17. Juli 2008

Hafenrundfahrt350 Kilometer Schienennetz sollen an die Hochbahn AG der Hansestadt übertragen werden

Dem Hamburger Hafen stehen gewaltige Veränderungen bevor, meldete Welt online Anfang der Woche. Offenbar, so der Springer-Internetdienst, habe der schwarz-grüne Senat sich vorgenommen, mit einem »ehernen Grundsatz« aller bisherigen Bürgermeister der Hansestadt zu brechen. Dieser besagt erstens, daß sich die Hafenwirtschaft zwar selbst um die sogenannte Suprastruktur ihrer Kaianlagen, also um Gebäude und Kräne, kümmern muß. Er besagt zweitens, daß die Stadt sämtliche Infrastrukturkosten für den Hafen übernimmt. Sollte das geändert werden, wäre die bisher bestimmende Hafenbehörde, die Hamburg Port Authority (HPA), weitgehend entmachtet. Das entspricht einer Forderung der Grünen, die schon seit Jahren vertreten, die HPA solle sich auf ihr Kerngeschäft, die Organisation des Hafens, zurückziehen. Pflege und Ausbau des Straßen- und Wegenetzes hingegen müßten der Stadtentwicklungsbehörde überlassen werden.

Entschieden sei diesbezüglich noch nichts, betonte am Dienstag ein Sprecher des Senats. Oder doch? Beschlossen scheint, daß die Hafenbahn mit ihrem fast 350 Kilometer langen Schienennetz aus dem HPA-Komplex herausgelöst werden soll. Senatsvertreter bestätigten ein erstes Treffen zwischen Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) und dem Chef der Hochbahn AG Günter Elste zur Übernahme der Hafenbahn. Die Hochbahn AG betreibt in Hamburg bisher nur das Bus- und U-Bahn-Netz.

Dahinter steckt der Gedanke, daß eine so »entschlackte« HPA ihre Restaufgaben, darunter den Ausbau der Kaianlagen, ohne weitere Haushaltsmittel, also aus eigener Kraft finanzieren könnte. Linkspartei, Grüne und Umweltschutzverbände fordern seit Jahren die Aufgabe der milliardenschweren Subventionspraxis. Erstaunlich wäre allerdings, wenn sich dem nun auch die CDU unter Bürgermeister Ole von Beust anschließen würde. Vieles spricht eher dafür, daß sich dort allmählich ein realistisches Bild vom Wachstum des Hafens und den damit verbundenen Infrastrukturkosten abzeichnet. Fast zehn Millionen Standardcontainer (TEU) werden an der Elbe schon jetzt jährlich umgeschlagen. Auf über 18 Millionen TEU soll diese Kapazität in den nächsten sieben Jahren anwachsen. Neues Geld muß dringend her. Geld, das die HPA durch eine Beleihung städtischer Grundstücke beschaffen soll – 700 Millionen Euro schon im nächsten Jahr. Erst nach und nach sollen dann auch die Hafenunternehmer zur Tilgung der Bankkredite durch leicht erhöhte Pachtzinsen herangezogen werden.

Dieses Prinzip nennen die Grünen »ökologisch«, weil es ein »nachhaltiges« Flächenmanagement ermögliche. Handelskammer-Syndikus Reinhard Wolf betont indes, daß durch die Mobilisierung des zusätzlichen Kapitals der Ausbau des Hafens »ein Stück weit von der Haushaltslage der Stadt« entkoppelt werden könnte, ohne diese allerdings aus ihrer »Verantwortung« zu entlassen. Ähnlich der Blick der Kammer auf die Hafenbahn: Um sie auszubauen, bestünde ein Investitionsstau von 500 Millionen Euro. Damit »private Partner« sich an der Lösung dieses Problems beteiligen könnten, sei ihre Ausgliederung in die rechtlich verselbständigte Hochbahn dringend erforderlich.

Sollte die Bürgerschaft so beschließen, wäre das für den städtischen Haushalt allerdings verheerend. Experten verweisen darauf, daß die Hochbahn – sollte sie die Regie über die Containerzüge übernehmen – auch die Eisenbahnlinie Altona–Kaltenkirchen–Neumünster (AKN) mitsamt der dort vorhandenen Rangierbetriebe übernehmen müßte. 50 Prozent der AKN-Anteile hält Schleswig-Holstein, das seine Anteile nicht unter Wert verkaufen will. So erweist sich das Gerede vom angeblichen Ausstieg aus der Hafensubventionierung bei näherer Betrachtung als reiner Betrug.

Verwendung: Junge Welt vom 17. Juli 2008
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08. Februar 2008

Die DKP Betriebsgruppe Hamburger Hafen und die DKP Wohngebietsgruppe Harburg / Wilhelmsburg laden Interessierte zu einer Politische Hafenrundfahrt zu gewerkschaftlichen und kommunalpolitischen Fragen ein. Im Zentrum stehen dabei die Probleme der Hafenentwicklung und der Stadtteilentwicklung in Wilhelmsburg.

Die Hafenrundfahrt findet statt am 15. März 2008

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08. Februar 2008

Bernhard Wieszczeczynski
Hamburg: Nie wurden so viele Container umgeschlagen. Dennoch rutschte der Hafen international auf Platz neun. Gespräch mit Bernhard Wieszczeczynski

Bernhard Wieszczeczynski ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb Hamburg

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, daß der Containerumschlag im Hamburger Hafen 2007 um 11,6 Prozent auf den Rekord von 9,9 Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen ist. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nutzt das, um erneut eine Fahrrinnenvertiefung der Elbe zu fordern. Die aber trifft bei Umweltverbänden wie bei den Anrainergemeinden auf heftigen Widerstand. Wie sehen Sie das?

Als Interessenvertreter der Hafenarbeiter – sei es als Betriebsrat oder als Mitglied des Fachgruppenvorstands von ver.di – ist mir zunächst wichtig, daß tariflich abgesicherte Arbeitsplätze im Hafen erhalten oder neu geschaffen werden. Natürlich muß die Anpassung mit den notwendigen Schutzmaßnahmen für die Anrainer begleitet werden. Dennoch brauchen wir die Vertiefung des Fahrwassers, weil Schiffe mit einer Ladekapazität bis 9000 TEU schon jetzt den Hafen nur bei Hochwasser anlaufen können. Zur ökologischen Frage: Die Unterelbe ist kein Naturschutzreservat, sondern seit Jahrzehnten eine industriell genutzte Wasserstraße. Mit oder ohne Fahrrinnenanpassung. Daß sie schiffbar bleibt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.

Mit der Vertiefung würde auch die Sturmflutgefahr zunehmen. Wer soll die zusätzlichen Milliarden für die Deichsicherung bezahlen? Die Hafenwirtschaft?

Das ist völlig richtig, daß die Hafenwirtschaft stärker zur Kasse gebeten werden sollte, sich an solchen Kosten zu beteiligen. Sie ist es ja auch, die die Gewinne einstreicht.

Kritik gibt es auch am Flächenverbrauch durch neue Kaianlagen. In Hongkong werden 24 Millionen TEU auf einem Bruchteil der Hamburger Fläche umgeschlagen. Was läuft in Hamburg schief?

Unser Hafen ist in seiner Struktur historisch gewachsen. Das kann man nicht mal eben umkrempeln oder mit Hongkong vergleichen. Der Boom hat auch die Hafenbetriebe überrollt. Mit den Baumaßnahmen am Burchardkai und am Eurogate sollen vorhandene Flächen besser genutzt werden. Auch das neue Terminal im mittleren Freihafen entsteht innerhalb des Hafens.

Im internationalen Vergleich ist Hamburg vom achten auf den neunten Platz der größten Seehäfen abgerutscht. Stößt der Hafen an Grenzen? Die Nordsee ist 120 Kilometer entfernt – Containerriesen der nächsten Generation mit bis zu 12000 TEU werden ihn nicht mehr anlaufen können.

Auf welchem Platz wir liegen, ist mir egal. Es würde ja auch keiner auf die Idee kommen, daß Deutschland zum Agrarstaat werden soll, nur weil China Exportweltmeister wird. Hamburg baut jedenfalls seine Führung als bedeutendster deutscher Seehafen aus.

Sie haben das Arbeitsplatzargument bemüht. Tatsächlich entstehen gegenwärtig ein paar hundert neue Jobs. Doch bei einer Gesamtbilanz der vom Hafen abhängigen Arbeitsplätze zeigt sich, daß deren Zahl seit Jahrzehnten sinkt.

Die Frage, welche Arbeitsplätze vom Hafen abhängig sind, kann je nach Blickrichtung unterschiedlich beantwortet werden. Es ist jedenfalls Tatsache, daß neue Arbeitsplätze entstehen – nach jahrzehntelangem Rückgang durch die Containerisierung. Nicht nur im Umschlag, sondern auch in den angegliederten Branchen der Logistik und der Distribution. Beschäftigtenzahlen wie in den 70er Jahren werden wir zwar nicht mehr erreichen. Doch der Laden z. B., in dem ich arbeite, vergrößert sich in diesem Jahr von 1000 auf 1200 Kollegen. Darunter viele, die arbeitslos waren. So ist es in fast allen Hafenbetrieben.

43 Prozent der bei Ihnen umgeschlagenen Container werden anschließend wieder verschifft. Besonders arbeitsintensiv ist das nicht.

Ob ein Container, den wir löschen, per LKW, per Bahn oder auf dem Wasser weitertransportiert wird, macht für die Umschlagsbetriebe keinen Unterschied. Ein großer Teil der Empfänger befindet sich in Skandinavien und in Osteuropa. Und aus ökologischer Sicht ist der Transport per Schiff sicherlich zu begrüßen.

[Lesen Sie zu diesem Thema auch das Protokoll einer Arbeitsgruppensitzung von „Wilhelmsburg gehört uns“ (Thematik Hafenentwicklung versus Stadtteilentwicklung in Hamburg-Wilhelmsburg) und den Beitrag Arbeiten im Hafen – Wohnen in Hafennähe (Ankündigung einer politischen Hafenrundfahrt in Hamburg am 15. März 2008]

Verwendung: Junge Welt vom 08. Februar 2008



30. August 2007

Wolfgang Joithe
Hamburgs Erwerbslose wurden ausgeschnüffelt. »Aufwandsentschädigung« half den Datensammlern. Ein Gespräch mit Wolfgang Joithe

Wolfgang Joithe ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft »Arbeit und Armut« der Partei Die Linke in Hamburg und Mitbegründer des Erwerbslosenselbsthilfevereins »PenG! Aktive Erwerbslose und Geringverdiener«

In Hamburg hat die Wirtschaftsbehörde für rund 790000 Euro eine umfangreiche Befragungsaktion zur Erstellung eines »soziologischen und psychologischen Profils« von Erwerbslosen durchgeführt. Was genau wurde gemacht?

Auf der Grundlage eines neunseitigen Fragebogens wurden seit Mai dieses Jahres fast 2 200 ALG-II-Bezieher interviewt. Wir Erwerbslosen sind von den Erfindern und Durchsetzern der Hartz-IV-Gesetze inzwischen einiges gewöhnt. Doch diese Befragungsak­tion ist der Gipfel der Unverschämtheit. Neben der täglichen Ausschnüffelung des Privatlebens sollen Hartz-IV-Geschädigte nun auch noch Auskunft darüber geben, ob sie Sympathien für die ehemalige DDR hegen, ob sie Gewalt verherrlichende Filme sehen oder gerne exotische Gerichte essen oder ob sie es wichtig finden, daß eine Liebe ein ganzes Leben hält. Das ist ein so ungeheures Ausmaß der Beschnüffelung, daß es selbst für die ARGE (Arbeitsgemeinschaften zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II) völlig neue Maßstäbe setzt.

Es wurde auch danach gefragt, ob Gewalt als ein legitimes Mittel für die Durchsetzung eigener Ziele betrachtet wird. Sollen Erwerbslose kriminalisiert werden?

Meines Erachtens verfolgen diese vielen Fragen, die sich in erster Linie um Familie, Freizeit, Eß- und Lebensgewohnheiten drehen, zunächst das Ziel, einen Leistungsmißbrauch zu konstruieren bzw. zu unterstellen. Darin ist die ARGE in Hamburg sehr erfahren.

Daß einige der Fragen des von einem Berliner Meinungsforschungsinstitut entwickelten Bogens völlig überzogen sind, hat inzwischen auch Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) eingestanden. Er hat die Befragung zunächst gestoppt. Nicht ohne den Verweis, daß die Teilnahme an der Befragung »freiwillig« gewesen und die Auswertung anonymisiert worden sei.

Dem widerspricht, daß auf dem Fragebogen die Kundennummer für den einzelnen Erwerbslosen notiert wurde. Nur so kann ja auch ein Psychogram für den einzelnen erstellt werden. Auch die sogenannte Freiwilligkeit muß angezweifelt werden, wenn man die vorhandene Angst vieler Hartz-IV-Geschädigter vor weiteren Repressalien berücksichtigt. Zudem wurde mit einer sogenannten Aufwandsentschädigung von 20 bis maximal 65 Euro nachgeholfen. Das ist für einen Hartz-Geschädigten viel Geld. Die Behörde hat inzwischen selbst angegeben, daß sie andernfalls ihr Ziel, rund 2 500 ALG-II-Beziher durch die Befragung zu erfassen, nicht erreicht hätte. Hinzu kommt, daß die von seriösen Meinungsforschungsinstituten bekannte Möglichkeit, auf einzelne Fragen in einem Fragebogen nicht antworten zu müssen, hier nicht einmal theoretisch vorhanden ist. Ausdrücklich werden die Erwerbslosen dazu aufgefordert, alle Fragen zu beantworten.

Unverschämt ist auch die Bemerkung von Uldall, was die sogenannten Fördermöglichkeiten betrifft. Hamburg hat fast alle Förder- und Qualifizierungsmöglichkeiten, die es für Erwerbslose gab, auf Eis gelegt. Favorisiert wird die Vermittlung von Ein-Euro-Jobs, die immer mehr reguläre Arbeitsplätze verdrängen.

Worum geht es aber dann?

Um den gläsernen Menschen, der dann der Willkür seiner Fallmanager vollständig ausgeliefert ist. Das aber verstößt ganz eindeutig gegen die bestehenden Datenschutzgesetze.

Trotzdem hat Uldall jetzt angekündigt, das bereits erhobene Datenmaterial vollständig auszuwerten

Daß die Umsetzer der Hartz-IV-Gesetze nicht demokratisch ticken, ist inzwischen hinreichend bekannt. Die nachgewiesene Kriminalität des Namensgebers dieser Gesetze scheint auch auf jene abzufärben, die seine Claqueure waren und noch sind. Diese Fragebögen müssen sofort eingestampft werden. Sie verstoßen gegen geltendes Recht. Und die Verantwortlichen dieser Aktion müssen rechtlich wie auch politisch zur Verantwortung gezogen werden. In der Wirtschaftsbehörde und in der ARGE muß sich endlich herumsprechen, daß deren »Kunden« Menschen sind und daß Menschenrechte auch und gerade für Erwerbslose gelten.

Verwendung: Junge Welt vom 30. August 2007
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1 Kommentar

28. Juni 2007

Lübeck: Schauerleute verhindern mit »Dienst nach Vorschrift« Mehrheitsverkauf der städtischen Hafengesellschaft

Wochenlang haben Lübecks Schauerleute gegen den von der CDU-Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft geplanten Mehrheitsverkauf der bislang städtischen Hafengesellschaft (LHG) protestiert. Seit rund einem Monat verweigerten sie Mehrarbeit und Überstunden und gingen mehrfach auf die Straße. Dieser beharrliche Kampf hat sich nun ausgezahlt. Am Mittwoch gab der »Verhandlungsmoderator« und Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Bernd Rohwer, auf einer Pressekonferenz bekannt, daß nicht 90 Prozent – so hatte es die CDU in der Bürgerschaft durchgesetzt –, sondern nur 25,1 Prozent der Hafengesellschaft verkauft werden. Das aber ist ein Kompromiß, dem auch die Betriebsräte und die Gewerkschaft ver.di ihre Zustimmung nicht verweigern konnten.

Unklar war lange Zeit, ob Lübeck die LHG überhaupt verkaufen kann. Denn weil für die Modernisierung der Hafenanlagen allein in den letzten Jahren auch rund 60 Millionen Euro aus einem Gemeinschaftsförderprogramm von Bund und Ländern flossen, befürchteten nun viele, daß Lübeck künftig nicht mehr in den Genuß solcher Fördermittel kommt. Erst am Wochenende bestätigte deshalb nun das Bundeswirtschaftsministerium in einem Brief an das Bürgermeisteramt, dass die LHG so verkauft werden kann, wie die Stadt es möchte.

Doch die Docker ließen sich davon nicht kirre machen. »Wir wollen diese Privatisierung nicht«, lautete die knappe Antwort von LHG-Betriebsratschef Klaus-Peter Mialkas, selbst nachdem der CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Andreas Zander, den Betriebsräten ein Mitspracherecht bei der Auswahl eines Großinvestors angeboten hatte. Und auch, als fast alle Medien und fast alle Politiker den Hafenarbeitern eine »Totalblockade« vorwarfen, blieb Mialkas standhaft. Denn er wußte um die Kraft seiner Kollegen, die mit ihrem »Dienst nach Vorschrift« schon etliche Reeder dazu gezwungen hatten, ihre Schiffe zur Entladung in andere Ostseehäfen umzuleiten.

Das aber war eine Sprache, die dann schließlich auch die Privatisierungsfanatiker der CDU verstanden. In der gestern auch von ihnen unterschriebenen Vereinbarung heißt es nun, daß die »unternehmerische Führung für die LHG« in städtischer Hand verbleiben soll. Ein bereits eingeleitetes »Interessenbekundungsverfahren« zur Investorensuche wird wieder eingestellt. Unterschrieben wurde ebenfalls, daß auch in Zukunft ein weiterer Anteilsverkauf nur möglich ist, wenn dem auch die Hafenarbeiter zuvor ihre Zustimmung erteilen. Insgesamt dürfen bis 2012 maximal 37,5 Prozent privatisiert werden. Und daß eine mögliche weitere Teilveräußerung dann auch noch mit einer »Vereinbarung zur Arbeitnehmersicherung« gekoppelt sein müßte, setzt dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen auf.

Das ist der Hintergrund, vor dem die Auseinandersetzungen um drohende Privatisierungen in Lübeck weitergehen werden. So schon heute, wenn die Gewerkschaft ver.di für 16 Uhr zu einer Demonstration vor dem Rathaus gegen den drohenden Verkauf der städtischen Entsorgungsbetriebe aufruft. Es gehe eben nicht nur um einen einzelnen Betrieb, sondern um die Verhinderung der Privatisierungsstrategien insgesamt, betonte der Lübecker ver.di-Geschäftsführer Ulrich Praefke.

Verwendung: Junge Welt vom 28. Juni 2007
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19. Juni 2007

Fünf Wochen nach den Bürgerschaftswahlen in Bremen, haben sich SPD und Grüne am Wochenende auf einen Koalitionsvertrag und die Neubesetzung des Bremer Senats geeinigt. Wie der Senat bestellt sein soll, daß gaben beide Parteien am Montag auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Grünen erhalten demnach zwei von insgesamt sieben Senatsressorts. Ihrem Koalitionspartner haben die Sozialdemokraten unter Bürgermeister Jens Böhrnsen dabei neben der Umweltbehörde nur noch das Finanzressort zugebilligt. Letzteres wird nun von bisherigen grünen Fraktionsvorsitzenden Karola Linnert geleitet.

Doch noch weniger hat die Öko-Partei bezüglich der inhaltlichen Grundlagen ihrer künftigen Regierungshandelns durchsetzen können. Die Fahrrinnenvertiefung der Weser, ein Projekt, das die Grünen noch im Wahlkampf heftig kritisierten, ist nun beschlossene Sache. Und auch beim umstrittenen Neubau eines großen Kohlekraftwerkes, haben die Grünen offenbar kapituliert. Zwar soll letzteres noch durch ein „Prüf- und Moderationsverfahren“ gehen, doch dass es dann am Ende gebaut wird, daran zweifelt neimand. Erkauft hat sich dies die SPD mit dem Ausbau eines „Kompetenzzentrums für Klimaschutz, Energiesparen und erneuerbare Energien“ sowie mit fünf Renaturierungsprojekten an der Weser.

Wer in der neuen Koalition das Sagen hat, das verrät indes auch ein Blick auf die weitere Senatsliste. Denn außer beim Finanzressort, verwalten die Sozialdemokraten nun sämtliche Schlüsselressorts. Darunter die für Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft und das Justizressort.

Neue Akzente will die SPD-Grüne-Koalition hingegen in der Sozialpolitik setzen. Mit 58 Millionen Euro will der neue Senat die Kindergärten ausbauen. Mehr Geld soll rd künftig auch für die Betreuung der Erwerbslosen geben. Letzteres steht allerdings unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wie der Senat aber Haushaltsumschichtungen in diese Richtung bewirken will, sei bisher nicht erkennbar, kritisierte denn auch Klaus-Rainer Rupp, finanzpolitischer Sprecher der neuen Bürgerschaftsfraktion der LINKEN.

Ebenfalls nicht vom Tisch ist die Privatisierung eines Teils der Bremer Kliniken und die Kürzung der Zuschüsse für die Bremer Hochschulen um 93 Millionen Euro, die noch der alte SPD-CDU-Senat beschloß.

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14. Juni 2007

Lübecks Schauerleute protestieren gegen den Verkauf der Hafengesellschaft. Die ersten Schiffe mußten schon umgeleitet werden

Der Streit um die Privatisierung der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) spitzt sich zu. Die ersten Reeder mußten ihre Schiffe bereits umleiten, nachdem die rund 1000 Hafenarbeiter der LHG nun schon seit sechs Tagen Überstunden verweigern. Vor allem an den Papierterminals staut sich deshalb die Ladung.

Die Schauerleute fordern, daß die Lübecker Bürgerschaft ihren Beschluß zurücknimmt, 90 Prozent der Anteile ihres bislang städtischen Hafenunternehmens an einen Großinvestor zu verkaufen. Dazu aber ist die CDU-Mehrheit weiterhin nicht bereit. Ihr Fraktionschef Andreas Zander warf der Gewerkschaft ver.di und den Hafenarbeitern am Mittwoch sogar eine »Totalblockade« vor. Die Überstundenverweigerung gehe weit über den tariflichen Gestaltungsauftrag der Gewerkschaften hinaus.

Zander hatte dem Betriebsrat und ver.di am Sonntag angeboten, wenn sie ihren Widerstand gegen den Verkauf aufgäben, könnten sie sogar bei der Auswahl des Investors mitreden. Selbst von einem »Vetorecht« war die Rede. Doch das kommt für LHG-Betriebsratschef Klaus-Peter Mialkas nicht in Frage: Seine Belegschaft will überhaupt keine Privatisierung.

Die Hafenarbeiter verweisen darauf, daß die rund 100 Millionen Euro, die zur Modernisierung der Anlagen notwendig seien, notfalls auch bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein aufgenommen werden könnten. Zudem verlangen sie eine Arbeitsplatzgarantie, die aber potentielle Investoren, wie die internationale Finanzgruppe Babcock & Brown, verweigern.

Auf rechtliche Schwierigkeiten verweist die oppositionelle SPD. Die Kernfrage sei, ob der Hafen überhaupt verkauft werden könne, sagte SPD-Fraktionsvize Frank-Thomas Gaulin bei einer Sitzung der Bürgerschaft Ende Mai. Seine Partei befürchtet nämlich, daß nach einem Verkauf Fördergelder der EU zurückgezahlt werden müssen. Deshalb solle nun ein Schlichter her, fordern auch Abgeordnete der Grünen. Etliche liebäugeln offenbar mit einer »Hamburger Lösung«. Denn als dort der CDU-Senat mit seinem Plan, die »Hafen- und Lagerhausgesellschaft« (HHLA) zu verkaufen, am Widerstand der Beschäftigten gescheitert war, konnten Finanzmittel durch einen »Börsenverkauf in Streubesitz« (und für eine begrenzte Menge der Anteile) gewonnen werden.

Wie groß der Druck der Schauerleute inzwischen aber auch in Lübeck ist, machte am Dienstag die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck deutlich. Sie forderte die Wiederaufnahme der Gespräche mit den Arbeitern und erinnerte daran, daß vom Hafen weitere 6000 Arbeitsplätze abhängig seien. Noch deutlicher wurden die Fachvereinigungen der Spediteure und der Schiffsmakler. Sie forderten den sofortigen Stopp des laufenden Verkaufsprozesses.

Verwendung: Junge Welt vom 14. Juni 2007
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05. Juni 2007

OOCL ASIA
Solidarität maritim: Hafenarbeitergewerkschaften wollen Tarifvertrag für Seeleute erzwingen. Aktionswoche in mehreren europäischen Häfen

Mit einer nordeuropäischen Aktionswoche reagiert die Internationale Transportarbeiterföderation (ITF) auf das zunehmende Lohn- und Sozialdumping in der internationalen Schiffahrtsbranche. Denn betroffen davon sind nicht nur die Seeleute asiatischer, afrikanischer oder südamerikanischer Reedereien. Auch etwa 3200 deutsche Schiffe laufen inzwischen unter sogenannten Billigflaggen – wie der von Nigeria, von Panama, von Burma, den Bermudas oder den Bahamas. Und für 50 Prozent dieser deutschen Schiffe gelte dann auch kein Tarifvertrag, sagte ITF-Vertreter Dieter Benze am Montag auf einer Pressekonferenz in Hamburg. Die Crewmitglieder müssen für wenige hundert Euro im Monat schuften.

Die ITF strebt an, einen Mindestsatz für alle Seeleute durchzusetzen – die Heuer eines Matrosen soll danach bei 1550 Euro im Monat liegen – inklusive 103 Überstunden. Noch bis Freitag rufen die Hafenarbeitergewerkschaften in allen nordeuropäischen Ländern, aber auch in Rußland und Frankreich, gemeinsam dazu auf, ohne Tarifvertrag fahrende Schiffe zu boykottieren. Abgefertigt werden sie erst dann, wenn der jeweilige Kapitän oder die Reederei den Tarifvertrag der ITF unterschrieben hat.

Diese Unterstützung durch die Hafenarbeiter sei aber auch bitter nötig, unterstrichen die ITF-Vertreter in Hamburg. Denn die Mannschaften unterliegen dem Seerecht. Und dort sind die Grenzen zwischen Streik und »Meuterei« häufig fließend. Seeleuten aus Burma etwa droht sogar Gefängnis, wenn sie sich an Streikaktionen beteiligen.

Doch die Unterstützung durch die Hafenarbeiter geschehe nicht nur aus Solidarität, sondern auch aus »kollektivem Eigennutz«, unterstrich der bei ver.di für die Docker zuständige Gewerkschaftssekretär Andreas Bergmann. Denn im Tarifvertrag der ITF gibt es auch eine sogenannte Hafenarbeiterladungsklausel. Und nach der ist es den Reedern verboten, ihre Schiffe mit der eigenen Besatzung zu löschen oder weitere typische Hafenarbeiterdienstleistungen zu verrichten.

Wie kriminell die Aktivitäten der Reeder hingegen sind, darauf verwies in Hamburg ITF-Vertreterin Barbara Ruthmann. Denn selbst auf jenen Schiffen, für die es schon gelungen sei, einen Tarifvertrag der Organisation durchzusetzen (etwa 2800 der weltweit 21000 Schiffe, die unter Billigflaggen laufen), würden die tariflichen Standards häufig unterschritten. So nötige man die Seeleute vielfach, falsche Lohnabrechnungen zu unterschreiben. Die Inspekteure der ITF wollten deshalb während der Aktionswoche gezielt das Gespräch mit den Besatzungen tarifgebundendener Reedereien suchen, so Ruthmann. Kämen dabei derartige Mauscheleien ans Licht, werde das Schiff so lange nicht entladen, bis den Seeleuten die Heuer laut Tarifvertrag nachgezahlt ist. Schwerpunkte der bereits zwölften ITF-Aktionswoche dieser Art sind in Deutschland die Seehäfen von Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Nordenham, Lübeck, Saßnitz und Rostock.

Mit Hilfe von Billigflaggen lassen sich arbeitsrechtliche Vorschriften im Land des Reeders umgehen – gleichzeitig erlauben sie es, extrem lange Arbeitszeiten und sicherheitsgefährdende Arbeitsbedingungen zu erzwingen und dafür auch noch niedrige Heuern zu bezahlen. Billigflaggenschiffe haben keine Nationalität im eigentlichen Sinne, daher gehören sie auch nicht zum Bereich einzelner nationalstaatlicher Seeleutegewerkschaften. Die ITF organisiert deshalb auf internationaler Basis Besatzungen von Billigflaggenschiffen. Seit 1948 führen ITF und die ihr angeschlossenen Gewerkschaften der Seeleute und der Hafenarbeiter eine zähe Kampagne gegen Reeder, die sich auf der Suche nach möglichst billigen Besatzungen und möglichst niedrigen Ausbildungs- und Sicherheitsanforderungen für ihre Schiffe von der Flagge ihres Herkunftslandes verabschieden. Der 1896 gegründeten Föderation gehören nach eigenen Angaben mehr als 681 Gewerkschaften mit über 4,5 Millionen Mitgliedern im Bereich Transport und Verkehr in mehr als 148 Ländern an.

Verwendung: Junge Welt vom 5. Juni 2007
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05. Mai 2007

Elbanrainer und Umweltschützer wehren sich gegen die Vertiefung der Unterelbe. Kutterdemo und Protestaktion vor dem Hamburger Rathaus

Mit einer Aktion vor dem Hamburger Rathaus und einer Kutterdemo auf der Elbe haben Naturschützer und Elbanrainer am Freitag das Ende der sechswöchigen Einreichfrist im laufenden Planfeststellungsverfahren für die Elbvertiefung gefeiert. Wie berichtet, hatte Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall die Fahrtrinnenvertiefung um einen weiteren Meter auf dann 14,50 Meter gefordert, damit auch Superfrachter neuester Bauart mit bis zu 11000 Standardcontainern den Hamburger Hafen problemlos und ohne Grundberührung erreichen können. Doch gegen das 330 Millionen Euro teure Projekt, bei dem der Bund fast zwei Drittel aller Kosten übernehmen will, gibt es seit Monaten gewichtige Einwände.

Es sind vor allem die Elbanrainer bis hinauf nach Cuxhaven, die diese Protestbewegung tragen. Denn für den Fall, daß die Elbe weiter ausgebaggert wird, fürchten sie eine wachsende Gefahr bei Sturmfluten und auch Deichbrüche durch die dann stärkere Strömung. Unabsehbar seien aber auch die Folgen für Flora und Fauna und die eigenen Hafenanlagen. Wie Umweltschutzverbände am Freitag bekanntgaben, kommen deshalb nun allein fast 500 Einwendungen gegen die weitere Elbausbaggerung aus dem Landkreis Cuxhaven.

Doch Widerstand gegen das von Hamburg gewünschte Projekt signalisieren nicht nur Elbgemeinden. Bei der Aktion vor dem Rathaus waren es Vertreter des BUND, des Förderkreises »Rettet die Elbe« und des Naturschutzbundes (NABU), die der Hansestadt ihre 23 Planungsordner symbolisch vor die Tür warfen. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde solle ihre Unterlagen »in die Tonne« treten, denn diese seien voller Lügen und gespickt mit Halbwahrheiten. Um dies zu begründen, hatte der BUND sogar eine eigene Studie ausarbeiten lassen, auf der im Detail Planungsfehler nachgewiesen werden.

Hauptargument ist dabei, daß es an Umweltverträglichkeitsprüfungen mangele. Das Projekt, für das bis 2010 rund 40 Millionen Kubikmeter Schlick und Sand bewegt werden müssen, verstoße gleich gegen fünf Richtlinien der Europäischen Union. Der NABU kritisiert zudem, dass auch an einer ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse fehle. Kritisiert wird außerdem, dass die in den Planunterlagen verwendeten Datengrundlagen den erst jüngst vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Anforderungen für solche Projekte, nicht entspreche. Außerdem warnen die Umweltschützer, daß eine weitere Elbvertiefung auch die Sauerstoffprobleme in dem Fluss weiter verschärfen würden. Wanderfische, wie zum Beispiel die Meerforelle und der Lachs, könnten ihre Laichgebiete dann nicht mehr erreichen.

Noch gewichtiger sind die ökonomischen Einwände, die die Elbanrainer geltend machen. In einigen Schriftsätzen heißt es, die bisherige Fahrtrinnentiefe von 13,50 Metern sei in den letzten Jahren nur dreimal in Anspruch genommen worden. Etliche Reeder löschten einen Teil ihrer Fracht bereits in Le Havre, Rotterdam oder Antwerpen – es gebe somit keine Schiffe, die Hamburg wegen zu großen Tiefgangs nicht erreichen können. Auch der Wunsch der Reeder, einen Teil ihrer Fracht künftig in Hamburg zwischenzulagern, bevor es dann zurück nach Südostasien gehe, bringe keine Mehrauslastung und damit auch keine neuen Arbeitsplätze. Doch gerade damit hatte Hamburg seine Ausbaggerungspläne begründet.

Verwendung: Junge Welt
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23. März 2007

Der nachfolgende Beitrag ist ein Gastbeitrag von Wolfgang Joithe

Glos lässt Katze aus dem Sack: Zwangsarbeit für Hartz-IV-Geschädigte

Laut einem Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom 23.03.07 will der Wirtschaftsminister 1,4 Millionen Stellen für Geringverdiener schaffen. Das „erarbeitete Konzept“ sieht eine „Arbeitspflicht für alle Hilfsbedürftigen“ vor. Die „Ökonomen des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) glauben, dass die Pläne von Glos ein wahres Job-Wunder auslösen können“.

Ob die „entwickelte Reform“ aus der Feder des Herrn Glos und seiner Mitarbeiter stammt, sei einmal dahingestellt. Wie wir wissen, erbeitet die Wirtschaftslobby den Regierenden gern zu – was bei der fehlenden Fachkompetenz nur allzu bereit „angenommen“ wird.

Dass hier eine Journalistin der „Süddeutschen Zeitung“ (Nina Bovensiepen) dieses Konzept ohne jede kritische Bemerkung in einen Artikel gießt, zeigt den Zustand der journalistischen Arbeit in Deutschland – und den Zustand unserer „BILDungsgesellschaft“.

Einen Blick in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hätte Frau Bovensiepen doch wohl werfen können:

Artikel 12 GG:

„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“

„Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen Dienstpflicht.“

„Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“

Zumindest hier hätte man einige kritische Anmerkungen erwarten dürfen. Das ein Bundesminister das Grundgesetz auf Grund setzen will, wäre doch die eine oder andere Zeile wert gewesen – oder ist unsere Verfassung das Papier nicht mehr wert, auf dem es gedruckt ist?

Noch besser kommt es mit dem „unabhängigen“ IZA-Institut. Haben die kein Archiv mehr bei der „Süddeutschen Zeitung“?

Im Februar 2006 schlug der IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik, Dr. Hilmar Schneider, vor, die Arbeitskraft von Hartz-IV-Geschädigten zu „versteigern“, der „Sklavenmarkt“ ließ grüßen.

Direktor des Instituts ist Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann, der der „Initiative für (A)Soziale Marktwirtschaft“ nahe steht und auch Präsident des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist . Zimmermann ist vehementer Verfechter der Arbeitsmark“reformen“ und trimmt das ehemals gut beleumdete DIW auf den neoliberalen Kurs.

Last but not least: Präsident des IZA ist Klaus Zumwinkel, der Vorstandsvorsitzende der „Deutsche Post World Net“, die sich das IZA „hält“.

Bei der IZA handelt es sich also nicht um ein unabhängiges Institut, sondern um ein Instrument jener, die den Raubtierkapitalismus weiter (bis zum Endsieg?) vorantreiben wollen, der verharmlosend auch „Neoliberalismus“ (besser: Neofeudalismus) genannt wird.

Eine Nachfrage sei gestattet: Wieso nur 1,4 Millionen Stellen? Nach den offiziellen Zahlen müssten doch mindestens 4 Millionen Zwangsarbeit-Jobs geschaffen werden! Da man sich bei diesen Herren, denen das Grundgesetz einfach schnuppe ist, reichlich aus dem Fundus unserer jüngsten, unrühmlichen Geschichte bedient (Reichsarbeitsdienst, der unter den Nazis zum Zwangsdienst wurde), lässt diese Lücke nur einen Schluss zu: die restlichen 2,6 Millionen werden– um im Jargon der „Schmarotzer, Parasiten, Zwangsarbeit“-Hetzer zu bleiben – der „Endlösung“ zugeführt. Ganz im Sinne unseres Bundesministers Müntefering: „Nur wer arbeitet, soll essen“. Und wie sagte der Präsident des HWWI (Hamburger Welt-Wirtschafts-Institut), Prof. Dr. Thomas Straubhaar (Botschafter der „Initiative (A)Soziale Marktwirtschaft“), kürzlich: „Zuckerbrot und Peitsche“.

Glos, Clement, Zimmermann, Zumwinkel, Schneider, Straubhaar: nur die Mode hat sich geändert. Man trägt heute dezentes Grau bis Schwarz – und ist kräftig dabei, das Grundgesetz auf Grund zu setzen.

Der Autor dieses Beitrages Wolfgang Joithe ist aktiv in der Erwerbslosengruppe PeNG! Näheres siehe: hier

Der besprochene Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist unter folgendem Link zu finden: Süddeutsche Zeitung

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17. März 2007

Airbus_Aktionstag_1
Gewerkschaften protestieren gegen Einsparpläne bei Airbus

Europaweit haben am Freitag zehntausende Airbus-Beschäftigte gegen das vom EADS-Management beschlossene Sparprogramm »Power 8« protestiert. In Deutschland lag der Schwerpunkt des vom Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB) ausgerufenen Aktionstages in Hamburg. Rund 20 000 Airbus-Beschäftige aus allen norddeutschen Standorten versammelten sich dort zur Zentralkundgebung der IG Metall.

Es geht bei dem europäischen Flugzeugbauer Airbus um viel. Europaweit will das Management des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS rund 10 000 der 57 000 Arbeitsplätze streichen. Allein in Hamburg könnten davon bis zu 2000 Mitarbeiter betroffen sein. Die Werke in Varel, Laupheim und Saint-Nazaire sollen außerdem verkauft werden. Mit »Industriepartnerschaften« sollen aber auch die Produktionsstandorte im englischen Filton, im Méaulte (Frankreich) und im niedersächsischen Nordenham aus dem Airbus-Verbund herausgelöst werden. Die Konzernspitze verspricht sich davon »schlankere« Produktionsstrukturen, steigende Renditen und eine »Cash-Maximierung«, mit der sie die Entwicklungskosten für den neuen Langstreckenjet A 350 XWB finanzieren will.

Doch das ist für den Vorsitzenden der IG Metall, Jürgen Peters, der als Hauptredner in Hamburg auftrat, ein reiner Katastrophenkurs. Der Verkauf von Standorten, die Ausgliederung von Kernkompetenz und der Abbau tausender Arbeitsplätze würden nicht zur Lösung der Airbus-Krise beitragen. Schließlich sei der Flugzeughersteller ja auch nicht wegen zu hoher Personalkosten in die Krise geraten, sondern wegen der Fehler des Top-Managements, das »den Karren in den Dreck gefahren« habe. Energisch verlangte Peters ein neues Zukunftskonzept, das auf der Basis der bisherigen Produktionsstrukturen beruhe.

So sehen es auch die Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen, CDU) und Günter Oettinger (Baden-Württemberg, CDU), die ebenfalls in Hamburg sprachen. Wulff zweifelte die Sinnhaftigkeit des Sanierungsprogramms offen an, das ihn in seinen Einzelmaßnahmen »bisher nicht einleuchte«. Und mit Blick auf die Wachstumspotenziale der Branche betonte er, dass es Kündigungen an »keinem Standort in Europa« geben dürfe. »Die Fehler lagen beim Management«, betonte auch Oettinger, der dem Airbus-Vorstand zudem vorwarf, die Marktlage für den A 380 völlig falsch eingeschätzt zu haben.

Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) verlangte, die Sicherung aller Standorte auch in den Rang einer »nationalen Aufgabe« zu erheben. Die Franzosen hätten dies den Deutschen vorgemacht, sagte Uldall, der zudem auf die Bedrohung tausender Arbeitsplätze in der Zuliefererindustrie aufmerksam machte. Dass der Wettbewerbsgegner nicht in Europa liege, betonte hingegen Bremens Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), der eine Stärkung der einzelnen Standorte forderte.

Dass kein Arbeitsplatz geopfert werden dürfe, sagte auch Martin Wittmaack, Landesgeschäftsführer der Hamburger Linkspartei, der in einer schriftlichen Stellungnahme »Power 8« als Programm für weitere »Extraprofite« bezeichnete.

Dies reicht Gesamtbetriebsratschef Rüdiger Lütjen nun nicht mehr aus. Er forderte die Politiker dazu auf, das EADS-Management künftig auch durch »vertragliche Regelungen« stärker unter Kontrolle zu nehmen. Sollte sich aber die »Dialogunfähigkeit« von Airbus-Co-Chef Louis Gallois fortsetzen, werde es einen »harten Arbeitskampf« geben, versprach Lütjen.

Verwendung: Neues Deutschland



16. März 2007

Airbus_Aktionstag_5
Knapp 25 000 Menschen haben sich an Freitag in Deutschland an den Protesten zum europäischen Airbus-Aktionstag beteiligt. Allein in Hamburg versammelten sich rund 20000 Beschäftigte aus allen norddeutschen Airbus-Standorten zu einer Kundgebung der IG Metall auf der Reeperbahn. Bereits zuvor hatten im baden-württembergischen Laupheim rund 2000 Beschäftigte eine Menschenkette um das dortige Airbus-Werk gelegt. Proteste gab es auch im bayrischen Donauwörth, im niedersächsischen Varel und bei einem Airbus-Zuliefererbetrieb in Speyer.

Für die Beschäftigten geht es um viel. Mindestens 10000 Stellen der insgesamt rund 57000 Arbeitsplätze sollen europaweit gestrichen werden, darunter 3700 in der BRD. Den Werken in Varel und Laupheim sowie im französischen Saint Nazaire droht sogar ein kompletter Verkauf.

IG-Metall-Chef Jürgen Peters sprach auf der Kundgebung in Hamburg von einer »katastrophalen Entwicklung«, bei der die Beschäftigten für die »Fehler des Topmanagements« zahlen sollen. Sollte es zu Kündigungen kommen, versprach Peters einen »harten Arbeitskampf«. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hält Entlassungen für nicht gerechtfertigt, sagte er in Hamburg. In dasselbe Horn stieß der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU), und Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) tönte, die Sicherung der deutschen Standorte müsse zu einem Projekt von »nationaler Bedeutung« werden.

Doch Arbeitsplätze stehen nicht nur in Deutschland, sondern gleichermaßen in Frankreich, Spanien und Großbritannien auf dem Spiel. Auch in Toulouse, in Méaulte, in Nantes und Saint-Nazaire gingen fast 10000 Menschen auf die Straße. Zu Protesten kam es am Freitag ebenso in den Airbus-Werken in Spanien und im britischen Chester.

Die noch vor wenigen Tagen angekündigte gemeinsame Großkundgebung des Europäischen Metallarbeiterbundes in Brüssel kam indes nicht zustande. Wie tief die Gräben zwischen den nationalen Gewerkschaftsbürokratien sind, wurde erst am Vortag der Aktion deutlich, als der französische »Gewerkschaftsbund der höheren Angestellten« (CFE-CGC) das Sanierungsprogramm »Power 8« als eine »Prämie für die Inkompetenz« deutscher Airbus-Werke bezeichnete. Horst Niehus, Betriebsratschef in Hamburg, wo allein fast 2000 Arbeitsplätze gefährdet sind, forderte daraufhin nun den Ausschluß dieser Gewerkschaft aus dem gemeinsamen europäischen Betriebsrat.

Daß Airbus kein Sanierungsfall und interne Standortkonkurrenz nicht nötig sei, unterstrich indes Gesamtbetriebsratsvorsitzender Rüdiger Lütjen. Die Auftragsbücher seien voll, sagte Lütjen. Daß kein Arbeitsplatz, weder in Toulouse noch in Hamburg, verloren gehen dürfe, betonte auch Linkspartei-Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack. In einer schriftlichen Stellungnahme hieß es, daß »Power 8« kein Sanierungsprogramm, sondern nur ein Programm für Extraprofite wäre.

Verwendung: Junge Welt
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15. März 2007

Portrait Mendrzik
Hamburg: Senat verzichtet auf Verkauf von 49.9 Prozent der HHLA. Teil geht dennoch an die Börse. Ein Gespräch mit Thomas Mendrzik

Thomas Mendrzik ist stellvertretender Konzernbetriebsratsvorsitzender und Sprecher der Vertrauensleute der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)

Der Hamburger Senat hat am Dienstag nachmittag einen Rückzieher gemacht und beschlossen, das bisherige Bieterverfahren, das einen Direktverkauf von 49,9 Prozent der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) vorsah, zu stoppen. Statt dessen sollen 30 Prozent des Aktienkapitals an der Börse verkauft werden. Wie bewerten Sie das?

Das ist ein hervorragendes Ergebnis –für den Erhalt aller Arbeitsplätze, für die Sicherung sozialer Standards, für eine gute Entwicklung des Hafens. Internationale Finanzspekulanten haben hier keinen Platz. Wir haben uns heute bei allen Kollegen für die große Solidarität und ihre Entschlossenheit bedankt, mit der alle an einem Strang gezogen haben. Nur deshalb konnten wir uns in den Verhandlungen auch an allen Punkten durchsetzen, die uns wichtig waren.

Die Gefahr, daß Großinvestoren nun doch noch über die Börse in die HHLA hineindringen, sehen Sie nicht?

30 Prozent sind nicht 49,9 Prozent. Und diese 30 Prozent sollen als Streubesitz an möglichst viele Aktionäre verkauft werden. Bei einem Weiterverkauf gibt es dann auch Rückkaufoptionen. Außerdem wird zudem noch über eine Mitarbeiterbeteiligung durch stimmrechtslose Vorzugsaktien verhandelt.

Der Börsengang ist trotzdem nur die »zweitbeste Lösung«. Sie selber haben gesagt, daß eigentlich nichts hätte verkauft werden müssen, um die Modernisierung der Hafenanlagen zu finanzieren.

Das wäre sicher noch besser gewesen. Doch nachdem wir uns in allen Kernfragen, wie etwa der Verhinderung eines Großinvestors, durchgesetzt hatten, war nun die Zeit für einen Kompromiß bei dem dann auch der Senat irgendwie mitziehen kann. Das ist dann die Logik solcher Verhandlungen. Doch hierzu möchte ich anmerken, daß wir diese Lösung schon vor Wochen als einen denkbaren Kompromiß selbst angeboten hatten. Von Anfang an haben wir deutlich gemacht, wo unsere Schmerzgrenzen liegen.

Positiv ist auch, daß der Fischmarkt und die Speicherstadt nicht aus der HHLA herausgelöst werden. Das hatte der Senat ja bereits beschlossen. In den Gesprächen haben wir deutlich gemacht, daß dies mit uns auch dann nicht zu machen ist, wenn es nur wenige betrifft. Hätte sich der Senat darauf nicht eingelassen, hätte es schon heute ziemlich gerappelt im Hamburger Hafen. Einen Überstundenboykott, der den Hafen dann weitgehend lahmgelegt hätte, hatten wir ja bereits beschlossen.

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Die große Solidarität zwischen allen Hafenarbeitern, aber ebenso zwischen den Belegschaften der unterschiedlichsten Hafenbetriebe. Hätten wir die Überstunden boykottiert, dann wären die Schiffe auch nicht in anderen Hafenbetrieben entladen worden. Nur so ist es möglich gewesen, weit über das Betriebsverfassungsgesetz hinauszugehen: Wir haben gesagt, daß die HHLA auch unser Unternehmen ist und wir schon deshalb die Geschäftspolitik nicht nur dem Management oder diesem Senat überlassen. Geholfen hat uns natürlich die große Solidarität der Bürger unserer Stadt. Viele spürten wohl, daß es hier um etwas Grundsätzliches geht. Der Senat hat demgegenüber den Fehler gemacht, diese Solidarität und diese Kampfbereitschaft zu unterschätzen.

Was ist das Besondere am Hafen. Was lief hier anders als bei den Kliniken, wo selbst mit einem Volksentscheid die Privatisierung nicht zu stoppen war?

Wir sind sehr gut organisiert. Wir arbeiten zudem direkt am Flaschenhals einer großen Transportkette. Wird im Hafen nicht gearbeitet, geht das sofort in die Millionen. Doch auch bei den Kliniken wäre dann mehr drin gewesen, wenn deutlicher geworden wäre, daß da wirklich alle an einem Strang ziehen. Die Botschaft unseres Kampfes war hingegen ziemlich klar: Nur wenn dein starker Arm es will, stehen alle Räder still.

Bernt Kamin, Betriebsratschef der Gesamthafenarbeiter, hat nun vorgeschlagen, diesen Gedanken der Solidarität auch außerhalb des Hafen wieder stärker zu entwickeln. Er schlägt die Bildung von Koordinationsgremien der Interessenvertreter aller öffentlichen Unternehmen vor. Was halten Sie davon?

Das ist ein guter Vorschlag, der schon auf der nächsten Landeskonferenz von ver.di diskutiert und auch beschlossen werden sollte.

Verwendung: Junge Welt



5. März 2007

Betriebsrat der Hamburger Hafen und Logistik AG reagiert mit Überstundenstopp auf Verkaufsverhandlungen

Der Konflikt um die vom CDU-Senat angestrebte Teilprivatisierung der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) spitzt sich zu. »Unsere Leute sind nur noch wütend«, sagte Thomas Mendrzik, Vizechef des HHLA-Konzernbetriebsrats, am Samstag gegenüber jW. Zuvor hatte der Senat angekündigt, mit der australischen Macquarie-Bank und einem Konsortium um den Baukonzern Hochtief in konkretere Verhandlungen über den Verkauf von 49,9 Prozent der HHLA-Anteile einzutreten. Für diesen Fall hatten die Hafenbetriebsräte jedoch schon im Januar beschlossen, jede Form von Mehrarbeit abzulehnen – und das unbefristet. In einer Mitteilung des Betriebsrates heißt es, dieser Beschluß werde schon am 12. März in Kraft treten, sollte der Senat seine Verkaufsverhandlungen nicht sofort stoppen.

Diese Ankündigung läuft faktisch auf Streik hinaus, denn im Hafen werden rund ein Drittel aller Arbeitsleistungen durch Überstunden erbracht. Ohne diese würden sich die Liegezeiten an den Kaimauern schon binnen weniger Tage um etwa 50 Prozent verlängern. Die Folge wäre ein riesiger Stau auf der Elbe. Große Containerschiffe könnten den Hamburger Hafen dann nicht mehr anlaufen.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nannte die angekündigte »Streik­aktion« verärgert »völlig überzogen und nicht gerechtfertigt«. Der Industrieverband Hamburg (IVH) warnte vor den Folgen für das angeschlossene Transportgewerbe: Der Streik würde Unternehmen mit etwa 100000 Mitarbeitern treffen. Der Senat beteuerte, man strebe eine Lösung an, die die »berechtigten Interessen aller Beteiligten« berücksichtige und forderte die Betriebsräte zu »besonnenem Handeln« auf.

Doch von solchem Gerede haben die Hafenarbeiter erst einmal genug. Neben dem Stopp aller Verkaufsverhandlungen fordern sie das Einfrieren aller Planungen des Senats zur Herauslösung der Speicherstadt und des Fischmarkts aus der HHLA. Selbst einen HHLA-Börsengang mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien lehnen sie nun ab, nachdem der unter den Beschäftigten zuvor als ein denkbarer Kompromiß diskutiert worden war. HHLA-Betriebsratschef Arno Münster warf dem Senat »völlige Konzeptionslosigkeit« vor. Er habe bei den Arbeitern »jegliche Glaubwürdigkeit« verloren.

Verwendung: Junge Welt
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3. März 2007

Streit um Landebahnverlängerung bei Airbus erhält neue Nahrung

Während die Politik über die Airbus-Pläne für den Standort Hamburg erleichtert ist, kündigt der Betriebsrat Proteste an.

Derzeit vergeht kaum ein Tag ohne neue Überraschungen bei Airbus. Am Mittwoch wurde das umstrittene Sparprogramm »Power 8« verkündet, bei dem Hamburg laut Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) mit einem »blauen Auge« davon kam. Doch nun führen Meldungen über einen Baustopp für die geplante Frachterversion des Großraumjets A 380 zu Besorgnis.

Dieser A 380F war in der Hansestadt der Bewilligungsgrund für die umstrittene Verlängerung der Start- und Landebahn am Airbus-Werk in Finkenwerder. Ohne eine solche Verlängerung hätte die Konzernspitze in Toulouse aber auch niemals das Auslieferungszentrum für die Passagiervariante des Megajets genehmigt. Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken ist deshalb um Schadensbegrenzung bemüht. Er spricht von einem nur »vorübergehenden Baustopp«, weil bisherige Terminpläne nicht eingehalten worden seien.

Das sieht A 380-Programmchef Mario Heinen offenbar völlig anders. Er sagte gegenüber der »Financial Times Deutschland«, dass es eine Marktperspektive für den Frachter nicht gebe. Großkunden wie die Leasinggesellschaft International Lease Finance sowie Paketversender Fedex und UPS hatten Bestellungen zuvor storniert.

Für die Klägergemeinschaft um die streitbare Obstbäuerin Gabi Quast, die sich jahrelang mit anderen Anrainern gegen die Landebahnverlängerung gewehrt hatte, schafft der Baustopp neue Perspektiven. Gegenüber ND verwies sie darauf, dass das Hauptverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch nicht einmal eröffnet worden sei. Bisherige Grundstücksenteignungen und den Baubeginn habe es nur im Wege von Eilverfahren vor dem Landgericht gegeben. Quast fordert jetzt einen sofortigen Rückbau der Baumaßnahmen.

Doch ob das realistisch ist, bleibt abzuwarten. EADS-Konzernchef Louis Gallois hat mit »Power 8« ja nun auch grünes Licht für das neue Hamburger Auslieferungszentrum für den A 380 gegeben. Ein monatelang geführter Streit um die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Airbus-Hauptstandorten Hamburg und Toulouse ist damit beendet. Die Landebahnverlängerung forderte die Konzernzentrale auch mit Blick auf künftige noch größere Varianten des Passagierflugzeugs.

Bei Kurz- und Mittelstreckenjets soll Hamburg künftig sogar noch mehr zu tun haben als bisher. Während das Werk bisher nur am Bau für den A 318, den A 319 und den A 321 beteiligt war, kommen nun noch kleinere Kontingente beim A 320 dazu. Und die nächste Generation des erfolgreichen Mittelstreckenflugzeugs, die ab Mitte nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen soll, wird sogar fast vollständig an der Elbe gebaut werden. Entwicklungsverantwortung verbleibt aber auch für den Rumpf und die Kabine des Langstreckenflugzeugs A 350, was für die Hamburger Flugzeugindustrie eine besonders gute Nachricht ist: So bleibt der Standort auch von der neuen Technologie CFK (kohlefaserverstärkter Kunststoff) nicht abgeschnitten, was insbesondere die Politik zuvor befürchtete.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sieht die Hansestadt deshalb durch »Power8« auch eher gestärkt. »Fair und angemessen« sei der Standort behandelt worden, hieß es. Doch so viel Euphorie will bei den Beschäftigten und ihrem Betriebsratschef Horst Niehus bisher nicht aufkommen. Niehus weiß, dass auch sein Werk Tribut zahlen muss, wenn Airbus seine Ankündigung wirklich wahrmacht, bis zu 3700 Stellen allein in Deutschland abzubauen. In einigen Medien ist sogar schon von bis zu 1000 Arbeitsplätzen die Rede, die an der Elbe trotz höherer Aufträge verloren gehen könnten.

Das aber will Niehus nicht hinnehmen. Nicht wegen der Personalkosten, sondern wegen Managementfehlern sei Airbus in die Krise geraten. Hunderte seiner Kollegen mobilisierte Niehus deshalb schon am Donnerstag zu ersten Protestaktionen. Und beim europaweiten Aktionstag Mitte März gegen »Power 8« soll Hamburg ein Zentrum der Proteste sein.

Verwendung: Neues Deutschland
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3. März 2007

portrait_Juergen_BrunsDie Airbus-Beschäftigten in Varel wollen den Verkauf des Werkes nicht kampflos hinnehmen. Ein Gespräch mit Jürgen Bruns

Jürgen Bruns ist Betriebsratsvorsitzender des Airbus-Werkes in Varel und Mitglied im Europäischen Komitee der Airbus-Betriebsräte

Im Rahmen des Sparprogramms »Power 8« hat hat die Airbus-Konzernspitze am Mittwoch verkündet, gleich mehrere Werke in Deutschland und Frankreich aufzugeben. Verkauft werden soll auch das Werk in Varel. Was aber wird dann aus den 1350 Mitarbeitern?

Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen, denn außer dieser allgemeinen Ankündigung, gibt es bisher keine konkreten Daten. Völlig unklar ist auch, was eigentlich das Ziel eines solchen Ausverkaufs sein soll.

Daß aber verkauft werden soll, steht offenbar fest. Wie wurde diese Nachricht aufgenommen?

Mit sehr viel Enttäuschung. Etliche Kollegen waren sehr deprimiert. Doch immer stärker wuchs dann auch die Wut. Sechs Monate haben diese Spitzenmanager nun über dieses angebliche Sanierungskonzept diskutiert. Sechs Monate lang wurde auch über unsere Arbeitsplätze spekuliert. Und dann kommt so ein Papier. Völlig ohne Details und in bezug auf die Einzelmaßnahmen völlig unbegründet. Das ist doch absolut konzeptionslos! In Varel haben wir jahrelang für den Erfolg von Airbus hart gearbeitet. Manchmal auch in Sonderschichten am Samstag und Sonntag. Immer wieder wurde uns dabei die hohe Qualität unserer Arbeit bestätigt. Und nun soll unser Werk, das schon 50 Jahre existiert, einfach verramscht werden.

Wir waren die Reaktionen in der Bevölkerung?

Viele Einwohner haben uns schon am Mittwoch besucht. Denn würde das Werk tatsächlich in Gefahr geraten, wäre dies auch für die gesamte Region fatal.

Abgesehen von dem Verkauf einzelner Werke stehen europaweit mindestens 10000 Jobs zur Disposition. Nur so könne Airbus wieder flott und wettbewerbsfähig gemacht werden, heißt es. Wie sehen Sie das?

Die These, daß nur mit einer Kürzung der Personalkosten Airbus noch zu retten ist, müßten uns die Manager erst noch belegen. Fest steht aber, daß Airbus nicht wegen zu hoher Personalkosten in die Krise geraten ist, sondern aufgrund eklatanter Fehlplanungen des Managements. Auch darüber wurde nun monatelang gebrütet. Und was ist herausgekommen? Ein einfacher Dreisatz, bei dem die vorgegebene Sparsumme dann einfach durch die Personalkosten geteilt wird. So ergibt sich diese Zahl von 3700 Arbeitsplätzen allein für Deutschland. Auf welche Leistungen und an welchen Standorten nun aber konkret verzichtet werden soll, dazu gibt es dann keine Silbe. Ist das seriös?

Wie hat sich die Wut der Kollegen geäußert?

Als die Nachricht am Mittwoch bekannt wurde, haben die Kollegen ihre Arbeit spontan niedergelegt. Auch die Spät- und die Nachschicht trat dann nicht mehr an. Am Donnerstag wurde das mit einer Blockade des Werktors fortgesetzt; dabei haben die Kollegen dann auch die weitere Entwicklung erst einmal diskutiert. Das haben wir dann am Freitag mit einer Betriebsversammlung fortgeführt.

Sind weitere Aktionen geplant?

Der Kampf um unsere Arbeitsplätze, wird noch sehr lange dauern. Wir brauchen einen langen Atem, damit wir auch langfristig jederzeit mit den richtigen Aktionen antworten können. Ein dauerhafterer Arbeitskampf wäre jetzt noch verfrüht.

Das betont auch die IG Metall, die zunächst auf weitere Verhandlungen setzt. Doch worauf wartet man? »Power 8« ist in seinen Grundzügen doch festgelegt.

Gar nichts steht fest! Das war doch allenfalls ein erster Aufschlag, der uns da vorgelegt wurde. Deshalb denke ich, daß auch in Verhandlungen noch einiges zu bewegen ist. Wir haben schließlich die besseren Argumente. Der Druck aus den Betrieben muß allerdings aufrechterhalten werden. Wir müssen alle Handlungsspielräume, die sich uns anbieten, voll nutzen. Rechtlich und politisch. Und nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit.

Was haben Sie konkret vor?

Schon Mitte März wird es einen ersten europaweiten Aktionstag geben. Im Kreis der Betriebsräte und der beteiligten Gewerkschaften haben wir uns gerade darauf geeinigt. So setzen wir auch ein Zeichen der Solidarität, denn wir haben immer gesagt: Wird nur ein einziges Werk angegriffen, dann sind wir alle angegriffen. Das gilt europaweit. In Varel werden wir uns mit der ganzen Belegschaft an diesem Aktionstag beteiligen.

Verwendung: Junge Welt



2. März 2007

Demonstration der Hafenarbeiter gegen drohende Privatisierung

Die Auseinandersetzung um den vom CDU-Senat geplanten Verkauf von 49,9 Prozent der Anteile der bislang städtischen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), spitzen sich zu. Am Donnerstag den 22.2. legten Tausende Hafenarbeiter mit Beginn der Frühschicht ihre Arbeit nieder. Bis in die Abendstunden hinein, lag alles still: Containerriesen wurden nicht abgefertigt, LKWs und Schienenfahrzeuge nicht beladen.

Das war der Ausgangpunkt der Protestaktionen, die dann ihren Fortgang in einer Betriebsversammlung nahmen. Eingeladen hatten dazu die Konzernbetriebsräte, dieses mit bundesweit rund 4 200 Mitarbeitern größten deutschen Hafenunternehmens. Die Krönung des Protesttages lag in einer sehr machtvollen Demonstration quer durch die Innenstadt und vorbei an der Wirtschafts- und Finanzbehörde zum Sitz des HHLA-Aufsichtsrats. Besonders laut wurde es dabei am Rathaus, wo die Verantwortlichen für den Ausverkauf der HHLA sitzen. Mit dabei auch DKP-Vorsitzender Heinz Stehr, der wiederholt die Kämpfe der Hafenarbeiter begleitet hat.

Wie groß die Wut der Docker ist, wurde indes schon auf der Betriebsversammlung deutlich, als HHLA-Konzernbetriebsratsvorsitzender Arno Münster den Kreis jener Finanzspekulanten und „Heuschrecken“ nannte, die sich aktuell noch um den Aufkauf der Anteile bemühen. Dazu gehört der arabische Großkonzern Dubai Ports World, Allianz Capital Partners, die Finanzgruppe 3i und die australische McQuire-Bank. Doch Angebote haben auch Hochtief und die Bahn AG vorgelegt. Sie alle, so will es Finanzsenator Michael Freytag (CDU), sollen nun ihre Angebote noch präzisieren. Freytag erhofft sich davon einen Erlös von 1,5 bis zwei Milliarden Euro. Ursprünglich hieß es: dies sei notwendig um die Hafenanlagen der HHLA zu modernisieren.

Doch die Hafenarbeiter wiesen nach, dass dies gar nicht erforderlich ist, weil solche Modernisierungsinvestitionen aus eigener Kraft geschultert werden können. Auf der Betriebsversammlung hat dann HHLA-Vorstandschef Klaus-Dieter Peters bestätigt, dass der Umsatz des Unternehmens 2006 um weitere 20 Prozent auf rund eine Milliarde Euro im Jahr gestiegen ist. Erstmals, so Peters, werde auch ein Gewinn nach Steuern von über 100 Millionen Euro erwirtschaftet. Und die Tendenz sei steigend. Doch warum muss ein solches Unternehmen dann privatisiert werden, fragte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Er jedenfalls sieht „keinen vernünftigen Grund“ die HHLA dem Finanzkapital zum Fräße vorzuwerfen, während deren Gewinne dann im Stadthaushalt fehlen.

Doch Hamburgs Senatoren wechseln ihre Begründungen, wie andere das Hemd. Das Geld aus dem Erlös für die Anteile werde auch benötigt um neue Kaianlagen für die gesamte Hafenwirtschaft zu finanzieren, sagte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) erst kürzlich. Thomas Mendrzik, selbst Betriebsvorsitzender im Containerterminal Altenwerder, nannte das eine Zumutung. Nicht die HHLA sei für solche Infrastrukturinvestitionen zuständig, sondern die Stadt, die sich dieses Geld dann über Umlagen von privaten Hafenbetreibern auch wieder refinanzieren lassen müsse. Erschüttert stellte Mendrzik fest, dass bereits über Investitionen spekuliert werde, die erst in vielen Jahren aktuell würden. Nach Prüfung des Finanzplans von Uldall stellte der Betriebsrat fest, dass in etlichen Positionen nur mit dem Daumen geschätzt worden sei. Mendrzik nannte Uldall deshalb einen „unfähigen Senator“, der zudem auch die Bürger „belüge“.

So sieht es auch Bernt Kamin, der als Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter den HHLA-Kollegen die solidarischen Grüße der anderen Hafenbetriebe überbrachte. „Wir Hafenarbeiter sind stolz auf unsere gute Arbeit“, sagte Kamin, und schlussfolgerte daraus, dass deshalb niemand das Recht habe, die Arbeitsbedingungen der Docker so einseitig in Frage zu stellen. Wenn dies nun doch stattfinde, so habe dies auch mit „großer Politik“ zu tun, die auch international nur noch auf Privatisierung setze. Bernt Kamin rief alle Hafenarbeiter dazu auf, sich an den Gegenaktionen zum G8-Gipfel im Juni zu beteiligen.

Verwendung: Wochenzeitung „Unsere Zeit“, 02.03.07, Seite 5
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23. Februar 2007

Portrait MendrzikHamburger Hafenarbeiter w­ehren sich mit Arbeitsniederlegungen und Großdemonstrationen gegen Teilverkauf der HHLA. Ein Gespräch mit Thomas Mendrzik

Thomas Mendrzik ist stellvertretender Konzernbetriebsratsvorsitzender und Sprecher der Vertrauensleute der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sowie Betriebsratsvorsitzender im Containerterminal Altenwerder

Mit Arbeitsniederlegungen, einer Betriebsversammlung und einer großen Demonstration haben die Hamburger Hafenarbeiter am Donnerstag erneut gegen den Plan des Senats protestiert, 49,9 Prozent der Anteile der Hafen und Logistik AG (HHLA) zu verkaufen. Während die Arbeit seit Beginn der Frühschicht und bis in die Spätschicht auf allen Containerterminals ruhte, zogen Tausende Hafenarbeiter quer durch die Innenstadt. Was macht die Docker so wütend?

Diese sogenannte Teilprivatisierung ist nichts anderes als eine Enteignung der Hamburger Bürger, die der Senat auf kaltem Weg durchsetzen will. Enteignet wird das größte deutsche Hafenunternehmen, das bisher den Bürgern unserer Stadt jedes Jahr einen beträchtlichen Gewinn einbrachte. 2006 lag der nach Steuern bei über 100 Millionen Euro, und die Tendenz geht weiter nach oben. Warum der Senat unser Unternehmen verkaufen will, ist völlig unklar. Die Argumente wechseln ständig. Zunächst hieß es, daß mit dem Erlös die Hafenanlagen der HHLA modernisiert werden sollen. Inzwischen heißt es, daß mit dem Geld die Infrastruktur des Hamburger Hafens ausgebaut werden soll. Das ist nicht Aufgabe der HHLA, sondern eine Aufgabe des Senats, bei der dann auch die privaten Hafenbetreiber zu beteiligen sind. Die Modernisierung unserer Anlagen können wir aus eigener Kraft schultern. Hinzu kommt, daß alle Berechnungen, die uns der Senat vorlegt, offenbar mit dem dicken Daumen erstellt wurden. Seriös ist das alles nicht.

Der Senat hält dem entgegen, daß er das Geld, gerechnet wird mit einem Erlös von 1,5 bis 2 Milliarden Euro, dringend benötigt.

Auch wir haben uns mit Haushaltsexperten zusammengesetzt und dabei festgestellt, daß die Finanzplanung des Senats Posten enthält, die überhaupt nicht ableitbar und offenbar nur sehr willkürlich festgelegt worden sind. Da wird über Investitionen spekuliert, die, wenn überhaupt, erst in Jahren aktuell und auch äußert fragwürdig sind. Ein Beispiel dafür ist der mittlere Freihafen, den der Senat zuschütten will. Wir bezweifeln, daß es sinnvoll ist, weitere Containerterminals in der unmittelbaren Nähe von Wohngebieten zu schaffen. Da gäbe es doch ganz andere Möglichkeiten, wie etwa eine intensivere Nutzung vorhandener Flächen. Bezüglich dieses angeblichen Finanzbedarfs werden die Bürger durch Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) regelrecht belogen. Tatsächlich ist seine Hafenentwicklungsbehörde nicht einmal in der Lage, die schon jetzt zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll zu investieren. Diese sogenannten Wirtschaftsexperten und dieser unfähige Wirtschaftssenator gefährden mit ihren Milchmädchenrechnungen die Zukunft des Hamburger Hafens.

Sie hatten Herrn Uldall zur Belegschaftsversammlung eingeladen. Warum ist er nicht gekommen?

Er hat sich gedrückt. Seine Absage ist ein klarer Affront gegen alle Hafenarbeiter. Zu EADS ist er hinmarschiert und hat sich als Kämpfer für die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen aufgespielt. Doch dort, wo er der unmittelbare Dienstherr ist, ist er zu feige, sich einer Diskussion zu stellen.

Werden die Arbeitsbedingungen bei einem Teilverkauf denn schlechter?

Wenn wir uns die Häfen anschauen, wo sich solche Heuschrecken bereits festgesetzt haben, kann ich Ihre Frage eindeutig mit Ja beantworten. Investitionsentscheidungen werden dort nicht mehr von lokalen Standortfaktoren, sondern nur noch von den Rendite- und Profiterwartungen der internationalen Großkonzerne abhängig gemacht. Das geht auf die Knochen der Hafenarbeiter, die ihre Sozialstandards verlieren.

Inzwischen wird auch ein Börsengang als Alternative zum Direktverkauf diskutiert. Wäre das besser?

Wir wollen überhaupt keine Privatisierung. Ein Börsengang ist deshalb auch nur als ein möglicher Kompromiß im Gespräch. Vorstellbar ist er nur, wenn es stimmrechtslose Aktien sind und eine Mitarbeiterbeteiligung möglich wird. Daß es diese Option mit dem Börsengang nun gibt, ist ein erster Erfolg unserer Aktionen. Deshalb müssen wir diese fortsetzen.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-23/057.php



22. Februar 2007

IMAG3031Von der Betriebsversammlung
zur Demonstration

Hafenarbeiter der Hamburger HHLA wollen heute die Arbeit niederlegen: Protest gegen Privatisierungspläne

Die Auseinandersetzung um den vom Hamburger Senat geplanten Teilverkauf der Hafen und Logistik AG (HHLA) spitzt sich zu: Mit Beginn der Frühschicht wollen heute Tausende Hafenarbeiter an allen Containerterminals ihre Arbeit niederlegen. Vorgesehen ist ferner, daß sie nach einer Betriebsversammlung bis in den frühen Abend hinein durch die Hamburger Innenstadt demonstrieren.

Unterdessen hat der Senat die sechs verbliebenen Anbieter für den von ihm geplanten Verkauf von 49,9 Prozent der HHLA-Anteile aufgefordert, ihre Angaben im Bieterverfahren zu präzisieren. Bis zum 26. Februar sollen diese nun auch im Detail nachweisen, wie sie einen Aufkauf der Anteile, von dem sich der Senat inzwischen einen Erlös von 1,5 bis zwei Milliarden Euro erhofft, finanzieren können. Belegt werden soll dabei ebenfalls, wie künftige Modernisierungen aus dem Eigenkapital finanziert werden könnten.

Die Hafenarbeiter halten dem entgegen, daß solche Investitionen auch aus eigener Kraft möglich sind. Bei einem Verkauf an internationale Finanzspekulanten – wie etwa Dubai Ports World, die australische Macquarie Bank oder auch die Deutsche Bahn– fürchten sie den Verlust sozialer Standards. Daß ein Verkauf der Anteile gar nicht nötig ist, hat mittlerweile auch der Vorstand des Unternehmens bestätigt. In einer Pressemitteilung von Mittwoch hieß es, das Unternehmen sei so erfolgreich, daß nun erstmals sogar mit einem Gewinn nach Steuern von über 100 Millionen Euro zu rechnen sei.

HHLA-Vorstandschef Klaus-Dieter Peters erläuterte dazu, daß sich der Umsatz des Unternehmens, das allein in Hamburg rund 3400 und bundesweit über 4200 Beschäftigte zählt, 2006 auf über eine Milliarde Euro gesteigert hat. Das ist ein Plus von rund 20 Prozent. Peters verwies auf Wachstumsraten in allen Geschäftsfeldern der HHLA, die nun »die Früchte einer vertikal-integrierten Strategie entlang der Transportkette vom Überseehafen bis zum Kunden im Hinterland« ernte. Peters nahm auch gegen Pläne des Senats Stellung, der im Zusammenhang mit einem Teilverkauf bestimmte Unternehmensbereiche, wie etwa den Fischmarkt oder die Speicherstadt, ausgliedern will.

Doch auch im Kerngeschäft des Containerumschlags ist die HHLA auf Erfolgskurs. Der Containerumschlag hat sich den Firmenangaben zufolge 2006 auf 6,6 Millionen Standardcontainer gesteigert. Das ist ein Wachstum von rund 18 Prozent. Peters sagte dazu, die Finanzkraft des Unternehmens sei so stark, daß auch aus eigener Kraft bis 2011 rund 1,2 Milliarden Euro in die Modernisierung gesteckt werden können.

Das sind Zahlen, die den Widerstand der Docker noch beflügeln dürften. Sie sind stolz auf ihre Arbeit und wehren sich mit aller Kraft gegen einen Ausverkauf ihres Traditionsunternehmens. Der heutige Protesttag beginnt deshalb mit einer Betriebsversammlung, auf der neben ver.di-Landeschef Wolfgang Rose Betriebsräte aus den anderen Hafenbetrieben sprechen werden. So etwa Bernt Kamin, selbst Betriebsratschef im Gesamthafenbetrieb GHB, der auch auf internationale Solidaritätsaktionen verweisen will. Damit soll dann verhindert werden, daß Reeder ihre für Hamburg bestimmten Schiffe bei einem Dauerstreik nicht einfach nach Rotterdam oder Antwerpen umleiten können.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-22/020.php



16. Februar 2007

IMAG3070
Hamburg: Betriebsrat kündigt weitere Kampfmaßnahmen gegen Privatisierung an. Docker drohen mit weiteren Arbeitskämpfen. Schon am kommenden Donnerstag könnte es losgehen

Kraftvoll und entschlossen reagierten Hamburgs Hafenarbeiter schon im Dezember 2006, als der Plan des CDU-Senats bekannt wurde, 49,9 Prozent der Anteile der bislang städtischen Hafen und Logistik AG (HHLA) an einen Privatinvestor zu verkaufen. Zu Tausenden gingen die Docker daraufhin auf die Straße. Nun aber will HHLA-Konzernbetriebsrats­chef Arno Münster den Druck verstärken. Münster bestätigte gestern gegenüber junge Welt, daß es schon am Donnerstag nächster Woche erneut zu Kampfaktionen kommen soll. Dann wird wiederum mit Beginn der Frühschicht an allen Containerterminals des mit 3400 Mitarbeitern größten deutschen Hafenunternehmens die Arbeit niedergelegt. Nach einer größeren Betriebsversammlung soll es dann erneut zu Demonstrationen quer durch die Innenstadt kommen.

Daran werden sich neben Belegschaftsangehörigen auch Betriebsräte aus den anderen großen Hafenunternehmen beteiligen, wie etwa vom Gesamthafenbetrieb (GHB) oder von Eurogate. Schon im Januar hatten sie vereinbart, künftig Anträge auf Mehrarbeit in ihren Unternehmen zu verweigern, falls der Senat an den HHLA-Verkaufsplänen festhalten sollte. Für eine europäische Dimension wird am Donnerstag GHB-Betriebsratschef Bernt Kamin sorgen, der vor den HHLA-Beschäftigten von der Solidarität der Docker im europäischen Ausland und insbesondere in Rotterdam und Antwerpen berichten wird. Schon bei früheren Arbeitskämpfen hatten sich die Kollegen in anderen Seehäfen geweigert, ursprünglich für Hamburg bestimmte Schiffe zu entladen.

Doch warum sind die Hafenarbeiter so sauer? »Privatisierungen führen doch nur dazu, daß schon nach kurzer Zeit der Druck auf die Beschäftigten wächst und soziale Standards verlorengehen«, sagt Kamin. Münster hingegen befürchtet, daß die Teilprivatisierung seines Unternehmens lediglich der erste Schritt zur Totalzerschlagung wäre. Die Finanzspekulanten warteten nur darauf, sich die Filetstücke aus dem Unternehmen herauszuschneiden.

Einen ersten Teilerfolg haben die Docker indes schon vor ihren weiteren Aktionen erreicht, denn Finanzsenator Michael Freytag (CDU) hat in dieser Woche bekanntgegeben, daß der Senat nun auch einen Börsengang der HHLA prüft – und zwar mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Das aber hatte Münster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schon Ende Januar in einem Gespräch als denkbaren Kompromiß vorgeschlagen. Denkbar allerdings auch nur für maximal 20 bis 25 Prozent der Anteile und vorausgesetzt, daß daran auch die Mitarbeiter beteiligt sind.

Daß überhaupt etwas verkauft werden soll, hat nicht zuletzt mit den Plänen des Senats zu tun, der mit dem Erlös u.a. den Ausbau und die Modernisierung der Kaianlagen finanzieren will. Die Umschlagskapazität im Hamburger Hafen soll sich von jetzt 7,6 auf 18 Millionen Standardcontainer bis 2015 steigern. Dies aber kostet allein im Bereich der Infrastrukturinvestitionen rund 2,2 Milliarden Euro. Dem halten die Hafenarbeiter entgegen, daß die HHLA jedes Jahr fast 100 Millionen Euro Gewinn nach Steuern in die Kassen spült. Modernisierungsinvestionen könnten deshalb selbst geschultert werden. Und für den Bau neuer Kaianlagen will Kamin auch die privaten Hafenbetreiber in die Pflicht nehmen. Sie seien es ja schließlich, die daraus Gewinn ziehen.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) stimmt dem nicht zu. Er fürchtet nun, daß eine Aktienstreuung weniger Geld in die Kassen bringt als ein Direktverkauf an einen Finanzspekulanten, wie etwa Dubai Ports World, die Finanzgruppe 3i oder auch die Deutsche Bahn, die sehr gute Offerten gemacht hätten. Doch andererseits ist es Uldall, der nun im Rathaus vor den Folgen eines Großkonflikts warnt. Dieser könne sich bis ins Wahlkampfjahr 2008 hineinziehen. Die Docker ließen zuvor keinen Zweifel erkennen, daß sie notfalls auch zu dauerhaften Arbeitskampfaktionen greifen werden, falls der Senat nicht einlenkt.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-16/052.php



16. Februar 2007

IMAG3071Senat scheint bei Hafen-Verkauf einzulenken

Auch der Druck der Hafenarbeiter führte dazu, dass sich Hamburg von einem Direktverkauf von 49,9 Prozent der Hafengesellschaft HHLA offensichtlich verabschiedet hat – zu Gunsten eines Börsengangs mit stimmrechtslosen Aktien.

Als Hamburgs CDU-Finanzsenator Michael Freytag Anfang der Woche bekannt gab, er ziehe nun einen Börsengang für die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), mit 3400 Mitarbeitern das größte deutsche Hafenunternehmen, in Betracht, brach bei den Betriebsräten nicht der große Zorn, sondern ein verhaltenes Schulterklopfen aus. Denn gerade dies hatte HHLA-Konzernbetriebsratschef Arno Münster Ende Januar gegenüber Bürgermeister Ole von Beust (CDU) als Kompromiss angedeutet – nachdem die Docker seit Dezember mit Betriebsversammlungen, Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen Druck gegen den zunächst angekündigten Verkauf von 49,9 Prozent an einen privaten Investor gemacht hatten.

Absurd ist das nur auf den ersten Blick. Denn in Hamburg wird ein Börsengang offenbar mit Vorzugsaktien anvisiert, die zwar mit höheren Dividenden verbunden sind als normale Anteile, aber nicht mit Stimmrechten. Solche Beteiligungen sind selten geworden – in Zeiten des Shareholder Value legen Aktionäre Wert auf ihren Einfluss. Im Fall des Hamburger Hafens aber sollte es möglich sein, die Scheine auch ohne Mitspracherecht loszuwerden, denn das Containergeschäft verspricht langfristig hohe Gewinne.

Dies – und die Chance, in weiteren Verhandlungen die Ausgabe eines Teils der Aktien an Mitarbeiter zu erreichen oder die zu verkaufenden Unternehmensanteile deutlich zu reduzieren – macht den Börsengang auch für Betriebsräte akzeptabel. Zumal unter den Kaufinteressenten neben Konzernen wie der Deutschen Bahn auch Investmentbanken und Investoren mit Heuschreckenimage gewesen waren, was Ängste um Sozialstandards und vor einer Zerschlagung der HHLA befeuert hatte.

Entschieden ist noch nichts. Doch dass es noch zu einem Direktverkauf kommen könnte, damit rechnet in Hamburg kaum jemand. Zwar dürften die Einnahmen für die Stadt bei einer solchen Abgabe in Aktienstreubesitz geringer ausfallen als bei einem Direktverkauf am Stück. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) würde die 2,2 Infrastruktur-Milliarden, die er in einen weiteren Ausbau des maritimen Goldesels stecken will, schwieriger zusammenbekommen.

Doch scheint die Regierung einen Konflikt mit den gut organisierten Hafenarbeitern zu scheuen, der sich bis ins Wahljahr 2008 ziehen könnte. Die HHLA-Beschäftigten können sich nicht nur der Unterstützung der 1100 Mitarbeiter des Gesamthafenbetriebs (GHB) und der 1400 Leute des HHLA-Konkurrenten Eurogate sicher sein, sondern auch glaubhaft damit drohen, im Konfrontationsfall nicht nur Hamburg dichtzumachen, sondern durch internationale Solidarität auch ein Ausweichen nach Rotterdam oder Antwerpen zu verhindern.

Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose hält diese Art des Börsengangs dennoch nur für die »zweitbeste Lösung«, denn die HHLA, die 2006 nach Steuern 100 Millionen Euro verdiente, könne allein genug Kapital aufbringen. Um sicherzustellen, dass der Direktverkauf nicht doch wieder auf die Agenda kommt, wollen die Docker ihren Druck zunächst beibehalten. Für kommenden Donnerstag sind neue Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen geplant.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=105167&IDC=2&DB=archiv



13. Februar 2007

Schadstoffausstoß von Hochseeschiffen führt zu Gesundheitsrisiken. Hamburger HafenCity betroffen

Schwefelhaltige Abgase von Hochseeschiffen gefährden die Gesundheit der Mitarbeiter in den Seehäfen und von Anwohnern. 90 Prozent der Handels- wie Passagierschiffe nutzen einen Motorenbrennstoff, dessen Schadstoffanteil so erheblich ist, daß eine Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe der Liegeplätze kaum möglich ist. Das berichtet das Magazin Spiegel (Ausgabe vom gestrigen Montag).

Besonders betroffen ist demnach Hamburg, wo derzeit mit erheblichem Aufwand die neue HafenCity entsteht. Deren Weiterbau steht nun aber in Frage, wie ein Luftschadstoffgutachten der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hervorhebt. Die Expertise war im Vorfeld der Errichtung eines neuen Kreuzfahrtterminals in Auftrag gegeben worden. Wie aus dem Gutachten hervorgeht, ist die Belastung mit Stickoxiden, Schwefeldioxid und Feinstaub zu hoch. Selbst für geplante Bürogebäude in der neuen HafenCity – das Konzept sieht eine Mischung aus Büro- und Wohngebäuden mit gastronomischen und Freizeitangeboten vor – könnte es nun kritisch werden. Diese sollen nur noch dann genehmigt werden, wenn die Fassaden zur Wasserseite hin geschlossen sind und zudem eine zusätzliche Belüftung aus unbelasteten Bereichen möglich ist.

Das ist ein herber Rückschlag für das jüngste Mammutprojekt des Hamburger CDU-Senats, der hier vor allem zahlungskräftige Wohnungseigentümer ansiedeln wollte. Für die Erschließung, den Abriß alter Gebäude und die Neufundamentierung des Geländes wurden bereits mehrere Millionen Euro ausgegeben. Um das Vorhaben noch zu retten, müßten Schiffe, die hier anlegen, erheblich nachrüsten. Dies wäre allerdings so teuer, daß Reeder den Hamburger Hafen meiden könnten. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat deshalb nun eine europaweit geltende Regelung gefordert, damit der Hansestadt keine Standortnachteile entstünden. Besonders viel Dreck produziert dem Gutachten nach die »Queen Mary 2«, das zweitgrößtes Passagierschiff der Welt, das auch in Hamburg regelmäßig anlegt. Der Luxusliner hat allein einen Strombedarf, der dem einer Stadt mit rund 200000 Einwohnern entspricht, was einen gewaltigen Dieselverbrauch nach sich zieht.

Muß nun die HafenCity völlig neu geplant werden? Auf den Besuch der Ozeanriesen wird Hamburg jedenfalls kaum verzichten. Betroffen sind auch andere Hafenstädte, wie etwa das Ostseeheilbad Lübeck-Travemünde. Auch dort sollen laut Gutachten die schwefelhaltigen Schiffsabgase die Gesundheit der Anwohner gefährden.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-13/038.php



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12. Februar 2007

Elbausbau in Hamburg noch nicht vom Tisch

Ohne Ergebnis endete in der vergangenen Woche ein Krisentreffen der Wirtschafts- und Umweltminister aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, bei dem erneut eine von Hamburg gewünschten Vertiefung der Elbfahrrinne um durchschnittlich einen Meter diskutiert wurde.

Einberufen hatte den unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Gipfel Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU). Er will mit der Fahrrinnenanpassung bereits in diesem Jahr starten, denn nur dann könnten auch Containerschiffe der neuen Generation mit einer Tonnage von bis zu 12 000 Standardcontainern und einem Tiefgang von 14,50 Metern den Hamburger Hafen ab 2009 erreichen. Die Kosten für das Projekt, bei dem 38 Millionen Kubikmeter Sand zu bewegen sind, liegen bei 330 Millionen Euro, etwa zwei Drittel will der Bund übernehmen.

Doch was Uldall ein »Zukunftsprojekt« nennt, verursacht bei Bewohnern der Elbmarsch bis hinauf nach Cuxhaven nur Angst. Durch die größere Stromgeschwindigkeit des tideabhängigen Flusses, befürchten sie stärkere Verschlickungen in den Seitenarmen der Elbe, vor allem aber erhöhte Sturmflutgefahren. Naturschützer weisen darauf hin, dass neuere Erkenntnisse aus der Klimaforschung, die einen Anstieg des Nordsee-Meeresspiegels von bis zu 60 Zentimeter für die nächsten Jahrzehnte voraussagen, nicht berücksichtigt wurden. Eine weitere Elbvertiefung könnte die Sturmflutwellen noch höher auflaufen lassen. Bestritten wird zudem die ökonomische Notwendigkeit einer Vertiefung. Auch mit Blick auf den neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven fordert etwa der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nun ein »gesamtnorddeutsches Küstenkonzept«, das auch die Gefährdung durch die Klimaänderungen stärker mit berücksichtigt.

Uldall treibt hingegen zur Eile, denn im Hamburger Hafen soll sich die Umschlagskapazität von 8,6 auf 18 Millionen Standardcontainer bis 2010 erweitern. Das aber macht nur Sinn, wenn sich die Großreeder nicht für Rotterdam oder Antwerpen, sondern für Hamburg als neuen Anlaufpunkt für ihre Containerriesen entscheiden. Den Befürchtungen aus der Elbmarsch, allein auf den Folgekosten – etwa bei der Deichsicherung – sitzen zu bleiben, kommt der Senator deshalb jetzt mit einem Ausgleichsfonds entgegen, in den die Stadt bereits fünf Millionen Euro eingezahlt hat. Das reicht nicht einmal, um die Verschlickungen in den Seitenarmen der Elbe wieder zu beseitigen.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) erklärte deshalb schon kurz nach dem Treffen, seine Zustimmung zu dem Vorhaben nicht zu geben. Zunächst müssten die Schäden bereits vollzogener Elbvertiefungen behoben und weitere Folgekosten, wie etwa bei der Deichunterhaltung, abgeschätzt werden. Noch kompromissloser zeigt sich der NABU, der Klagen ankündigt. Protest kommt inzwischen auch von den Obstbauern im Alten Land, die sich jetzt mit Vereinen und Verbänden zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Und ähnliche Konflikte deuten sich für Bremen und Bremerhaven an, wo ebenfalls die Fahrrinne der Weser für rund 50 Millionen Euro um etwa einen Meter vertieft werden soll.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=104937&IDC=9&DB=archiv



7. Februar 2007

IMAG3291
Krisentreffen der Wirtschaftsminister von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur geplanten Elbvertiefung auf Kosten der Steuerzahler

Das Meeting fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Offenbar gibt es erheblichen Dissens zwischen den Umwelt- und Wirtschaftsministern von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die sich am Dienstag zu einem Krisentreffen versammelten. Die Pressestelle der Hamburger Wirtschaftsbehörde bestätigte am Dienstag gegenüber jW, der Austausch zum Thema Elbvertiefung zugunsten des weiteren Ausbaus des Hamburger Hafens finde statt, aber an einem geheimen Ort.

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) warnte aus Anlaß des Treffens erneut vor den Gefahren der weiteren Ausbaggerung des Flusses. In den Plänen des Hamburger Senats, der die Elbvertiefung für notwendig hält, um die Zukunftsfähigkeit des Hafens der Hansestadt zu sichern, seien Erkenntnisse aus der Klimaforschung nicht berücksichtigt. Diese aber sagen einen Anstieg der Meeresspiegel und damit erhöhte Sturmflutgefahren voraus. Doch Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) drängt weiter zur Eile. Geht es nach ihm und der Hafenindustrie, soll die Fahrrinne der Elbe so bald wie möglich um durchschnittlich einen, an einigen Stellen aber sogar um zwei Meter vertieft werden, wofür 38 Millionen Kubikmeter Sand bewegt werden müßten.

Widerstand regt sich indes nicht nur bei Umweltverbänden, sondern auch in etlichen Gemeinden an der Unterelbe, die wie Cuxhaven Klagen gegen die geplante Ausbaggerung angekündigt haben und damit die Landesregierungen in Kiel und Hannover unter Druck setzen. Dort befürchtet man zudem, auf den Folgekosten, etwa bei der zusätzlichen Deichsicherung, sitzenzubleiben, während nur Hamburg einen Nutzen aus der Elbvertiefung zieht. Die Deutsche Schifffahrts-Zeitung berichtete am Dienstag, Uldall wolle deshalb bei dem Treffen auch Ausgleichszahlungen für die Nachbarländer zusichern. Im Gegenzug sollten diese erste Teilarbeiten schon in diesem Jahr genehmigen. Die Ausbaggerung ist aus Sicht von Uldall notwendig, damit auch Containerriesen der neuen Generation mit einem Tiefgang von 14,5 Metern und einer Tonnage von bis zu 12000 Standardcontainern (TEU), Hamburg anlaufen können. Dabei ist auch unter Hafenexperten umstritten, ob die Maßnahme notwendig ist, denn in Wilhelmshaven wurde bereits ein neuer Tiefwasserhafen gebaut.

Der NABU will auch unabhängig von Ausgleichszahlungen an die Länder gegen eine Elbvertiefung klagen. Die Umweltschützer berufen sich dabei auf ein Gutachten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), in dem Wissenschaftler eine Erhöhung des Nordseespiegels von mindestens 19 und maximal 58 Zentimeter infolge des Abschmelzens des Grönlandeises schon für die nächsten Jahrzehnte vorausgesagt haben. Durch eine weitere Elbvertiefung würden die Sturmflutwellen auf der Elbe noch viel höher auflaufen. »Der Deichschutz und damit der Menschenschutz sind nicht verhandelbar«, sagte NABU-Hamburg-Vorsitzender Rolf Bonkwald am Dienstag. Er forderte ein »gesamtnorddeutsches Küstenkonzept«, das auch die aus der Erhöhung der Meeresspiegel resultierenden Gefahren berücksichtige.

Die Bundesregierung hat die Elbvertiefung jedoch bereits befürwortet und die Übernahme von 230 Millionen Euro des insgesamt fast 330 Millionen Euro teuren Projekts durch den Bund zugesagt. Davon erhoffen sich die Wirtschaftspolitiker eine Steigerung beim Umschlag des Hamburger Hafens, der von jetzt 8,6 auf 18 Millionen Standardcontainer bis 2010 wachsen soll.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-07/027.php



22. Januar 2007

Bernt KaminHamburger Docker wehren sich gegen Teilverkauf. Organisationsgrad kann zu Erfolg verhelfen. Ein Gespräch mit Bernt Kamin

Bernt Kamin ist Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter in Hamburg

Der Hamburger CDU-Senat will 49,9 Prozent der Anteile an der bislang städtischen Hafen- und Logistik AG (HHLA) an einen Privatinvestor verkaufen. Nach einer ersten Protestwelle im Dezember hat der Konzernbetriebsrat nun dazu aufgefordert, jegliche Mehrarbeit zu verweigern. Eskaliert der Konflikt?

Wir haben immer gesagt: Wenn der Senat an seinen Plänen festhält, muß er mit Widerstand rechnen. Die HHLA ist mit ihren 3400 Mitarbeitern nicht nur der größte Hafenbetrieb, sondern auch ein Unternehmen, das mit seiner bisherigen Struktur für alle Mitarbeiter eine gute und dauerhafte Beschäftigungsperspektive sichert.

Privatisierungen führen dazu, daß schon nach kurzer Zeit der Druck auf die Beschäftigten steigt und soziale Standards verlorengehen. Da die HHLA auch für die Stadt ein sehr profitables Unternehmen ist, brauchen wir keinen Privatinvestor.

In den Medien hieß es, daß die Deutsche Bahn und die Investmentbank Morgan Stanley bis zu eine Milliarde Euro für den Aufkauf angeboten haben. Ohne dieses Geld, so sagte es Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU), könnten weder die HHLA noch die Kaianlagen ausgebaut und modernisiert werden.

Die HHLA-Modernisierung kann aus eigener Kraft geschultert werden, wie auch der Unternehmensvorstand betonte. Das andere Problem betrifft die Erweiterung des Binnenhafens, die notwendig wird, weil sich der Containerumschlag insgesamt vergrößern wird. Dafür ist dann aber nicht die HHLA, sondern die Hafenentwicklungsgesellschaft Port Authority zuständig, die 2005 aus dem ehemaligen Amt für Strom und Hafenbau gebildet wurde.

Wenn ich dieser Linie, die der Senat vorgab, folge, muß ich mich doch fragen, warum dieses Unternehmen auch noch öffentlich subventioniert werden soll. Ich hatte am Freitag Gelegenheit an einer Anhörung der Europäischen Kommission teilzunehmen. Dort wurde betont, daß sich Port Authorithy nach den EU-Richtlinien die Kosten für den Bau der neuen Kaianlagen durch die Hafenunternehmer refinanzieren lassen muß. Diese sind es ja auch, die aus dem Betrieb solcher Anlagen Gewinn ziehen.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) will aber auch »strategischen Partnerschaften«.

Wenn ich Beust reden höre, bekomme ich fast den Eindruck, daß es haufenweise Reiche und Superreiche gibt, die nichts anderes als das Wohl unserer Stadt im Sinn haben. Die Spielregeln des Kapitalismus sind aber andere. Sie bestehen darin, daß Investoren ihr Geld nicht zur Verfügung stellen, um Wohlstand zu stiften, sondern um möglichst hohe Profitraten zu erzielen. Die HHLA bringt es auf einen Gewinn nach Steuern von jährlich 100 Millionen Euro. Wäre dies die Rendite, die sich die Investoren künftig in die eigene Tasche stecken? Bislang kam dieses Geld ausschließlich dem Hafen und der Stadt zugute.

Sind deshalb jetzt auch die anderen Hafenbetriebe mit der HHLA solidarisch?

Nicht nur deshalb, sondern wir sehen die Gefahr, daß eine Teilprivatisierung nur der erste Schritt in Richtung eines Totalausverkaufs der HHLA sein könnte. Dann könnten die neuen Besitzer geneigt sein, einzelne besonders profitable Teile aus dem Gesamten herauszubrechen. Chaos bei der HHLA würde dann auch auf die anderen Hafenbetriebe und die dortigen Arbeitsbedingungen negative Auswirkungen haben. Als Hafenarbeiter haben wir gelernt, daß wir immer erfolgreich sind, wenn wir solidarisch zusammenhalten. So war es schon beim Kampf gegen die EU-Hafenrichtlinie Port Package.

Privatisierungsvorhaben gibt es nicht nur im Hafen, sondern auch für die Hochbahn und weitere öffentliche Unternehmen. Haben Sie eine Idee, wie Solidarität über den Hafen hinaus zu entwickeln wäre?

Auf der ver.di-Landeskonferenz werden wir die Bildung eines Koordinationsgremiums für die Interessenvertreter aus allen öffentlichen Unternehmen vorschlagen. Dem Spiel des Senats, nach und nach alles zu zerlegen, müssen wir gemeinsam entgegentreten. Dafür ist unser Widerstand gegen den Ausverkauf der HHLA besonders wichtig. Wir sind im Hafen besser organisiert als in anderen Branchen. Wo, wenn nicht im Hafen, könnte deshalb eine solche Privatisierung auch tatsächlich gestoppt werden? Ein Erfolg wäre über den Hafen hinaus von großer Bedeutung.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-22/030.php



20. Januar 2007

Wolfgang RoseHamburger Gewerkschaft fordert gesetzliche Regelungen gegen schlechte Bezahlung statt Appelle an die Unternehmer. Ein Gespräch mit Wolfgang Rose

Wolfgang Rose ist ver.di-Landesbezirksleiter in Hamburg

Nachdem bekannt wurde, daß ein Zimmermädchen in einem Hamburger Luxushotel für einen Stundenlohn von 1,92 Euro schuftet, hat Ihre Gewerkschaft eine Telefonhotline geschaltet. Warum?

Wir haben das gemacht, damit die Betroffenen die Gewerkschaft als richtigen Adressaten ihrer Interessenvertretung erkennen können und damit wir ihnen helfen können. Solche Skandallöhne und vor allem die dazugehörigen Unternehmen müssen öffentlich gemacht werden. Inzwischen mußten wir feststellen, daß sich die meisten Anrufer nur anonym und ohne konkrete Arbeitsplatzangabe melden. Eine individuelle Beratung ist deshalb kaum möglich.

Was berichten die Anrufer?

Es gibt Leute, die uns von Bruttolöhnen, die bei fünf oder sechs Euro liegen, berichten. Das krasseste Beispiel war bisher ein Lohn von 1,75 Euro für die Reinigung eines ganzen Hotelzimmers. Das ist der Gipfel der Zumutung. Doch auch von fünf oder sechs Euro, das entspricht einem Monatsnettolohn von 700 oder 800 Euro, kann niemand leben. Meist kamen die Anrufer aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, der Sicherheitsbranche, der Zeitarbeit, aus Friseurgeschäften und der ambulanten Altenpflege. Wir haben die Hotline vor etwa einer Woche geschaltet, und inzwischen nehmen die Anrufe wieder ab.

Woran liegt das?

Es gibt offenbar Angst, selbst einen so schlecht bezahlten Job wieder zu verlieren. Wir wissen ja, daß allein der Versuch, einen Betriebsrat in solchen von Armutslöhnen geprägten Bereichen zu bilden, häufig zu Entlassungen führt. Vielfach sind die Arbeitsverhältnisse völlig dereguliert und auch befristet. So aber können die üblichen Standards der Mitbestimmung und der Tarifbindung nicht durchgesetzt werden, was wiederum zu Angst und Resignation führt.

Gerade deshalb müssen wir uns als Gewerkschaft noch sehr viel stärker auf diesen Bereich konzentrieren. Die Zustände zeigen aber auch, wie notwendig politisches Handeln wäre, damit die sozialstaatlichen Mindestregelungen wieder gelten.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hat die Firmen zu einer freiwilligen Selbstkontrolle aufgerufen. Einen Gütesiegel erhalten demnach nur Unternehmer, die Tariflohn zahlen. Warum haben Sie das kritisiert?

Dieser Selbstverpflichtungsaktionismus, der an »ehrbare Kaufleute« appelliert, ist nur der Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Wir haben deshalb vom CDU-Senat gefordert, sich auch in der eigenen Partei, wie gegenüber der Bundesregierung, für einen Mindestlohn auszusprechen.

Durch die Medienberichte, wurde ja nur eine Grauzone aufgedeckt, auf die wir schon lange hinweisen. Natürlich haben jetzt einzelne Arbeitgeber Angst, Kunden zu verlieren, weil ihr Ansehen ramponiert ist. Sobald sich die öffentliche Aufmerksamkeit gelegt hat, werden die alten Verhältnisse wieder einreißen.

Um Armutslöhne dauerhaft zu bekämpfen, benötigen wir gesetzliche Regelungen, und keine Appelle. Das beginnt bei der Frage der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, die auch gegen den Widerstand der Arbeitgeber durchsetzbar sein sollte. Die Einhaltung tariflich ausgehandelter Mindestlöhne muß dann natürlich auch kontrolliert und die Mißachtung sanktioniert werden können. Da die tariflichen Instrumente vielfach aber kaum noch greifen, weil sich dort, wie zum Beispiel in der ambulante Pflege oder im Friseurgewerbe, die Beschäftigungsstrukturen sehr individualisiert haben, benötigen wir zudem eine bundesweit einheitliche Regelung über einen Mindestlohn. Alles, was unter 7,50 Euro liegt, kann dabei die Existenz des Einzelnen nicht sichern.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten sehen Sie auf Landesebene?

In der Bürgerschaft wurde gerade über einen Mindestlohn diskutiert. Doch von der CDU kamen nur die alten Argumente, wonach dieser den wirtschaftlichen Aufschwung behindere. Doch Mindestlöhne gibt es inzwischen in fast allen Ländern Europas. Wenn der Wirtschaftsminister wirklich eine Kontrolle zur Verhinderung von Dumpinglöhnen will, sollte die Hamburger CDU in ihrer Partei und der Hamburger Senat gegenüber der Bundesregierung und dem Bundesrat für einen Mindestlohn eintreten.

Bezüglich ihrer Frage, will ich aber auch an die Schlussphase der Beust-Schill-Regierung erinnern, als mit den Stimmen einiger Schill-Abgeordnete und denen von SPD und Grüne, ein Vergabegesetz beschlossen wurde. Die Vergabe öffentliche Aufträge sollte demnach an die Tariftreue eines Unternehmens gebunden werden. Doch Ulldal hat das später wieder entschärft und die öffentlichen Unternehmen, die in diesem Zusammenhang die größte Rolle spielen, aus der Regelung wieder heraus genommen.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-20/061.php

[Anmerkung: Bei der Verwendung des Interviews durch die junge Welt hat sich leider ein Fehler eingeschlichen: Dort heißt es in dem Absatz zu den Medienberichten, daß diese Berichte von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall »hervorgerufen« worden seien. Das ist falsch und wurde so von Wolfgang Rose auch nicht gesagt, denn die Medienberichte wurden durch die Betroffenen selbst hervorgerufen, die sich an die Medien wandten. Uldall ist dann nur unter Druck geraten, auch selbst etwas zu tun. Aus Platzgründen musste in  der Jungen Welt auch der letzte Absatz gestrichen werden.]



16. Januar 2007

Deutsche Bahn und Morgan Stanley-Bank wollen die Anteile haben

Die Teilprivatisierung des mit 3500 Mitarbeitern größten Hamburger Hafenbetriebs, der Hafen- und Logistik AG (HHLA), wird immer konkreter. Denn wie die Welt am Montag und unter Berufung auf Anbieterkreise berichtete, haben sich die Deutsche Bahn und die Investmentbank Morgan Stanley nunmehr auf ein gemeinsames Finanzierungskonzept für die Übernahme der HHLA-Anteile geeinigt. Dem Bericht zufolge gehört allerdings auch die australische Macquarie Bank weiterhin zum Kreis jener Kaufinteressenten, denen der CDU-Senat eine hohe Chance einräumt, die Anteile tatsächlich zu übernehmen. Wie berichtet, haben die Hafenarbeiter indes weitere Widerstandsaktionen angekündigt für den Fall, daß der Senat mit seinen Verkaufsplänen Ernst macht. Bereits Mitte Dezember hatten sie zu Tausenden gegen die Teilprivatisierung demonstriert. Sie befürchten, daß der geplante Verkauf von 49,9 Prozent der Anteile nur der erste Schritt in Richtung eines Totalausverkaufs für das bislang städtische Unternehmen sein könnte. Befürchtet wird, daß internationale Finanzspekulanten die Hafenbetriebe übernehmen könnten. Für einen solchen Fall hatten die Hafenarbeiter »Dienst nach Vorschrift« angekündigt.

Nach den vorliegenden Informationen wollen Bahn und Morgan Stanley bis zu einer Milliarde Euro für die ­HHLA-Anteile zahlen. Morgan Stanley gehört zu den weltweit größten Investmentbanken. Das Geld lockt den Senat, der damit seinen Hafenentwicklungsplan, der vor allem einen weiteren Ausbau der Kaianlagen vorsieht, finanzieren könnte, damit im internationalen Konkurrenzkampf künftig noch mehr Containerriesen ihre Fracht in Hamburg statt in Rotterdam und Antwerpen löschen.

Doch für die Hafenarbeiter ist eine mögliche Beteiligung von Morgan Stanley ein weiteres Alarmsignal. Am 18. und 19. Januar planen die Hafenbetriebsräte eine Klausurtagung der ver.di-Fachgruppe Häfen, um weitere Aktionen vorzubereiten. Die Beschäftigten befürchten, daß am Ende der Teilprivatisierung, doch die Zerschlagung der HHLA stehen könnte. Für die Bahn wäre dabei etwa das Geschäftsfeld der Lager- und Kontraktlogistik äußerst interessant, für Morgan Stanley das Immobiliengeschäft. So aber verkäme die HHLA mittelfristig zur reinen Containerbude, womit auch die Arbeitsplätze und schließlich die hohen sozialen Standards in den Hafenbetrieben gefährdet wären.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-16/041.php



12. Januar 2007

Überausbeutung als Imageproblem. Hamburgs CDU-Wirtschaftssenator setzt auf Appelle. Gewerkschaft richtet Hotline für Betroffene ein

Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hat ein »freiwilliges Prüfverfahren« als Mittel gegen sittenwidrige Niedrigstlöhne vorgeschlagen. Ein »ehrbarer Kaufmann« dürfe solche Hungerlöhne schon deshalb nicht zahlen, weil dies das Image der Hansestadt beschädige, sagte er auf einem »Krisentreffen« mit Vertretern des Gast- und Reinigungsgewerbes am Mittwoch in seiner Behörde. Mit von der Partie waren auch Gewerkschaftsvertreter.

Nach Vorstellungen des Wirtschaftssenators könnten Firmen, die Tariflöhne zahlen, ein Zertifikat erhalten. Alle anderen sollen künftig von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen bleiben. Den Billigputzkolonnen in Hamburgs Nobelhotels wäre damit zwar nicht geholfen. Sollte die Ankündigung aber wirklich ernstgemeint sein, würde das bedeuten, daß das CDU-regierte Hamburg künftig in Sachen Tariftreue härtere Maßstäbe anlegt als etwa das SPD-Linkspartei-regierte Berlin. Von konkreten Plänen für die Umsetzung ist aber bislang nichts bekannt.

Dabei geht es nicht nur um das Reinigungsgewerbe, warnte DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Auch in anderen Branchen seien schon jetzt Tausende Hamburger von solchen Niedrigstlöhnen betroffen. Um dies aufzudecken, hat die Gewerkschaft ver.di eine Telefonhotline eingerichtet, bei der sich alle Hamburger melden können, die von solchem Lohndumping betroffen sind. Die Nummer lautet: 040/28581818.Die entsprechenden Firmen sollen dann ausnahmslos an den Pranger gestellt werden.

Skandalöse Zustände herrschten auch im Friseurgewerbe, bei den Wach- und Sicherheitsdiensten, in der ambulanten Pflege und in der Zeitarbeit, betonte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose in diesem Zusammenhang. Wie das läuft, schilderte ein Lehrlingswart aus einer Hamburger Friseurinnung. Viele Betriebe richten demnach sogenannte Minuskonten ein, auf die dann pro Kunde etwas draufgerechnet werde. Um auf ein ausgeglichenes Konto und damit auf den Tariflohn zu kommen, müßten die Mitarbeiter viele unbezahlte Überstunden leisten. Die skandalöse Situation im Wach- und Sicherheitsgewerbe verdeutlichte ver.di-Fachbereichsleiter Peter Bremme. Er allein betreut 50 Fälle, wo die Mitarbeiter unterhalb des Tariflohns abgespeist und dann auch noch unter dem Motto »wer klagt, der fliegt«, durch ihre Chefs erpreßt werden.

Von einer »gänzlich verlogenen« Debatte sprach indes der Bezirksvorsitzende des DGB-Nord, Peter Deutschland. Die Politik sei längst in die Rolle eines Zauberlehrlings gefallen, der die Geister, die er rief, nun nicht mehr loswird. Erneut forderte der Gewerkschaftschef einen gesetzlichen Mindestlohn und das Ende jener »sprachlichen Versteckspiele«, wonach »jede Arbeit besser sei, als keine«. Wie dringend das ist, machte auch ein Objektleiter in einer großen Hamburger Dienstleistungsfirma deutlich, der anonym davon berichtete, daß selbst Luxushotels, die bis zu 1500 Euro pro Übernachtung einnehmen, nicht bereit seien, mehr als 4,50 Euro für die Reinigung eines Hotelzimmers zu zahlen. Wer das nicht annehme, habe in der Branche keine Chance.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-12/019.php



10. Januar 2007

Fünf-Sterne-Hotel ließ für Bruttolohn unter zwei Euro die Stunde putzen

In Hamburg hat Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) die Vertreter der Hotel- und Gebäudereinigungsbranche, aber auch die zuständigen Gewerkschaften zu einem Krisengipfel in seine Behörde eingeladen. Hintergrund für die am Dienstag ausgesprochene Einladung ist die offenbar weit verbreitete Praxis, in diesen Branchen nur Hungerlöhne weit unter Tarif zu zahlen. Der Senator reagierte damit auf einen am Tag zuvor erschienenen Bericht im Hamburger Abendblatt, an das sich ein Zimmermädchen aus dem Dorint-Hotel gewandt hatte. Ihr wurde – trotz eines gültigen und allgemeinverbindlichen Tarifvertrags, der einen Mindestlohn von 7,87 Euro vorschreibt – nur ein Bruttostundenlohn von 2,46 Euro gezahlt. Daß dies aber kein Einzelfall ist, wurde noch am selben Tag deutlich, als sich gleich Hunderte Beschäftigte aus weiteren Hotels und Gebäudereinigungsfirmen meldeten, die unter ähnlichen Bedingungen schuften. Gestern berichtete die Bild-Zeitung nun sogar von einer Putzkraft, die nur einen Bruttostundenlohn von 1,92 Euro bekommt – obwohl sie in einem Fünf-Sterne-Hotel arbeitet.

Der Trick, mit dem die »Arbeitgeber« bestehende Tarifverträge unterlaufen, besteht dabei offenbar darin, die Löhne auch bei Vollzeitkräften nur auf der Grundlage der tatsächlich geputzten Zimmer zu berechnen. Die Frau, die im Dorint-Hotel arbeitet, war dabei zum Beispiel für die Reinigung der Luxusdoppelzimmer und der »Präsidentensuite« zuständig, wo eine Übernachtung bis zu 1275 Euro kostet. Um diese Zimmer zu reinigen, benötigte sie erheblich mehr Arbeitszeit als in anderen Bereichen. Für die Lohnberechnung wurde ihr aber trotzdem nur eine Pauschale von 3,50 Euro pro gereinigtem Zimmer gutgeschrieben, während sie in der dann verbliebenen Arbeitszeit ohne weitere Aufträge und damit auch ohne weiteren Lohn blieb. Uldall will nun überprüfen, ob und inwieweit eine solche Praxis des Lohndumpings auch in anderen Hamburger Hotels oder Reinigungsfirmen der Hansestadt verbreitet ist.

Doch damit hat sich der Senator viel vorgenommen. Denn nach den Zahlen aus seiner eigenen Behörde sind in Hamburgs Hotel- und Gebäudereinigungsgewerbe rund 30000 Menschen beschäftigt, von denen nicht mal 10000 über einen Vollzeitarbeitsvertrag verfügen. Viele andere müssen in prekären Jobs arbeiten.

DGB-Lokalchef Erhard Pumm nahm die Vorfälle indes zum Anlaß, erneut einen gesetzlichen Mindestlohn einzufordern. Er verwies darauf, daß in der Reinigungs- und Hotelbranche auch viele Zuwanderer arbeiten, die meist nicht in der Gewerkschaft organisiert sind und deshalb ihre Rechte gar nicht kennen. Wer sich dann aber trotzdem wehre, werde entlassen.

Eher abwehrend bis nervös reagierten die Branchenvertreter und die Bundesagentur für Arbeit. Während Michael Reimer, selbst Chef einer der größten Gebäudereinigungsfirmen in Hamburg, die Praxis solcher Zimmerpauschalen verteidigte, damit werde den Putzkräften ein »Anreiz« gegeben, sieht sich die Agentur für Arbeit gründlich blamiert. Sie hatte einigen dieser Firmen auch noch Lohnzuschüsse nach dem Hamburger Kombilohnmodell überwiesen. Ohne dabei zu prüfen, ob dort der Tariflohn auch tatsächlich ausgezahlt wird.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-10/042.php



IMAG3054Streik der Hamburger Hafenarbeiter gegen Privatisierung der HHLA

Kraftvoll, kampfbereit und entschlossen haben Hamburgs Hafenarbeiter am 14. 12. den Plan des CDU-Senats, 49,9 Prozent der Anteile des mit 3 500 Beschäftigten größten Hamburger Hafenbetriebs, der Hafen und Logistik AG (HHLA), an einen Privatinvestor zu verkaufen, zurückgewiesen. Begründet mit einer Betriebsversammlung und dem „Recht auf Information“ ruhte in allen Betrieben der HHLA von 6 bis 15 Uhr die Arbeit. Auf drei von vier der großen Containerterminals im Hamburger Hafen, standen alle Kräne still. Über 2 000 Hafenarbeiter demonstrierten stattdessen zunächst zum Rathaus und dann zum Sitz des HHLA-Aufsichtsrats.

Dass dies aber nur der Auftakt für weitere Proteste ist, wenn der Senat trotzdem an seinen Verkaufsplänen festhält, versicherte Konzernbetriebsratsvorsitzender Arno Münster. Wer die Hamburger Hafenarbeiter weiterhin an „Edelheuschrecken“, wie etwa den Finanzspekulanten Dubai Ports World oder die Deutsche Bahn verscherbeln möchte, der müsse sich auf weitere Eskalationsstufen in „diesem Kampf um die Zukunft des Hafens“ einstellen. Münster deutete dabei auch einen „Dienst nach Vorschrift“ an, der dann zu dauerhafteren Verzögerungen bei der Schiffsabfertigung führen könnte.

Vor den Folgen einer solchen Privatisierung des bislang städtischen Unternehmens, hatte die Hafenarbeiter auf ihrer Belegschaftsversammlung auch Katharina Ries-Heidtke, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates im. Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK), eindringlich gewarnt. Sie schilderte eindrucksvoll, wie nach der Privatisierung der Hamburger Krankenhäuser, dort nun Sozialdumping und Entlassungen bevorstehen. Das traf den Nerv der Docker, die laut und wütend am Rathaus vorbeizogen, um dort Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zu sagen, dass sie sich derartiges nicht gefallen lassen werden.

Verdeutlicht hat diese Kampfbereitschaft auch ver.di-Landeschef Wolfgang Rose, der die Hafenarbeiter davor warnte, dass die Teilprivatisierung nur der erste Schritt in Richtung einer Totalzerschlagung ihres Unternehmens sein könnte. Neben dem Containerumschlag gehören bisher auch Betriebe im Bereich der Lager- und Kontraktlogistik sowie der Immobilienverwertung zur HHLA. Doch der Senat hat bereits erste Ausgliederungen im Zusammenhang mit dem Teilverkauf angekündigt.

„Wir sind stolz auf unsere Arbeit und auf das wir tun“, sagte Bernt Kamin, Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb GHB auf einer Zwischenkundgebung in der Nähe des Rathauses zu den HHLA-Beschäftigten. Doch aus dieser guten Arbeit folgere dann auch, dass niemand das Recht hätte, die Arbeitsbedingungen für die Hafenarbeiter zu verschlechtern, sagte Kamin. Während er den Beschäftigten der HHLA die „volle Solidarität“ aller anderen Hafenbetriebe versicherte, versprach er dem Senat, alles zu tun, damit die Privatisierung doch noch verhindert werden kann.

Verwendung: Wochenzeitung „Unsere Zeit“, 22. Dezember 2006, Seite 5