04. Juli 2008

Hamburg: Nachgelagerte Gebühren sollen trotz zahlreicher Proteste ins Gesetz

Am kommenden Dienstag wollen CDU und Grüne in Hamburg sogenannte nachgeordnete Studiengebühren im Gesetz verankern. Die Oppositionsparteien SPD und Die Linke haben angekündigt, ihre Zustimmung in der Bürgerschaft zu verweigern.

Mitte dieser Woche durften die Studierenden noch einmal Luft ablassen. Rund 150 Kommilitonen verschiedener Hochschulen nahmen an einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft teil. Die heftige Kritik richtete sich vor allem an die Abgeordneten der Grünen. »Ich vertraue euch nicht mehr«, so Benjamin Renter vom AStA der Hochschule für bildende Künste (HfbK) zur grünen Ausschußvorsitzenden Dr. Eva Gümbel. Die hatte den Studenten der HfbK noch kurz vor der Stimmabgabe für die Bürgerschaft am 24. Februar erklärt: Wer die Grünen wählt, wählt die Studiengebühren ab. Ähnlich harsch war die Kritik des Generalsekretärs des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde. Durch das neue Gesetz werde der »Abschreckungseffekt«, nach der Schule ein Studium aufzunehmen, eher noch verschärft. Dazu trage besonders bei, daß die Zahlungsverpflichtungen nun direkt an die Bank- und Kreditinstitute übertragen werden.

Für die Studierenden brächte das neue Gesetz – bei dem nicht während, sondern nach dem Studium zur Kasse gebeten wird – in vielen Punkten eine Verschlimmerung bisheriger Regelungen. Sicherlich: Die Höhe der Gebühren wird von 500 auf 375 Euro pro Semester reduziert. Das ist eine »Mogelpackung«, weil Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) gleichzeitig eine Vielzahl bisher geltender Ausnahmeregelungen zur Befreiung von den Studiengebühren gestrichen hat. Zahlen müssen nun auch Behinderte und Studierende mit Kind. Dadurch würden sich die Zahlungsverpflichteten um rund 10000 Personen pro Semester erhöhen, freute sich die Senatorin.

Die Studiengebühren werden bei dem Modell zunächst durch die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt zinslos kreditiert und für die Studierenden nur virtuell erfaßt. Für die Stadt, so die Kritiker, bedeute das einen zusätzlichen Verwaltungs- und Zinsaufwand von bis zu 22 Millionen Euro im Jahr. Doch auch die Studierenden sind vor Zinszahlungen an die Bank- und Kreditinstitute keineswegs geschützt. Wird etwa die Regelstudienzeit überschritten, kann nur noch zwei Semester ein Studiendarlehen in Anspruch genommen werden. Grundsätzlich sollen die Studierenden ihre aufgelaufene Schuld nach Ende des Studiums und bei Erreichen eines Jahresbruttoeinkommens von 30000 Euro zurückzahlen. Dann allerdings auf einen Schlag. Wem dies nicht gelingt, der ist zu Zinsvereinbarungen mit Kreditinstituten verpflichtet.

Verwendung: Junge Welt vom 04. Juli 2008
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10. März 2008

Klauis-Rainer RuppMit Änderungsanträgen zum Haushalt will Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft Profil zeigen. Ein Gespräch mit Klaus-Rainer Rupp

Klaus-Rainer Rupp ist haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft

Zum Haushaltsentwurf 2008/2009 des SPD-Grünen-Senats hat Ihre Fraktion 42 Änderungsanträge eingereicht. Wo liegen die Schwerpunkte?

Unsere Anträge zielen erstens auf eine Vielzahl kleinerer und nun von Haushaltskürzungen betroffener Sozialprojekte. Da geht es um Summen, die so gering sind, daß sie das Haushaltsgesamtvolumen kaum tangieren würden. Andererseits wäre es genau dieses fehlende Geld, das Einrichtungen in ihrem Bestand gefährdet. Beispielhaft will ich dafür den Notruf für Frauen und Mädchen und die Beratungsstelle für Prostituierte erwähnen. Ein weiterer Teil unserer Anträge zielt schließlich auf Bereiche, wo Bremen, um seinen sozialen Zusammenhalt zu stärken, dringend mehr Geld investieren muß. 18 Millionen Euro fordern wir z.B. für den Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Beantragt haben wir außerdem, daß 35 weitere Lehrer für die Primarstufe, 20 Fallmanager für die Jugendarbeit und fünf zusätzliche Hebammen für die Betreuung von Risikofamilien eingestellt werden. Nicht einverstanden sind wir zudem mit den Senatsplanungen, die Gehaltserhöhungen für die Beamten vom Januar 2008 auf den November zu verschieben.

Welche zusätzlichen Kosten würden durch Ihren Vorschlag entstehen?

Für 2008 wäre es ein Volumen von 85, für 2009 von 107 Millionen Euro. Bezogen auf den gesamten Haushalt, wäre das eine Erhöhung um etwa zwei Prozent. Das liegt also selbst noch unter dem, was im Rahmen eines Inflationsausgleichs notwendig wäre.

Trotzdem haben die Regierungsparteien eingewandt, daß viele Anträge angesichts der Haushaltslage nicht finanzierbar sind.

Auch wenn die Linke nicht dafür verantwortlich ist, daß Bremen nun Staatsschulden von über 15 Milliarden Euro aufweist, können wir einer überbordenden Staatsverschuldung nicht das Wort reden. Andererseits muß beim Schuldenabbau eine Abwägung zwischen den – von uns so genannten – sozialen Schulden und den fiskalischen Schulden erfolgen. Wir sind in Bremen an einem Punkt angelangt, wo weitere Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich, nur dazu führen, daß eine ganz neue Form von Schulden entsteht. Schulden, die dann auch mit Geld nicht mehr auszugleichen wären. Nehmen Sie z.B. die nur mit zwei Mitarbeitern besetzte Beratungsstelle für die Prostituierten. Wer die weiter zusammenstreicht, der muß uns erklären, wie er die daraus entstehenden sozialen Probleme bewältigen will.

Wie haben Sie Ihre Anträge mit Initiativen oder Sozialprojekten abgestimmt?

Durch öffentliche Anhörungen. Unmittelbar nachdem die Eckwerte des Haushaltsplans vorlagen, haben wir zu einer Reihe von Anhörungen – für die Bereiche Arbeit und Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur sowie Stadtentwicklung und Umwelt – eingeladen. Die Gewerkschaften, die von Sozialkürzungen betroffenen Initiativen und Projekte sowie weitere außerparlamentarische Gruppen nahmen daran teil. So erfuhren wir, wo der Schuh am meisten drückt, wo wir mit Anträgen aktiv werden müssen.

In einem Thesenpapier hat Ihre Fraktion kürzlich gesagt, daß die Haushaltspolitik des Bremer Senats die Landesverfassung verletzt. Wäre es da nicht konsequent, den gesamten Haushaltsentwurf abzulehnen?

Das werden wir tun. Doch dies enthebt uns nicht von der Pflicht, durch konkrete Detailanträge das einzufordern, was zum Erhalt wichtiger sozialer Projekte unabdingbar ist. So wird zudem deutlich, daß wir nicht in einem Wolkenkuckucksheim leben, sondern daß unsere Forderungen realistisch sind.

Richtig ist, daß unsere Landesverfassung seit Jahren verletzt wird. Sie enthält eine Vielzahl von Bestimmungen, die darauf hinauslaufen, daß die wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungsmöglichkeiten für alle Bremer Bürger annähernd gleich sein müssen. Daß also soziale Unterschiede durch öffentliche Dienstleistungsangebote teilweise weit ausgeglichen werden müssen. Mittelfristig muß es deshalb auch darum gehen, die Einnahmeseite zu stärken, anstatt immer weiter zu kürzen. Durch eine gerechtere Besteuerung höherer Einkommen und einen solidarischen Länderfinanzausgleich wäre dies möglich.

Nähere Infos: www.linksfraktion-bremen.de

Verwendung: Junge Welt vom 10. März 2008
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05. März 2008

Detlev Beyer-PetersDie Stadt Recklinghausen profitierte kräftig vom rechtswidrigen Einsatz von Ein-Euro-Jobbern. Ein Gespräch mit Detlev Beyer-Peters

Detlev Beyer-Peters ist Kreistagsabgeordneter der Partei Die Linke in Recklinghausen und Mitglied der DKP

Über einen Revisionsbericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde jetzt aufgedeckt, daß die Vestische Arbeit (das ist die ARGE für den Kreis Recklinghausen) auch Ein-Euro-Jobber finanziert hat, die für Tätigkeiten eingesetzt wurden, die sie nach dem Kriterium der Zusätzlichkeit gar nicht hätten verrichten dürfen. Wie bewerten Sie das?

Wir bemängeln als Linke seit längerem, daß in der Stadt Recklinghausen übermäßig viele dieser sogenannten Jobs geschaffen wurden. Anfangs waren es 3500, jetzt sollen es nur noch etwa 2800 sein. Das allein verdeutlicht doch schon, daß es mit diesen Maßnahmen auch darum geht, reguläre und besser bezahlte Arbeit zu verdrängen. Denn viele dieser Jobber sind in normalen Dienstleistungseinrichtungen beschäftigt. Im BA-Bericht heißt es z. B. dazu, daß Ende 2006 272 Ein-Euro-Jobber allein in den 57 Altenheimen des Kreises Recklinghausen beschäftigt waren – und von diesen wiederum 156 in Recklinghausen. Davon allein 40 im städtischen Seniorenzentrum in Grullbad. Das aber zeigt, daß die Jobs vor allem so vergeben wurden, daß der Personalhaushalt der Stadt entlastet wurde. Und das Altenheim Grullbad bekam besonders viel ab. Kein Wunder, denn Ulrich Lammers, Geschäftsführer der Vestischen Arbeit, war zugleich Geschäftsführer dieses Altenheims.

Der Mann hatte zwei verschiedene Jobs?

Richtig. Denn einerseits war Lammers als ehemaliger Beamter des Sozialamtes nebenberuflich auch der Geschäftsführer des Altenheims. Andererseits wurde er 2004 auf Kreisebene Leiter der Hartz-IV-Behörde. Dort muß er wohl seine Hauptaufgabe darin gesehen haben, möglichst viele dieser Jobs an seinen anderen Arbeitgeber, die Stadt Recklinghausen, zu transferieren. Dabei muß man bedenken, daß die Träger solcher Jobs ja nicht nur kostenlos Arbeitskräfte erhalten, sondern obendrauf sogenannte Fallpauschalen oder Qualifizierungsgelder. Im Revisionsbericht der BA wird festgestellt, daß von diesen Qualifizierungsgeldern nur ein kleiner Teil auch tatsächlich für Qualifizierungsmaßnahmen verwandt wurde. Außerdem kam heraus, daß die Vestische Arbeit Kostenpauschalen auch für Teilnehmerplätze gezahlt haben soll, die gar nicht besetzt waren. Das heißt: hier wurde Geld einfach abgezockt.

Wer trägt die Verantwortung dafür?

Einerseits Herr Lammers. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft schon seit einiger Zeit. Doch die politische Verantwortung liegt bei der Stadt – und hier vor allem bei Bürgermeister Wolfgang Pantförder und dessen Sozialdezernent Georg Möllers (beide CDU). Beiden war lange bekannt, daß Lammers mit seiner doppelten Geschäftsführerfunktion zumindest einem Interessenkonflikt unterliegt. Wir fordern auch deren Rücktritt.

Welcher Schaden entstand für die ARGE?

Wir haben errechnet, daß sich allein das Altenheim Grullbad mit den Ein-Euro-Jobbern und dem anschließenden Personalabbau einen Wettbewerbsvorteil in Höhe von etwa 400.000 Euro verschafft hat. Das entspricht interessanterweise jenem Betrag, den das Altenheim für den Kauf seines Grundstücks von der Stadt Recklinghausen aufwenden mußte. Der Vestischen Arbeit dürfte dadurch ein Schaden von etwa 160.000 Euro entstanden sein.

Mußten die Erwerbslosen für die Arbeit im Seniorenzentrum Grullbad nicht besonders qualifiziert werden?

Sie wurden dort hauptsächlich für Hilfsarbeiten im hauswirtschaftlichen Bereich eingesetzt. Dafür ist lediglich eine Einarbeitung und keine besondere Qualifikation nötig. Inzwischen gibt es Hinweise, daß einige Jobber auch mit pflegerischen Tätigkeiten beschäftigt worden sein sollen.

Was hatten die Jobber von ihrer Arbeit?

Nur drei oder vier bekamen im Anschluß an ihre Arbeitsgelegenheit einen Minijob. Aber auch der war nur auf ein halbes Jahr begrenzt. Für mich zeigt dieses Herangehen, daß die Maßnahmen nur einen Zweck haben: Die Träger solcher Jobs sollen von der Arbeit der Erwerbslosen und den auf sie bezogenen Zuschüssen profitieren. Derartige Arbeitsgelegenheiten gehören deshalb abgeschafft und müssen durch reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt werden.

Verwendung: Junge Welt vom 05. März 2008
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19. Oktober 2007

Rostock. Ihren Unmut über drohenden Stellenabbau in der Stadtverwaltung und die Teilprivatisierung des Rostocker Volkstheaters haben am Mittwoch abend rund 800 Menschen vor der Rostocker Bürgerschaft mit lauten Pfiffen und Buhrufen deutlich gemacht. »Wir haben mit unseren Protesten schon viel bewegt und geben nicht auf«, sagte ver.di- Gewerkschaftssekretär Frank Pieper zu den Demonstranten. Die Demonstration richtete sich gegen die Auswirkungen eines Nachtragshaushalts für 2007, den die Mehrheit der Abgeordneten aus CDU, SPD und Grünen beschlossen hatte.
(ag /jW)

Verwendung: Junge Welt vom 19. Oktober 2007
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19. Juni 2007

Fünf Wochen nach den Bürgerschaftswahlen in Bremen, haben sich SPD und Grüne am Wochenende auf einen Koalitionsvertrag und die Neubesetzung des Bremer Senats geeinigt. Wie der Senat bestellt sein soll, daß gaben beide Parteien am Montag auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Grünen erhalten demnach zwei von insgesamt sieben Senatsressorts. Ihrem Koalitionspartner haben die Sozialdemokraten unter Bürgermeister Jens Böhrnsen dabei neben der Umweltbehörde nur noch das Finanzressort zugebilligt. Letzteres wird nun von bisherigen grünen Fraktionsvorsitzenden Karola Linnert geleitet.

Doch noch weniger hat die Öko-Partei bezüglich der inhaltlichen Grundlagen ihrer künftigen Regierungshandelns durchsetzen können. Die Fahrrinnenvertiefung der Weser, ein Projekt, das die Grünen noch im Wahlkampf heftig kritisierten, ist nun beschlossene Sache. Und auch beim umstrittenen Neubau eines großen Kohlekraftwerkes, haben die Grünen offenbar kapituliert. Zwar soll letzteres noch durch ein „Prüf- und Moderationsverfahren“ gehen, doch dass es dann am Ende gebaut wird, daran zweifelt neimand. Erkauft hat sich dies die SPD mit dem Ausbau eines „Kompetenzzentrums für Klimaschutz, Energiesparen und erneuerbare Energien“ sowie mit fünf Renaturierungsprojekten an der Weser.

Wer in der neuen Koalition das Sagen hat, das verrät indes auch ein Blick auf die weitere Senatsliste. Denn außer beim Finanzressort, verwalten die Sozialdemokraten nun sämtliche Schlüsselressorts. Darunter die für Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft und das Justizressort.

Neue Akzente will die SPD-Grüne-Koalition hingegen in der Sozialpolitik setzen. Mit 58 Millionen Euro will der neue Senat die Kindergärten ausbauen. Mehr Geld soll rd künftig auch für die Betreuung der Erwerbslosen geben. Letzteres steht allerdings unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wie der Senat aber Haushaltsumschichtungen in diese Richtung bewirken will, sei bisher nicht erkennbar, kritisierte denn auch Klaus-Rainer Rupp, finanzpolitischer Sprecher der neuen Bürgerschaftsfraktion der LINKEN.

Ebenfalls nicht vom Tisch ist die Privatisierung eines Teils der Bremer Kliniken und die Kürzung der Zuschüsse für die Bremer Hochschulen um 93 Millionen Euro, die noch der alte SPD-CDU-Senat beschloß.

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08. Juni 2007

Bremen: Grüne geben Widerstand gegen neues Kohlekraftwerk und Vertiefung der Weser auf

Ob Neubau eines Kohlekraftwerks, Bestätigung der Kürzungen bei der Hochschulfinanzierung oder Vertiefung der Weserfahrrinne – es gibt offensichtlich kein »urgrünes« Thema, bei dem sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen in Bremen nicht durchgesetzt hat. Das geht aus dem Protokoll eines Spitzengespräches zwischen SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen und der Grünen-Frak­tionsvorsitzenden Karoline Linnert vom 19.Mai hervor, welches der taz mittlerweile vorliegt, die es Anfang der Woche auszugsweise veröffentlichte. Bei der Grünen-Basis der Hansestadt sorgte das Papier für erheblichen Unmut, so daß sich der Landesvorstand gezwungen sah, ein Rundschreiben an alle Mitglieder zu verschicken, in dem vor »Verratslegenden« gewarnt wird.

Doch die Echtheit des brisanten Protokolls bestreitet auch der Vorstand der Grünen nicht. Und dort steht schwarz auf weiß, daß weder die Rücknahme der Mittelkürzungen an den Hochschulen und der Fahrrinnenvertiefung, noch die Verhinderung eines neuen 900-Megawatt-Kohlekraftwerks im Stadtteil Mittelsbüren für Linnert noch ein Thema sind. All das aber waren »Wahlkampfschlager« der Partei.

Entsprechend sauer sind auch die niedersächsischen Grünen. Denn dort hatte die Partei im Kommunalwahlkampf versprochen, die Fahrrinnenvertiefung mit allen Mitteln verhindern zu wollen. Die Landtagsabgeordnete Ina Korter forderte deshalb nun ihre Bremer Parteifreunde auf, in dieser Frage hart zu bleiben. Entsetzen auch bei den Umweltschutzverbänden, die seit Jahren gegen dieses umweltzerstörende Projekt kämpfen.

Erfreuliches gibt es hingegen zum »Sozialen« zu berichten. Denn unter dem Druck des Wahlerfolgs der Linken, haben sich die Verhandlungsdelegationen von SPD und Grüne darauf geeinigt, nun mehr Geld für Kinder und Arbeitslose auszugeben. Selbst die Umwandlung einiger Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ist im Gespräch. Doch eben diese Linke befürchtet nun, daß solche Maßnahmen mit Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst finanziert werden. »Wird neues Geld in die Hand genommen, oder spart man anderer Stelle im Haushalt«, diese Frage müsse endlich beantwortet werden, forderte Linkspartei-Landessprecherin Inga Nitz am Mittwoch.

Verwendung (zum Teil): Junge Welt vom 8. Juni 2007
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2. März 2007

Mammutprojekt »Elbphilharmonie« soll 242 Millionen Euro kosten. Nur Linkspartei.PDS und WASG dagegen

In Hamburg hat die Bürgerschaft am Mittwoch abend den Bau der Elbphilharmonie beschlossen. Alle 113 anwesenden Abgeordneten votierten in namentlicher Abstimmung für das neue Mammutprojekt, das allein an Baukosten rund 242 Millionen Euro verschlingen wird. Kritik kommt nur von der Linkspartei und der WASG, die das neue »Kathedralenprojekt«, das auf dem Dach des Kaispeichers A in unmittelbarer Nähe der neuen Hafen-City entstehen soll, als »Verschwendung von Steuernmitteln« brandmarkten.

Demgegenüber sprach Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) von einer »mutigen und wichtigen Entscheidung« für Hamburg. Durch den Bau entstehe nicht nur eine neue Musikhalle, sondern auch ein lebendiges Wahrzeichen für die Stadt, das weit über Hamburg hinaus eine »Leuchtturm«-Funktion haben werde. So sieht es auch SPD-Stadtentwicklungsexperte Jan Quast, der aber ein fehlendes Verkehrskonzept bemängelt. Doch auch seine Fraktion glaube, daß sich »eine Metropole wie Hamburg« ein solches Aushängeschild leisten sollte. Von einer »richtigen Investition zur richtigen Zeit« schwärmte auch Wilfried Maier, grüner Fraktionsvize in der Bürgerschaft. Gemeinsam müßten nun alle Parteien gegen »soziale Ressentiments« ankämpfen, die sich im Zusammenhang mit dem Bau ergeben könnten. Die Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Stapelfeldt (SPD) entdeckte in diesem Zusammenhang, daß Teilhabe an Kultur die »beste Sozialpolitik« sei. Sie forderte nun eine Intensivierung von Spendensammel­aktivitäten, um so den Kritikern des Mammutprojekts »eine goldene Brücke« zu bauen.

Zu diesen Kritikern gehört WASG-Landessprecher Berno Schuckart. Er bezeichnete den Neubau als »fatale Fehlentscheidung«, die nun zu Lasten von Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik gehe. Beschämend sei insbesondere die Rolle der SPD, die sich aufgrund ihrer Konzeptions- und Führungslosigkeit offenbar schon jetzt in ihrer neuen Rolle als Juniorpartner einer großen Koalition gefalle. Gemeinsam mit der Linkspartei fordert Schuckart, generell auf die Finanzierung solcher Großprojekte zu verzichten. Die dafür vorgesehenen Mittel müßten statt dessen sozialen Einrichtungen zugute kommen.

Verwendung: Junge Welt
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Streit zwischen CDU und SPD. Ministerpräsident Carstensen will vor allem bei Kommunen sparen

In der großen Koalition in Kiel knirscht es mächtig. So spekulierten am Freitag einige schleswig-holsteinische Zeitungen sogar darüber, ob Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) tatsächlich seinen Innenminister Ralf Stegner (SPD) habe entlassen wollen, weil dieser sich immer wieder unabgesprochen zu Grundsatzfragen der Landespolitik geäußert habe. Ein Entlassungsschreiben sei schon fertig gewesen, aber in letzter Minute durch Bundeskanzlerin Angela Merkel gestoppt worden.

Doch tatsächlich geht es nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern um den härtesten Sparhaushalt, den eine Landesregierung in Schleswig-Holstein je vorgelegt hat. Wie berichtet sollen dabei vor allem die Landesbeschäftigten und die Kommunen heftig bluten. Daß aber nun die Gemeinden auf rund 120 Millionen Euro bisheriger Landeszuschüsse verzichten sollen, erregt vor allem die Kommunalpolitiker in beiden Parteien. Auf Sonderparteitagen der Koalitionspartner sollen die Wogen wieder geglättet werden.

Ob das gelingt, bleibt vor allem in der SPD fraglich, in der sich heftiger Widerstand gegen einen Leitantrag des Landesvorstands ankündigt, mit dem die Delegierten dem Gesamtvolumen der Haushaltskürzungen zustimmen sollen. So betonte der Rendsburger Bürgermeister Andreas Breitner, Koalitionsdisziplin habe dort ihre Grenze, wo Beschlüsse der Landesregierung die Gemeinden »ruinierten«.

Hingegen will die CDU-Landtagsfraktion den Unmut der eigenen Kommunalpolitiker dadurch besänftigen, daß sie vorschlägt, Abstriche bei den Kindergartenstandards und in der Schülerförderung vorzunehmen. Das nennt der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion dann einen »Pakt für Schleswig-Holstein«. Doch kaum hatte er das ausgesprochen, widersprach ihm sein Koalitionspartner. Solche Standardabsenkungen seien völlig undiskutabel und ein Bruch des Koalitionsvertrages, betonte der Landesvorstand der SPD in einer Stellungnahme. Hier legte Stegner schließlich eigene Vorschläge auf den Tsch, die vor allem um eine Kommunalreform kreisen. Das aber hatte er wiederum mit seinem Koalitionspartner Carstensen nicht abgesprochen.

http://www.jungewelt.de/2006/06-10/036.php



Schleswig-Holstein: Einschnitte bei Beamten und Sozialausgaben. Zum Ausgleich: Kräftige Diätenerhöhung für Abgeordnete

Trotz heftiger Proteste der Landesbediensteten, der Gewerkschaften und Sozialverbände sowie von Kommunalpolitikern aller Parteien hat die schleswig-holsteinische CDU-SPD-Landesregierung auf einer Klausursitzung das bisher umfangreichste Kürzungsprogramm in der Geschichte des Landes beschlossen. Wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) ankündigte, sollen im Doppelhaushalt 2006/2007 mindestens 600 Millionen Euro ausgegeben werden. Die 42000 Landesbediensteten haben davon alleine 200 Millionen Euro zu schultern.

Gerupft wird vor allem bei den Beamten, denen nun sämtliche Sonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, drastisch gekürzt werden. Zugleich streich die Landesregierung ihre Stellenkontingente zusammen. Mehrere hundert Beschäftigte begleiteten deshalb die Beratungen der Landesregierung am Mittwoch mit lautstarken Protesten, bei denen sie insbesondere Carstensen »Wortbruch« und »Betrug« vorwarfen.

Doch auch die Kommunen müssen kräftig bluten. Ihnen will die Landesregierung Zuschüsse von etwa 240 Millionen Euro streichen, was diese ihrerseits durch Einschnitte im Sozialbereich kompensieren sollen. Massive Kürzungen gibt es auch für die Fachbehörden, deren Ausgaben um 160 Millionen Euro gedrosselt werden sollen.

Das Weihnachts- und Urlaubsgeld der Beamten soll sich künftig nach der Anzahl ihrer Kinder richten. Pro Kind gibt es eine Pauschale von 400 Euro, was aber nach Ansicht des GEW-Landesvorsitzenden Kai Niemann auf einen jährlichen Reallohnverlust von etwa 15 Prozent hinausläuft. Für die Ministerien kündigte Carstensen Kürzungen in den Bereichen Kultur,Weiterbildung und Straßenbau an. Gedrosselt werden auch die Zuschüsse für die dänische Minderheit, während gleichzeitig die Regionalbahn AKN, die HSH-Nordbank und die Flughafengesellschaft in Kiel privatisiert werden sollen.

Angestachelt wird der Protest gegen diese Kahlschlagpolitik auch deshalb, weil sich die Regierungsfraktionen zugleich im Rechtsausschuß des Landtages kräftige Einkommenserhöhungen zubilligten. So soll etwa die Grunddiät eines Abgeordneten von monatlich 3900 Euro auf 6700 Euro steigen. Dazu kommt noch eine Pauschale von 1500 Euro im Monat, die jedem Abgeordneten für seine Altersversorgung überwiesen werden, über die er aber frei verfügen kann. Für Peter Deutschland, DGB-Vorsitzender im Bezirk Nord, ist das ein »falsches Signal«, das die Entfremdung zwischen Bürgern und Politik vergrößere. Mit Blick auf die Kürzungen im Landeshaushalt sprach Deutschland von »politischer Amputation«, mit der soziale Gestaltungsmöglichkeiten auch auf der kommunalen Ebene verlorengehen.

Heftige Kritik kam auch von Anke Spoorendonk, Vorsitzende des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Kieler Landtag. Sie sprach von einer »Verzweiflungstat der Landesregierung ohne politische Perspektive«. Scharf kritisierte Spoorendonk die Gehaltskürzungen für die Landesbediensteten – »unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht«.

http://www.jungewelt.de/2006/05-26/033.php



Landtag in Düsseldorf muß sich mit Protest gegen Etat beschäftigen

Rund 170000 Wahlbürger Nordrhein-Westfalens haben bis Dienstag mit ihrer Unterschrift die Volksinitiative »Jugend braucht Vertrauen« unterstützt. Damit hat die Initiative das gesetzliche Mindestquorum von 66125 gültigen Unterschriften zur Behandlung ihres Anliegens im Landtag deutlich übertroffen. Die Volksinitiative richtet sich gegen Mittelkürzungen im Bereich der Jugendarbeit. Deren Etat liegt nach dem NRW-Jugendförderungsgesetz bei jährlich 96 Millionen Euro. Die CDU-FDP-Landesregierung will die Summe auf 75 Millionen Euro im Jahr reduzieren.

Nach Auskunft der Initiative vom Mittwoch sammelten über 5000 Unterstützer in fast allen größeren Kommunen des Landes Unterschriften. Zudem hätten sich 36 Gemeindeparlamente in eigenen Resolutionen gegen die Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit ausgesprochen. Ebenfalls erfolgreich verläuft nach Auskunft der Initiative die Sammlung von Unterschriften für die Volksinitiative »NRW 2006«, die sich gegen weitere Kürzungen der Landesmittel für die Kinder-, Jugend- und Familienförderung in Höhe von 200 Millionen Euro pro Haushaltsjahr wendet. Davon wären vor allem Kindergärten, Familienbildungsstätten, Frauenhäuser, Beratungsstellen und Familienpflegedienste betroffen. Die bisher gesammelten über 135000 Unterschriften sollen im Rahmen einer Demonstration am 3. Mai dem Düsseldorfer Landtagspräsidium übergeben werden.

www.volksinitiative-nrw.de und www.volksinitiative-nrw2006.de

http://www.jungewelt.de/2006/04-27/043.php



Nordrhein-Westfalen: Schon 17 000 Unterschriften gegen geplante Mittelstreichung bei Kinder- und Jugendarbeit

Etwa 17000 Unterschriften haben die Organisatoren der nordrhein-westfälischen Volksinitiative »Jugend braucht Vertrauen« schon gesammelt, wie Initiativenvertreter am Mittwoch in Neuss bekanntgaben. Vor vier Wochen hatte die Unterschriftensammlung begonnen. Doch um das Vorhaben der CDU-FDP-Landesregierung, die Mittel für Kinder- und Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen drastisch zu kürzen, wenigstens vorerst zu stoppen, müssen bis Anfang Mai weitere gut 49000 Unterstützerunterschriften gesammelt werden. Erst dann muß sich das Landesparlament binnen drei Monaten mit dem Antrag der Initiative beschäftigen. Lehnt es den Antrag ab, kann dann sogar ein Volksentscheid eingeleitet werden.

Die Initiativenvertreter sind indes sicher, daß sie das notwendige Quorum von 66125 anerkannten Unterschriften erreichen können. Sie gaben am Mittwoch bekannt, daß Außenstellen der Initiative bereits in 73 Prozent aller nordrhein-westfälischen Kommunen existieren. Die Initiative will die noch fehlenden Unterschriften sogar schon bis Ende März einsammeln, denn dann beginnen im Landtag erneut Haushaltsberatungen.

Landesjugendring und Vertreter der Jugendsozialarbeit hatten die Volksinitiative Anfang Februar gestartet, nachdem die Landesregierung beschlossen hatte, die im Kinder- und Jugendfördergesetz festgeschriebene Erhöhung des Etats für die Jugendarbeit zurückzunehmen. Statt versprochener 96 Millionen soll es demnach nur 75 Millionen Euro für die 21 Jugendverbände, 2500 Jugendzentren und fast 90 Jugendwerkstätten und Jugendkunstschulen des Landes geben. Die bisherige Struktur in der Kinder- und Jugendarbeit ließe sich so nicht aufrechterhalten.

Ende 2003 hatte es schon einmal eine Volksinitiative gegen Kürzungen im Kinder- und Jugendhilfebereich in NRW gegeben. 175000 Unterschriften wurden gesammelt, woraufhin sich die damalige SPD-Grünen-Landesregierung verpflichtete, von 2006 bis 2010 jährlich 96 Millionen Euro bereitzustellen. Auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), damals noch in der Opposition, unterstützte diese Forderung, von der er jetzt unter Hinweis auf die Haushaltslage wieder abrücken will.

Doch die Initiative bekommt seit dieser Woche auch aus dem Regierungslager Rückenwind. Der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Tenhumberg kündigte an, für die Aufstockung des Landesjugendplans im Landesparlament kämpfen zu wollen. Daß Versprechen gehalten werden müßten, meinte auch Christian Lindner, jugendpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion.

Nähere Infos: http://www.volksinitiative-nrw.de/

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/03-09/028.php



NRW: Zahl der Opfer um acht Prozent gestiegen

Die Zahl der Drogentoten in Nordrhein-Westfalen hat 2005 deutlich zugenommen. Mit 350 Fällen lag sie um acht Prozent höher als im Jahr zuvor, wie NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) jetzt eingestehen mußte. Wie berichtet hatte Wolfs Behörde zum Jahreswechsel noch einen Rückgang auf 302 Fälle prognostiziert. Unter anderem damit waren drastische Einsparungen bei der Drogenhilfe begründet worden, wie sie im aktuellen Landeshaushalt vorgesehen sind. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Lautermann (CDU) sieht trotz der neuen Zahl nicht die Notwendigkeit, die Kürzungen zurückzunehmen. Die Zahl der Drogentoten sei auch von Zufallskomponenten abhängig.

Tatsächlich sagen die Drogenstatistiken, wie sie in Deutschland geführt werden, nicht viel. In die amtliche Statistik wird nämlich nur aufgenommen, wer unmittelbar an den Folgen des Drogenkonsums starb. Nicht erfaßt werden Todesfälle, die aus typischen Erkrankungen von Drogenkonsumenten, etwa Hepatitis C oder Herzversagen resultieren. Deren Anstieg hat auch mit fehlenden Hilfsangeboten und mit wieder zunehmender staatlicher Repression gegen die Konsumenten illegaler Drogen zu tun.

In NRW sollen die Fördergelder für Kontakträume um 20 Prozent reduziert werden. Sämtliche Mittel werden dem Selbsthilfe-Netzwerk von Junkies und Substituierten (JES) gestrichen, das 100 Spritzenautomaten in NRW unterhält. Geringere Kürzungen müssen bis jetzt noch die zehn Fixerstuben hinnehmen, die es in NRW gibt. Bedeutend weniger Geld gibt es auch für die Drogenberatung in Gefängnissen – fatal angesichts dessen, daß 70 Prozent aller Haftinsassen in NRW drogenabhängig sind.

Doch die Landesregierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) setzt andere Schwerpunkte. Sie will den Konsumenten illegaler Drogen nicht helfen, sondern den Drogenkonsum »bekämpfen«. So soll Innenminister Wolf neue Fahndungsteams zur grenzübergreifenden Polizeifahndung an der Grenze zwischen NRW und den Niederlanden schaffen – ein Griff in die drogenpolitische Mottenkiste.

http://www.jungewelt.de/2006/02-28/060.php



Personalräte der allgemeinbildenden Schulen in Hamburg machen Front gegen »Selbstverantwortete Schule«. SPD und Grüne wieder einmal für neoliberale Lösung

In Hamburg haben Personalversammlungen aller allgemeinbildenden Schulen die Bürgerschaft dazu aufgefordert, ein neues Schulgesetz des CDU-Senats abzulehnen. Das geht aus einer zum Wochenende veröffentlichen gemeinsamen Erklärung der Personalräte hervor. Darin wurden auch die Schulkollegien aufgefordert, Stellungnahmen gegen das neue Gesetz auszuarbeiten. Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) möchte damit erreichen, daß die Schulen künftig wie kleine Unternehmen geführt werden. Diese »Selbstverantworteten Schulen« sollen eigenständig ihr Budget bewirtschaften und Personal einstellen können. Absprachen mit der Schulbehörde soll es nur noch jährlich im Rahmen von Leistungsvereinbarungen geben.

Lehrer befürchten, daß mit diesem Konzept die Verantwortung für die Mängelverwaltung auf die Schuldirektoren abgeladen wird. Zugleich würden Mitbestimmungsmöglichkeiten von Lehrern, Eltern und Schülern gestrichen. Kritik kommt auch von der Linkspartei.PDS, deren Landessprecher Horst Bethge die Gefahr sieht, daß die Direktoren veranlaßt sein könnten, fehlende Sachmittel durch Personaleinsparungen auszugleichen. Nach dem neuen Gesetz könnten die Schulleiter für bestimmte Aufgaben auch anstelle von Lehrern billigere Honorarkräfte einstellen. Demgegenüber betonten Grüne und SPD, daß sie im Grundsatz für eine »Selbstverantwortete Schule« sind. Sie fordeten allerdings mehr Mitbestimmungsrechte durch die Schulkollegien.

http://www.jungewelt.de/2006/02-27/053.php



Hamburg: Öffentliche Debatte der WASG übers Mitregieren. Schlechte Noten für Berliner Koalitionäre

Energisch haben am Montag abend zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der WASG in Hamburg den Austritt der Linkspartei.PDS aus der Berliner Regierungskoalition gefordert, die sie als »zentrales Hindernis für die Verständigung der Linken in Deutschland« bezeichneten. Ein Unterschied zur CDU-Politik sei kaum erkennbar, sagte Dora Heyenn, Vorstandsmitglied der Hamburger WASG, in der fast dreistündigen Debatte der etwa 70 Aktivisten. Einige Vertreter von WASG-Kreisverbänden kündigten an, einen möglicherweise eigenständigen Wahlantritt der WASG bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin von Hamburg aus zu unterstützen.

Zu ihrer »Debatte über linke Regierungsbeteiligung am Beispiel Berlin« hatte der WASG-Landesvorstand Elke Breitenbach (Abgeordnete der Linkspartei.PDS im Berliner Abgeordnetenhaus), Rouzbeh Taheri (WASG-Schatzmeister in Berlin) und Christine Buchholz vom Bundesvorstand der WASG eingeladen. »Sachbezogene Debatte unter Mitgliedern« war die Veranstaltung genannt worden, damit die an Alster und Elbe selbst verordnete Harmonie durch das Rupfen der Linkspartei keinen Schaden nehme. Doch gerupft wurde trotzdem.

Mühsam hatte Breitenbach zuvor die »Rahmenbedingungen« der Berliner Koalition beschrieben, in der es angesichts der Haushaltslage kaum Spielraum für linke Politik gebe. Deshalb stehe die Haushaltssanierung im Mittelpunkt. Heftige Kritik an dieser Politik kam von Taheri und Buchholz, die der Linkspartei.PDS vorwarfen, daß es den Berlinern »heute schlechter als vor vier Jahren« gehe. Sie kritisierten Gehaltskürzungen und den Stellenabbau im öffentlichen Dienst, aber auch Privatisierungsstrategien des Berliner Senats. Regelrecht erschrocken reagierten Veranstaltungsteilnehmer auf Einzelheiten dieser Politik, die gleichermaßen von Hamburgs Linkspartei-Landessprecher Horst Bethge kritisiert wurde.

Neuer Zündstoff für die Debatte kam unterdessen aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort erklärte der WASG-Landesvorstand am Dienstag, im Parteibildungsprozeß müsse eine »Vormachtsstellung« der Linkspartei ausgeschlossen werden.

http://www.jungewelt.de/2006/02-15/043.php



Der sogenannte Bürokratieabbau in Schleswig-Holstein erweist sich als Stellenkahlschlag mit verheerenden Folgen

In Schleswig-Holstein hat die CDU/SPD-Landesregierung »die größte Verwaltungsreform in der Geschichte des Landes« beschlossen, wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am Mittwoch im Landtag stolz zu berichten wußte. Doch was Carstensen als »Bürokratieabbau« feierte, entpuppt sich in Wirklichkeit als Kahlschlag. Von 8000 Stellen der Landesverwaltung werden nun 2130 gestrichen. Aufgelöst werden dabei ganze Ämter, wie das »Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit« oder auch das »Landesamt für Natur und Umwelt«. Die Schlüssel lauten »Aufgabenkritik und -verzicht« minus 570 Stellen, »Ausgliederung und Privatisierung« minus 250 Stellen, »Prozeßoptimierung« minus 90 Stellen und »Übertragung von Aufgaben an Kreise und Kommunen« minus 1220 Stellen.

Die Folgen sind verheerend. Um etwa staatliche Forstverwaltungen aufzulösen, wird das Land 50000 Hektar Wald verkaufen. Mit der Schließung der Landesämter werden zentrale politische Steuerungsinstrumente aus der Hand gegeben. Daß selbst die Auflösung der Landesverwaltung für den Nationalpark Wattenmeer zeitweilig in Erwägung stand (was erst nach Protesten zurückgenommen wurde), zeigt die ganze Richtung dieser »Reform«, bei der es nicht um »Bürokratieabbau«, sondern ums reine Einsparen und die Deregulierung landespolitischer Aufgaben ging. Insgesamt 800 solcher Pflichtaufgaben sind nun wegreguliert und damit dem Chaos des Marktes oder archaisch anmutenden Kleinstkommunen überantwortet worden. Hinzu kommt ein Qualitätsverlust aus stärkerer Arbeitsbelastung der verbliebenen Mitarbeiter, wenn etwa Stellenstreichungen im Landesbetrieb Verkehr nun durch simple Zusammenlegung von Straßenbaumeistereien wieder aufgefangen werden sollen. Detaillierte Regelungen wird es dafür ab Juni geben.

Dem Wald sei es egal, für wen er Sauerstoff produziert, verteidigte Carstensen die Grundlinie seines Plans. Doch der Wald ist nicht nur Sauerstoff-, sondern auch Erholungsspender für Millionen Menschen. In Bayern führte schon die Umwandlung von Forstbetrieben in »Körperschaften öffentlichen Rechts« zu Einschränkungen der Waldbenutzung, wobei auch Bürger teilweise zur Kasse gebeten wurden. Neu sind solche Überlegungen auch an Nord- und Ostsee nicht, wo schon die »rot-grüne« Landesregierung vor vier Jahren laut über »Eintrittsgelder« (entsprechend den Nationalparks der USA) nachdachte. Als Bumerang wird sich auch die Übertragung von Aufgaben an die Kommunen erweisen. Selbst in chronischer Finanznot, werden sie Qualitätsstandards für die Bürger nicht halten können. Und Carstensens Staatssekretär Klaus Schlie (CDU) bastelt schon an einem weiteren Brocken, bei dem auch Schulen, Justiz- und Finanzämter auf dem Prüfstand stehen.

Kritik an alledem hält sich in Grenzen. Für die FDP geht alles nur nicht schnell genug. So sehen es auch die Grünen, die sich ernsthaft beklagten, daß »nur« 2100 Stellen, nicht aber 2650 gestrichen worden seien, wie sie es selbst als Regierungspartei geschafft hätten. Ernsthaft böse sind sie aber nur wegen der Streichung ihres Lieblingsamtes für Umwelt und Natur. Partielle Kritik auch nur beim Südschleswigschen Wählerverband, der nicht mehr weiß, ob und wer nun die Zuschüsse für dänische Schulkinder zahlt. Und während der DGB die Auflösung des Arbeitsschutzamtes beklagt, macht sich das Kinderhilfswerk Gedanken, wo die Mitwirkung von Kindern an der »Gestaltung kinderfreundlicher Gemeinden« nun bleibt.

Von Grundsatzkritik aber keine Spur. Fehlanzeige auch bei der Linken, die in dieser Angelegenheit eher den Schlaf der Gerechten schläft.

http://www.jungewelt.de/2006/01-27/038.php



Finanzminister Schleswig-Holsteins stellte Einzelheiten seines sozialpolitischen Kahlschlags vor

Fünf Tage nach der Verabschiedung des Landeshaushalts von Schleswig-Holstein veröffentlichte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) am Mittwoch die Einzelheiten des damit zusammenhängenden sozialpolitischen Kahlschlags. Das »Sparprogramm« umfaßt – bei einem Haushaltsvolumen von gegenwärtig 8,2 Milliarden – fast eine Milliarde Euro. Betroffen sind davon vor allem die 42000 Landesbeschäftigten sowie die Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen. Ihre Arbeitszeit soll (ohne Lohnausgleich) von 38,5 auf 41 Stunden in der Woche steigen. Außerdem will Wiegard 2000 Stellen streichen.

Begründet wird der Kahlschlag mit der chronischen Finanzmisere des Landes, das auch den Haushalt 2006 nur durch Aufnahme weiterer Kredite decken konnte. Diese allein liegen bei 1,6 Milliarden Euro. Haushaltskonsolidierung will Wiegards Chef, Ministerpräsident Harry Carstensen, aber nur durch »Sparaktionen« gewährleistet sehen, während politische Schritte für die Erhöhung eigener Einnahmen kaum zu erkennen sind. Mächtig bluten sollen deshalb auch die Studenten, denen neue Studiengebühren aufgebrummt werden sollen, obwohl der Koalitionspartner SPD, dies bislang strikt ablehnte. Kassieren will Wiegard bei den Studenten aber auch durch Kürzungen der BAföG-Zuschüsse. Erste Mittelkürzungen für den Bildungsbereich, beim Blindengeld und in weiteren Förderprogrammen hatte der Landtag schon für 2006 beschlossen.

Äußerst unterschiedlich fällt dazu die Kritik der Opposition aus. Während die Grünen haushaltspolitische Vorgaben vor allem dafür kritisieren, daß Verfassungsgrundsätze des Landes nicht beachtet worden seien, weil die Summe der Investitionen noch deutlich unter dem Wert der Nettoneuverschuldung liegt, verlangte FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki gleich mehr Geld für Kindergärten, Blinde, Behinderte und AIDS-Kranke. Dafür will Kubicki aber Teile der HSH Nordbank verhökern, womit er sich Einnahmen von 600 Millionen verspricht. Grundsätzliche Kritik kommt nur von der Linkspartei, deren Landesvorsitzende Eda Lechner Sozialabbau und Kürzungen bei den Förderprogrammen strikt ablehnt. Sie fordert eine neue politische Strategie, die zusätzliche Haushaltsmittel durch Einnahmeerhöhungen mobilisiert. Deshalb soll sich auch Schleswig-Holstein für eine neue Form der Vermögenssteuer aussprechen, die Reiche gebührend zur Kasse bittet.

http://www.jungewelt.de/2005/12-23/017.php



WASG Nordrhein-Westfalen kritisiert den Haushaltsentwurf der CDU/FDP-Landesregierung. Protestaktionen angekündigt

Als erneuten Beweis »neoliberaler Brutalpolitik gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung« hat die WASG in Nordrhein-Westfalen den Haushaltsentwurf 2006 der CDU/FDP-Landesregierung bezeichnet. Seit Ende vergangener Woche wird dieser im Landesparlament debattiert. Der haushaltspolitische Kahlschlag in NRW konzentriert sich demnach im nächsten Jahr vor allem auf das Landespersonal und auf den Kinder- und Familienbereich, was die Kluft zwischen arm und reich verschärfe, wie die WASG in einer Erklärung hervorhob. Heftig kritisieren auch die im Landtag vertretenen Oppositionsparteien SPD und Grüne den Haushaltsentwurf. Im Zentrum ihrer Kritik steht, daß der Haushalt Vorgaben der Landesverfassung nicht entspreche. Zudem habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) damit Wahlversprechen gebrochen, weil dieser vor der Landtagswahl den Kinder- und Familienbereich zum Schwerpunkt seiner Politik machen wollte. Allein dort werden jetzt 220 Millionen weggekürzt.

Nach dem Entwurf bemißt sich der Haushalt auf 48,5 Milliarden Euro. Damit ist der Haushaltsansatz im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Milliarden Euro reduziert. Den größten Anteil der Einsparungen sollen Kürzungen beim Landespersonal erbringen. Die Landesregierung will allein im nächsten Jahr 2 260 und bis zum Ende der Legislatur über 10 000 Stellen beim Landespersonal streichen. Zudem sollen ein Gehaltsstopp, die Streichung des Weihnachtsgeldes und Arbeitszeiterhöhungen für Beamte Haushaltsentlastungen bringen. Doch auch die Angestellten sollen Gehaltskürzungen hinnehmen. Bluten müssen zudem die Arbeitsmarktprogramme (minus 28,6 Millionen Euro), die Kindergärten (minus 117 Millionen Euro), der Jugendhilfebereich (minus 21 Millionen Euro), die Flüchtlingsaufnahme (minus 36 Millionen Euro), die Volkshochschulen (minus 24 Millionen Euro), die Krankenhäuser (minus 24 Millionen Euro) und schließlich der soziale Wohnungsbau (minus 33 Millionen Euro).

Doch katastrophal sind nicht nur die nominellen Haushaltskürzungen. Der Haushaltsentwurf schichtet verschiedene Haushaltsvolumen tiefgreifend um. Um 2,6 Milliarden Euro sollen demnach die Investitionsmittel sinken, deren Ansatz jetzt bei 4,5 Milliarden Euro liegt. Da aber zur Deckung des Haushaltes – trotz der Einsparungen – zusätzliche Kredite in Höhe von 5,9 Milliarden Euro aufgenommen werden müßten, sprechen SPD und Grüne nun von einem Haushaltsentwurf, der den Verfassungsvorgaben des Landes nicht entspreche. Hintergrund: Die Landesverfassung schreibt vor, daß die Summe der Investitionskosten nicht kleiner sein darf als die Nettoneuverschuldung. Solcherart gesetzliche Vorgaben solle man »flexibel« handhaben, kontert die Landesregierung. Ein schwaches Argument. Trotzdem rechnen Beobachter kaum damit, daß nun Grüne und SPD vor das Verfassungsgericht ziehen werden; auch in ihrer Regierungszeit sind sie haushaltspolitisch nur mit ständigen Nachtragshaushalten über die Runden gekommen, bei denen sie den Verfassungsvorgaben wenig Beachtung schenkten. Das dahinter liegende Problem wird aber nicht kleiner, denn Experten schätzen, daß allein bei den kleineren Handwerksbetrieben des Landes ein jährliches Auftragsvolumen von über einer Milliarde Euro fehlen wird, was die Pleitewelle und die Arbeitslosigkeit ansteigen lassen wird.

Grundsätzlich stellt sich solch haushaltspolitischer Sachzwanglogik in NRW nur die WASG entgegen, die den Haushaltsentwurf als »Sparpaket sozialer Kälte« geißelte. Statt Einsparungen vorzunehmen, solle sich die Landesregierung lieber um die Erhöhung ihrer Einnahmen kümmern, sagte Edith Fröse, haushaltspolitische Sprecherin der NRW-WASG, gegenüber junge Welt. Fröse rechnete vor: Allein die Einstellung von 200 neuen Steuerprüfern brächte dem Land Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Doch Steuerbetrüger zur Kasse zu bitten, hielt schon die SPD/Grünen-Vorgängerregierung unter Peer Steinbrück (SPD) für nicht angebracht, weshalb Fröse von einer »nahtlosen Fortsetzung« einer bereits »gescheiterten Politik« spricht. Protestaktionen haben auch die Gewerkschaften angekündigt, die sich gegen die Absenkung des Weihnachtsgeldes und den Personalabbau wehren.

http://www.jungewelt.de/2005/12-19/017.php



Hamburger Bürgerschaft beschloss nach heftigen Debatten Doppelhaushalt 2005/2006

In Hamburg ist in der vergangenen Woche nach mehrtägigen Beratungen ein Doppelhaushalt für die Jahre 2005 und 2006 in der Bürgerschaft beschlossen worden.

Nach vier Tagen Debattenmarathon mit zum Teil heftigen gegenseitigen Vorwürfen in der Bürgerschaft der Hansestadt ist der Doppelhaushalt 2005 und 2006 unter Dach und Fach: Auf 20,5 Milliarden Euro sind die Einnahmen prognostiziert, davon allein 1,35 Milliarden über erneute Kreditaufnahme. Bei den Ausgaben verschlingen die Kreditzinsbelastungen allein 2 Milliarden Euro, ist doch der Schuldenstand auf 26 Milliarden Euro angewachsen. Mit einer Belastung von 830 Millionen Euro rechnet die Stadt im Länderfinanzausgleich. Für Investitionen sind 2 Milliarden, für Personalausgaben 6,9 Milliarden und für Sach- und Fachausgaben 8,2 Milliarden Euro vorgesehen.

Hamburg gehöre zu den wenigen Ländern, so Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), die einen verfassungskonformen Etat vorlegen. Peiner hob hervor, dass sich die Netto-Neuverschuldung reduziere, Investitionen von der Netto-Kreditaufnahme entkoppelt seien und der Betriebshaushalt 2006 ausgeglichen werde.

Die Regierung setze zu einseitig auf einen Konjunkturaufschwung, blockiere den Abbau von Subventionen kritisierte der GAL-Finanzexperte Wilfried Maier. Experten bezweifeln zudem die Prognosen zum Länderfinanzausgleich, rechnen mit höheren Belastungen. Kritik aus den Oppositionsparteien auch an der Investitionspolitik. Ein erheblicher Teil der Aufwendungen sei für Prestigeobjekte vorgesehen, wie die U-Bahnanbindung für die Hafencity, die 275 Millionen Euro koste. Der Haushalt sei deshalb unausgewogen.

DGB: Wirtschaftsinteressen im Vordergrund

Für Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm ist der Haushalt vor allem durch Wirtschaftsinteressen gekennzeichnet, während soziale Belange zu kurz kämen. Die örtliche PDS verweist auf Forderungen, wie die Einnahmesituation für die Länder verbessert werden könne: etwa durch Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer und den Abbau von Steuervergünstigungen für Konzerne. Kritisiert wird die Konzentration auf Großprojekte.

In der Bürgerschaft kam es in der Debatte über den Haushalt zu heftigen Wortduellen zwischen Regierung und Opposition. Im Zentrum stand zunächst der Streit um die Zuschüsse für Hamburgs Kindertagesstätten. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) wollte Zuwendungskürzungen um 40 Millionen Euro durchsetzen, die sie nach Demonstrationen auf die Hälfte reduzierte. Da sich die Anzahl der Kita-Plätze aber um 5000 erhöht, forderte SPD-Fraktionschef Michael Neumann eine Aufstockung des Etats um 50 Millionen. Er verwies auf Minderausgaben durch Hartz IV. Als »linken Populismus« bezeichnete dies Wilfried Maier von der GAL, denn die Mittel seien längst verplant. Erneut war auch der Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) umstritten. Das Geschäft sei nur persönlichen Verbindungen des Finanzsenators mit Asklepios-Kliniken-Chef Bernhard Broermann geschuldet, der den LBK kaufen will, sagte Neumann. Bessere Angebote seien dem Parlament unterschlagen worden. Dass die Mehrheit der Hamburger jegliche Form der Mehrheitsprivatisierung ablehnt, spielte kaum noch eine Rolle.

Lange Kürzungsliste im öffentlichen Sektor

Scharfe Auseinandersetzungen gab es auch zum Sozialetat. Für den SPD-Abgeordneten Walter Zuckerer handele der Senat nach dem Motto »Geiz ist geil«. Kürzungen bei sozialen Einrichtungen, in der Arbeitsmarktpolitik, beim Blindengeld und in der Frauenförderung, bei öffentlichen Bibliotheken, Volkshochschulen und Sportverbänden sind vorgesehen. Ebenfalls sollen Schulstandorte und Schwimmbäder geschlossen werden.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64760&IDC=2&DB=Archiv



Hamburgs CDU setzt auf Etatkürzung/Entlassungen und Qualitätseinbußen befürchtet

50 Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 einsparen. Gleichzeitig soll sich die Anzahl der Kita-Plätze von 50000 auf 55000 erhöhen. Die 9500 Mitarbeiter fürchten Entlassungen, Gehaltskürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen. Die GEW warnt vor einem Qualitätsverlust.

Der Unmut der Hamburger Kita-Beschäftigten entlud sich Anfang September in Betriebsversammlungen und der größten Kita-Demo, die Hamburg seit 20 Jahren erlebte: 8000 Mitarbeiter, Eltern und Kinder zogen vor das Rathaus. Der Grund: Im »Kita-Kompromiss« zwischen der regierenden CDU und der oppositionellen SPD konnte im April 2004 zwar eine Ausweitung der Betreuungsansprüche für Kinder von Berufstätigen sowie für Drei- bis Sechsjährige erreicht werden. Unklar blieb aber, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen. Während SPD und die Träger von Umschichtungen im Haushalt ausgingen, will Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) den Etat kürzen.

Erreicht werden soll das Sparziel vor allem durch Kürzungen beim Personal. 49 Millionen Euro sollen durch Stellenstreichungen und abgesenkte Löhne eingefahren werden. Bei der städtischen »Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten« – hier sind rund die Hälfte der Kita-Plätze konzentriert – fürchtet der Betriebsrat den Verlust jeder vierten Stelle. Verhandlungen zwischen den Trägern und der Sozialbehörde blieben bislang ohne Ergebnis. »In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder, können wir den Forderungen nicht entsprechen«, erklärte Michael Edele von der »Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände«, der Verhandlungsführer der Kitas. Für den Fall, dass die Gespräche scheitern, will die Senatorin gerüstet sein. Am 27. Oktober steht das »Einführungsgesetz zum neuen Kinderbetreuungsgesetz« in der Bürgerschaft auf der Tagesordnung. Per Verordnung sollen Kostensätze einfach diktiert werden.

Vor der Bürgerschaftssitzung findet am 22. Oktober im Rathaus eine öffentliche Expertenanhörung statt. Ronni Prieß vom Kita-Bündnis, in dem sich Vertreter nahezu aller Einrichtungen zusammenschlossen, will den Druck auf die Abgeordneten erhöhen. Selbst als Experte der SPD berufen, will er verdeutlichen, dass das Gesetz rechtswidrig ist und stützt sich dabei auf Rechtsgutachten.

Für den 26. Oktober plant das Bündnis eine Großdemonstration, der sich viele Hamburger anschließen wollen. Prieß will die CDU zur Rücknahme des Gesetzes zwingen. Schließlich war die Kita-Problematik eines der Themen, die Ende des letzten Jahres zum Bruch des alten CDU-Schill-FDP-Senats führten.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=61748&IDC=2&DB=Archiv



Hamburger Sozialpädagogen, Eltern und Lehrer protestieren für Erhalt der »integrativen Regelklassen«

Die Welle des Protests gegen den Abbau sozialer Leistungen durch den Hamburger Senat reißt nicht ab. Für den heutigen Mittwoch ist eine Demonstration von Lehrern, Sozialpädagogen und Eltern zum Rathaus der Hansestadt geplant. Hintergrund: die von der allein regierenden CDU geplante Neukonzeption der sonderpädagogischen Förderung. Kernstück der »Reform« ist der Wegfall der »integrativen Regelklassen«, wie sie derzeit in 36 der 235 Hamburger Grundschulen bestehen. Statt dieser Regelklassen will die CDU schulferne »Diagnose- und Förderzentren« einrichten. Diese kosten, so das christdemokratische Kalkül, erheblich weniger.

Damit werde aber ein Konzept verfolgt, »welches im wissenschaftlichen Diskurs seit 1973 als problematisch eingestuft wurde«, kritisiert Professor Karl Dieter Schuck von der Uni Hamburg in einer Erklärung. Es stehe fest, daß die Förderung von lernschwachen und lernbehinderten Kindern am effektivsten »unterrichtsintegriert« und somit in den allgemeinen Schulen zu realisieren sei. Zu frühe Selektion und zu geringe individuelle Förderung benachteilige gerade diese Kinder, argumentiert der Sozialwissenschaftler.

Mit dem Hamburger Modell der »integrativen Regelklasse« sollen die zusätzlichen Ressourcen der integrativen Pädagogik vor allem in das normale System der Grundschulen eingebracht werden. Es reiche nicht aus, so der »Verband Integration an Hamburger Schulen«, wenn »eine schulfremde Lehrkraft hin und wieder einmal in die Klasse kommt«. Die Beseitigung dieser Regelklassen werde zu erneuter Aussonderung lernbehinderter und lernschwacher Kinder in Sonderschulen führen, befürchten die Kritiker.

Neben der heutigen sind in der Hansestadt weitere Demonstrationen gegen die »Sparpolitik« des Senats angekündigt: Blinde wehren sich gegen Streichungen beim Blindengeld. Beschäftigte in Volkshochschulen, Frauenhäusern, Bücherhallen, bei der Filmförderung, in Drogeneinrichtungen, Schwimmbädern und von Weiterbildungsträgern bereiten Proteste gegen Mittelkürzungen in ihren Bereichen vor. Angehörige des öffentlichen Dienstes wollen gegen die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes protestieren. Die Gewerkschaft ver.di und das Sozialforum Hamburger Süden schlagen vor, die Proteste Anfang November zu einer gemeinsamen Aktionswoche zusammenzuführen.

* Demonstration von GEW, Elternverein und anderen Initiativen: heute, 16 Uhr, Treffpnkt: Hauptbahnhof Hamburg

http://www.jungewelt.de/2004/09-22/022.php



CDU legt 150-Millionen-Euro-»Sparprogramm« mit langer Liste sozialer Grausamkeiten vor

Hamburg steht dieser Tage im Zeichen der Haushaltspolitik. Am Mittwoch begannen dreitägige Haushaltsberatungen in der Bürgerschaft. Hierzu legte Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) ein 150-Millionen-Euro-»Sparprogramm« vor, mit dem der Haushalt ab 2005 entlastet werden soll. Ausgerechnet der GAL mit ihrem Haushaltsexperten Willfried Maier ist das nicht genug. Maier wirft dem Senat »unsolide Haushaltspolitik« vor. Schon für das letzte Jahr, so Maier, habe der Senat 32 Millionen mehr ausgegeben als geplant.

Die Liste der Grausamkeiten ist lang. Besonders trifft es erneut die Einrichtungen der Beschäftigungsförderung. Hier will der Senat 28 Millionen Euro kürzen. Eine dieser Einrichtungen ist die »Stiftung für berufliche Bildung«. Ihre Zuschüsse werden vollständig gestrichen. Hinzu kommen Streichungen bei den Lehr- und Lernmitteln, Kürzungen beim Schülerfahrgeld und im Ausbildungsverkehr, beim Blindengeld, der Filmförderung, beim Schulschwimmen, der Seniorenbildung sowie bei Projekten der Frauenförderung. Mit deftigen Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV, der Erhöhung des Wasserpreises und zahlreichen neuen Gebühren – so für den Rettungsdienst – soll den Bürgern tief in die Tasche gegriffen werden. 34 Millionen Euro will der Senat so zusätzlich einfahren. Nichts bleibt unberührt: Die »Sportstadt Hamburg«, die sich anschickt, eine erneute Olympiabewerbung zu verfassen, will den kleinen Sportvereinen 3,5 Millionen für die Nutzung staatlicher Sportstätten abtrotzen. Öffentliche Einrichtungen, so die Bücherhallen, sollen durch »Effizienzsteigerungen« 14 Millionen Euro erwirtschaften. Und das erste Hamburger Frauenhaus, vor über 20 Jahren entstanden, wird zum Jahresbeginn 2005 schließen.

Neben diesen Maßnahmen finden kräftige »Umschichtungen« statt. In der Bildungsbehörde betrifft dies 1 019 Lehrerstellen (Gesamtvolumen: 13 800). Die Schülerzahlen – so eine Prognose – werden bis 2008 um 6 000 auf dann 230 000 steigen. Allein hierfür berechnet die Behörde einen Mehrbedarf von 431 Stellen. Mit dem Ausbau der Ganztagsschulen müßten weitere zusätzliche Stellen entstehen. Da aber auch die Schulbehörde noch 81 Stellen »einsparen« muß, werden die Klassengrößen nun erhöht und insbesondere Mittel und Personal im Bereich der Sprachförderung gestrichen.

DGB-Chef Erhard Pumm bewertete die Streichung bei der »Stiftung für berufliche Bildung« als Fortführung des Kahlschlages in der Weiterbildungslandschaft. Diese Stiftung bietet seit 1982 Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, Umschulung und Fortbildung für Erwerbslose an. Schon im letzten Jahr mußten allein bei den Weiterbildungsträgern 300 Mitarbeiter entlassen werden. Mit der Kürzung städtischer Zuschüsse im Bereich der Beschäftigungsförderung werden zudem Mittelstreichungen durch die Bundesanstalt für Arbeit und den Europäischen Sozialfonds provoziert. Allein für die Stiftung sind das acht Millionen Euro an Komplementärfinanzierung.

Nicht angetastet werden hingegen die Haushaltstitel im Bereich Wirtschaft und Verkehr. Ein Leckerbissen der besonderen Art: 30 Millionen Euro will die Stadt für ein neues Marinemuseum ausgeben. Mit allem, was dazugehört und inklusive einer Anlegestelle für Kriegsschiffe.

http://www.jungewelt.de/2004/06-17/014.php