15. Mai 2007

Inga NitzDas Ziel »Sieben plus x« wurde mit 8,4 Prozent für Die Linke weit übertroffen. Ein Gespräch mit Inga Nitz

Inga Nitz ist Landessprecherin der Linkspartei Bremen und wird nach der erfolgreichen Landesparlamentswahl vom vierten Listenplatz aus in die Bremer ­Bürgerschaft einziehen.

Kaum mehr als vier Prozent bei den letzten Umfragen – 8,4 Prozent für Die Linke am Wahlabend. Wie erklären Sie sich die gewaltige Diskrepanz?

Es ist schon auffällig, daß uns ausgerechnet die allerletzte Erhebung vor dem Wahltag unter fünf Prozent gesehen hat und alle vorangegangenen deutlich darüber. Aber ganz egal, wie so etwas zustande kommt, die Wählerinnen und Wähler haben bewußt ihr Kreuz bei Der Linken gemacht. Die Bürgerinnen und Bürger in Bremen und Bremerhaven haben uns an unseren politischen Inhalten gemessen und so zu diesem großartigen Erfolg verholfen. Wir haben nicht nur unser Ziel, sieben Prozent plus x, grandios gemeistert. Der erste Einzug der Linken in ein westdeutsches Landesparlament ist sogar von historischer Bedeutung. Spätestens seit Sonntag ist Die Linke auch im Westen angekommen. Wir sprechen deshalb auch ganz ohne falsche Bescheidenheit vom »Wunder von Bremen«.

Was war Ihr Erfolgsrezept?

Die strikte Orientierung auf die soziale Gerechtigkeit. Die Bürger sind es leid, daß die Kluft zwischen Arm und Reich weiter wächst, immer mehr Menschen arbeitslos werden, daß bei staatlichen Aufgaben gekürzt wird und die Regierenden Unsummen in irrwitzige Prestigeprojekte pumpen. Die Linke steht hier für eine klare Alternative: Wir wollen eine Gemeinschaftsschule, in der jedes Kind gleiche Bildungschancen hat, wir wollen keine privatisierten Krankenhäuser oder Wohnungsbaugesellschaften, wir fordern ein Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr und die Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

Welche Lehre sollte Die Linke bundesweit aus der Bremer Erfolgsgeschichte ziehen?

Unser Triumph wird natürlich auch in andere Bundesländer ausstrahlen, speziell auf die im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg. Die Menschen in Westdeutschland können dann ab sofort voller Stolz sagen, daß sie die erste wirkliche gesamtdeutsche Partei wählen.

Bedeutet der Erfolg nicht vor allem: Opposition heißt siegen, mitregieren heißt verlieren?

So pauschal würde ich das nicht sagen. Unser Auftrag wird sein, Unruhe und Transparenz in die Bremische Bürgerschaft zu tragen. Natürlich wird die Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Berlin auch in Bremen kritisch begleitet. Dennoch ist die Konstellation dort eine ganz andere als hier. Der Politikansatz von SPD, CDU und Grünen ist von dem unsrigen so weit entfernt, daß sich die Frage nach einer Regierungsbeteiligung für uns derzeit nicht stellt. Wir arbeiten selbstverständlich mit Kräften zusammen, die sich beispielsweise für ein Sozialticket oder gegen die Privatisierung von Kliniken einsetzen.

Aber wurde nicht gerade die konsequente Absage an eine Regierungsbeteiligung vom Wähler honoriert?

Wir haben im Wahlkampf klipp und klar gesagt, daß es Die Linke nur in der Opposition geben wird. Das heißt aber nicht, daß wir politisch wirkungslos wären. Wahlkampfheucheleien für einen gesetzlichen Mindestlohn à la Böhrnsen (SPD, Bürgermeister, jW) wurden abgelehnt. Vielmehr sollen auch Pförtner im Rathaus ordentlich bezahlt werden. Soziale Gerechtigkeit ist kein Wahlkampfknüller, sondern sollte immer Leitbild im Alltag unserer Politik sein. Der Druck von links hinterläßt also bereits Spuren. Allerdings glauben wir nicht, daß die »soziale Ader« der Regierungsparteien mehr ist als Wahlkampfrhetorik. Wir werden die SPD an ihre Versprechen erinnern.

Was planen Sie beim Thema Mindestlohn an Initiativen in der Bürgerschaft?

Natürlich werden wir alle möglichen parlamentarischen Mittel zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns einsetzen und dabei der SPD ihre beabsichtigte Bundesratsinitiative ins Gedächtnis rufen.

Sehen Sie noch Chancen, die Krankenhausprivatisierung auf parlamentarischer Bühne zu verhindern?

Die Linke steht fest an der Seite des Konzernbetriebsrats der »Gesundheit Nord« gegen die Privatisierung der städtischen Kliniken und gegen Arbeitsplatzabbau im Gesundheitswesen.

[Dieses Interview wurde von meinem jW-Kollegen Ralf Wurzbacher geführt.]

Verwendung: Junge Welt

Dieses Interview ist zugleich Bestandteil einer Schwerpunktseite in der Jungen Welt vom 15.05.07. Lesen Sie daher auch die Artikel Überraschender Erfolg und Denkzettel. Wer mit wem?

Die gesamte Schwerpunktseite vom 15. Mai können Sie außerdem hier als PDF-Datei herunterladen.