10. März 2008
Nachfolgend dokumentiere ich hier einen Beitrag von Manfred Sohn, Fraktionsvorsitzender der Linken im niedersächsischen Landtag, zum Wahlerfolg seiner Partei am 27. Januar 2008 und zu den Ereignissen, die schließlich zum Mandatsklau durch Christel Wegner (DKP) führten. Was ich selber von diesem Mandatsklau halte, habe ich an anderer Stelle schon deutlich gemacht. Manfred Sohn hatte mir diesen Beitrag schon vor längerer Zeit zugestellt, mich dann aber gebeten diesen erst zu verwenden, wenn er ihn selbst veröffentlicht hat.
Kurze Anmerkungen zu einem Wahlerfolg und seinen Nachwehen
von Manfred Sohn
Vorbemerkung des Autors: Die folgenden Betrachtungen sind subjektiv und eine persönliche Einzelmeinung eines der inzwischen fast 3 000 Mitgliedern der niedersächsischen Landesorganisation der Partei Die Linke. Sie versuchen neben einer Einschätzung einzelner Aspekte unseres Wahlerfolgs vom 27. Januar auch eine Darstellung der Ereignisse, die zu dem Ausschluß eines der Mitglieder der neugewählten Landtagsabgeordneten aus der Fraktion Die Linke im niedersächsischen Landtag geführt haben. Eine ausführlichere Fassung ist auf der jW-Themaseite im Internet zu lesen. (Siehe: Langfassung, hier auf diesem Weblog ebenfalls dokumentiert.)
Am 27. Januar 2008 zog die Linkspartei mit ihren jeweiligen Landeslisten durch 5,1 Prozent der Wählerstimmen in das Landesparlament von Hessen und durch 7,1 Prozent in das von Niedersachsen ein. Knapp einen Monat später, am 24. Februar, erreichte sie 6,4 Prozent und damit eine neue Fraktion auch in der Hamburger Bürgerschaft. Nach dem Erfolg bei den Bremer Wahlen im Mai 2007, bei denen sie mit 8,4 Prozent der Stimmen erstmals in ein westdeutsches Parlament einzog, gelang ihr durch diese Serie der parlamentarische Durchbruch in den alten Bundesländern. Sie ist seitdem gemessen an der Stärke ihrer Landtagsmandate unbestreitbar und mit einigem Abstand zu FDP und den Grünen die drittstärkste parlamentarische Kraft in Deutschland.
Der Wahlerfolg in Niedersachsen ist zustandegekommen dank des Einsatzes der im Wahlkampf um fast 50 Prozent gewachsenen Mitgliedschaft der Partei Die Linke. In gewisser Weise läßt sich sagen: Dieser Kampf um das Leineschloß dem Sitz des niedersächsischen Landtages hat diese Landespartei in der jetzigen Form erst hervorgebracht. Bei den Landtagswahlen 2003 bestand der Vorläufer dieser Partei, die PDS, aus rund 500 Mitgliedern, deren Kandidaten bei den Wahlen damals rund 20 000 Stimmen erreicht hatten.
Der positive Sog der mit 8,7 Prozent gewonnenen Bundestagswahl und die Ausstrahlung der anschließend gebildeten Fraktion Die Linke in Berlin führte in Niedersachsen zu einem Zuwachs an Mitgliedern in beiden Quellparteien. Sie hatten am 16. Juni 2007, bei der Verschmelzung zur neuen Partei, jeweils knapp 1 000 Mitglieder. Der Landtagswahlkampf selbst entwickelte vor allem in den Monaten Dezember und Januar eine weitere Sogwirkung, so daß die Mitgliederzahl sich von insgesamt rund 2 000 zum Zeitpunkt der Parteineubildung auf jetzt fast 3 000 erhöhte. Jedem Marxisten, der nicht tagträumend durch die Gegend läuft, ist klar, welch ein politisch labiles Gebilde eine so schnell wachsende Organisation ist und welche Verantwortung für besonnenes Vorgehen eine solche Lage für alle erfordert, die in einem politischem Gefecht herausragende Verantwortung tragen.
Wir haben aber nicht nur einen starken Wahlkampf geführt, sondern hatten auch Gegner, die schwach waren. Zum einen ist es der SPD anders als in Hessen überhaupt nicht gelungen, ihre Mitglieder zu mobilisieren. Zweitens haben CDU und die von ihr dominierten Leitmedien die Linie gefahren: »Totschweigen, nicht vorkommen lassen und wenn, dann mit der Bemerkung: Kommen sowieso nicht rein.« Dies ist unterspült worden zum einen von den (überwiegend schlecht bezahlten) Lokalredakteuren, die ordentlich über uns berichtet haben und durch unseren eigenen, druckvollen Wahlkampf in buchstäblich jedem Dorf zwischen Nordsee und Harz. Vier Tage vor der Wahl haben die klügeren Köpfe der anderen Seite umgeschaltet und auf Seite eins der den Zeitungsmarkt in Niedersachsen beherrschenden Madsack-Kette mit der Hilfe eines ausgetretenen Mitglieds aus Hannover doch noch versucht, uns mit DKP und DDR am Zieleinlauf zu hindern. Aber das war zu zaghaft und zu spät, und so blieb es bei dem, was irgendein trotziges Parteimitglied am 26. Januar auf ein Plakat in der Wahlkampfzentrale gekritzelt hatte: »CDU und HAZ (Hannoversche Allgemeine Zeitung, d. Red.) schießen auf uns mit DDR und DKP wir aber stürmen das Leinepalais.«
DKP im Linkspartei-Wahlkampf
Mehr als ein halbes Jahr vor den Wahlen hat die DKP angeboten, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten, wenn sie dafür einen aussichtsreichen Listenplatz bekäme. Nun ist diese Partei organisatorisch nur noch ein Abglanz früherer Stärke. Sie hat knapp 400 Mitglieder in Niedersachsen, die ein Durchschnittsalter von gut 60 Jahren haben und von denen nach eigenen Angaben nur noch ein Drittel wenigstens einmal im Monat für politische Aktivitäten das Haus verlassen. Viel ist das nicht. Dennoch haben wir der von ihr gewählten Kandidatin die Möglichkeit eingeräumt, sich auf den Regionalversammlungen unserer Partei an denen alle Mitglieder teilnehmen konnten als mögliche Kandidatin vorzustellen, und es hat über die Einbeziehung von Christel Wegner auch im internen Verteiler eine rege, kontroverse Diskussion gegeben.
Am 3. November haben wir auf einer LandesvertreterInnenversammlung dann mit mit knapper, aber von niemanden angefochtener Mehrheit Wegner auf Platz neun dieser Liste gewählt. Durch den Wahlerfolg am 27. Januar war sie damit Landtagsabgeordnete.
Als sich die zunächst von vielen als winzig eingeschätzte Möglichkeit, in den Landtag einzuziehen, im Januar zu einer realen entwickelte, weitete sich der Widerspruch zwischen dem hervorragenden Platz, den wir Christel Wegner zugebilligt hatten, und den Möglichkeiten der DKP. Die DKP spielte von einzelnen Kreisen abgesehen in diesem Wahlkampf praktisch keine Rolle. Sie hatte zwar etwas vollmundig angekündigt, einen sichtbaren, solidarischen und eigenständigen Wahlkampf zu führen. Das blieb aber Ankündigungspolitik. Weder frühmorgens vor den Betriebstoren noch bei den Plakateinsätzen war Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel von den Kommunisten viel zu sehen. Wenn aber Wahlkämpfer das Gefühl haben, sie rödeln sich den Arsch ab für Leute, die sie außer bei der Kandidatenaufstellung nicht zu Gesicht bekommen, macht sie das in der Regel verdrießlich. Das hat weniger mit politischen Inhalten zu tun. Das hat mit dem sozialen Gesetz zu tun, daß man Räume, die man beansprucht, auch ausfüllen können muß. Das aber war bei der DKP angesichts ihrer hohen Listenposition im Verlauf des praktischen Wahlkampfes immer weniger der Fall.
Dann kam der Wahltag, und alle haben sich gefreut, DKP und Wegner eingeschlossen. Sie hat das in Unsere Zeit, die Zeitung ihrer Partei, am 1. Februar mit den Worten kommentiert, sie sei zum Mandat gekommen »wie die Jungfrau zum Kinde«. Das widerspiegelt in etwas flapsigen Worten in der Tat den oben skizzierten Widerspruch zwischen Plazierung und der Schwäche der Organisation, der sie angehört.
DKP-Flirt mit Panorama
Schon am Tag nach der Wahl war ersichtlich, daß die Leitmedien in Norddeutschland allen voran Bild entschlossen waren, die Scharte Niedersachsen auszuwetzen, ihren Fehler des Unterschätzens und Totschweigens nicht zu wiederholen und in den wenigen verbleibenden Tagen bis zum Wahlgang in Hamburg alles zu tun, damit dort die Deiche, die aus ihrer Sicht in Niedersachsen gebrochen waren, nicht auch noch brechen. Es wurde nach Lektüre der Medien schnell klar, mit welchen Mitteln sie versuchen würden, ihre Dämme zu verstärken: mit dem Ruf »Die Linke = DKP und DDR«.
Es gab daher bei uns in der zwei Tage nach der Wahl unter Einschluß von Christel Wegner konstituierten Fraktion und im Landesverband eine hohe Disziplin, gegenüber der Presse, dieses Thema nicht zu bedienen. Daran haben sich wie sich das in einem Gefecht gehört alle anderen Fraktionsmitglieder, alle Landesvorstandsmitglieder, alle 140 Kommunalparlamentarier gehalten nur eine nicht: Christel Wegner.
Die Panorama-Sendung selbst deutet darauf hin, daß hier leider viel mehr passiert ist als die Entgleisung einer einzelnen frisch gebackenen und vielleicht im Umgang mit nicht wohlgesonnenen Medien unerfahrenen Landtagsabgeordneten. Was die Aufregung verursacht hat, war ja kein isoliertes Interview mit der Abgeordneten. Es war ein nach Panorama-Manier aus drei Teilen zusammengeschnittener Bericht. Da war zum einen ein Ausschnitt aus der Beerdigung des Genossen und Gründungsmitglieds der DKP, Kurt Erlebach, mit einem Ausschnitt aus der Rede des Parteivorsitzenden der DKP, zum anderen eine Sequenz, bei der der Hamburger Bezirksvorsitzende Olaf Harms im Wahlkampf begleitet wurde und dann ein Interview mit Wegner bei ihr zu Hause. Der Rest (Rede Herbert Mies etc.) war aus dem Archiv.
Das heißt aber: Panorama ist wie von uns befürchtet gleich nach dem »Niedersachsen-Desaster« aktiv geworden und hat mehrere Größen der DKP vor die Kamera gebeten. Und der eigentliche Skandal ist: Sie alle haben sich wie die Kinder gefreut, daß sie endlich gefilmt werden und haben sich stolz filmen lassen: Parteivorsitzender, verdiente Genossen, Bezirksvorsitzender und die einzige Landtagsabgeordnete sozusagen die Crême der Partei. Und all‘ dies an der Liste vorbei, der sie den für sie selbst überraschenden (»Jungfrau zum Kinde«) Einzug in den niedersächsischen Landtag verdanken. Ich betone: an der Liste vorbei. Über die Tatsache, daß die DKP mit den Panorama-Machern herumflirtet, sind wir erst informiert worden, als das Material schon abgedreht war.
Dies kann nur zweierlei bedeuten. Entweder das ist ein kollektiver Blackout der Führung der führenden Partei der Arbeiterklasse. Oder aber es ist zwei Wochen vor ihrem Parteitag Ergebnis der Überlegung, den parteieigenen Kritikern an der Politik, auf Listen der Linkspartei zu kandidieren, durch einen wohlüberlegten Paukenschlag deutlich zu machen, daß man sehr wohl willens und in der Lage sei, eine eigenständige mediale Rolle als DKP trotz einer Integration einzelner Kommunistinnen und Kommunisten in Listen von Die Linke zu spielen. Im ersten Fall wäre es eine völlige Disziplinlosigkeit einer Partei, die einst nicht ganz zu unrecht auf diese revolutionäre Tugend stolz war. Im zweiten Fall ist es ein Hintergehen eines Partners. Beides aber kann nur dazu führen, daß dieser Partner mit einer solchen Organisation, die so vorgeht (entweder disziplinlos oder bewußt intrigant) anders zusammenarbeitet als vor einem solchem Ereignis.
In dem Interview hätte sich die Abgeordnete wenigstens wie es jeder von uns tut, wenn er vor bürgerliche Journalisten tritt auf die im Wahlprogramm niedergelegten Aufgaben der Liste im Landtag konzentrieren können. Das alles hat sie nicht getan. Sie hat nicht das Gemeinsame aller Kandidatinnen und Kandidaten der Liste fünf in den Vordergrund gestellt, sondern das, was sie von allen anderen unterscheidet und sich anschließend bitter darüber beklagt, daß die Fraktion dieser Logik folgend nun auch das in den Vordergrund stellt, was diese eine Landtagsabgeordnete dieser Liste von allen anderen unterscheidet: ihre eigene Parteimitgliedschaft.
Wenig Lust auf Klarheit
Deshalb ist es auch müßig, darüber zu streiten, ob ihre Äußerungen mit dem Landtagswahlprogramm der Linkspartei kompatibel sind. Sie selbst betont in dem Interview ja gerade das trennende die Position, daß man »so ein Organ wieder braucht«, das Gewähr dafür bietet, sich davor zu schätzen »so einen Staat von innen auf(zu)weichen«, die Position zur Berliner Mauer, die Position zu Reform und Revolution. Es ist eine Umkehrung der Abläufe, jetzt so zu tun, als sei sie durch eine Art politischer Gewaltakt von der Fraktion getrennt worden. Sie hat sich durch Führung und Inhalt des Interviews für die ARD von der Fraktion getrennt und diese hat die Trennung lediglich quittiert.
Die ganze Kritik gegenüber der angeblich zu harten Umgangsweise mit der Abgeordneten Wegner konzentriert sich auf den Vorwurf, wir hätten sie ohne Prüfung der Tatsachen aus der Fraktion geworfen. Das ist ein Märchen. Am Donnerstag der Panorama-Sendung haben wir ihr nachmittags telefonisch für den Fall, daß das alles so sei, wie Panorama behaupte, den Mandatsverzicht nahegelegt und angekündigt, daß wir ihren Fraktionsausschluß prüfen würden. Zumindest für Niedersachsen kann ich bezeugen, daß der Ausschluß nicht, wie Wegner in der jungen Welt vom 21. Februar behauptet, »schon vor der Ausstrahlung der Panorama-Sendung feststand«. Und niemand anders als die niedersächsische Fraktion konnte diesen Ausschluß beschließen.
Wir haben sie an diesem Tag angesichts der Gefahr für die Wahl in Hamburg in der Tat gebeten, zunächst öffentlich nichts weiter zu diesem Thema zu sagen, aber auch gebeten, möglichst schnell eine eigene schriftliche Stellungnahme zu dem Vorgang zu verfassen. Diese Stellungnahme lag zumindest mir als ihrem damaligen Fraktionsvorsitzenden erst am Sonntag abend um 21 Uhr vor. Kernsatz: »Mein Aussage im Interview bezog sich nicht auf die Stasi.«
Das aber läßt sich presserechtlich klären. Also habe ich gut eine Stunde später sie und ihren Rechtsanwalt ebenfalls schriftlich per E-Mail um »das Einlegen von Rechtsmitteln« gebeten, »um eine Herausgabe des Interviewmitschnitts zu erwirken«. Bis heute (6. März 2008) kenne ich kein Schriftstück, mit dem das auch nur versucht wird.
Statt dessen erschien am 21. Februar ein Interview von Wegner in junge Welt, in der sie abwinkend erklärt: »Bestenfalls würde in einer Panorama-Sendung eine Richtigstellung in zwei Sätzen erfolgen. Das lohnt nicht wirklich (…).« Bestenfalls! Das lohnt nicht! Und so sollen wir kämpfen in diesem Lande? Bestenfalls! Das lohnt nicht! Nur zwei Sätze im nationalen Fernsehen? Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es ein Stück aus dem Tollhaus der führenden Partei der Arbeiterklasse und welcher Kontrast zu den Zeiten der Kämpfe gegen die Berufsverbote, wo dieselbe DKP zu recht um jeden Fußbreit Boden vor den Gerichten gefochten hat!
Einen Tag nach diesem jW-Interview hat Panorama schriftlich erklärt: Der Kontext wäre so gewesen wie dargelegt: »Anders als jetzt von Frau Wegner behauptet, ging es dabei nicht um irgendeinen Geheimdienst, sondern durchgängig ganz konkret um die DDR-Staatssicherheit.« Eine oder einer lügt hier. Und das kann herausgefunden werden. Aber nur durch die interviewte Person und die von ihr beauftragten Rechtsanwälte. Solange warten wir.
Die Forderung nach Mandatszurückgabe ist nur konsequent. Zum Vorwurf der Wählertäuschung sagt sie im jW-Interview, das sei absurd, denn: »In meinem Wahlkreis bin ich als Direktkandidatin aufgetreten und in der Lokalpresse als Kandidatin für Die Linke, aber auch als DKP-Mitglied vorgestellt worden.« Sie sollte aber zur Kenntnis nehmen, daß sie keine direkt in Buchholz, sondern über die Liste gewählte Abgeordnete ist.
Wir wiederum nehmen zur Kenntnis, daß sie stur und damit Abgeordnete bleibt. Die gegenseitige Zuneigung fördert das nicht.
Konzentration auf Hauptaufgaben
Die Unterschriften, die zur Zeit von junge Welt gesammelt werden, stehen unter der Forderung, Wegner »wieder einen Status innerhalb der Landtagsfraktion (…) zu geben«. Das wird nicht möglich sein. Alle Abgeordneten auch Wegner haben von der Landtagsverwaltung zwei Tage nach der Wahl unter anderem die Geschäftsordnung des Landtags ausgehändigt bekommen. Dort heißt es im Paragraphen zwei: »Fraktionen sind Vereinigungen, zu denen sich Mitglieder des Landtages zusammenschließen können, die der gleichen Partei angehören (…)«. Solange die Mehrheit des Landtages die aus CDU und FDP besteht diese Geschäftsordnung nicht ändert, kann Wegner nicht Mitglied einer ihrer Fraktionen werden.
Also sitzt sie jetzt allein im Landtag und bleibt auch auf absehbare Zeit die einzige Vollzeitparlamentarierin der DKP. Durch ihr Interview mit den Panorama-Leuten in ihrem Wohnzimmer hat sie im Ergebnis vermutlich ihren Genossen Olaf Harms kurz vor dem Eingang in die Hamburger Bürgerschaft »von der Treppe geschossen« auch das gehört zu den Ergebnissen dieser Einzelaktion.
Im übrigen wird es weder ein Schneiden der Abgeordneten durch ihre ehemaligen Listenkollegen geben noch eine Hexenjagd. Der Vergleich zur Berufsverbotezeit ist absurd angesichts der Tatsache, daß Wegner für die nächsten fünf Jahre monatlich 6 500 Euro zu ihrer Verfügung und obendrein Anspruch auf einen persönlichen Mitarbeiter hat. Wir nehmen natürlich auch zur Kenntnis, daß sie öffentlich als einzige Abgeordnete außerhalb unserer Fraktion erklärt hat, weiter für die Umsetzung des Wahlprogramms der Liste fünf zu wirken.
Ansonsten gilt zumindest aus persönlicher Sicht des Autors dieser Zeilen, daß sich die Partei Die Linke gegenüber Mitgliedern der DKP so verhalten sollte wie gegenüber Mitgliedern aller anderen Parteien, die zu unserer Programmatik Deckungsflächen aufweisen. Konkurrierende Kandidaturen haben mich noch nie gehindert, mit SPD-Leuten in der Gewerkschaft oder im Personalrats- bzw. Betriebsratsbereich zusammenzuarbeiten. Und die Zusammenarbeit mit den Grünen ist in einer Reihe von Bürgerinitiativen ebenfalls eng und herzlich. Warum sollte das bei DKP-Leuten anders sein oder werden?
Die DKP-Frage ist angesichts der Schwäche dieser Partei aber nicht die Hauptfrage und auch nicht das, was die Partei Die Linke in Niedersachsen zur Zeit bewegt. Es herrscht bei uns in den Kreisen und in der Frage die sehr kompakte Stimmung: Wir werden uns weder von denen noch von irgendjemanden anders von unserer Hauptaufgabe abdrängen lassen. Die ist uns aufgegeben worden von einer Viertelmillion Wählern, die ihr Kreuz bei Der Linken unter den drei Kernlosungen gemacht haben, mit denen wir unsere Wahlen gewonnen haben, und die weiter Handlungslinie für die nächsten fünf Jahre sind: Armut bekämpfen Bildung gebührenfrei für alle Privatisierung stoppen.
Wir haben das mit der ersten Landtagssitzung begonnen. Dort hat Christel Wegner auf das ihr als fraktionsloser Abgeordneter zustehende Rederecht verzichtet. Wir haben in unserem ersten längeren Redebeitrag, als es eine allgemeinpolitische Debatte um die deutsche Geschichte gab, auf die große Rolle der KPD im antifaschistischen Kampf und auf die Notwendigkeit hingewiesen, die in Stalingrad gefallenen Rotarmisten zu ehren. Diese Redeteile sind von junge Welt im übrigen nicht beachtet worden aber auf der Internetseite des niedersächsischen Landtags nachzulesen.
Vor allem aber haben wir uns in den Tagen der konstituierenden Landtagssitzung und seitdem in einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen in Niedersachsen auf zwei außerparlamentarische Aktivitäten konzentriert: auf die Entwicklung einer breiten Kampagne für die Verankerung eines Mindestlohns in das Landesvergabegesetz und auf die Entwicklung von Widerstand gegen die Entsendung von Kampftruppen der in Niedersachsen stationierten Ersten Panzerdivision nach Afghanistan.
Noch einmal: Von diesen Hauptaufgaben werden wir uns nicht abdrängen lassen von nichts und niemanden.
Manfred Sohn ist einer der beiden Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im niedersächsischen Landtag
Verwendung: Junge Welt vom 10. März 2008
Die Langfassung dieses Beitrags, der für die Veröffentlichung in der Junge Welt gekürzt werden musste, lesen Sie hier:
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