Streit in Hamburg: Dürfen Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere zur Schule gehen?

In Hamburg planen Schulleiter, die Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere an ihren Schulen unterrichtet haben, ohne sie der Ausländerbehörde zu melden, ein heimliches Gipfeltreffen, um sich über ihr gemeinsames Vorgehen gegenüber der Schulbehörde zu verständigen. Dies meldete am Mittwoch das Hamburger Abendblatt. Die Direktoren befürchten, daß die Kinder wegen des geplanten neuen zentralen Schülerregisters (ZSR), auf das auch die Ausländerbehörde Zugriff hätte, von dieser ermittelt und somit – samt ihrer Eltern – abgeschoben werden könnten.

Daß in Hamburg überhaupt Kinder von Eltern ohne gültigen Aufenthaltsstatus heimlich unterrichtet werden, war erst Ende letzter Woche bekanntgeworden, nachdem sich ein Schulleiter an Journalisten wandte. Demnach hätten etliche Schulen seit mindestens 15 Jahren solche Kinder unterrichtet, obwohl sie diese nach gültigem Recht hätten melden müssen. Doch die Pädagogen wollten durch ihr couragiertes Verhalten auch solchen Kindern den Zugang zu Bildung und sozialer Integration ermöglichen, den ihnen das Ausländerrecht sonst verwehrt. Aber nach Einführung des ZSR befürchten die Lehrer nun, daß die Eltern betroffener Kinder diese nicht mehr zur Schule schicken, weil sie Angst haben könnten, entdeckt und abgeschoben zu werden.

Kirchen- und Flüchtlingsorganisationen, aber auch Vertreter der Elternkammer appellierten daraufhin an den Senat, auf das neue Melderegister zu verzichten. Dieser Vorstoß trifft aber auf den erbitterten Widerstand der Abschiebungsverfechter in Bürgerschaft und Senat. Die fordern vielmehr, daß sich die Schulleiter nun disziplinarrechtlich verantworten müssen. Den Aufruf kirchlicher Hilfsorganisationen, betroffene Kinder auch weiterhin zu unterrichten und sie einfach nicht in das neue Melderegister einzutragen, bewerten sie als eine »Aufforderung zum Rechtsbruch«. Doch inzwischen hat das Verhalten der Schulleiter dazu geführt, daß auch Kommunalpolitiker aller Parteien eine Überprüfung der bisherigen Abschiebepraxis fordern, denn in einigen Schulen, die sich in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil befinden, sind offenbar noch viel mehr Kinder betroffen, als zunächst angenommen. Während der SPD-Migrationspolitiker Aydan Özoguz für sie eine weitere Schulausbildung forderte, verglich der frühere Hamburger Innensenator Roger Kusch, der eine neue rechtspopulistische Partei gegründet hat, um Schill zu beerben, deren Eltern, aber auch die Pädagogen mit Kriminellen. Illegale Ausländerkinder hätten in Hamburg nichts zu suchen und müßten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch.

http://www.jungewelt.de/2006/10-05/005.php



Europäischer Aktionstag

Europaweit bereiten sich Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen in diesen Tagen auf einen europäischen Ak­tionstag gegen die restriktive Flüchtlings- und Asylpolitik der Europäischen Union und ihrer Regierungen vor. Für den kommenden Samstag sind in 18 europäischen und afrikanischen Ländern zeitgleich Demonstrationen und Aktionen geplant.

Die Initiative geht auf ein Treffen des Europäischen So­zialforums im Mai 2006 in Athen zurück, an dem seinerzeit fast 15 000 Menschen teilnahmen. In Köln, Berlin, Freiburg, Frankfurt am Main, Jena, Augsburg, Hamburg und Nürnberg finden am Samstag Demonstrationen statt. Die Aktion in Hamburg wird auch von Gruppen aus Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. Gerade in der Hansestadt betreibt der CDU-Senat nun schon seit Jahren eine besonders rigide Abschiebepolitik.

Gleichzeitig werden am Samstag auch Tausende Demonstranten in London, Paris, Warschau, Amsterdam, Wien und Madrid auf die Straße gehen. Weitere Aktionen finden in Mauretanien, Italien, Tunesien, Togo, Griechenland und Benin statt. Darauf haben sich über 100 Organisationen und Bündnisse aus Europa und Afrika verständigt, die sich in einem gemeinsamen Aufruf zu diesem dritten europäischen Migrations-Aktionstag (ihm gingen schon 2004 und 2005 gemeinsame Aktionen voraus), für die »bedingungslose europäische Legalisierung« aller hier lebenden, aber auch zureisenden Menschen einsetzen. Zugleich soll mit diesem Aktionstag auch an die Ereignisse vor einem Jahr erinnert werden, als Hunderte Flüchtlinge die Grenzzäune zu den in Marokko gelegenen spanischen Enklaven Ceuta und Melilla buchstäblich überrannten und das spanische Militär nur noch mit Todesschüssen, Masseninternierungen und dem Aussetzen von Menschen in entfernten Wüstenregionen die Lage unter Kontrolle bringen konnte. Doch dabei sei auch deutlich geworden, daß sich das Recht der Menschen auf Bewegungsfreiheit dauerhaft nicht unterdrücken lasse, heißt es im Aufruf. Orientiert wird deshalb auf einen Prozeß der »fortlaufenden Unterminierung dieses Migrationsregimes« durch zunehmend politische und soziale Aktionen für die Gleichberechtigung aller Menschen.

Nähere Informationen unter www.noborder.org

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/10-05/003.php

Dieser Beitrag ist Teil einer Schwerpunktseite der Jungen Welt zur Situation von Flüchtlingen in Deutschland gewesen. Lesen Sie hier zwei weitere Beiträge dieser Seite:

Wurst im Plastikbeutel, von Maja Schuster

»Blutiger Stift« für Schünemann, von Raimar Paul

und hier Schwerpunkt_jW_05_10_06 können Sie sich die Seite als PDF-Datei herunterladen



Sparbeschlüsse des Verwaltungsrates zu Lasten der Beschäftigten

Der Verwaltungsrat des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS wollte gestern über das Sanierungsprogramm »Power 08« für die Flugzeugtochter Airbus entscheiden. Heute soll das Management informiert werden.

Mit einem rigorosen Sparprogramm will der Airbus-Mutterkonzern EADS den weltweit größten Hersteller von Passagierflugzeugen aus der Krise führen. Der Sanierungsplan, der seit Freitag im Verwaltungsrat diskutiert wird, soll nach Informationen der französischen Wirtschaftszeitung »Les Echos« auch Produktionsverlagerungen und -ausgliederungen für die 17 europäischen Airbuswerke mit ihren 57 000 Mitarbeitern vorsehen. So soll das Hamburger Werk, wo rund 12 000 Beschäftigte arbeiten, sein neues A380-Auslieferungszentrum im Tausch gegen Produktionsanteile am A320 schon wieder verlieren. Damit wäre auch die Landebahnverlängerung, die die Hansestadt nach jahrelangem Rechtsstreit mit Anrainern gerade erst durchgesetzt hat, überflüssig. Die A380-Produktion würde vollständig auf Toulouse konzentriert, wo die Konzernspitze heute Nachmittag 400 Top-Manager über Details des Sparprogramms informieren will.

Es regen sich bereits Proteste. In Toulouse fürchten Belegschaftsvertreter und die Gewerkschaft CGT einen Arbeitsplatzverlust für 1400 Mitarbeiter, weil hier die A320-Familie bisher 90 Prozent aller Bestellungen ausmachte. Widerstand gibt es aber auch in Hamburg, wo derzeit A380-Rumpfsegmente gebaut sowie der Innenausbau und die Endlackierungen für das mit bis zu 853 Sitzplätzen weltweit größte Passagierflugzeug erfolgen. Die Hansestadt hat für das Auslieferungszentrum zudem fast 800 Millionen Euro, vor allem für Flächenerweiterungen, investiert. Der frühere grüne Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch, der jetzt in der Wahlalternative WASG aktiv ist, spricht davon, dass sich die Hamburger Wirtschaftspolitiker haben abzocken lassen.

Auf die Einhaltung von Verträgen pocht Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal. Der CDU-Politiker forderte Anfang der Woche, dass der Bund direkt bei EADS einsteigt, um so deutsche Interessen besser zu sichern.

Selbst wenn es Uldall noch gelingt, einen GAU abzuwenden, dürften in Hamburg hunderte Arbeitsplätze zur Disposition stehen. Stellen sind zudem an den Produktionsstandorten Stade, Buxtehude und Nordenham gefährdet, die auf einer Streichliste der EADS-Manager stehen sollen. Bis zu 30 Prozent der Airbus-Produktionskapazitäten sollen an Fremdfirmen, mittelfristig auch in Niedriglohnländer wie Russland und China, ausgegliedert werden. So sollen die eigenen Kosten um jährlich etwa 2 Milliarden Euro sinken.

Doch diese Summe muss Airbus allein für Vertragsstrafen kalkulieren, die sich aus den Auslieferungsverzögerungen beim A380 ergeben. Softwareprobleme hatten nach Angaben von Airbus-Chef Christian Streiff dazu geführt, dass Produktionskomponenten nicht zusammenpassten. Verzögerungen gab es aber auch beim Langstreckenflugzeug A350 und beim Militärtransporter A400 M, weshalb CGT-Gewerkschafter vor Einsparungen von bis zu zehn Milliarden Euro bis 2011 warnen.

Analysten argumentieren, Airbus müsse billiger und effektiver werden, da sonst Fluggesellschaften wie Virgin Atlantic oder Air France zum Konkurrenten Boeing wechseln könnten. Dies zu prüfen, hat am Dienstag die Fluggesellschaft Emirates, die mit 43 Bestellungen für den A380 größter Kunde des Super-Airbus ist, schon angekündigt. Dies war eine Reaktion auf die Ankündigung weiterer Verzögerungen um zehn Monate bei der Auslieferung des A380. Das erste Exemplar wäre im August 2008 verfügbar.

Arbeitsplätze sind außer an den Produktionsstandorten auch in der Zuliefererindustrie in Gefahr. Die kleineren Firmen haben Entwicklungskosten häufig vorfinanziert, während Airbus erst nach Auslieferung der Flugzeuge zahlt. Branchenkenner spekulieren, dass Airbus europaweit die Anzahl seiner Zulieferer von gegenwärtig 10 000 auf rund 7000 senken will.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=97972&IDC=3



Managementfehler beim europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern könnten Tausende den Job kosten

Am heutigen Mittwoch nachmittag wird der Verwaltungsrat des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS dem Gesamtbetriebsrat in Toulouse Einzelheiten seines Sanierungsprogramms zur Airbus-Krise vorlegen. Denn obwohl die Spitzenmanager schon seit Freitag hinter verschlossenen Türen in Amsterdam beraten, konnte das international besetzte Betriebsratsgremium wegen des »Tags der Deutschen Einheit« selbst bisher nicht zusammentreten. Es wird eine brisante Sitzung, denn geplant sind Einsparungen in Milliardenhöhe, wie die französische Zeitung Les Echos erst am Montag berichtete. Demnach sollen alle europäischen Airbus-Werke von Produktionsverlagerungen und massivem Personalabbau betroffen sein. Alarmstimmung herrscht nun auch in Hamburg, wo rund die Hälfte der etwa 22000 deutschen Airbus-Mitarbeiter arbeiten. Durchgedrungen war zuvor, daß die Konzernmanager den Großraumjet A 380 am liebsten nur noch in Toulouse bauen und ausliefern lassen möchten, um so die Produktionsabläufe zu straffen. Das aber wäre auch das Ende für das neue A-380-Auslieferungszentrum in Hamburg, für das die Hansestadt zuletzt eine umstrittene Landebahnverlängerung gegen den Widerstand betroffener Anrainer auch mit Enteignungen durchsetzte.

GAU für Hamburg?

Kein A-380-Auslieferungszentrum in Hamburg? Wirtschaftspolitisch wäre das eine Katastrophe, denn um Flächen für den Werksausbau und die verlängerte Landebahn zur Verfügung zu stellen, hat die Stadt inzwischen fast eine Milliarde Euro ausgegeben. Für WASG-Vertreter Norbert Hackbusch, der den Airbus-Werksausbau schon als früherer Bürgerschaftsabgeordneter der Gruppe »Regenbogen« heftig kritisiert hatte, haben die Wirtschaftspolitiker von SPD und CDU damit nicht nur viel Geld, sondern auch das »Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch und ein halbes Dorf im Poker um die Landebahnverlängerung verzockt«. Demgegenüber pocht Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) auf »vertragliche Vereinbarungen«. Doch sicher ist sich Uldall damit offenbar nicht. Auch er befürwortet nun eine direkte Beteiligung des Bundes an EADS, um so einen besseren Interessenausgleich zwischen deutschen und französischen Standorten zu sichern. Doch selbst wenn der »Super-GAU« so für die Hansestadt doch noch abzuwenden ist, kann ein massiver Personalabbau offenbar nicht mehr verhindert werden. Bis zu 15 Prozent der Airbus-Produktionskapazitäten sollen an Billiglohnländer wie Rußland und China vergeben werden, wofür der Einstieg von russischem Kapital bei EADS und die Vorbereitung einer A-320-Fertigungsstraße in China gerade recht kommen. Weitere 30 Prozent der Airbus-Kapazitäten sollen an europäische Fremdfirmen ausgegliedert werden, weshalb Les Echos nun auch berichtete, daß mindestens sieben europäische Airbus-Standorte, darunter die in Stade, Buxtehude und Nordenham, direkt zum Verkauf anstünden. So sollen die Produktionskosten um jährlich etwa zwei Milliarden Euro gedrückt werden.

Vertragsstrafen drohen

Doch diese Summe entspricht lediglich dem, was Airbus an Vertragsstrafen für die Auslieferungsverzögerungen beim A 380 wird zahlen müssen. Softwareprobleme hatten dazu geführt, daß die in Hamburg produzierten Spezialkabel schlicht zu kurz waren. So werden nach Angaben des neuen Airbus-Chefs Christian Streiff auch 2007 nur vier Maschinen ausgeliefert werden können. Produktionsverzögerungen gab es aber auch beim Langstreckenflugzeug A 350 und dem Militärtransporter A400 M, wodurch weitere Kosten in Milliardenhöhe entstehen werden. Wegen dieser Managementfehler muß Airbus nun billiger und schneller werden, weshalb die französische Gewerkschaft CGT inzwischen erwartet, daß bis 2011 jedes Jahr mindestens eine Milliarde Euro »eingespart« wird, um doch noch den Profitinteressen der Eigner gerecht zu werden. Andere Beschäftigtenvertreter sprechen gar von zehn Milliarden Euro, weil Fluggesellschaften wie Air Emirates, Virgin Atlantic oder die Air France andernfalls zur US-amerikanischen Boeing-Konkurrenz wechseln könnten, die nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Produktivität für Großraumflugzeuge Airbus inzwischen längst eingeholt hat.

Doch nicht nur die Arbeitsplätze eines Teils der rund 57000 europäischen Airbus-Beschäftigten sind gefährdet – allein in Toulouse sollen 1400 Zeitarbeitsverträge nicht verlängert werden. Auch in der Luftfahrtzulieferindustrie, die häufig Risikopartnerschaften eingegangen ist und einen Teil ihrer Entwicklungskosten für die Fertigung von Airbus-Komponenten vorfinanziert hat, stehen Jobs auf dem Spiel. Allein in Hamburg könnten dadurch Hunderte weitere Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Europaweit will EADS die Anzahl seiner Zulieferer von derzeit 10000 auf rund 7000 senken.

http://www.jungewelt.de/2006/10-04/043.php

http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/alarmstimmung-bei-eads/



Hamburger Sozialgericht entschied, daß Widerspruch gegen ALG-II-Kürzung aufschiebende Wirkung haben kann

Das Hamburger Sozialgericht hat Willkürentscheidungen von Jobcentern erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Die 52. Kammer entschied vergangene Woche, daß der per Eilantrag eingelegte Widerspruch gegen Kürzungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) aufschiebende Wirkung hat. Dem Kläger wurde zusätzlich Prozeßkostenhilfe bewilligt. (AZ S 56 AS 1765/06 ER)

Seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze sind Erwerbslose zum Abschluß von sogenannten Eingliederungsvereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) verpflichtet. Darin werden sie entweder zu Ein-Euro-Jobs oder zur Teilnahme an anderen Maßnahmen zwangsverpflichtet, oder es werden »Eigenbemühungen« und Verpflichtungen zur Jobsuche festgelegt. Kommt eine solche »Vereinbarung« nicht zustande, kann die Behörde einseitig Bedingungen diktieren. Erwerbslose sind dabei häufig der Willkür ihrer Fallmanager ausgesetzt, die saftige Kürzungen des ALG II verhängen können, wenn die »Vereinbarung« nicht eingehalten wird oder werden kann. Widerspruch dagegen wurde nicht anerkannt. Diese Praxis ist laut Gerichtsbeschluß aber rechtswidrig, wie Oswald Wilken, Vorsitzender des Ortsverbandes Kirchdorf/Wilhelmsburg des Sozialverbandes Deutschland, junge Welt am Samstag erläuterte.

Das Urteil betrifft einen Klienten Wilkens, der Opfer eines solchen Verwaltungsaktes wurde, weil er die Zustimmung zu einer ihm vorgelegten »Eingliederungsvereinbarung« verweigert hatte. Der Mann erhob dagegen Widerspruch, doch die BA bestand auf ihren Zwangsmaßnahmen. Falls er nicht nachgebe, hieß es, werde das ALG II um 30 Prozent gekürzt.

Das Gericht berief sich auf einschlägige Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Demnach entfalle zwar die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs, wenn es um Leistungskürzungen gehe. Das gelte aber nicht bei »Eingliederungsvereinbarungen«, bei denen der Widerspruch eines Betroffenen bis zur Klärung vor Gericht deren Inkrafttreten verhindere. Leistungskürzungen, die sich auf angebliche oder tatsächliche Pflichtverletzungen beziehen, könnten in einem solchen Fall nicht umgesetzt werden.

http://www.jungewelt.de/2006/09-18/049.php

http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/richter-stoppen-jobcenter-willkuer/



Hamburger Sparkasse diskriminierte klamme Kunden

In Hamburg erhalten arme oder überschuldete Kunden der Hamburger Sparkasse (HASPA) besondere Kontonummern, an denen Fachleute ihre Armut sofort erkennen können. Auf diesen Datenschutzskandal hat am Freitag das in der Hansestadt ansässige Onlineportal 0815-info.de aufmerksam gemacht. Die Kennzeichnung erfolge durch die ersten vier Ziffern einer Kontonummer, sagte Portalmitarbeiter Tilo Schönberg gegenüber junge Welt. Diese Ziffern werden sonst zur Kennzeichnung der jeweiligen Bankfiliale genutzt. Doch Bankkunden, denen ein Dispositionskredit verwehrt wurde, die arm oder überschuldet sind, erhalten schon seit 1996 den Sondercode 1199, und das, ohne über dessen Bedeutung informiert zu werden.

Aufgeflogen ist dieser Skandal, nachdem sich ein Erwerbsloser mehrfach erfolglos als Existenzgründer versucht hatte. Jedes Mal hatten sich potentielle Geschäftspartner zurückgezogen, wenn er ihnen seine Visitenkarte samt Kontonummer auf den Tisch legte. Mit Nachdruck befragte er daraufhin seinen zuständigen Bankfilialleiter, der ihm gegenüber schließlich diese besondere Bewandtnis des 1199-Codes einräumte.

Auch die Hamburger Datenschutzbehörde und die Pressestelle der HASPA haben diese Praxis inzwischen bestätigt. Es gebe den Code, um eine »wirtschaftlich vertretbare Bearbeitung« dieser Konten zu gewährleisten, sagte HASPA-Pressesprecherin Stefanie von Carlsburg gegenüber junge Welt. Doch diese Bedeutung sei in der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt gewesen, betonte Carlsburg, weshalb sie von einer Diskriminierung nicht sprechen wollte. Aus der Datenschutzbehörde hieß es, daß »die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, wegen eines 1199er Kontos nicht benachteiligt zu werden, zumindest in der Vergangenheit nicht höher zu bewerten waren als die berechtigten Interessen der Hamburger Sparkasse an einer nach wirtschaftlichen Erwägungen vergebenen Kontonummer«. Carlsburg führte dazu aus, daß mit dem Code eine bessere Überwachung betroffener Guthabenkonten möglich wurde.

Plausibel ist das allerdings nicht, denn Kreditinstitute können jederzeit Zusatzinformationen zur Liquidität eines Kunden über die SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) erhalten. Überweisungen oder Geldabhebungen, die ein Konto sprengen würden, werden automatisch gestoppt. Ein zusätzlicher ­Code hat also nur Sinn, wenn auch nichtberechtigte Personen Informationen über die Bonität eines Kunden erhalten sollen. Die Pressestelle der Berliner Sparkassen bestätigte denn auch, daß ihre Kunden nur Kontonummern nach fortlaufender Numerierung erhalten »um niemanden zu diskriminieren«. Demgegenüber sollen bei HASPA, dem größten Geldinstitut für Privatkunden in Hamburg, selbst Altkunden genötigt worden sein, nachträglich ein codiertes 1199er-Konto anzunehmen, wenn sie erwerbslos und anschließend Hartz-IV-Empfänger wurden. Sparkassen seien dazu verpflichtet, für jedermann und ohne Diskriminierung ein Konto einzurichten, betonte gegenüber junge Welt der bei ver.di zuständige Fachbereichsleiter Berthold Bose.

Doch nun ist Besserung in Sicht. In einer Krisensitzung wurde zwischen Datenschutzbehörde und HASPA am Freitag vereinbart, das Sondercode-Verfahren zu überprüfen. Datenschutzmitarbeiterin Elisabeth Duhr betonte gegenüber jW, daß ihre Behörde die HASPA zur Beendigung dieser Sondercode-Praxis aufgefordert habe. Wie die HASPA bis zu 9000 betroffenen Kunden dann allerdings Veränderungen bei ihren Kontonummern erklären will, die von diesem Code bisher nichts wußten, blieb dabei unklar.

Info: www.0815-info.de

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/09-16/027.php



Hamburgs Wirtschaft und Politprominenz buhlten bei Visite von Ministerpräsident Wen Jiabao um Gunst der Mächtigen im Reich der Mitte. Festwochen eröffnet

Mit einem Gespräch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel endete am Donnerstag eine Stippvisite des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao in der BRD, der zuvor am China-Gipfel der EU in Helsinki teilgenommen und dann den britischen Premier Anthony Blair in London besucht hatte. Wie es hieß, ging es bei dem Gespräch im Kanzleramt vor allem um Probleme wie den amerikanisch-iranischen Atomkonflikt, aber auch um den weiteren Ausbau der deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen, die nach chinesischen Angaben im ersten Halbjahr 2006 einen Rekordwert von fast 42 Milliarden Euro erreichten. Strittige Fragen wie die in China verbreitete Produktpiraterie könnten nur in gleichberechtigten Konsultationen gelöst werden, betonte Wen dabei gegenüber der Kanzlerin.

Doch im Mittelpunkt des Besuchs stand nicht Berlin, sondern Hamburg, wo Wen schon am Abend zuvor am Eröffnungsdinner für die Wirtschaftskonferenz »China trifft Europa« teilgenommen hatte. Schließlich werden in der Hansestadt jedes Jahr fast 2,2 Millionen Standardcontainer mit chinesischen Absende- oder Empfängeradressen umgeschlagen und mit rund 400 Filialen haben in Hamburg mehr chinesische Firmen einen Sitz als in jeder anderen europäischen Stadt. Das bringt allein im Containerverkehr Zuwachsraten von jährlich fast 30 Prozent. Gleichzeitig sind 700 Hamburger Unternehmen in China tätig.

Da sich auch Xu Kuangdi, Präsident des chinesischen Industrieverbandes, vor der Konferenz für die Ausweitung dieser Wirtschaftsbeziehungen ausgesprochen hatte, wurde Wen besonders herzlich begrüßt. Nicht nur Bürgermeister Ole von Beust (CDU), sondern auch Altbundeskanzler Helmut Schmidt, Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Handelskammerpräses Karl-Joachim Dreyer waren als Festredner angetreten. Der Konferenz folgen anläßlich des 20. Geburstages einer Städtepartnerschaft mit Shanghai nun auch noch drei Festwochen, mit denen Hamburg seine China-Kompetenz in nahezu allen Bereichen unter Beweis stellen will. Ein Spektakel, das am Mittwoch abend mit einer »Nacht der Harmonie« begann. Werner Marnette, Chef der Norddeutschen Affinerie, der nach eigenen Angaben ins chinesische Kupfergeschäft einsteigen möchte, hatte dafür extra einen 5,50 Meter hohen und sieben Meter langen Kupferdrachen anfertigen lassen, der nun auf einem Alsterponton die Stadt bewacht.

http://www.jungewelt.de/2006/09-15/018.php



Chinas Regierungschef bei Wirtschaftskonferenz an der Alster

Chinas Regierungschef Wen Jiabao begann seinen Deutschlandbesuch gestern Abend passend in Hamburg. Denn der größte deutsche Seehafen nimmt eine wesentliche Rolle im europäisch-chinesischen Handel ein. Erst heute wird Wen Jiabao in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammentreffen.

Mit einer hundertköpfigen Delegation aus Wirtschaft und Politik reiste Wen Jiabao gestern Abend in Hamburg an. Die Hansestadt empfing den Ministerpräsidenten der Volksrepublik China feierlich zum Eröffnungsdinner der dreitägigen Wirtschaftskonferenz »China trifft Europa« im Festsaal des Rathauses. Neben Bürgermeister Ole von Beust (CDU) traten auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Handelskammerpräsident Karl-Joachim Dreyer als Festredner auf. Die Veranstaltung ist Teil dreiwöchiger Festwochen – unter dem Motto »China Time 2006« zum 20. Geburtstag der Städtepartnerschaft mit Shanghai.

Wen Jiabao sieht die Stadt als Drehscheibe für den deutsch-chinesischen Handel. Der hat sich bundesweit im ersten Halbjahr 2006 auf einen Warenwert von rund 42 Milliarden Euro gesteigert. Die Chinesen streben eine Ausweitung der Handelsbeziehungen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen an, erhoffen sich aber auch Anstöße für weitere Geschäfte im Logistik-, Petrochemie-, Energie- und Umweltbereich. Über Letzteres wird Ex-UN-Umweltdirektor Klaus Töpfer sprechen. Chinas Bedarf an Ressourcen wird ebenfalls ein Thema sein.

Mit Hamburgs Rolle als »Europas Tor für China« begründet Stadtrat Reinhard Stuth (CDU), der als »Außenminister« des Bürgermeisters gilt, die Veranstaltung. Mit Wachstumsraten von jährlich um zehn Prozent ist China gerade für Hamburger Kaufleute interessant, wo man auf eine lange Tradition in den Beziehungen blickt. Das erste chinesische Handelsschiff legte 1792 an, und als man anderenorts China gerade entdeckte, eröffneten dortige Kaufleute schon 1842 eine Handelsvertretung in Shanghai. Pionierarbeit, die sich bis heute auszahlt. Mehr als 700 Hamburger Unternehmen – darunter Beiersdorf und Airbus, aber auch Mittelständler – sind in der Volksrepublik engagiert. Die bringt es ihrerseits auf rund 400 Firmenfilialen in der Alster-Stadt, laut Senatsangaben mehr als in jeder europäischen Stadt. Das sind meist kleinere Handelsfirmen, aber auch Europazentralen chinesischer Großkonzerne wie Chinatex, Baosteel, Cosco und China Shipping. Sie beschäftigen insgesamt rund 1500 Mitarbeiter. Wichtigste Importgüter sind dabei Kleidung, Elektrogeräte, Maschinen und pharmazeutische Grundstoffe.

Dank des florierenden Handels boomt der Hamburger Hafen. Hier wird mehr als die Hälfte des deutschen Außenhandels mit China abgewickelt. Pro Jahr werden 2,2 Millionen Standardcontainer mit chinesischen Absender- oder Empfängeradressen umgeschlagen. Gerade die Zufuhr chinesischer Billigprodukte bringt hier Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent pro Jahr. Doch was für eine Hansestadt gut ist, bereitet der produzierenden Wirtschaft in ganz Europa wachsende Sorgen. Denn mit den Preisen der fernöstlichen Konkurrenz kann sie nicht mithalten. Und der Ausgleich durch die Erschließung Chinas als neuer Absatzmarkt wird von den Chinesen erschwert.

Doch Hamburg feierte den Jahrestag der Städtepartnerschaft mit Shanghai gestern mit einer »Nacht der Harmonie«, bei der auch Drachentänze um die Alster aufgeführt wurden. Der Norddeutsche-Affinerie-Chef Werner Marnette stiftete dafür einen 5,5 Meter hohen und sieben Meter langen Kupferdrachen, der nun drei Wochen auf einem Alsterponton über der Stadt wacht. Nach eigenen Angaben will Marnette ins chinesische Kupfergeschäft einsteigen. Ungeachtet der Wirtschaftsgespräche wird es bis Anfang Oktober auch rund 270 kulturelle Veranstaltungen geben.

Infos unter www.hamburg.de

Quelle: Nur Printausgabe des ND, 14.09.2006, Seite 10



Hamburger Wirtschaftssenator treibt Elbvertiefung für Hafenausbau voran und ignoriert unkalkulierbare Risiken

In Hamburg hat die städtische Hafenentwicklungsgesellschaft Port Authority am Mittwoch einen Antrag auf Planfeststellung der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe bei den zuständigen Behörden eingereicht. Dies sei ein großer Schritt für die weitere Zukunftsfähigkeit des Hafens, schwärmte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU), der nun den Fluß bis zur Mündung bei Cuxhaven um einen bis 1,50 Meter vertiefen will. Damit könnten auch Containerriesen mit einem Tiefgang von 14,50 Metern den Hafen erreichen, während bis jetzt bei 13,50 Metern Schluß ist.

Doch der Naturschutzbund (NABU) warnt vor erhöhten Sturmflutgefahren, die diese nun fünfte Elbvertiefung bringen würde. Zudem sei eine weitere Verschlackung ökologisch wertvoller Flachwasserbereiche sowie der Yacht- und Überseehäfen zu befürchten. Nun prüfen die Naturschützer, ob sie Widerspruchsverfahren einleiten können.

Das aber könnte für die Wirtschaftsbehörde zu erheblichen Problemen führen. Nach eigenen Angaben erwarten die Reeder von ihr, das geplante Vorhaben bis Ende 2009 abzuschließen. Auch die Zuschüsse des Bundes, der zwei Drittel der Gesamtkosten von rund 330 Millionen Euro tragen will, sind nur auf diesen Zeitraum bezogen. Gleichzeitig bestehen Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf Ausgleichsfonds für Verschlackungsschäden in ihren eigenen Elbehäfen und für die Sicherheit ihrer Deiche. Die Einrichtung dieser Fonds hat Hamburg zwar zugesagt, doch über die genaue Höhe muß noch verhandelt werden.

Von einem »Vabanquespiel« spricht deshalb Christian Maaß, Umweltpolitiker der Hamburger Grünen. Er verweist darauf, daß noch nicht einmal die mit der letzten Elbvertiefung von 1999 zugesagten ökologischen Ausgleichsmaßnahmen vollständig realisiert worden sind.

Unkalkulierbar sind vor allem die Folgekosten für die Deichsicherung, da durch klimatische Veränderungen bereits jetzt mit einem weiteren Anstieg des Spiegels der Nordsee zu rechnen ist. Darüber hinaus erhöht sich mit jeder Fahrrinnenvertiefung der Pegelstand der Elbe bei Sturmfluten.

Abgesehen davon bezweifelt der NABU auch die ökonomische Notwendigkeit einer weiteren Elbvertiefung. Die Wirtschaftsbehörde hatte die geplante Maßnahme nur mit angenommenen, künftigen Entwicklungen bei der Größe der Containerschiffe begründet. Dies ersetze nicht eine dringend notwendige echte Kosten-Nutzen-Analyse, sagte Hamburgs NABU-Vorsitzender Rolf Bonkwald. Er fordert ein gemeinsames Hafenkonzept für Norddeutschland, was auch einen Ausbau von Cuxhaven und Wilhelmshaven einschließe.

http://www.jungewelt.de/2006/09-14/012.php



Nazi-Anwalt Rieger will nach NPD-Beitritt jetzt in der Hansestadt aktiv werden

Nachdem der Nazi-Anwalt Jürgen Rieger kürzlich in Hamburg der NPD beigetreten ist, hat der Verfassungsschutz vor einem Erstarken der Nazi-Partei nun auch in Hamburg gewarnt. Vor allem wegen seines großen Vermögens rage der Jurist aus dem üblichen Personal der Rechtsextremisten deutlich heraus, sagte Amts­chef Heino Vahldieck am Freitag vor Journalisten.

Doch auch Antifaschisten fürchten, daß die Hamburger NPD, die mit mageren 95 Mitgliedern bis vor kurzem eher einem Altherrenverein glich, an Bedeutung gewinnt. 50 neue Mitglieder konnte die 34jährige Landesvorsitzende Anja Zysk seit Riegers Kandidatur für die NPD im vergangenen Bundestagswahlkampf aus dem Umfeld der »freien Kameradschaften« als Neumitglieder gewinnen.

Riegers Ambitionen erstrecken sich jedoch nicht nur auf Hamburg. Seit Wochen macht er z. B. Schlagzeilen damit, daß er in Delmenhorst ein braunes Schulungszentrum eröffnen will. Darüber hinaus beabsichtigt der NPD-Unterbezirk Stade, Rieger sogar als neuen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD vorzuschlagen. Würde Rieger auf dem Parteitag im November kandidieren, müßte er sich gegen den bisherigen Vizechef Ulrich Eigenfeld durchsetzen, der parteiintern als Kritiker des zunehmenden Einflusses von Kameradschaftsaktivisten in der NPD gilt. Viele dieser Faschisten, die noch deutlich rechts von der NPD stehen, sind in den zurückliegenden Monaten der Partei beigetreten. Für sie könnte Rieger Gallions- und Integrationsfigur werden.

Hofiert wird der Nazi-Jurist auch in Sachsen, wo er kürzlich auf einem Parteifest auftrat. In Mecklenburg-Vorpommern, so heißt es, ist Rieger sogar als offizieller Berater einer künftigen Landtagsfraktion im Gespräch. Konfrontiert damit reagierten Vertreter des NPD-Bundesvorstands eher reserviert. Man freue sich über »jeden Neuzugang«, hieß es lediglich.

Zeichnet sich damit ein Machtkampf in der 1964 gegründeten NPD ab? Konflikte gibt es dort zumindest um den sogenannten Deutschlandpakt, den die Parteispitze mit der DVU schloß, um Konkurrenzkandidaturen zu vermeiden. Doch die DVU ist als »kapitalistisch-reaktionäre Partei« vor allem bei Basisaktivisten in der NPD umstritten.

http://www.jungewelt.de/2006/09-11/048.php



Deutscher Standort ist keineswegs gesichert

Bricht Airbus sein Versprechen, ein Auslieferungszentrum für den A 380 in Hamburg zu bauen? Seit der neue Airbus-Chef Christian Streiff dieser Tage einen Einstellungsstopp für alle Airbus-Werke verkündete, grassiert in der Hansestadt dieses Gerücht.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hat bestätigt, dass die Gefahr »einer veränderten Arbeitsteilung zwischen Toulouse und Hamburg« bestehe, der er sich aber energisch widersetzen werde. Also kein Auslieferungszentrum für Hamburg? »Das wäre ein beispielloser Affront«, sagte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, Jens Kerstan. Er schoss sich Donerstagnachmittag schon mal auf den Senat ein. Dieser hätte dem Forderungsdruck der Airbus-Spitze in Toulouse immer wieder und zu schnell nachgegeben, kritisierte Kerstan und nannte die Landebahnverlängerung für das Airbus-Werk. Ultimativ hatte Toulouse diese gefordert, damit auch Frachtversionen des A 380 starten und landen könnten. Schärfer reagieren Naturschützer. Sie fordern einen sofortigen Baustopp.

Dass die Airbus-Spitzen für den Hamburger Standort keineswegs entschieden sind, hätte schon im Juni 2006 klar werden können. Damals gab der frühere EADS-Konzernchef Noël Forgeard auch Hamburg eine Mitschuld, dass Liefertermine nicht eingehalten werden konnten und Großkunden mehrere bestellte A 380 stornierten. Branchenkennern zufolge hatten auch Abstimmungsprobleme zwischen einzelnen Produktionsstandorten die Lieferengpässe verursacht. Streiff verkündete nun ein »A-380-Aufholprogramm«, doch wie die Produktion gestrafft werden soll, wird Ende September in Toulouse entschieden.

Dabei kostet allein die Landebahnverlängerung 60 Millionen Euro. Ihr Ausbau hat erst kürzlich begonnen, weil sich Anrainer jahrelang weigerten, ihre Grundstücke zu verkaufen. Weitere 750 Millionen Euro musste die Stadt zuvor für die Zuschüttung einer großen Elbbuchtung berappen, mit der zugleich ein großes Naturschutzgebiet (das Mühlenberger Loch) weitgehend vernichtet wurde. Grund waren die Pläne, neue Produktionshallen für die Endlackierung und Ausrüstungsmontage des A 380 zu bauen.

So hat Uldall Recht, auf Vereinbarungen mit der Konzernspitze zu pochen. Doch solche haben die Airbus-Manager schon einmal gebrochen, als sie nach der Zuschüttung etwa die Landebahnverlängerung zur Bedingung machten. Auch die ist nun erfüllt. Trotzdem ist in Toulouse nichts entschieden, wie Firmensprecher Arndt Hellmann gegenüber dem »Hamburger Abendblatt« bestätigte. Er gehe zwar davon aus, dass das Auslieferungszentrum komme, doch wo dem Spardruck nachgegeben werden könne, vermochte er nicht zu sagen.

Allein die Stornierungen hätten bei Airbus ein 300-Millionen-Euro-Loch gerissen, berichtete die französische Zeitung »La Tribune«. Kostendruck sei zudem entstanden, weil Boeing seinen Jumbojet 747-8 zu einem wirklichen Konkurrenzmodell zum A 380 ausgebaut hat. Ausführlich berichtete das Blatt auch vom Ausbau des neuen A-380-Auslieferungszentrum in Toulouse, das bald fertig gestellt werden könne. In Hamburg wird hingegen noch bis Juli 2007 allein an der Landebahnverlängerung gebaut.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96806&IDC=3



Hamburgs Arbeitersamariterbund steigt aus dem Zwangsprogramm für Erwerbslose aus

In Hamburg ist ein weiterer Beschäftigungsträger aus dem Geschäft mit den Ein-Euro-Jobs ausgestiegen. Wie am Freitag bekannt wurde, hat sich der Arbeitersamariterbund ( ASB ) schon Ende letzter Woche aus diesem Bereich zurückgezogen. Nach Angaben von Geschäftsführer Knut Fleckenstein hat der ASB immer öfter die Erfahrung gemacht, daß für die Beratung oder die fachliche Qualifizierung der Betroffenen immer weniger Geld zur Verfügung steht. Für den ASB komme es aber nicht in Frage, Erwerbslose nur als billige Arbeitskräfte zu nutzen.

Der ASB hat nach eigenen Angaben fast den gesamten Betrag der »Fallpauschalen«, die er für seine rund 50 Ein-Euro-Jobber erhielt, in deren Fortbildung und Berufsförderung gesteckt. Dadurch sei es gelungen, fast jedem vierten zu einem festen Arbeitsplatz zu verhelfen. Weitere 15 Prozent seien vom ASB übernommen worden. Da jedoch die »Fallpauschalen« immer weiter reduziert würden, bleibe jetzt kaum noch etwas für die Qualifizierung der Erwerbslosen übrig. Andere Träger, wie die berüchtigte »Hamburger Arbeit- und Beschäftigungsgesellschaft« ( HAB ), verdienten viel Geld, indem sie möglichst viele Ein-Euro-Kräfte beschäftigten, aber fast nichts für diese ausgäben. Diesen Weg wolle der Hamburger ASB nicht mitgehen.

Der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm erklärte dazu, diese Jobs seien »schon im Ansatz eine Fehlkonstruktion«. Da aber jetzt auch Betreuungs- und Qualifikationsmöglichkeiten minimiert werden, sollten andere Träger dem ASB-Beispiel folgen. Sie sollten »aufhören, sich an diesem Wahnsinn zu beteiligen«.

Vor dem ASB hatten bereits der Sozialverband und der frühere Beschäftigungsträger ABAKUS eine Teilnahme am Ein-Euro-Job-Programm abgelehnt. Die ABAKUS-Mitarbeiter waren dabei besonders konsequent. Als reine Beschäftigungsgesellschaft, die zuvor im Hamburger Stadtteil Wandsbek Hunderte Mitarbeiter in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigte, entließen sich die Festangestellten lieber selbst in die Erwerbslosigkeit, als etwa an dem Zwangsprogramm für die Ein-Euro-Jobber teilzunehmen. Auch etliche Stadtteileinrichtungen, wie etwa das große Hamburger Kommunikations- und Stadtteilzentrum Honigfabrik, weigern sich, Ein-Euro-Jobber zu beschäftigen.

http://www.jungewelt.de/2006/09-09/005.php



Vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Umfragen sehen NPD bei sechs Prozent

Daß die NPD am 17. September in den Schweriner Landtag einzieht, wird immer wahrscheinlicher. Wahlumfragen sehen die Nazi-Partei stabil bei sechs Prozent. Zudem rechnen Wahlforscher mit einer Beteiligung bei der Landtagswahl von unter 40 Prozent, was ebenfalls die Chancen für die Neonazis erhöht. Doch während diese sich inzwischen so sicher fühlen, daß sie selbst auch auf Wahlkampfveranstaltungen von SPD und Linkspartei offen auftreten, gibt das Jugendbündnis »Keine Stimme den Neonazis« nicht auf, dem sich über 40 Jugendverbände, Musikbands und Clubs aus ganz Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen haben.

Um noch mehr Bürger aus dem Schlaf zu holen, soll jetzt am Samstag eine besonders spektakuläre Aktion stattfinden. Das Bündnis ruft zu einer »Wasserdemo« auf dem Tollensesee bei Neubrandenburg auf.

Daß diese auf dem malerischen Tollensesee stattfinden soll, ist kein Zufall. Dort am See unterhielten die Faschisten im »dritten Reich« ihre Ärzteführerschule, wo »Erbbiologie« und »Rassenhygiene« gelehrt und die Juden zu »Tuberkelbazillen« erklärt wurden. Mediziner aus dem ganzen Reich wurden hier für den Massenmord in den Konzentrationslagern vorbereitet. So wollen sich die Antifaschisten, bevor es auf den See hinausgeht, in Neubrandenburg treffen. Dort hatte die NPD ihre Wahlkampagne im Mai gestartet. Polizeilich geschützt zogen damals 200 Neonazis durch das Vogelviertel, wo die Arbeits- und Perspektivlosigkeit besonders hoch ist.

Das ist eine von vielen Aktionen des Jugendbündnisses, das auch schon in Neustrelitz, Güstrow, Schwerin, Rostock und vielen anderen Orten aktiv wurde. So wie am letzten Samstag in Burg Stargard, wo sich der NPD-Landtagskandidat Jens Blasewitz an einem Volleyballturnier beteiligte. Im Schlepptau hatte der die »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ), die mit Sport- und Freizeitangeboten Kinder und Jugendliche zu gewinnen sucht. Die Antifaschisten verteilten während des Turniers Flugblätter, mit denen sie verdeutlichten, daß die öffentlich geduldete Teilnahme von Neonazis diese nur noch tiefer in die Gesellschaft führt. Bündnis-Sprecher Clemens Zeise sagte dazu, Ziel der Rechten sei es, diese Mitte zu erreichen. Deshalb träten sie brav und bürgerlich auf und biederten sich als »Anwalt des kleinen Mannes« mit Forderungen wie »Arbeit für Deutsche« und »Weg mit Hartz IV« an. Wohl nicht ganz erfolglos – NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs hält sogar »sieben Prozent plus X« bei den Landtagswahlen für möglich.

Pastörs selbst wohnt in Lübtheen (Landkreis Ludwigslust), wo er 50 Hektar Land besitzt. die er mit »deutschen Familien« zu besiedeln gedenkt. Doch was durchgeknallt, vielleicht sogar harmlos klingt, erscheint nun in einem anderen Licht. Der Stern berichtete in seiner am Donnerstag erschienenen Ausgabe, Pastörs habe mehrfach die »Colonia Dignidad« (deutsch: Kolonie der Würde) in Chile besucht. Dort habe er nach eigener Aussage »stolze und frohe Menschen« gesehen, er habe sich auch mehrfach mit Kolonie-Chef Paul Schäfer getroffen.

Die Siedlung »Colonia Dignidad« war von einer aus Deutschland stammenden ultrarechten Sekte gegründet worden. Während der Diktatur von Augusto Pinochet diente sie der Geheimpolizei als Folterzentrum. Schäfer sitzt inzwischen im Knast, weil ihn ein Gericht im Mai für schuldig befunden hat, jahrelang Dutzende Kinder mißbraucht zu haben.

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Das Treffen für die Wasserdemo beginnt um 14 Uhr auf dem Marktplatz in Neubrandenburg. Schon um 11 Uhr demonstrieren Antifas in Stralsund.

Infos: http://www.keine-stimme-den-nazis.info

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/09-08/025.php



In Hamburg rührt sich Widerstand gegen den Ausbau des Hafens

Der Hafenpolitik des Hamburger Senats droht ein Rückschlag. Anwohner und Naturschützer erheben Einwände gegen das Großprojekt.

Wie jetzt bekannt wurde, klagen 31 Bürger gegen den Ausbau des Containerterminals am Burchardkai. Sie wohnen auf der anderen Elbseite und befürchten »unzumutbaren Lärm«. Der im Februar gefasste Planfeststellungsbeschluss, der städtische Investitionen von 60 Millionen Euro vorsieht, berücksichtige nicht, dass die Häuser denkmalgeschützt sind. Ein erster Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht ist für den 20. September anberaumt. Damit droht der gesamte Hafenentwicklungsplan, der ein milliardenschweres Investitionsprogramm vorsieht, zeitlich aus den Fugen zu geraten. Ungemach droht auch von Naturschutzverbänden, die Einwände gegen ein Genehmigungsverfahren zur Fahrrinnenvertiefung der Elbe angekündigt haben. Allein vom Bund kommen dafür Zuschüsse von 245 Millionen Euro.

Der Burchardkai ist die größte Anlage für Containerumschlag im Hamburger Hafen; 40 Prozent aller Stahlboxen werden hier abgefertigt. Jährlich heben 18 Containerbrücken 2,6 Millionen Standardcontainer (TEU) von über 5000 Schiffen über die Kaikante. Wie überall im Hafen soll hier die Umschlagskapazität erhöht werden – auf 5,2 Millionen TEU bis 2015 –, wofür die Kaimauern um 1100 Meter verlängert werden müssen.

Auf der anderen Elbseite liegen die Stadtteile Neumühlen und Övelgönne, wo man das Dröhnen der Schiffsaggregate und den schrillen Schrei der Van-Carrier schon jetzt Tag und Nacht deutlich hört. Der Lärmpegel liege bei 60 Dezibel, berichten Anwohner, die einen weiteren Anstieg befürchten, wenn der Kai verlängert wird. Vertreten durch die Anwaltskanzlei Mohr & Partner, die bereits Airbus-Gegner vertrat, wenden sie ein, dass es keine ausreichende Begründung für den Hafenausbau gebe.

Für die Wirtschaftsbehörde könnte dies ein großes Problem darstellen. Die Gesamtplanung, die auch drei weitere Großterminals, die Hafenbahn und die Autobahnzubringer umfasst, basiert auf erhofften künftigen Entwicklungen. Die Behörde rechnet mit Wachstumspotenzialen von jährlich 9,4 Prozent und verweist auf bisherige Entwicklungen im Warenverkehr und Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Nordrange-Häfen. Verwertbare Fakten stehen indes kaum zur Verfügung.

Ebenfalls nur auf vagen Prognosen fußt die Planung zur Vertiefung der Elbfahrrinne. Die weltweit größten Containerfrachter mit bis zu 9000 TEU an Bord und größerem Tiefgang wären schon bald normale Arbeitspferde, heißt es, doch bislang ist bei 13,50 Meter Schluss. Daher soll die Elbe in Hamburg ab 2007 für 347 Millionen Euro um 1,50 Meter ausgebaggert werden.

Nachweisbar sind hingegen Einwände des Naturschutzbundes (NABU), der auf Verschlackungen und für Fische tödliche Sauerstofflöcher schon nach der letzten Elbvertiefung von 1999 hinweist. Ein weiteres Ausbaggern erhöhe zudem die Sturmflutwasserstände, was die Deichsicherheit bedrohe, weil Forschungserkenntnisse über steigende Meeresspiegel nicht berücksichtigt seien, sagen die Naturschutzverbände.

»Wenn die Deiche brechen, säuft ein Drittel meines Wahlkreises ab«, warnt deshalb auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Magrit Wetzel aus dem Landkreis Stade. Doch solche Kritik aus Politikermunde ist bislang die Ausnahme. Denn am Hafen, so heißt es, hängen in der ganzen Region bis zu 154 000 Arbeitsplätze. Das verschlägt auch der Linken die Sprache, während die frühere Wählervereinigung Regenbogen milliardenschwere Hafeninvestitionen vor Jahren in Frage stellte. Fast eine Milliarde Euro waren damals in eine supermoderne Containeranlage auf Altenwerder geflossen. Doch gerade weil sie so modern ist, gibt es dort ganze 280 Arbeitsplätze.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96510&IDC=3



Gewerkschaften fordern Sofortprogramm für Ausbildung. Länder verschleiern Ausmaß des Lehrstellenmangels und lassen Betroffene in Warteschleifen sitzen

Angesichts der verheerenden Lage auf dem Ausbildungsmarkt – nach den am Freitag von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Zahlen sind auch im neuen Ausbildungsjahr noch immer 215 000 junge Menschen ohne Lehrstelle – haben Gewerkschaftsfunktionäre am Wochenende die Forderungen des DGB nach einem Sofortprogramm für Ausbildung unterstützt. Wie zuvor schon DGB-Vizechefin Ingrid Sehrbrock verlangten nun auch Frank Werneke, stellvertretende Vorsitzender von ver.di, und GEW-Chef Ulrich Thöne 50000 zusätzliche, also außerbetriebliche Ausbildungsplätze, die aus einem Teil des erwarteten Milliardenüberschusses der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden könnten. Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck und sogar der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) unterstützen diese Forderung, deren Umsetzung nach Gewerkschaftsberechnungen 650 Millionen Euro kosten würde.

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nele Hirsch, hält dagegen ein solches Programm für nicht ausreichend. So könne die Lehrstellenkrise nicht gelöst werden, kritisierte Hirsch. Sie verlangte die Aufkündigung des »wirkungslosen Ausbildungspaktes« zwischen Wirtschaft und Regierung durch letztere und die Einführung einer gesetzlichen Umlagefinanzierung für die Ausbildung.

Doch dazu ist die Bundesregierung nicht bereit. Wie die bis 2005 amtierende SPD-Grünen-Regierung setzt sie lediglich auf »freiwillige Selbstverpflichtungen« durch die Wirtschaft. Gebracht hat das bisher nichts, denn auch nach den offiziellen Zahlen aus Nürnberg kommen in diesem Ausbildungsjahr auf rund 703000 Ausbildungsinteressenten nur 402000 betriebliche Ausbildungsplätze. Auch die Delegierten des DGB-Kongresses im März hatten deshalb die Forderung nach einer Ausbildungsumlage bekräftigt, mit der ausbildungswillige Betriebe bezuschußt würden, während die anderen bezahlen müßten. Die Gewerkschaftsoberen halten das aber offenbar für nicht durchsetzbar, weshalb sie nun schon seit Juli an ihrem Vorschlag für ein Sonderprogramm herumbasteln.

Daß ein solches Programm das Problem nicht löst, zeigt auch eine aktuelle Berechnung der Hamburger Gewerkschaftsjugend. Danach ist die Lage noch dramatischer, als die offiziellen Zahlen aus Nürnberg vermuten lassen. Allein in Hamburg wurden von fast 28000 Jugendlichen, die sich bei der Bundesagentur meldeten, für das laufende Ausbildungsjahr nur 7187 als Ausbildungsplatzbewerber anerkannt. Mehrere tausend wurden hingegen als »nicht ausbildungsreif« eingestuft und in sogenannte berufsvorbereitende Maßnahmen oder andere Warteschleifen gesteckt. Von den 7187 offiziell anerkannten Bewerbern waren 71 Prozent sogenannte Altbewerber, die schon in den letzten Jahren keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten. Nur 35 Prozent der Bewerber eines Schuljahres landen also direkt in der dualen Berufsausbildung. Angesichts dessen, daß nur 16 Prozent aller ausbildungsberechtigten Betriebe tatsächlich Jugendliche in die Lehre nehmen, sei das nicht verwunderlich, konstatierte Olaf Schwede von der Gewerkschaftsjugend.

Deshalb hat der Hamburger DGB nun einen eigenen Forderungskatalog vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei die Initiative für ein »Landesgesetz für eine nachfrageorientierte Kammerumlage, die ausbildende Unternehmen unterstützt und dem Ausbildungsengagement der anderen auf die Sprünge hilft«. Maßstab dafür müsse die Zahl der tatsächlich nicht versorgten Jugendlichen sein, sagte der Hamburger DGB-Chef Erhard Pumm.

http://www.jungewelt.de/2006/09-04/030.php



Hamburg. Unter dem Motto »Keine Abschiebungen nach Afghanistan« rufen Flüchtlingsrat und afghanische Gemeinde für Samstag vormittag zu einer Demonstration in Hamburg auf. Sie beginnt um 11 Uhr am Hachmannplatz. Obwohl die kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan zunehmen, würden jede Woche weitere Menschen über den Flughafen in Frankfurt am Main abgeschoben, begründeten Vertreter der größten afghanischen Gemeinde in der BRD ihren Demoaufruf, der auch von Linkspartei.PDS und WASG getragen wird. Einen sofortigen Abschiebestopp für die Betroffenen fordert inzwischen auch SPD-Landeschef Mathias Petersen. Familien, die hier seit langer Zeit leben, müsse ein »humanitäres Bleiberecht« zuerkannt werden.

(jW)

http://www.jungewelt.de/2006/09-02/065.php



Zum Antikriegstag: Kundgebungen und Demonstrationen in 166 Orten

Zum Antikriegstag am heutigen Freitag hat das Bonner Netzwerk Friedenskooperative bundesweit 166 Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt– deutlich mehr als in den letzten Jahren. Größere Aktionen gibt es in Aachen, Berlin, Bremen, Duisburg, Bonn, Eisenach, Fellbach, Freiburg, Hamburg, Herne, Kaiserslautern, Köln, München, Regensburg, Rostock, Schweinfurt, Schwerte. In vielen weiteren Orten sind zudem Mahnwachen, Kranzniederlegungen, Diskussionsveranstaltungen und Friedensfeste geplant. Für Samstag nachmittag rufen etliche Gruppen dann zur Teilnahme an der jährlichen Gedenkveranstaltung »Blumen für Stukenbrock« auf dem Gelände des sowjetischen Soldatenfriedhofs in Stukenbrock (bei Bielefeld) auf. Dort waren in einem Arbeitslager der deutschen Faschisten etwa 65000 Kriegsgefangene getötet worden.

Seit 1957 erinnern Friedensgruppen, aber auch Gewerkschaften beim Antikriegstag (in den neuen Bundesländern heißt er auch »Weltfriedenstag«) an den Überfall der faschistischen deutschen Wehrmacht auf Polen, der am 1.September 1939 den Zweiten Weltkrieg auslöste. Dieser Anlaß wird auch genutzt, um gegen die Aggression Israels gegen die Palästinenser und den Libanon zu protestierten. Der in Kassel ansässige Bundesausschuß Friedensratschlag fordert neue politische Initiativen unter Einbeziehung aller regionalen Konfliktparteien. Zugleich wird von der Bundesregierung verlangt, keine eigenen Truppen oder Kriegsschiffe in den Nahen Osten zu schicken. Deutsche Soldaten hätten weder dort noch anderswo etwas zu suchen. Gewarnt wird zudem vor einer weiteren Eskalation im Atomkonflikt zwischen den USA und dem Iran.

Auch der Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes ( DGB ) verweist auf diese Konflikte und fordert zugleich humanitäre an Stelle militärischer Hilfe durch die EU. Der DGB setzt sich außerdem für den Abzug der Besatzungstruppen aus dem Irak ein. Die Befriedung des Landes könne nur durch die Vereinten Nationen eingeleitet werden, während die Präsenz ausländischer Truppen zur weiteren Gewalteskalation beitrage. Grundsätzlich plädiert der Gewerkschaftsbund für eine präventive Friedenspolitik, die auch die Hauptursachen der Kriege, also die ökonomischen Interessen, stärker berücksichtigt.

Dieses Thema spielt auch in den Aufrufen regionaler Friedensgruppen eine Rolle. In ihnen werden außerdem die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik scharf kritisiert. So die wachsenden Ausgaben für die Rüstung, die zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr; die anhaltende Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren. Nicht selten münden die Aufrufe deshalb in der Forderung, bei den Militärausgaben zu sparen. Frei werdende Mittel könnten so in soziale und Bildungsprogramme gesteckt werden. Eine bundesweite Unterschriftenkampagne des Friedensratschlags dazu hat bereits begonnen.

Info: www.friedenskooperative.de

www.blumen-fuer-stukenbrock.de

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/09-01/016.php



CDU-Senat will auffällige Jugendliche wegsperren, um Strafanstalt besser auszulasten

In Hamburg hat der Senat am Montag nachmittag sein Rettungskonzept für den umstrittenen Kinderknast in der Feuerbergstraße vorgestellt. Um dessen geringe Auslastung zu erhöhen, sollen dort nun auch Schulschwänzer oder Kids untergebracht werden, die im Unterricht besonders auffällig wurden. Es sei Zeit für eine Bankrotterklärung gewesen, betonte hingegen am gestrigen Dienstag Thomas Böwer, der die SPD im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu dem Heim vertritt, das mehrfach wegen schwerer Rechtsbeugungen ins Gerede gekommen war.

Daß das Wegsperrkonzept des CDU-Senats gegenüber minderjährigen Jugendlichen, denen Straftaten zu Last gelegt werden, längst gescheitert ist, hatte auch die Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Christiane Blömecke, betont. In dem Heim sind nicht mal ein Drittel aller Plätze belegt, weil sich auch Familien- und Jugendrichter häufig weigern, Jugendliche dort einzusperren. So stiegen die Kosten für einen einzelnen Heimplatz auf fast 300000 Euro im Jahr. Doch statt das Heim – das 2003 auf Druck des damaligen Innensenators Ronald Barnabas Schill eingerichtet wurde – zu schließen, wird zur Steigerung der Auslastung nun krampfhaft nach neuen Zielgruppen gesucht. Damit das klappt, müssen die Zuweisungskriterien für den Kinderknast erweitert werden. Zuweisungen konnte es bisher nur auf Initiative des »Familieninterventionsteams« und nach ausdrücklicher Zustimmung durch ein Jugend- oder Familiengericht geben. Nun sollen sie durch das Amt für soziale Dienste (ASD) und ohne richterlichen Beschluß möglich sein. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen dafür nur getrennt von den übrigen Insassen untergebracht sein. Zudem soll das Zuweisungsalter von 14 auf 13 Jahre gesenkt werden.

»Wir können nicht erst aktiv werden, wenn die Jugendlichen massiv straffällig sind«, begründete Staatsrat Dietrich Wersich (CDU) diese Maßnahme. Er wies darauf hin, daß »Freiheitsentzug nicht zwingend an Delinquenz« gebunden sei. Auch Jugendliche, die am Hauptbahnhof rumhängen, seien in der Feuerbergstraße gut aufgehoben. Wie die anderen Insassen würden diese von Securitas-Mitarbeitern bewacht, die darüber ins Gerede kamen, daß sie eingesperrte Jugendliche mehrfach mit Psychopharmaka ruhiggestellt hatten. Andere wurden mit Klettbändern an Händen und Füßen gefesselt.

http://www.jungewelt.de/2006/08-30/052.php



Thüringen: Enttarnter Neonazi aus Linkspartei.PDS ausgetreten

Der seit sechs Wochen im Bad Salzunger Stadtvorstand der Linkspartei.PDS sitzende Neonazi Michael Ranft ist am Montag abend bei einer Sitzung des Gremiums einem Parteiausschlußverfahren zuvorgekommen und aus der Partei ausgetreten. Nun will der 19jährige nach eigenem Bekunden eine führende Funktion im Wartburg-Kreis der NPD übernehmen.

Ranft hatte noch am Wochenende auf dem Sommerfest der Bad Salzunger Linkspartei eine Rede zu den »Grundlinien für die Jugendarbeit bis 2009« gehalten. Daß es sich um die Rede eines Nazis handelte, wurde seinen Parteifreunden erst klar, als am Montag ein Bild von Ranft in der Südthüringer Zeitung erschien: Es zeigte Ranft Hand in Hand mit dem bundesweit bekannten Neonazi Jürgen Rieger bei einer Propaganda­aktion in Jena.

Ranft war erst am 1. Juni dieses Jahres Mitglied der Linkspartei geworden. Bereits sechs Wochen später wählten ihn die 100 Mitglieder des Stadtverbandes in ihren Vorstand, wo sich Ranft künftig vor allem um die Jugendarbeit kümmern sollte. Die Partei erzielte bei Kommunal- und Landtagswahlen in dem Ort zwar fast 32 Prozent der Stimmen, doch die Jugendarbeit liegt im Argen. Zudem ist der Stadtverband seit der Bürgermeisterwahl im Mai dieses Jahres tief zerstritten, als sich die Mitglieder nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. Ranft, der durch gute Rhetorik und große Selbstsicherheit bestach, galt im Stadtverband als Hoffnungsträger. Am Montag abend im Stadtvorstand nach seinen Motiven gefragt, gab Ranft zu verstehen, daß er seine Position nutzen wollte, um Mitglieder für die NPD abzuwerben.

Das sei von langer Hand vorbereitet gewesen, vermutet Linkspartei-Landtagsabgeordneter und Stadtvorsitzender Frank Kuschel, der zudem darauf verwies, daß die NPD den Wartburg-Kreis, zu dem auch Bad Salzungen gehört, zu einem ihrer Schwerpunkte in Thüringen gemacht hat. Neonazis hätten sich bis zu ihrer Enttarnung auch aktiv an Aktionen der von der Linkspartei unterstützten Initiative gegen die Erhöhung der Abwassergebühren beteiligt.

Der Landesvorsitzende der Linkspartei, Knut Korschewsky, forderte am Dienstag die Kreis- und Stadtvorstände auf, derartige Vorfälle durch sorgfältigeres Vorgehen bei der Gewinnung neuer Mitglieder künftig möglichst zu vermeiden.

http://www.jungewelt.de/2006/08-30/053.php



Hamburg: Bezieher von ALG II werden unter Druck gesetzt

Als »Hartz IV« in Kraft trat, geschah dies mit dem Versprechen, mehr Geld und Personal für Vermittlungsaktivitäten aufzuwenden. »Eingliederungsvereinbarungen« zwischen »erwerbsfähigen Hilfebedürftigen« und Bundesagentur für Arbeit sollten deshalb »paßgenau« festlegen, welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung erhält. Nachzulesen ist dies heute in Paragraph 15 des Sozialgesetzbuches II (SGB II). Doch es fehlt an Personal. So wurden Tausenden auch ohne individuelle Vereinbarungen zum Beispiel Ein-Euro-Jobs zugewiesen.

Zahlreiche Sozialgerichte haben inzwischen die Rechtswidrigkeit dieses Verfahrens festgestellt. Im »Job Center« für den Hamburger Stadtteil Bramfeld haben Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) für das Problem nun eine praktische Lösung ohne zusätzlichen Personalaufwand gefunden. Eingliederungsvereinbarungen werden dort inzwischen im Massenverfahren erstellt, wie ARGE-Hamburg-Sprecher René Tollkühn gegenüber jW bestätigen mußte.

Doch auch dieses Verfahren ist nach Überzeugung von Ronald Wilken, Vorsitzender des Ortsverbandes Kirchdorf/Wilhelmsburg des Sozialverbandes Deutschland (SOVD), rechtswidrig. Es könne nicht sein, daß Erwerbslose zu Informationsveranstaltungen eingeladen werden, bei denen sie am Ende vorgefertigte Eingliederungsvereinbarungen unterschreiben müssen. Genau dies war einem von Wilkens Klienten wiederfahren.

Bei der in Rede stehenden Veranstaltung gab es zunächst Informationen zu den »Zumutbarkeitsregelungen«, zu Fördermöglichkeiten, »Bewerbungsverpflichtungen« und Trainingsmaßnahmen, die die ARGE vorhält. Immer mit dem Hinweis verbunden, daß einem Arbeitslosengeld-II-Bezieher Leistungskürzungen drohen, sollte er Angebote ausschlagen. Anschließend verteilten die Fallmanager Eingliederungsvereinbarungen, die – abgesehen von den Personaldaten – für alle Teilnehmer identisch waren. Nach kurzer Lesepause sollten die Papiere unterschrieben zurückgegeben werden. Mit ihrer Unterschrift verpflichteten sich die Betroffenen, an vorgeschlagenen Maßnahmen teilzunehmen und mindestens 15 Bewerbungen pro Monat anzufertigen. Wilkens Klient verweigerte die Unterschrift und verwies auf gesetzliche Bestimmungen. »Jetzt vertrete ich das Gesetz«, wurde er daraufhin barsch von einer Fallmanagerin angefahren, woraufhin der Arbeitslose dann doch, wenn auch unter Vorbehalt, unterschrieb.

ARGE-Sprecher Tollkühn versuchte gegenüber jW, diesen Fall von Einschüchterung herunterzuspielen: Die »Kunden« seien dankbar für solche Veranstaltungen, nach denen sie dann »selbstverständlich« zu Einzelgesprächen eingeladen würden. Doch auf eine Einladung wartet der Betroffene, der beim Sozialverband Rat suchte, trotz mehrfacher eigener Bemühungen seit Monaten vergeblich. Eine »Nichterfüllung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten« hätte indes sofort nach Unterschrift »leistungsrechtliche Folgen wie die Absenkung des ALG II« für ihn gehabt. So steht es jedenfalls in den Fachinformationen der ARGE für ihre Fallmanager.

http://www.jungewelt.de/2006/08-29/004.php

http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/massenabfertigung-und-einschuechterung/



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Hamburg: Neues Wohnungsbauprogramm, das Armen kaum hilft, bezahlbaren Wohnraum zu finden

In Hamburg hat der Senat am Freitag ein neues Wohnungsbauprogramm gestartet. Wie Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU) versprach, werden demnach bis Mitte nächsten Jahres 2000 zusätzliche Wohneinheiten entstehen.

Gebaut werden die Miet- und Eigentumswohnungen durch den Verband Norddeutscher Wohnungsbauunternehmer (VNW) und den Landesverband freier Immobilien- und Wohnungsbauunternehmer (BFW). Die Stadt ist mit eigenen Grundstücken beteiligt, die sie mit Preisabschlägen auf den Bodenpreis von 10 bis 25 Prozent zur Verfügung stellt. Für energiesparende Bauvorhaben soll es zudem zinsverbilligte Baudarlehen geben.

Kinderlose erhalten Kinderzimmerzulage

Ab sofort werden auch die Darlehenskonditionen für den Erwerb von Eigentumswohnungen verbessert. Selbst kinderlose Paare können jetzt eine Kinderzimmerzulage von bis zu 10 000 Euro erhalten, die außerdem als Eigenkapitalersatz anerkannt wird. Auf eine Familie mit drei Kindern kommt ein Zuschlag von 25 000 Euro.

Mit der »wohnungspolitischen Offensive« für eine »wachsende Stadt« erntete Freytag indes nicht nur Zustimmung, denn die neuen Wohnungen werden, trotz der Unterstützung durch die Stadt, bei einem Preis von 7,50 bis 8,50 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete liegen. Ein Teil der Wohneinheiten soll zudem als Eigentumswohnungen entstehen. Das aber mindere die Probleme sozial Benachteiligter nicht, eine bezahlbare Wohnung zu finden, kommentierte denn auch Christiane Schneider vom Vorstand der Linkspartei.PDS das neue Programm. Schneider forderte die Umwidmung des Programms in Richtung mietpreisgebundener Sozialwohnungen. Von den derzeit 130 000 noch vorhandenen Sozialwohnungen, würden 25 Prozent bis 2011 aus der Mietpreisbindung herausfallen, rechnete Schneider vor. Mitte der 1970er Jahre verfügte Hamburg noch über 400 000 Sozialwohnungen.

Auf dieses Entwicklung machte zum Wochenende auch Landespastorin Annegrethe Stoltenberg aufmerksam, die erstmals »wohnungspolitische Eckpunkte« des Diakonischen Werks vorlegte. Ausgewertet wurden dafür die Erfahrungen von Mitarbeitern in rund 800 diakonischen Einrichtungen der Stadt, die Fachreferent Dirk Hauer zusammentrug.

4000 »Aufforderungen« zum Umzug

Demnach wird es nicht nur für die 5000 Obdachlosen oder die Bewohner in den Notunterkünften immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch für die Frauen in den Frauenhäusern oder betreute Migranten hätten die Sozialarbeiter mit ihren Bemühungen oft keinen Erfolg. Zudem seien in den letzten sechs Monaten 4000 Empfänger des Arbeitslosengeldes (ALG) II zum Umzug in »angemessene« Mietwohnungen aufgefordert worden. Doch auch Wohnungen, die den Mietobergrenzen für ALG II-Bezieher entsprechen, gäbe es kaum. Nicht gedeckt sei auch der Bedarf an kostengünstigen, barrierefreien Wohnungen, weshalb auch das Programm zur Ambulantisierung der Behindertenhilfe in Gefahr geriete.

Als wachsende Stadt benötige Hamburg jedes Jahr 2900 neue Mietwohnungen, hatte erst kürzlich eine Studie der Landesbausparkasse ergeben. Tatsächlich werden jährlich aber nur 1500 gebaut. Druck auf den Mietwohnungsmarkt geht nach dieser Studie auch von der Umwandlung zahlreicher Wohnungen in Eigentumswohnungen aus. Deshalb sei das Sonderprogramm von Senator Freytag auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, bemerkte Stoltenberg. Mit dem Bibelzitat des Propheten Jesaja »Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus«, unterstrich die Landespastorin ihren Appell an Politik und Wohnungswirtschaft, den Bestand an Sozialwohnungen zu sichern. Zudem müssten auch die Mietobergrenzen für Erwerbslose und Sozialhilfebezieher an den tatsächlich gegebenen Mietspiegel angeglichen werden.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96084&idc=3&db=O2P



Ausstellung zum KPD-Verbot eröffnet

Unmittelbar nach der Thälmann-Ehrung wurde am letzten Freitag die vierwöchige Sonderausstellung zum 50. Jahrestag des KPD-Verbots in der Hamburger Gedenkstätte Ernst Thälmann eröffnet.

Gedenkstättenleiter Uwe Scheer wollte so auf die historische Kontinuität antikommunistischer Verfolgung „seit den Prozessen 1852 zu Köln“ hinweisen. In Abwandlung eines Thälmann-Worts hatte Fördervereinsvorsitzender Hein Pfohlmann zuvor aber gesagt, dass von Gedenktagen auch „eine Ausstrahlung auf die heutige Kämpfe“ ausgehen müsse.

Das unterstrich auch Zeitzeuge Ewald Stiefvater, ehemaliger DKP-Vorsitzender in Schleswig-Holstein, der bis ´56 zum Redaktionskollektiv der Hamburger Volkszeitung gehörte. Das Verbot sei ein bisher nicht gesühntes „politisches und juristisches Verbrechen“ erster Güte. Doch noch wichtiger sei es, dass es – wie ein Damoklesschwert – auch heute die gesamte Linke bedrohe. Wie Kurt Erlebach, ehemaliger KPD-Bürgerschaftsabgeordneter, unterstrich auch Stiefvater, dass Schluss sein müsse mit jener „verlogenen Zeit“ der 50er Jahre, die durch primitivsten Antikommunismus, aber auch durch die faktische Rehabilitierung der Nazi-Verbrecher gekennzeichnet gewesen sei. Eindringlich forderten Erlebach wie auch Stiefvater die „Rehabilitierung aller Opfer“.

Die Verbindung mit der Zeit der Berufsverbote schlug dann Horst Bethge, ehemaliger Sprecher der Bewegung gegen diese, heute Landessprecher der Linkspartei in Hamburg. Er zog Vergleiche, benannte aber auch Unterschiede. Im Kampf gegen die Berufsverbote sei es besser gelungen, juristische und politische Kämpfe sowohl auf betrieblicher, lokaler, wie auf parlamentarischer und internationaler Ebene miteinander zu verknüpfen. In ähnlicher Weise müsse nun heute auch das KPD-Verbot zum Thema aller linken und demokratischen Kräfte sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene werden. Doch dafür müsse noch besser erklärt werden, weshalb dies auch für heute von Bedeutung ist. Staatliche Repression bekämpfe man am Besten, wenn man sich gemeinsam „für die unteilbaren Freiheits- und Bürgerrechte“ einsetze. Die Aufhebung des Verbots sei auch heute bedeutsam, da damit ein Bruch mit der alten, nur auf Antikommunismus basierenden Gesellschaftskonzeption der Bundesrepublik zu erreichen wäre.

Wie Berufsverbote-Opfer Ilse Jacob erinnerte Bethge in diesem Zusammenhang auch daran, dass die Mehrzahl der Länder die Berufsverbote noch gar nicht aufgehoben, sondern nur ausgesetzt hätten. Wie beim KPD-Verbot stehe die materielle Entschädigung für die meisten Opfer, noch gänzlich aus.

Eine interessante Debatte, die Gedenkstättenmitarbeiterin Elisabeth Sukowski da mit ihrer Ausstellung nun angestoßen hat. Fast nur auf historischen Originaldokumenten beruhend, ist diese noch bis zum 18. September zu sehen.

http://www.dkp-online.de/uz/3834/s0701.htm



Parlamentsdebatte um Kontakte Hamburger Spitzenpolitiker zum Rotlichtmilieu

In Klamauk und Chaos, aber ohne Ergebnis endete am Mittwoch abend eine mit Spannung erwartete Bürgerschaftsdebatte zur »Osmani-Mettbach-Affäre« in Hamburg. Es geht um die Kontakte dortiger Spitzenpolitiker ins kriminelle Rotlichtmilieu, speziell zum Osmani-Clan, der auf der Reeperbahn ein Millionenvermögen machte (siehe jW vom 19./20. August). Genaue Auskünfte dazu wollten Grüne und SPD in der Bürgerschaft beantragen. Doch deren Sitzung endete schon nach 30 Minuten im Eklat, nachdem der Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Kerstan die Abwesenheit von Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der zeitgleich Bundespräsident Horst Köhler auf einer Hamburg-Visite begleitete, mit den Worten monierte, daß dieser ja auch sonst nur wenig zur Aufklärung beitrage. »Das reicht«, meinte daraufhin CDU-Fraktionschef Bernd Reinert. Seine Fraktion verließ anschließend unter lautem Protest den Plenarsaal.

Da die CDU-Politiker, die Redebeiträge angemeldet hatten, nun nicht mehr im Saal waren, mußte Bürgerschaftsvizepräsidentin Verena Lappe (Grüne) die Debatte abschließen. Daher stand bereits wenige Minuten später der Antrag der Oppositionsparteien zur Abstimmung. Aufgeregt liefen viele der Ausgezogenen nun wieder zurück in den Plenarsaal. Doch rund 15 CDU-Abgeordnete trafen dort erst ein, nachdem die Abstimmung schon stattgefunden hatte. Die Sensation schien perfekt, denn die Bürgerschaft hatte mehrheitlich einem Antrag der Oppositionsfraktionen zugestimmt.

Doch statt das Abstimmungsergebnis zu verkünden, berief die Vizepräsidentin den Ältestenrat und das Parlamentspräsidium zur Krisensitzung ein. Klaus Peter Hesse (CDU), der ebenfalls dem Präsidium angehört, forderte dort eine Wiederholung der Prozedur. Nach längeren Beratungen konnte er sich damit durchsetzen. In der zweiten Abstimmung wurde der Oppositionsantrag abgelehnt. Danach sagte SPD-Fraktionschef Michael Neuman in einer »persönlichen Erklärung«, Hesse habe im Ältestenrat gelogen. Diese Ansicht vertrat auch Grünen-Frak­tionschefin Christa Götsch. Weitere Abgeordnete pfiffen auf die Geschäftsordnung und gingen in die Bütt.

So inhaltsleer die Debatte auch war, zeigte sie doch, daß die Nerven im Hamburger Rathaus blank liegen. Ist es Zufall, daß die Sitzung ausgerechnet bei der Rede von Kerstan aus dem Ruder lief? Immerhin war er es, der als erster die Frage stellte, ob die Ernennung von Exbausenator Mario Mettbach (früher Schill-Partei, jetzt CDU) zum neuen Logistikbeauftragten des Senats eine Art »Schweigegeld« sei. Denn es ist nicht unwahrscheinlich, daß weitere Mitglieder des Senats Kontakte zum Osmani-Clan haben. Am 14. September wird die Debatte zum Thema in der Bürgerschaft fortgesetzt.

http://www.jungewelt.de/2006/08-25/006.php



Renditeerwartungen um zehn Prozent. Altschulden trägt die Stadt

In Hamburg hat der Senat den Verkauf aller städtischen Pflegeheime an die Berliner Vitanas-Gruppe beschlossen. Zum Preis von 65 Millionen Euro gehen die zwölf Heime, die bisher von der städtischen Gesellschaft »pflege & wohnen« (p & w) betrieben wurden, mitsamt ihren 1600 Mitarbeitern und 2827 Heimbewohnern bereits zum 1. Januar 2007 in die Verantwortung von Vitanas über. Dafür verpflichtet sich der Gesundheitskonzern, der allein in Berlin 25 Gesundheitszentren betreibt, weitere 53 Millionen Euro in die Modernisierung der teils maroden Häuser bis 2011 zu investieren. Doch die Schulden von p & w, die sich zum Schluß auf 347 Millionen Euro beliefen, verbleiben bei der Stadt. Sie resultieren aus Altlasten, wie Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten, die dem Träger 1997 bei dessen Umwandlung in eine »Anstalt öffentlichen Rechts« aufgebrummt wurden. So aber hätten die Häuser auch an einen gemeinnützigen Träger, in dem nicht nur Gewinnabsichten zählen, verkauft werden können, kritisierte am Mittwoch Landespastorin Annegrethe Stoltenberg die Senatsentscheidung vom Vortag.

Kritik am Verkauf kommt auch von der oppositionellen SPD. Hier hält man einen Totalrückzug der Stadt aus dem Pflegebereich auch deshalb für falsch, weil sich die Anzahl pflegebedürftiger Menschen erhöhe. Sozialpolitische Steuerungsmöglichkeiten dürften deshalb nicht vollständig aus der Hand gegeben werden. Moniert wird zudem, daß die Investitionen für die Umbauten der Häuser nun auch zum Teil durch die Heimbewohner durch teurere Pflegeplätze refinanziert werden sollen.

Alarmstimmung herrscht jetzt ebenso unter den Angestellten, wo man schlechtere Arbeitsbedingungen befürchtet. Zwar hat sich der Gesundheitskonzern zur Beschäftigungssicherung bis 2009 verpflichtet, doch als Vitanas erst kürzlich drei Häuser des Deutschen Roten Kreuzes in Schleswig-Holstein übernahm, wurden dort den Mitarbeitern sofort neue Arbeitsverträge aufgedrängt, während man einen Überleitungstarifvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ablehnte.

Gegenüber junge Welt verwiesen Mitarbeiter auf die hohen Renditeerwartungen von Privatanbietern im Pflegebereich, die im Schnitt bei rund zehn Prozent liegen würden. Bei Einhaltung von Qualitätsstandards wären aber, da die Pflegesätze nicht zu beeinflussen sind, maximal drei bis vier Prozent drin, weshalb nun Leistungsverdichtungen befürchtet werden.

http://www.jungewelt.de/2006/08-24/013.php



Opposition und Gewerkschaften gegen geplanten Verkauf von Heimen

Um die Haushaltskasse zu entlasten, will Hamburg alle städtischen Pflegeheime an die Berliner Vitanas Gruppe verkaufen.

Hamburgs Senat will heute über den Verkauf aller zwölf bisher vom städtischen Unternehmen »pflegen & wohnen« (p & w) betriebenen Pflegeheime entscheiden. Offenbar soll die Berliner Vitanas Gruppe den Zuschlag erhalten. Betroffen davon sind 2800 Heimbewohner und 1600 Mitarbeiter. Für sie soll es keine Nachteile geben, hatte Hamburgs Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) schon vor Wochen betont. Trotzdem herrscht bei Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di Alarmstimmung. Hier fürchtet man schlechtere Arbeitsbedingungen und Qualitätsverluste in der Pflege.

Berechtigt, denn als Vitanas kürzlich drei Heime des Deutschen Roten Kreuzes in Schleswig-Holstein aufkaufte, wurden den Mitarbeiter dort sofort neue Arbeitsverträge aufgedrängt und ein Überleitungstarifvertrag abgelehnt. Gegenüber ND begründeten Mitarbeiter ihre Angst mit den Renditeansprüchen privater Pflegeunternehmen von etwa zehn Prozent. Bei Einhaltung bisheriger Qualitätsstandards seien nur drei bis vier Prozent möglich.

Dass die Pflegeheime zur Haushaltsentlastung privatisiert werden, entschied die Bürgerschaft schon im Juli 2003. Dem stimmten auch die Oppositionsparteien SPD und Grüne zu. Mehrfach hatte die Stadt zuvor Zuschüsse erbringen müssen, weil die Einnahmen nicht die Kosten trugen. Das aber sei selbst verursacht, sagen p & w-Mitarbeiter gegenüber ND, denn als der Träger 1997 zu einer »Anstalt öffentlichen Rechts« wurde, wären ihm Altlasten wie Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten einfach aufgebrummt worden. Aus den Pflegesätzen sind solche Kosten aber nicht zu tragen, so dass die Schuldenlast schließlich auf 347 Millionen Euro stieg.

Die Schulden verblieben aber nach einem Verkauf bei der Stadt, sonst ließen sich die Heime nicht veräußern. Weitere 37,8 Millionen Euro mussten zudem für dringende Sanierungsmaßnahmen aufgebracht werden. Trotzdem rechnet niemand mit einem Verkaufspreis oberhalb von 70 Millionen Euro, denn der Investitionsstau liegt für die Heime und die teils maroden Gebäude in einem dreistelligen Millionenbereich. Den zu bewältigen soll Sache des Käufers sein. Doch ob Vitanas das alleine kann, ist zweifelhaft. Zwar betreibt das Unternehmen allein in Berlin rund 25 Seniorencenter, weitere Einrichtungen auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen, doch die Mitarbeiterzahl würde sich beim Kauf der Hamburger Heime schlagartig um rund zwei Drittel erhöhen. 2370 Mitarbeiter zählt das Unternehmen bisher, das 2005 einen Jahresumsatz von 104 Millionen Euro machte. Deshalb ist nun ein Kaufkonsortium gemeinsam mit dem Hamburger Immobilienunternehmer Jacob Jürgensen im Gespräch. Dieser würde die Gebäude übernehmen, während sich Vitanas auf den reinen Pflegebetrieb konzentrieren würde.

Doch Kritik erntet auch dieses Modell. So forderte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, dass statt über einen Verkauf über Minderheitsbeteiligungen nachgedacht werden müsse. Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wachse ständig, weshalb die Stadt Steuerungspotenziale nicht vollständig aus der Hand geben dürfe. Das aber hatte die Linkspartei schon 2003 gefordert, als Kienscherfs Fraktion der Privatisierung noch zustimmte.

Doch trotz dieser Kurswende rechnet der Senat nur mit verhaltenem Widerstand gegen den Verkauf. Schon jetzt sind in der Stadt 80 Prozent aller Pflegedienstleistungen privatwirtschaftlich organisiert. Es war ein schleichender Prozess, in dem immer mehr Bereiche privatisiert wurden. Auch ver.di-Landeschef Wolfgang Rose hat das inzwischen offenbar akzeptiert, wenn er darauf hinweist, dass die 1600 p & w-Mitarbeiter nach dem Verkauf für ein halbes Jahr ein Rückkehrrecht in einen staatsnahen öffentlichen Bereich haben. Doch das will der Senat nicht, weshalb er in den Kaufvertrag auch eine Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter bis 2009 hineinschreiben möchte.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=95788&IDC=3



Rote Hilfe erwartet massive Eingriffe in die Rechte von Demonstranten und Bürgern

In Mecklenburg-Vorpommern bereiten sich nicht nur außerparlamentarische Gruppen auf den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm vor. Auch die SPD-Linkspartei-Landesregierung trifft ihre Vorkehrungen. Am Wochenende warnte Jan Steyer von der Roten Hilfe Greifswald gegenüber junge Welt, daß sich schon jetzt ein Großeinsatz der Sicherheitskräfte abzeichne, bei dem Grundrechte der Bürger auf der Strecke blieben. Grundlage dafür sei das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG), das der Landtag in einem Schnellverfahren im Juni auf Antrag von SPD und Linkspartei.PDS beschlossen hat.

Die Mecklenburger Polizei wußte auch ohne SOG, wie Demonstranten in ihrem Protest behindert werden können. Zwar war die Videoüberwachung öffentlicher Plätze ausdrücklich untersagt, doch andere Kontrollverfahren, wie Identitätsfeststellungen oder erkennungsdienstliche Behandlungen konnten die Beamten jederzeit anwenden. Auch Platzverweise, vorläufige Festnahmen, verdeckte Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und das Einschleusen von V-Leuten in politische Bewegungen gehörten längst zum polizeilichen Repertoire.

SPD und Linkspartei reichte das nicht. Nach Hamburger Vorbild wurden vor allem Möglichkeiten für sogenannte präventive Polizeimaßnahmen erweitert. Kritikern aus den eigenen Reihen, wie dem Landtagsabgeordneten der Linkspartei, Gerhard Bartels, hielt Landeschef Peter Ritter entgegen, daß die Zustimmung der SPD zu einem neuen Informationsfreiheitsgesetz nur so zu erhalten sei. Damit sollen die Bürger mehr Einsicht in die über sie geführten Behördenakten bekommen.

An der Verschärfung von Repression und Überwachung durch das neue SOG ändert das nichts. War eine Rasterfahndung bisher zum Beispiel nur möglich, wenn ganz konkrete Gefahren vorliegen, so würde bei den Protestaktionen zum G-8-Gipfel schon ein »Internetaufruf zu Straftaten« ausreichen, um den Fahndungsapparat in Bewegung zu setzen. Angeblich um Beamte vor Infektionen zu schützen, können laut SOG nun bei »Gefahr im Verzug« Blutentnahmen ohne richterliche Anordnung durchgeführt werden. »Gefahr im Verzug« ist immer dann gegeben, wenn »Körperflüssigkeiten« auftreten. Daß es dabei in Wirklichkeit um den Aufbau einer DNA-Datenbank geht, zeigten die Landtagsberatungen. Linkspartei und SPD begründeten ihren Antrag ausdrücklich damit, daß so Möglichkeiten zum Abgleich der Daten mit denen aus Speichern von BKA und Bundespolizei geschaffen werden können. Vorbei ist auch die kameralose Zeit. Bei Massenveranstaltungen, wie den G-8-Protesten, so hieß es, habe die offene Verwendung von Videokameras den Vorteil, daß dies beim Bürger zu einer »Risikoabschätzung« führe. Im Klartext: Wer nicht auf dem Polizeivideo landen möchte, bleibt besser zu Hause. Angewandt werden sollen auch »automatische Kfz-Kennzeichen-Lesesysteme« und IMSI-Catcher, mit denen Handygespräche von G-8-Gegnern abgehört und deren genauer Standort geortet werden kann.

Das Material der Roten Hilfe kann per E-Mail abgefordert werden: greifswald@rote-hilfe.de

http://www.jungewelt.de/2006/08-21/006.php



Topfunktionäre des Hamburger CDU-Schillpartei-Senats pflegten ein spezielles Verhältnis zur organisierten Kriminalität

Die Skandalmeldungen um die Kontakte Hamburger Spitzenpolitiker ins kriminelle Rotlichtmilieu reißen nicht ab. Wie berichtet, hatte SPD-Oppositionschef Michael Neumann den Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Anfang August heftig dafür angegriffen, daß er Exbausenator Mario Mettbach (früher Schillpartei, jetzt CDU) zum neuen Logistikbeauftragten berufen hatte, obwohl ihm Mettbachs Kontakte zur Kiezgröße Burim Osmani bekannt gewesen sein mußten. Doch inzwischen geht es um mehr. Von einer »Krake«, deren Tentakel die ganze Stadt ergriffen hätten, spricht Neumann jetzt. Jens Kerstan, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen, stellte am Freitag eine Anfrage an den Senat, mit der er herausbekommen will, welche Geschäftsbeziehungen städtische Gesellschaften mit dem Osmani-Clan unterhalten haben.

Auf 500 Millionen Euro, so wird geschätzt, ist das Vermögen der Osmani-Brüder Felix, Burim und Bekin seit 1979, als sie mittellos aus dem Kosovo kamen, inzwischen angewachsen. Heute gehört ihnen die halbe Reeperbahn, wo sie Stripteaselokale und Szenebars, wie das »Café Keese« betreiben. Aber auch Nobeldiscos wie das »Pupasch« an den Landungsbrücken und zahlreiche Hotels gehören zum Imperium. Felix, der Clanchef, ist zudem für die Geschäfte in Moskau, Prag, Kroatien und der Schweiz zuständig. Wie ein Griff in die Portokasse wirkte es da, als die Brüder 2004, um gesellschaftliche Anerkennung heischend, dem FC St. Pauli sogar ein neues Fußballstadion versprachen. Doch St. Pauli lehnte ab, denn auf dem Kiez glaubt jeder zu wissen, woher das Geld stammt: aus illegalen Spielclubs, dubiosen Kreditgeschäften, Schutzgelderpressungen, Prostitution, Kraftfahrzeugschmuggel und Rauschgifthandel. So jedenfalls steht es in einem Geheimdossier des Bundesnachrichtendienstes (BND), aus dem der Osmani-Anwalt Gerhard Strate etwas unvorsichtig am vergangenen Sonntag in einer Fernsehsendung zitierte.

Seltsam sei es da, daß es bislang kaum staatsanwaltliche Ermittlungen in Hamburg gegeben habe, sagen nun Oppositionspolitiker. Lediglich 1995, als der Kriminalbeamte Dieter Langendörfer Chef des Landeskriminalamtes wurde, gab es kurzfristig verstärkte Überwachungsaktivitäten. Doch schon bald mußte Langendörfer seinen Hut nehmen. Als Ronald Schill dann 2001 Innensenator wurde, hatten auch die Osmanis gesiegt, denn sie hatten Schills Wahlkampf mitfinanziert. Mit Schill kam Staatsrat Walter Wellinghausen, ein Jurist, dessen Anwaltskanzlei die Osmanis zuvor jahrelang vertreten hatte. Als der Staatsrat im August 2003 wegen »ungenehmigter Nebentätigkeiten« gehen mußte, verschwand auch ein geheimer »Leitfaden zur Bekämpfung organisierter Kriminalität« aus der Behörde. Das sensible Papier befindet sich laut einer Antwort des Senates von vergangener Woche »weiterhin in der Sachfahndung«. »Keiner weiß, was dieser Mann mit den sensiblen Informationen angefangen hat«, sagte der SPD-Innenexperte Andreas Dressel am Mittwoch vor Journalisten.

Im Mai dieses Jahres wurde Burim Osmani, der Immobilienkönig des Clans, wegen Kreditbetrugs verhaftet. Dies war allerdings nicht etwa das Verdienst Hamburger Staatsanwälte: Der Haftbefehl war in Würzburg ausgestellt worden. Im Zuge der Ermittlungen kam heraus, daß Mettbach mit einem Beratervertrag auf Burims Gehaltsliste stand.

Wie bewertet der Senat das BND-Dossier über die Osmani-Geschäfte, wollte der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer daraufhin wissen. Doch Anfang der Woche kündigte Bürgerschaftspräsident Bernd Röder (CDU) an, daß er eine Antwort auf diese Anfrage nicht veröffentlichen werde. Anwalt Strate hatte zum »Schutz der Persönlichkeitsrechte« seines Mandanten Einspruch erhoben. Mitte der Woche beschloß auch der Senat, daß er auf diese Anfrage nicht antworten werde.

Doch die Oppositionsparteien lassen nicht locker. Nun wollen sie wissen, wann jemals gegen die Osmanis ermittelt wurde, warum Mettbach den neuen Posten bekam und welche Geschäftsbeziehungen es mit dem Osmani-Clan durch die städtische Immobilienverwaltung Sprinkenhof AG, die Hafengesellschaft Port Authority, die Bodenkommission und die Kreditkommission gegeben hat. Das ist mutig, denn den größeren Teil ihrer Geschäfte wickelten die Brüder bereits zu einem Zeitpunkt ab, als es in Hamburg noch SPD-Bürgermeister gab. »Rückhaltlose Aufklärung« auf der Bürgerschaftssitzung am 23. August fordert SPD-Fraktionschef Neumann trotzdem.

http://www.jungewelt.de/2006/08-19/010.php



Hamburgs Senat wegen Mißbrauchs von Billiglobs in der Kritik

Der Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs nimmt immer groteskere Formen an. Jetzt sollen in Hamburg Erwerbslose sogar regelmäßig den Jungfernstieg schrubben, wie dies zunächst der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Müller Sönksen und dann auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Klaus-Peter Hesse gefordert hatten. Müller-Sönksen griff bei einem Fototermin für die Bild-Zeitung selbst zu Schrubber und Wassereimer und reinigte (für ein paar Minuten) einige Ecken des Prachtboulevards. Diesem »Druck der Öffentlichkeit« gab am Freitag die Hamburger Wirtschaftsbehörde teilweise nach. Behördensprecher Arne von Maydell erklärte gegenüber junge Welt, daß für konkrete Projekte – wie zum Beispiel Großveranstaltungen – entsprechende Planungen für den Jungfernstieg schon erarbeitetet wurden, für die sich Beschäftigungsträger dann bewerben können.

Doch damit würde der CDU-Senat dem Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs zustimmen, kritisierte dies umgehend DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Er forderte, daß die Kriterien der »Zusätzlichkeit« und des »öffentlichen Interesses«, wie sie das Sozialgesetzbuch II (SGB II) vorschreibt, auch eingehalten werden. Mit diesen Kriterien soll verhindert werden, daß reguläre Arbeitsplätze, wie in diesem Fall bei der Stadtreinigung, durch die Billigjobs gefährdet oder verdrängt werden.

Doch die Hemmschwellen liegen immer niedriger. Längst werden in Hamburg Ein-Euro-Jobber auch für die Reinigung von U-Bahn-Waggons eingesetzt, und in etlichen Städten wurden Erwerbslose für Straßenreinigungstätigkeiten während der Fußball-WM zwangsverpflichtet. Im großen Stil und dauerhaft werden Jobber für Stadtreinigungstätigkeiten schon jetzt in Braunschweig eingesetzt, wo sie auf 2000 Straßen Müll sammeln, Graffiti wegschrubben und Unkraut jäten müssen. Im Arbeitsprojekt »Unser sauberes Braunschweig« sind regelmäßig bis zu 280 Billigjobber beschäftigt. Da sich viele Erwerbslose zunächst weigerten, diese Tätigkeiten auszuüben, hat Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) sogar einen Vertrag mit der ARGE abgeschlossen, nach dem »Arbeitsverweigerern« Kürzungen bei der Grundsicherung drohen, die »unmittelbar« und »konsequent« greifen sollen. Wenngleich nicht in diesem Ausmaß, sind Erwerbslose inzwischen auch in Wiesbaden, Essen und Osnabrück – obwohl dies ein klarer Gesetzesverstoß ist – für Straßenreinigungsarbeiten eingesetzt. In Dresden hat sich eine Beschäftigungsgesellschaft hingegen auf die Beseitigung von Hundekot auf den Straßen spezialisiert.

Positive Beispiele gibt es aber auch: In Berlin und im nordniedersächsischen Buxtehude weigerten sich Stadtreinigungen und Personalräte erfolgreich, entsprechenden Maßnahmen zuzustimmen. Die Personalräte sind mitbestimmungsberechtigt, wenn die Jobber direkt in die Stadtreinigung integriert werden.

http://www.jungewelt.de/2006/08-19/012.php



Zu diesem Thema finden in vielen Städten Veranstaltungen statt. So lautet auch der Titel einer vierwöchigen Sonderausstellung in der Hamburger Gedenkstätte Ernst Thälmann, Tarpenbekstraße 66.

Illustriert werden Verbotsverfügungen für kommunistische Zeitungen in der Nazi-Zeit, Berufsverbote aus dem Jahr 1934, die Verhaftungswellen gegenüber Kommunisten und Sozialdemokraten. Fotos, Briefe, Gerichtsakten und illegale Flugblätter zeigen aber auch, dass selbst in dieser Zeit der Kampf der Kommunisten für ein demokratisches Deutschland niemals aufhörte. Im Zeitraffer folgen dann Dokumente aus der Nachkriegszeit, als diese Widerstandskämpfer, auch in Senat, Verwaltungen und Betrieben, zu den ersten Akteuren eines demokratischen Aufbruchs gehörten. Auf einem weiteren Foto ist zu sehen, wie sich die Landesvorsitzenden von KPD und SPD über den Gräbern des Ohlsdorfer Friedhofs die Bruderhand reichen.

Der Hauptteil der Ausstellung widmet sich indes den Jahren unmittelbar vor und nach dem KPD-Verbot 1956. Hier besticht die Ausstellung durch zahlreiche Originaldokumente, wie etwa Artikel aus der kommunistischen „Hamburger Volkszeitung“ oder dem „Blinkfuer“, anhand derer sich Besucher in die Debatten der damaligen Zeit hineinversetzen können. Verfolgung hatte Namen, auf Täter-, wie auf Opferseite, das zeigen schließlich Fotos, Gerichtsakten, und persönliche Briefe, die auch verdeutlichen, wie Repressalien (so etwa die Beschränkung der Reisefreiheit) selbst Familienangehörige trafen. Übersichtlich werden Gerichtsurteile und (teilweise lange) Haftzeiten von etwa 120 KPD-Mitgliedern dokumentiert. Doch auch für diese Zeit verdeutlichen Dokumente, dass sich der Widerstand der Kommunisten gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands trotzdem fortsetzte. Bilder und Gerichtsakten aus der Berufsverbotszeit in den Siebziger- und Achtzigerjahren, runden dieses Angebot für eine interessante und lebendige politische Bildungsarbeit schließlich ab.

Öffnungszeiten: Montag: 17-20 Uhr, Mittwoch bis Freitag 10 bis Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr. Gruppen/Schulklassen können auch Sondertermine vereinbaren.

http://www.dkp-online.de/uz/3833/s0103.htm



In der Hamburger »Gedenkstätte Ernst Thälmann« eröffnet heute Sonderausstellung zum KPD-Verbot von 1956

Am 18. August ’44 wurde Ernst Thälmann durch SS-Schergen ermordet. Heute wird der Arbeiterführer in der Hamburger »Gedenkstätte Ernst Thälmann« (GET) geehrt. Unmittelbar danach eröffnet hier eine vierwöchige Sonderausstellung zum 50. Jahrestag des KPD-Verbots. Auf der Eröffnungsveranstaltung um 18 Uhr wollen Erich Röhlck (früher KPD, heute DKP) sowie Linkspartei-Landessprecher Horst Bethge die Aufhebung des KPD-Verbots und die Rehabilitierung aller Opfer fordern. Mit der Doppelveranstaltung zum Gedenken an Thälmann und zum KPD-Verbot will Gedenkstättenleiter Uwe Scheer auf die Kontinuität von Kommunistenverfolgungen in Deutschland hinweisen, die durch Aberkennung von Rentenansprüchen bis in die heutige Zeit hineinreiche.

Entsprechend ist auch die Sonderausstellung konzipiert, die Gedenkstättenmitarbeiterin Elisabeth Sukowski zusammenstellte. Neben Exponaten zum ’56er KPD-Verbot findet der Besucher auch solche zur Nazizeit und zum »Radikalenerlaß« 1972 unter Willy Brandt. Wir dürfen das nicht gleichsetzen, sagt Sukowski. Doch 50 Jahre danach müsse das Adenauer-Verbot auch historisch richtig eingeordnet werden. Schließlich seien von ihm auch zahlreiche antifaschistische Widerstandskämpfer betroffen gewesen. Aufzeigen will Sukowski auch, daß das Verbot »bis heute« die Linke bedroht »wie ein Damoklesschwert«.

Trotz Verbot

Sukowski präsentiert in der Ausstellung sparsam kommentierte historische Dokumente: Fotos, Briefe, Gerichtsakten, Zeitungsartikel und Flugschriften zeigen, wie selbst Familienangehörige und Arbeitskollegen von Kommunisten in Zeiten antikommunistischer Verfolgungshysterie bedroht wurden. Kriminalisiert wurden auch der Frauenbund, der Zentralrat zur Verteidigung demokratischer Rechte, die Vereiniguung der Verfolgen des Naziregimes (VVN) und viele Gruppen aus der Friedensbewegung, die sich gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands wandten. Repressionsinstrumente auf individueller Ebene waren Beschränkungen der Reisefreiheit, Kündigungen und Gefängnisstrafen. Für 120 Fälle sind die Haftstrafen samt den dazu gehörigen Urteilen in der Ausstellung aufgeführt. Trotz solcher Haftstrafen, der Enteignung ganzer Verlagshäuser und des kompletten Parteieigentums, setzten etliche KPD-Mitglieder ihren Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands fort. Um dies darzustellen, hat Sukowski eine Fülle von Aktionsfotos, Flugblättern und Artikeln aus dem »Blinkfuer« zusammengestellt.

»Erfahrungsschätze«

Nur aus eigenem Bestand sei die Ausstellung bestückt, betonen die Gedenkstättenmitarbeiter und deuten damit die ungeheure Materialfülle in ihren Archiven an. Etwa 1000 KPD-Mitglieder, darunter viele Widerstandskämpfer, sind inzwischen in einem Personenregister katalogisiert. Die Bearbeitung einiger Kisten voller Fotos und Flugblätter steht noch aus. Von ihr könnte auch die Dauerausstellung profitieren. Bislang ist Thälmanns Wirken auf 26 Schautafeln und in 13 Vitrinen dargestellt. In Vitrine Nummer zwei zum Beispiel findet sich ein Bild von Thälmann als Delegiertem der Transportarbeitergewerkschaft, die ihn schon 1906 zum Sektionsleiter für die Kutscher gewählt hatte. Gleich daneben ist das Polizeidossier zu Thälmann aus dem gleichen Jahr ausgestellt. Anschaulich werden in der Dauerausstellung Thälmanns Aktivitäten in der USPD, beim Hamburger Aufstand und später dann als KPD-Vorsitzender.

Etwa 2000 Besucher kommen 37 Jahre nach Gründung der Gedenkstätte jährlich in diese Dauerausstellung, darunter ganze Schulklassen, wie Hein Pfohlmann, für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, stolz berichtet. Bis 1989 kamen dazu noch Tausende Besucher aus dem sozialistischen Ausland (Leonid Breschnew hatte die Ausstellung schon 1972 besucht). Nach der Konterrevolution gingen die GET-Einnahmen so zurück, daß der Fortbestand gefährdet war. Damals sammelte der ehemalige Gedenkstättenleiter Jan Wienecke viel Geld. Bis dato gemietete Flächen konnten gekauft werden. »Erfahrungsschätze aus der Arbeiterbewegung«, sagt Pfohlmann, wurden dadurch gerettet. Zu diesen zählen übrigens auch die von Paul Dietrich, Hans Kippenberger, Alfred Levy und Heinrich Meyer, die als kommunistische Bürgerschaftsabgeordnete nicht durch die Nazis, sondern im sowjetischen Exil ermordet wurden. Auch für sie hängt heute eine Gedenktafel in der Tarpenbekstraße 66 in Hamburg.

www.thaelmann-gedenkstaette.de

http://www.jungewelt.de/2006/08-18/034.php