlinienentwurf nicht. Jetzt ist es wichtig, daß die Bundesregierung auch in Brüssel eine klare Position bezieht. Auch dafür wollen wir Druck ausüben.
F: Vergangene Woche Mittwoch haben sich Vertreter der sozialdemokratischen und der konservativen EU-Parlamentsfraktionen auf einen Kompromiß zur Richtlinie geeinigt. Das Wort »Herkunftslandprinzip« soll demnach ganz aus der Richtlinie gestrichen werden.
Damit zeigen bisherige Proteste eine erste Wirkung. Allerdings bin ich eher verhalten optimistisch, denn wir müssen uns die Details erst mal genau anschauen. Es kommt ja nicht auf die Streichung einzelner Worte, sondern auf die Sache an. Wir müssen aufpassen, daß sich ähnliche Absichten nun nicht auf andere Weise durchsetzen. Zudem stehen die Parlamentsberatungen ja noch aus. So lange aber keine Entscheidungen in unserem Sinne getroffen sind, bleiben die Demonstrationen wichtig.
F: Kritiker des Kompromisses sagen, daß dieser nichts taugt, weil es damit gravierende Einschnitte in die nationale Gesetzgebung gibt. Regulierungen zur Leiharbeit sollen ganz entfallen.
Für eine abschließende Beurteilung ist es noch zu früh. Ich warte da ab, bis mir ein endgültiger Text vorliegt. Doch die Streichung des Herkunftslandprinzips ist sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung.
F: Zur Demo in Berlin hatte auch SPD-Vorsitzender Matthias Platzeck aufgerufen. Doch andererseits gibt es sozialdemokratische Europaabgeordnete, wie etwa den Aachener Martin Schulz, die für die Annahme des Richtlinienentwurfs sind. Wie bewerten Sie das?
Die SPD hat als Gesamtpartei eine klare und ablehnende Position zum vorgelegten Richtlinienentwurf bezogen. Daraus entsteht dann auch der Druck auf die Parlamentsfraktion in Strasbourg, wo es noch unterschiedliche Meinungen gibt. Ich leite daraus ab, daß wir diesen Druck noch verstärken müssen, damit Positionen herauskommen, die klar von Arbeitnehmerinteressen ausgehen.
F: Wie viele Mitglieder der IG BAU haben sich am Samstag an der Demo in Berlin beteiligt?
Ich gehe von 20000 Mitgliedern aus. Zu berücksichtigen ist dabei, daß die Demo für unsere Verhältnisse relativ kurzfristig festgelegt wurde und einige Bezirke schon für die heutige Demo in Strasbourg mobilisieren.
http://www.jungewelt.de/2006/02-14/052.php
Norddeutsche Bundesländer bitten Kanzlerin Merkel um Referenzstrecke für Magnetbahn
Die Regierungschefs der fünf norddeutschen Bundesländer haben sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam um eine Referenzstrecke für den Transrapid beworben, die die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Mit Unterstützung der Landesregierungen aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen hat deshalb der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Harald Ringstorff (SPD) in der vergangenen Woche einen Brief an Merkel geschrieben, in dem er eine Streckenführung von Amsterdam über Groningen bis nach Hamburg vorschlug. Später könne die Strecke dann in Richtung Berlin, Warschau und Prag ausgebaut werden.
Dieser Griff in die verkehrspolitische Mottenkiste seit Jahrzehnten sind alle Transrapidprojekte in Deutschland wegen Unwirtschaftlichkeit sowie am harten Widerstand von Umweltschutzverbänden gescheitert ist vor allem wegen der Beteiligung der Landesregierung aus Schwerin überraschend, die bisher Transrapidprojekte konsequent abgelehnt hatte. Schon 1998 war dies einer der Kernpunkte auch des Koalitionsvertrages mit der PDS. Doch während sich die Linkspartei zum Vorstoß ihres Ministerpräsidenten zurückhält, kommt Kritik vor allem von der oppositionellen CDU. Diese warf Ringstorff »Unglaubwürdigkeit« und ein doppeltes Spiel vor.
Doch der wirkliche Initiator der Bewerbung dürfte nicht Ringstorff, sondern Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gewesen sein, der nun seit Jahren seinen Traum von der wachsenden Metropole an Alster und Elbe träumt. Dazu rechnet Beust auch den weiteren Ausbau der Stadt zum Verkehrsknotenpunkt zwischen Nord, Süd, Ost und West. Verkehrsstrategen des Bürgermeisters basteln seit langem an der Streckenführung für die Magnetschwebebahn zwischen West und Ost, aber auch einer solchen von »Stockholm bis Budapest«.
Wider aller Vernunft wurde die in Deutschland bislang gescheiterte Transrapidtechnik auch in den sieben Jahren der SPD/Grünen-Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) niemals aufgegeben. Sie lebt vor allem durch staatliche Subventionen, während alle konkreten Magnetbahnprojekte bislang in Deutschland scheiterten. 182 Millionen Euro aus Steuermitteln hat dies allein im Zeitraum zwischen 2002 und 2005 gekostet. Das wird auch unter Merkel fortgesetzt, obwohl die einzige Transrapidstrecke, die es weltweit bisher gibt und die Kanzler Schröder 2002 in der Volksrepublik China einweihen konnte, auch nach drei Jahren ihrer Existenz tief in den roten Zahlen steckt.
Scharfe Kritik zum Vorstoß der Ministerpräsidenten kommt unterdessen von den Grünen, deren verkehrspolitischer Sprecher in Schleswig-Holstein, Klaus Müller, seinem Regierungschef Verschwendungssucht vorwarf. Das Land benötige keine Hochgeschwindigkeitszüge, sagte Müller, sondern die Verbesserung der regionalen und öffentlichen Schieneninfrastruktur. Wenn ein Projekt notwendig wäre, sei dies ein Metroexpreß, der viele hunderttausend Bürger allein in Schleswig-Holstein endlich an den Schienenverkehr anschließen könne.
http://www.jungewelt.de/2006/02-13/020.php
Trotz aller Drohungen heute erneut Nahverkehrsstreik in Teheran
Freie Gewerkschaften sind verboten im Land der Mullahs. In Teheran hat sich trotzdem eine Busfahrergewerkschaft etabliert, die trotz aller Repression nicht locker lässt.
Mit einem dramatischen Appell an »Gewerkschaften und fortschrittliche Organisationen« hat die »Gewerkschaft öffentlicher Busbetriebe von Teheran und Umgebung« (Vahed) am Mittwoch um internationale Solidarität mit den Busfahrern der iranischen Hauptstadt gebeten. Diese waren am Samstag erneut in einen Streik getreten, der aber dann durch paramilitärische Verbände, unter ihnen die berüchtigten Basiji, die noch von Khomeini gegründet wurden, zusammengeprügelt wurde. Über 700 Busfahrer wurden verhaftet.
Die Gewerkschaft wollte mit dem Streik ihre offizielle Anerkennung und einen Tarifvertrag durchsetzen. Ebenfalls wurde die Freilassung des Gewerkschaftsvorsitzenden Mansur Ossanlou gefordert, den Sicherheitskräfte bereits am 22. Dezember verhaftet hatten. Ihm soll ein politischer Prozess wegen »Kontakte zu ausländischen Organisationen« gemacht werden.
Schon im Dezember hatten über 6000 Busfahrer in Teheran gestreikt. Der öffentliche Nahverkehr in der Millionenmetropole brach für einen Tag fast völlig zusammen. Daraufhin sagte die Stadtverwaltung die Prüfung der Forderungen zu. Doch dann geschah nichts, weshalb nun länger gestreikt werden sollte.
Doch anders als im Dezember, als niemand der jungen Gewerkschaft, die sich erst im Juni 2005 gegründet hatte, diese Mobilisierungskraft zugetraut hatte, waren Irans Machthaber am Samstag vorbereitet. Teherans Bürgermeister Mohammad Baqer Qalibaf, ein ehemaliger General der Revolutionsgardisten Pasdaran, erklärte den Streik für illegal. Milizen der Basiji und der Pasdaran besetzten die Busdepots und alle großen Verkehrsknotenpunkte. So konnten Streikwillige gleich Samstag früh verprügelt, verjagt oder auch verhaftet werden. Andere Busfahrer wurden mit Waffen zur Arbeit gezwungen. Schnell war der Streik niedergeschlagen.
Hunderte sind noch im Gefängnis. Sie weigern sich, aus der Gewerkschaft auszutreten, die für heute erneut zum Ausstand aufgerufen hat. Dieses Mal sollen die Busdepots gemieden werden, die Fahrer einfach zu Hause bleiben. Gefährlich ist das trotzdem, denn schon am Samstag wurden auch Kinder und Familienangehörige mit verhaftet, die nun von »Radio Teheran« als »Landesverräter« bezeichnet werden. Deshalb hoffen die Busfahrer auf internationale Solidarität.
Die kommt unter anderem aus Hamburg, wo Norman Paech, Völkerrechtler und Bundestagsabgeordneter der Linken, die sofortige Freilassung von Mansur Ossanlou und aller Inhaftierten forderte. Gemeinsam mit den Landesverbänden von Linkspartei.PDS und WASG hat Paech Berlin aufgefordert, sich für die Wahrung der Menschenrechte in Iran einzusetzen, statt sich auf eine Eskalation in der Nuklearfrage einzulassen.
Der Konflikt in Teheran hat grundsätzliche Bedeutung, weil nach iranischem Gesetz unabhängige Gewerkschaften (damit auch Tarifverträge) verboten sind. Nur »islamische Arbeiterräte« werden anerkannt. Doch von den 17 000 Mitarbeitern der staatlichen Busbetriebe soll sich der größte Teil der neuen Gewerkschaft angeschlossen haben. Jetzt fürchten die Machthaber, dass das Beispiel Schule macht und das Herrschaftssystem destabilisiert wird. Schließlich sind Busfahrer schon berufsbedingt echte Multiplikatoren.
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