Klima-Krise und CO2 Steuer
Perspektiven bürgerlicher und sozialistischer Klima-Politik [1]

Klimakrise

 

Diesen Artikel als PDF Datei downloadenEines ist mir gleich zu Beginn wichtig: Wenn wir heute über die Klimakrise reden, dann reden wir über die Klimakrise dieses kapitalistischen Systems. Eine Gesellschaft, in der es den ökonomisch dominierenden Kräften vor allem darum geht, ihre Profite zu maximieren. Dem soll sich alles andere unterordnen.

Profite entstehen im Kapitalismus durch die Ausbeutung fremder Arbeitszeit. Doch schon in der Kritik des Gothaer Programms verwiesen Karl Marx und Friedrich Engels darauf, dass nicht nur die ausgebeutete Arbeitszeit eine Quelle für den gesellschaftlichen Reichtum ist, sondern auch die Ausbeutung der Natur. Denn erst diese verleiht dem Tauschwert einer Ware mit dem Gebrauchswert eine stoffliche Grundlage. [2] Die Ausbeutung natürlichen Ressourcen der Natur hat andere Wirkungen, auch eine andere Form, als die Ausbeutung der Arbeitszeit Sie ist zum Beispiel keine Quelle des Profits. Doch die Hemmungslosigkeit, die Anarchie und Planlosigkeit, mit der sie erfolgt, ist ähnlich rücksichtslos [3]. Getrieben durch das Wolfsgesetz kapitalistischer Konkurrenz, das nur demjenigen eine Chance zum Überleben lässt, der nimmt, was zu nehmen ist, berauben die großen Kapitalisten »die ganze Welt, die Menschenwelt wie auch die Natur, ihres eigentümlichen Werts« [4].

Auch in früheren vorkapitalistischen Epochen gab es einen ständigen Stoffwechsel der Gesellschaft mit der Natur. Allerdings nicht so vernichtend, wie unter kapitalistischen Bedingungen. Waren wurden produziert um sie gegen andere Waren auszutauschen oder um sie zu konsumieren. Im Zentrum des Warenaustausches stand der Gebrauchswert einer Ware. Doch im entwickelten Kapitalismus geht es den Kapitalisten nicht um Gebrauchswerte, sondern um den Tauschwert einer Ware. Denn in ihm schlummert der Profit, der durch die Zirkulation realisiert werden kann. Ob eine Ware nützlich ist, ob sie gut oder beständig ist, in welcher Form, unter welchen Bedingungen, mit welchen Folgen Arbeit und Naturstoffe zusammengebracht werden – all dies ist von geringem Interesse. Wer Geld investiert, will am Ende noch mehr Geld. Das ist die goldene und ewige Regel der kapitalistischen Produktionsweise.

Da diese Selbstverwertung des Kapitals aber konkurrenzgetrieben ist, will und muss der einzelne Kapitalist – wie Marx es formulierte – ein Maximum an Mehrarbeit aus dem Arbeiter »auspumpen« [5]. Noch im 19. Jahrhundert galt daher 16-stündige Knochenarbeit als ein normaler Arbeitstag. Erst der Widerstand der Arbeiterbewegung erzwang dann nach und nach eine Regulierung der Arbeitsbedingungen und somit auch der maximal zulässigen Arbeitszeit. Marx bezeichnete dieses daher als den ersten Sieg der Arbeiterklasse über das Kapital.

Die Ausbeutung wurde durch die Begrenzung der Arbeitszeit nicht abgeschafft, aber sie wurde »nachhaltiger«. In dem Sinne, dass der einzelne Arbeiter nun mehr Zeit hatte seine Arbeitskraft zu regenerieren und zu reproduzieren. Nachhaltiger aber auch in dem Sinne, dass eine bessere Qualifikation der Arbeit diese produktiver machte. Die Kapitalisten waren zu einem solchen Schritt indes nicht in der Lage. Alles musste ihnen abgepresst werden und obwohl dieser Übergang von der extensiven zur intensiven Form der Ausbeutung auch für sie am Ende sinnvoll war.

Im Kampf der Arbeiterbewegung geht es häufig um mehr Lohn. Aber immer und bis heute zuallererst um ein schützendes Regelwerk. Dafür gibt es Tarifverträge, aber auch Gesetze, die im politischen Kampf durchgesetzt werden müssen. Heute würde man sagen: Schutz durch die Anwendung ordnungspolitischer Instrumente. Ein Handel mit Zertifikaten, eine zusätzliche Steuer, hätte indes nichts gebracht. Allenfalls wäre so eine Art Sterbekasse für erschöpfte Proletarier zu finanzieren gewesen.

Arbeiter können sich wehren, wenn es um die Sicherung ihrer eigenen Reproduktions- und Regenerationsbedingungen geht. Kann sich die Natur wehren? Kann sie streiken? Kann sie Parteien gründen oder Demonstrationen organisieren? Nein. Ihre natürlichen Ressourcen erschienen den Kapitalisten daher wie ein Geschenk des Himmels, das sie – ohne jegliches Recht – ausbeuten konnten. Doch heute wissen wir: diese Ressourcen sind begrenzt. Was verbraucht wird, muss sich regenerieren. Was sich nicht regenerieren kann, hat ein Ende.

Die Erschöpfung der Natürlichen Ressourcen

Die Belastung natürlicher Ressourcen und der Umwelt können wir messen. Beispielsweise an Hand der Konzentration von CO2 und weiterer Treibhausgase in der Atmosphäre. So wie die Körper der Lohnabhängigen im frühen Kapitalismus bei Überbelastung glühten, manchmal auch kollabierten, so glüht heute die Natur. Ein Zusammenhang der durch wissenschaftliche Forschungen seit 1956 bekannt ist. Doch erst 1997 wurden im Kyoto-Protokoll Anforderungen für den Umgang mit den natürlichen Ressourcen durch die beteiligten Vertragsstaaten beschlossen. Vor allem die höher entwickelten kapitalistischen Länder sollten dazu gebracht werden ihren Umgang mit der Natur zu regulieren. Doch die USA haben dieses Protokoll niemals anerkannt. 2015 wurde dann auf einer Konferenz in Paris das Ziel benannt die bereits stattfindende Erderwärmung auf 1,5-Grad-Celsius zu beschränken. Umsetzungsbeschlüsse sucht man aber vergebens.

Die Kapitalisten und ihre politischen Vertreter scheinen bei Strafe ihres eigenen Untergangs nicht dazu fähig zu sein einen solchen Übergang zu einem nachhaltigen Naturverhältnis hinzubekommen.

Fridays for Future / Wie entstehen Massenbewegungen im Kapitalismus?

Doch nun tritt »Fridays for Future« ins Rampenlicht. Die Bewegung will dieses Ziel eines nachhaltigen Naturverhältnisses mit Klima-Streiks erzwingen. Sie mobilisiert international Millionen. Vor allem jüngere Menschen.

Wie diese Bewegung entstand, ist umstritten. Im Netz wird von vielen vertreten, dass diese Bewegung das Ergebnis eines (inszenierten) Medien-Hypes gewesen sei. Den Leuten im Hintergrund ginge es gar nicht / oder nicht nur um das Klima, sondern um andere Ziele. Ich halte das für zu einseitig. Ich glaube FfF ist beides: Einerseits eine Inszenierung. Anderseits als Massenbewegung aber auch Ausdruck der Tatsache, dass die Probleme mit unserer Umwelt und unserem Klima nicht mehr zu übersehen sind. Denn auch die beste Inszenierung hat keinen Erfolg, basiert sie nicht auf realen Widersprüchen in der Gesellschaft.

Jede Massenbewegung, die im Kapitalismus entsteht, ist immer beides: eine Inszenierung und gleichzeitig das Aufbegehren vieler Menschen gegen konkret gegebene Zustände, die zum Widerspruch heraus fordern. Denn das ist das Besondere der kapitalistischen Gesellschaft, dass sie dazu fähig ist alles, aber auch wirklich alles, zum Zwecke eigener Profite, zum Zwecke der Ablenkung und Instrumentalisierung, auch selbst zu nutzen. Was wäre beispielsweise die Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre ohne Rudi Dutschke gewesen? Und was wäre Dutschke ohne die Springer-Presse gewesen, die ihn zum Schreckgespenst des Bürgertums ja erst aufbaute? Es lassen sich viele solche Beispiele finden. Einerseits ist jede Massenbewegung ein Aufbegehren und damit für die Herrschenden mit viel Risiko behaftet. Andererseits macht sie die kapitalistische Gesellschaft aber auch immer zu einer Inszenierung. Einzelne Personen werden dabei in den Vordergrund gerückt. In dem die Medien so agieren, wie sie agieren, tragen sie – gewollt oder ungewollt – zur Stabilisierung solcher Bewegungen bei. Aber gleichzeitig ist damit der Kern der Spaltung, der Instrumentalisierung und der Ablenkung bereits in jeder Bewegung mit angelegt. Erst wenn sich eine solche Bewegung politisiert, damit zusammenhängend auch demokratisiert, beginnt Emanzipation und kann vielleicht Veränderung bewirkt werden. Denn im Prozess der Politisierung, man könnte auch sagen der inhaltlichen Radikalisierung, gerät dann das kapitalistische System selbst in den Fokus. Gelingt dies, geht es plötzlich um alles: um wirkliche Demokratie, um soziale Gerechtigkeit, um Frieden, um den Schutz der Umwelt. Erst dann wird eine solche Bewegung für die ökonomischen und politischen Eliten gefährlich. Gelingt das indes nicht, wird sich eine solche Bewegung indes schnell erschöpfen.

Wir kennen das: Massenproteste kommen manchmal auch in einem falschen Kleid daher. Erinnern wir uns an die Revolte in Russland 1905. Hunderttausende Landarbeiter und Proletarier zogen mit Bildern des Zaren durch die russischen Städte. Angeführt von orthodoxen Priestern. Es war eine Fürbitte an den Zaren, den Menschen mehr Brot und dadurch mehr Lebensperspektive zu geben. Alle Hoffnung der Massen ruhte auf dem Zaren. Seien wir ehrlich: Revolutionäre fanden dafür keine Sympathie. Aber spätestens in dem Moment, wo die zaristische Verwaltung Polizei- und Armeeeinheiten auf die Demonstrierenden hetzte, veränderte sich die Qualität dieser Bewegung. Aus einer Fürbitte wurde eine Revolte, fast eine Revolution.

Massenbewegungen entwickeln also immer ihre eigene Dynamik. Das hängt an den Umständen, das hängt auch daran, inwieweit sich eine solche Bewegung und ihre einzelnen Akteure politisieren. Für die herrschenden Schichten sind sie immer ein Risiko. Für Sozialisten und Sozialisten indes ein Strom, in dem sie schwimmen und sich bewegen. Aber mit klaren Zielen!

FfF Deutschland

Nehmen wir nun FfF Deutschland. Die Liste der Forderungen, die wir auf deren Webseite finden, ist sehr übersichtlich [6]. Eingefordert werden Veränderungen in der Energieerzeugung, in der Industrie, im Transport und Verkehr. Doch welcher Art diese Änderungen sein sollen, wird nicht beschrieben. Konkret wird es nur an zwei Punkten: Erstens: der Kohleausstieg soll beschleunigt werden. Zweitens: Treibhausgas-Emissionen, vor allem der CO2 Ausstoß, sollen mit einer CO2 Steuer bepreist werden. 180 Euro pro Tonne werden dafür gefordert.

Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der CO2 Steuer

Auf eine Beschleunigung des Kohleausstiegs ging die Bundesregierung in ihrem »Klimapaket« [7] gar nicht erst ein. Stattdessen soll nun Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin und Diesel teurer werden. Das Mittel dafür ist eine CO2 Steuer. Ab 2021 sollen es 10 Euro pro Tonne CO2 Ausstoß sein. 2022 dann bereits 20 Euro. Das steigert sich bis 2025 auf 35 Euro. Anschließend soll die Spanne zwischen 35 und 60 Euro liegen. Dafür gibt es andererseits Entlastungen. Bei der Stromsteuer und – in minimale Höhe – auch mit der Pendlerpauschale. Von der Stromsteuerentlastung profitieren aber vor allem die Industrieunternehmen.

Was passiert eigentlich mit den Einnahmen aus der CO2 Steuer? Die Bundesregierung kündigt Fördermittel und Subventionen für Gebäudeinhaber, auch für die Automobilindustrie an. Es geht um neue Heizungen, Gebäudesanierungen, auch um Elektroautos. 86 Milliarden Euro will die BR bis 2030 zudem in den Ausbau des Schienennetzes im Fernverkehr stecken. Das aber kompensiert nicht mal das, was es in den letzten Jahrzehnten an Streckenstilllegungen gab. Außerdem sollen Unternehmen, die erneuerbare Energien ausbauen, gefördert werden. Aber sind nicht gerade in diesem Bereich zehntausende von Arbeitsplätzen in der letzten Zeit vernichtet worden?

Auf eines möchte ich explizit hinweisen: bezahlen sollen diese Maßnahmen vor allem die kleinen Leute, die Endverbraucher. Profitieren sollen indes diejenigen, die uns dieses Schlamassel erst eingebrockt haben: Z.B. die großen Konzerne in der Energiewirtschaft und in der Industrie. Oder gibt es nun Auflagen, die z.B. verhindern, dass die Kosten für Gebäudesanierungen auf die Mieter umgeschlagen werden? Stattdessen kündigt selbst die Bahn – und trotz der beabsichtigten Senkung der Mehrwertsteuer im Fernverkehr –  Preiserhöhungen für das nächste Jahr nun schon an.

Doch bleiben wir bei der CO2 Steuer. Alle Vorschläge für eine solche Abgabe basieren auf einer Idee: Klima-Schutz soll mit marktwirtschaftlichen Instrumenten umgesetzt werden. Die Idee dahinter: Nur wer im Geldbeutel merkt, dass er dem Klima schadet, ändert sein Verhalten.

Erfahrungen mit der CO2 Steuer aus anderen Ländern [8]

Was den meisten nicht bekannt ist: es gibt bereits zahlreiche Länder, in denen es eine solche CO2 Besteuerung schon gibt. Insgesamt sind es 56 Länder, wo das entweder schon eingeführt ist oder aber kurz bevor steht. Es liegen also schon Erfahrungen vor, um zu beurteilen, ob und inwiefern eine CO2-Steuer tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Doch die Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen deutlich, dass für alle diese Länder Treibhausgas-Emissionen, wie Kohlenstoffdioxid (CO2) bis Stickstofftrifluorid (NF3), kaum gesenkt werden konnten.

In Frankreich gibt es eine solche Steuer seit 2014 mit immerhin 51 Dollar pro Tonne CO2 Ausstoß. In der Schweiz existiert sie seit 2008 mit 96 Dollar. In Schweden seit 1991 mit 129 Dollar. In Finnland seit 1990 mit 71 Dollar. Und die kanadische Provinz Britisch-Kolumbien ist seit 2008 mit 40 Dollar pro Tonne dabei.

Manchmal wird argumentiert, dass in diesen Ländern im Vergleich zum Jahr 1990 Treibhausgasemissionen sanken. [9] Doch was dabei vergessen wird zu erwähnen ist der Umstand, dass wenn man diesen Wert von 1990 heute als Vergleichswert nimmt, auch in allen anderen Ländern, die keine (!) CO2 Besteuerung eingeführt hatten, die Emissionen sanken. Gründe hierfür können bis 2007 in technischen Innovationen, ab 2008 in der anhaltenden Wirtschaftskrise gefunden werden. Aussagekräftiger sind deshalb jüngere Daten der OECD aus den Jahren 2015 und 2016 (neuere Daten liegen noch nicht vor). Zu diesem Zeitpunkt war der CO2-Preis in den benannten Ländern schon weiter gestiegen (in Schweden zum Beispiel auf über 140 Dollar). Resultat: In Finnland, Frankreich, der Schweiz und Britisch-Kolumbien stiegen die Treibhausgasemissionen! Nur Schweden konnte sie in diesem Zeitraum von 53,8 Millionen Tonnen (2015) auf 52,9 Millionen Tonnen (2016) reduzieren – also um magere 1,7 Prozent.

Woran liegt es, dass die CO2 Steuer kaum eine Wirkung entfaltet? [10]

Nach Berechnungen des »Global Carbon Project« stammen 89 Prozent aller Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen – die vor allem bei der Energiegewinnung und in der Industrie, aber auch im Transportbereich (Stichwort: Containerschiffe) anfallen. Der »Carbon Majors Report« ergab, dass es nur 100  Konzerne sind, die seit 1988 für 71 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Diese 100 Konzerne gehören zu den mächtigsten und größten Konzernen weltweit. Unter ihnen befinden sich auch etliche Konzerne, die fossile Energieträger verarbeiten. Insbesondere auch Ölkonzerne. Transport und Verarbeitung solcher Produkte sind teuer. In ihnen konzentriert sich daher sehr  viel Kapital, und damit aber auch sehr viel Macht. Die Nichtregierungsorganisation »Corporate Europe Observatory« veröffentlicht Berichte darüber, wie die Lobbyisten dieser fossilen Energiekonzerne im Europaparlament ein- und ausgehen. Einer der größten Lobbyisten ist z.B. der Öl- und Gas-Riese Exxon Mobil. Seit 2010 hat das Unternehmen mehr als 35 Millionen Euro investiert, um Klimaschutzmaßnahmen auf der politischen Ebene zu verzögern oder abzuschwächen. Trotzdem ist Exxon für eine CO2-Steuer! Und auch BP und Shell unterstützen diesen Vorschlag.

Diese Konzerne wissen, wie mächtig sie sind. Ausnahmeregelungen für sich selbst durchzusetzen, das ist vielfach erprobt. Ordnungspolitische Maßnahmen könnten ihnen indes gefährlich werden. Ein gutes Beispiel liefert dafür die Schweiz. Der Schweizer Bundesrat schreibt in seiner »Botschaft zur Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020«, dass »zukünftig alle Unternehmen aus Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft eine Abgabebefreiung anstreben können, die pro Jahr mehr als 15 000 Franken CO2-Abgabe bezahlen.« Und weiter: »Emissionsintensive Unternehmen können sich im Sinne einer flankierenden Maßnahme auch weiterhin … von der CO2-Abgabe befreien lassen.« Auch in anderen Staaten ist derartiges inzwischen üblich. In Schweden beispielsweise zahlen die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen eine um 60 Prozent verringerte Abgabe auf ihren CO2-Ausstoß.

Das Problem mit den »marktwirtschaftlichen Lösungen«

Die Lohnabhängigen und die Endverbraucher belastet eine CO2-Steuer indes überproportional. Doch von den Grünen wird betont, dass man solche Modelle ja mit sozialen Ausgleichsmodellen kombinieren könne.[11] Ähnlich argumentiert auch die Memorandum-Gruppe. [12] Sie argumentiert wie folgt: Rückerstattungsmodelle kämen einhellig zu dem Ergebnis, dass Geringverdienende sogar die Gewinner sein könnten. Die Rückverteilung der Einnahmen (»Öko-Bonus«) könne somit sogar aus einer im Grundsatz regressiv wirkenden Verbrauchsteuer, die ärmere Haushalte überproportional belaste, eine progressiv wirkenden Maßnahme werden lassen. Ehrlich gesagt: das wundert mich ein wenig. Natürlich man kann so lange (am grünen Tisch) herum rechnen, bis sich alles rechnet und ein gewünschtes Ergebnis sich einstellt. Aber dabei bleibt doch die Realität vollkommen auf der Strecke. Denn wer wird denn über solche Rechenmodelle entscheiden? Wer wird da überhaupt rechnen? Und wie schauen denn in diesem Zusammenhang die konkreten Kräfteverhältnisse in diesem Land und auch global eigentlich aus?

Aber nehmen wir mal an es gelänge tatsächlich durch politischen Druck soziale Ungerechtigkeit im Rahmen eines solchen Modells auszugleichen. Hätte dann diese Steuer eine relevante Wirkung auf die Emissionen? Viele glauben das letztlich nur deshalb, weil ihnen dieses Spiel von Angebot und Nachfrage schon seit der Schule als ein fest stehendes Theorem bekannt ist. Es sitzt so fest in den Köpfen dass es da kaum noch raus zu bekommen ist. Mehr noch: Nur die »Marktwirtschaft« kann überhaupt Probleme lösen, denn nur sie sei legitim. Albert Einstein sagte dazu einst, dass man Probleme aber niemals mit den Methoden lösen kann, durch die diese Probleme erst entstanden sind.

Dazu einige Anmerkungen: [13]

Gibt es eigentlich irgendwo eine Wirkungsanalyse zur CO2-Steuer? Also was es gibt, das sind  diese Preisberechnungen für die gesellschaftlichen Folgekosten. Aber gibt es Analysen dazu, was mit solchen Methoden für die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen quantitativ eigentlich erreicht werden kann?  Oder gibt es dazu auch nur Prognosen? Nein es gibt sie nicht! Ich finde das erstaunlich angesichts der politischen Bedeutung dieser Debatte.

Um dieses Problem also zumindest qualitativ zu fassen begeben wir uns nun auf das Feld der Volkswirtschaftslehre. Sprechen wir also über die »Preis-Nachfrage-Elastizität« einer Ware. Alle Untersuchungen, die dazu vorliegen, besagen, dass wenn der Preis einer Ware steigt, die Nachfragemenge nicht proportional, sondern nur nicht-linear sinkt. Dazu gibt es nicht viele empirische Untersuchungen, die dies bestätigen, da die Datenerhebung dafür sehr komplex ist. Bestehende Untersuchungen, die es gibt, sind diesbezüglich aber eindeutig. Sie zeigen, dass es bei einer Preiserhöhung von 1 Prozent auf Waren des täglichen Bedarfs nur einen Nachfragerückgang von etwas 0.5 Prozent gibt. Bei einer Preiserhöhung von 100 Prozent, liegt der Rückgang bei Waren des täglichen Bedarfs bei etwa 30 Prozent. [14]

Wir können uns diesen Sachverhalt, den jeder VWL Student schon im ersten Semester kennen lernt, wie folgt erklären: Diese Elastizität hat u.a. mit der unterschiedlichen sozialen Situation diverser Käuferschichten zu tun. Ärmere verbrauchen zum Beispiel viel weniger Energie, als Besserverdienende. Für Ärmere liegt der Konsum in allen Bereichen aber deutlich unter dem von Besserverdienenden. Der besser Verdienende, der in der Lage ist einen gewissen Teil seines Einkommens zu sparen, wird also viel weniger auf Preiserhöhungen reagieren, als der Ärmere. Das Fünftel der am besten Verdienenden an der Gesamtbevölkerung emittiert aber allein 36 Prozent des gesamten konsumbezogenen CO2 Ausstoßes. Das wiederum liegt aber fünfmal höher wie der CO2 Ausstoß jenes Fünftels der Bevölkerung, die am schlechtesten verdienen. Um eine lenkende Wirkung zu erzielen, müsste ein CO2-Preis daher wirklich extrem hoch sein.

Genauso nichtsnutzig scheint der Emissionshandel [15] zu sein, den die EU bereits 2005 einführte. Mit der Pflicht zum Kauf von Zertifikaten sollten Betreiber von Industrieanlagen entsprechend des Umfangs ihres CO2-Ausstoßes mit einer Abgabe belastet werden. Gleichzeitig wurden aber so viele Zertifikate in Umlauf gebracht, dass ihr Ausgangswert von 29 Euro je Tonne auf zeitweise unter 5 Euro abstürzte. Die Bundesregierung sorgte in der Verteilung solcher Zertifikate zudem dafür, dass diese v.a. an die Betreiber von Kohlekraftwerke gingen, während Gaskraftwerke benachteiligt wurden. So wurde Strom aus Kohle regelrecht zum deutschen Exportschlager. Dieser stieg von 2012 bis 2017 auf das Doppelte. Satte Gewinne von 1,4 Milliarden Euro konnten die beteiligten Konzerne einstreichen, während die CO2 Ausstoß weiter stieg.

Erst im Juli 2018 beschloss die EU dann erste Änderungen dieses Emissionshandels, so dass die Preise für die Zertifikate wieder stiegen. Nun jubelten einige Medien bereits, dass dieser Schritt alle Kritiker des Emissionshandelns Lügen strafe. Allerdings zeigten Umweltschützer auf, dass diese Reform viel zu spät kam, da sich die Großkonzerne zu diesem Zeitpunkt bereits mit Zertifikaten ordentlich eingedeckt hatten und diese wiederum mit so genannten Sicherungsgeschäften profitabel absicherten. [16] Deutliche Kritik gibt es auch an noch geplanten Reformen, die dann ab 2020 / 2021 greifen sollen. Denn auch sie beinhalten, dass »Energieintensive Branchen … bis 2030 rund 6,5 Milliarden Verschmutzungsrechte gratis bekommen«. Damit aber würden die EU-Staaten auf mehr als 160 Milliarden Euro an Auktionserlösen für Emissionsrechte verzichten.  Der Umweltverband WWF fordert daher ein Ende dieser »Verschmutzungs-Subventionen«. [17]

Klimapolitisch funktioniert die CO2 Steuer nicht
wirtschafts- und sozialpolitisch indes schon

CO2-Bepreisung scheint also nicht zu funktionieren. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie zu Verringerungen bei den Treibhausgas-Emissionen (merklich) führt. Sie funktioniert indes in dem Sinne, dass sie soziale Spaltung befördert und den Lebensstandard vor allem der schlechter Verdienender reduziert. Sie funktioniert wie eine indirekte Steuer [18] für Einzelpersonen oder private Haushalte, während größere Firmen ihre Wirkung weitgehend neutralisieren können.

Ja – aber dafür gibt es dann ja soziale Ausgleichsmodelle? Ich bin darauf schon an Hand der Frage der politisch-gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse eingegangen. Aber ich will die Wirkungslosigkeit solcher Modelle hier auch noch mal an Hand eines konkreten Beispiels beleuchten: In Britisch-Kolumbien gab es einen starken politischen Druck für solche Steuernachlässe in anderen Bereichen. 2008 kamen diese dann mit einem Anteil von 68 Prozent tatsächlich auch bei Einzelpersonen an. Im Steuerjahr 2014 / 2015 hatte sich dieses Verhältnis aber bereits gedreht: nun landeten 63 Prozent der Steuernachlässe bei den Unternehmern, nur noch 37 Prozent bei den privaten Haushalten. [19]

Der größte Teil der Treibhausgas-Emissionen bezieht sich in Deutschland auf die Energiewirtschaft. Beherrscht wird diese von fünf Konzernen, die 75 Prozent des privat genutzten Stroms liefern. Wie mächtig sie sind, zeigt der so genannte »Kohlekompromiss« der Bundesregierung. Deutschland ist damit nicht nur der größte Produzent von Braunkohle, noch vor China, sondern auch der größte Treibhausgas-Emittent in der EU. [20]

Im Kapitalismus wirkt der Staat wie ein Gesamtkapitalist, der mit wohl klingenden Worten die Aufgabe hat Profitinteressen der Monopole zu schützen. Das nennt sich dann zum Beispiel »Förderung der Wettbewerbsfähigkeit«. In diesen Genuss kamen in den letzten Jahren vor allem auch Konzerne, die fossile Kraftwerke betreiben. RWE zum Beispiel. Sie können sich daher gute Chancen dafür ausrechnen, auch auf dem Markt der erneuerbaren Energien künftig eine Spitzenstellung einzunehmen. Denn ihr Investitionsvolumen wird das aller anderen Mitbewerber beträchtlich übersteigen.

Werden die Einnahmen aus der CO2 Steuer zweckgebunden eingesetzt?

Die Bundesregierung verspricht, dass alles, was sie über die CO2 Steuer einnimmt, zweckgebunden nur für Maßnahmen verwandt wird, die dem Klimaschutz dienen. Aber ist dem wirklich so und wer entscheidet am Ende darüber, ob und was mit diesem Geld eigentlich passiert? Stichwort: Solidaritätszuschlag … Ich bin darauf schon weiter oben an Hand der Darstellung des Klima-Pakets der Bundesregierung eingegangen, will hier aber einige weitere Aspekte benennen.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat auf dem Höhepunkt der CO2 Debatte Anfang Juli 2019 in einem Gutachten festgestellt, dass die CO2 Steuer eigentlich verfassungswidrig ist. [21] Art. 106 GG führe die einzelnen Steuern auf und regele die Verteilung des Steueraufkommens auf Bund und Länder. Dieser Katalog sei aber abschließend, so dass zwar ein »Steuerfindungs-«, aber kein »Steuererfindungsrecht« anzunehmen sei. Neu zu konzipierende Klimaschutzsteuern müssten daher unter eine der in Art. 106 GG aufgeführten Steuerarten fallen. Das aber sei kaum möglich. Und in der abschließenden Bewertung hieß es dann, dass »eine unmittelbare Anknüpfung an den Treibhausgas-Ausstoß bei Verbrauchsteuern problematisch [ist].« Zu einem ähnlichen Schluss kam auch das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil 2017: »Der Typus einer Verbrauchsteuer erfordere ferner den Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Steuergegenstände ist insoweit typusbedingt eingeschränkt. Dabei kommt es nicht auf einen – im Einzelfall nicht kontrollierbaren – tatsächlichen Verbrauch an, sondern darauf, ob der Besteuerungsgegenstand zum Verbrauch bestimmt ist.« [22]

Doch die Sache geht ja weiter. Reflektieren wir die kürzlich stattgefundene Debatte zum Fleischkonsum, wo verschiedene Politiker eine Erhöhung der Mehrwertsteuern ins Spiel brachten. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist als Verbrauchssteuer zulässig. Diese wird von Politikern in der Regel aber haushaltspolitisch begründet. Wie sieht es aber aus, wenn eine Erhöhung der Steuern für das Fleisch nicht mit solchen Erwägungen, sondern mit dem CO2 Ausstoß in der Tierhaltung begründet wird? Oder zum Beispiel mit der Art und Weise der Tierhaltung? Ist Tierhaltung ein Besteuerungsgegenstand? Ich denke jedenfalls, dass so ein Ablasshandel eigentlich nicht dem entspricht, was wir im Grundgesetz zum Steuerrecht finden. Ablasshandel ist im Steuerrecht nicht vorgesehen. Es gibt in Deutschland keine zweckgebundenen Steuern! Genauso wenig, wie in den meisten anderen Ländern. Jederzeit kann das Parlament also jederzeit neu über den Verwendung solcher Einnahmen entscheiden.

Wir sehen also, dass die CO2 Steuer nicht nur allgemein rechtlich, sondern auch konkret haushaltsrechtlich, auf wackeligen Füßen steht. Niemand, der seriös argumentiert, kann daher garantieren, dass sie demnächst nicht für ganz andere Dinge, wie etwa für das Militär verwendet wird. Und nebenbei: diese besondere Form der Subventionierung von Großkonzernen, die ich weiter oben schon angesprochen hatte, ist ja genau genommen auch nichts anderes als eine (steuerrechtlich zulässige) Zweckentfremdung, jedenfalls sofern sie keinen oder kaum einen klimapolitischen Nutzen hat.

Globalisierung oder Klimaschutz?

Noch mal zum Fleisch. Wird Fleisch aus deutschem Lande teurer, so wird dies mit Sicherheit dazu führen, dass Ärmere dann stärker auf Billigfleisch aus Südamerika zurück greifen. Ein Freihandelsabkommen zwischen einigen südamerikanischen Ländern und der EU ist dazu ja nun schon seit längerem in der Mache. Ähnlich ist es mit anderen Lebensmitteln.

Erneut ergibt sich hier Gedankenlosigkeit, unterstelle ich nicht böse Absicht: Rodung des Amazonas beispielsweise, gigantische Transportleistungen quer über den Ozean mit Containerschiffen, die zu den größten Treibhausgas- Emittenten des ganzen Globus gehören (nicht speziell im Bereich CO2, aber mit Blick auf weitere Treibhausgase, die für das Klima ebenso gefährlich sind) usw. usf..

Was wären wirksame Schritte, um die Klimabelastung zu reduzieren?
Ich halte folgende Punkte beispielsweise für sinnvoll:

  1. Wir müssen die Macht der großen Energiekonzerne brechen. Das ginge natürlich am besten durch Vergesellschaftung, aber auch durch Entflechtung zu Gunsten lokaler Stadtwerke, die, demokratisch kontrolliert, am Gemeinwohl orientiert sind.
  2. Ausstieg aus der Kohle so schnell wie möglich und vertretbar. Was realistisch betrachtet aber nur in Kombination mit dem geht, was ich im ersten Spiegelstrich notiert habe.
  3. Kommunaler Wohnungsbau in neuer Qualität. Damit einhergehend Senkung der Mietpreise vor allem in den Metropolen (Pendlerproblem / Reduzierung des Autoverkehrs) und Bau energetisch guter Wohnungen in öffentlicher Hand.
  4. Qualitätssteigerungen im Öffentlichen Nahverkehr, der gleichzeitig günstiger werden muss. Ich halte das für eine der zentralsten Fragen überhaupt.
  5. Sofortiger Stopp der Spekulation mit CO2-Zertifikaten, die nicht zu einem besseren Klima, sondern nur zu höheren Profiten bei einigen Konzernen führten.
  6. Experimenteller Ausbau von Forschung und Entwicklung z.B. in Richtung von Wasserstoff getriebenen Fahrzeugen, anstatt der so genannten Elektroautos, die über die Produktion von Großbatterien Klima und Umwelt schädigen. Aber auch darüber hinaus benötigen wir ein von den Unternehmen unabhängiges Forschungsprogramm um über neue Technologien Ansätze für einen besseren Klima-Schutz zu realisieren.
  7. Der Handel muss reglementiert werden. Der Unfug, dass Lebensmittel oder Halbfabrikate über tausende von Kilometern rund um den Erdball transportiert werden, muss beendet werden. 2017 wurden über 1000 Millionen Tonnen Waren über die deutschen Grenzen (rein und raus) transportiert, Das sind 13 Tonnen pro Bürger.
    Stattdessen Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe! Eines von beiden geht nur: entweder »globale« Produktionsketten oder Klimaschutz.
  8. Ein besonders Thema sind die Containerschiffe, Öltanker, Frachter, Kreuzfahrtschiffe, die mit billigstem, schwerem Dieselöl; dem giftigsten Treibstoff, der überhaupt erhältlich ist, laufen. Allein die 15 größten Schiffe der Welt stoßen pro Jahr so viele Schadstoffe aus wie 750 Millionen Autos, errechnete der Naturschutzbund Deutschland in einer Studie. Die Weltflotte von rund 90’000 Schiffen verbrennt etwa 370 Millionen Tonnen Treibstoff pro Jahr und pustet 20 Millionen Tonnen Schwefeloxid in die Luft. Dieser Bereich wird in der Klima Debatte meist übersehen, weil der weltweite Anteil am CO2 Ausstoß nur bei 3 Prozent liegt. Doch es geht auch um bodennahes Ozon, was wiederum eine erhebliche Wirkung in Richtung Feinstaub und Ruß entfaltet. Diese Stoffe haben nach dem CO2 die zweithöchste negative Wirkung auf das Klima. Hier geht es also in erster Linie um Transportvermeidung. Aber auch das Umrüsten der Schiffe, was gar nicht so viel kosten würde, hätte eine enorme Wirkung.[23]
  9. Kontingentierung von Flugrechten. Also anstatt den Leuten den Urlaub in Malle madig zu machen, während andere fünfmal im Jahr um den halben Planeten reisen.
  10. Beginn einer Debatte zu Luxusartikeln. Kein Mensch benötigt einen Porsche oder ein SUV. Genauso wenig, wie ein mehrere Tonnen schweres überdimensioniertes E-Auto. Und eine Tonne CO2 ist eben nicht gleich eine Tonne CO2: Die Tonne CO2 einer Familie mit schlecht gedämmter Wohnung ist etwas anderes als eine Tonne CO2 bei einer Kreuzschifffahrt.
  11. Die Superreichen zur Kasse bitten, um einen Umbau der Gesellschaft in Richtung von Klimagerechtigkeit und mehr sozialer Gerechtigkeit anzuschieben. Denn beides gehört zusammen.
  12. Verbot von Produktionsketten die besonders klimaschädlich sind oder besonders viel Abfall produzieren. Entsprechender Schutz regionaler Wirtschaftskreisläufe die Alternativen anbieten.
  13. Großzügiger Ausbau des Schienennetzes im Fernverkehr, wie aber auch im regionalen Nahverkehr. Wir brauchen eine tiefgreifende Bahnreform und einen Preisdeckel. Die Teilprivatisierung der Bahn und die Preiserhöhungen der vergangenen 20 Jahre müssen zurückgenommen werden. Dringend muss es aber auch Veränderungen im dortigen Management und in der Geschäftsphilosophie der Bahn geben. Man stelle sich das vor: ein sehr größer Teil der Bahn-Manager kommt direkt von der Automobilindustrie. Handeln sie eigentlich immer im Interesse der Bahn? Und dass nun ausgerechnet die Bahn LKW fährt, nachdem sie die Spedition Schenker – ein milliardenschweres Unternehmen – aufkaufte, ist nun wirklich nicht nachvollziehbar.
  14. Sofortiger Stopp aller klimaschädlichen Subventionen.
  15. Innovationen statt Stillstand: Wir brauchen ein massives Investitionsprogramm in erneuerbare Energien, in Innovations- und Speichertechnologien.
  16. Massive Abrüstung, denn das Militär gehört zu den größten Klima-Killern des Planeten – siehe dazu weiter unten.

Alle diese Maßnahmen wären unterhalb (!) der Schwelle eines »Systemwechsels« möglich. Aber sie folgen der Prämisse: Weniger Markt, weniger Profitorientierung, dafür mehr Politik und mehr Gemeinwohl.

Unsere Aufgabe als Sozialistinnen und Sozialisten oder progressiv denkende Menschen

Die Linke verwies in einer Erklärung darauf, dass etliche Maßnahmen des Klimakabinetts nicht gegenfinanziert sind. Handelt es sich also um eine Mogelpackung? Grüne Politikerinnen, aber auch Industrieverbände, machen indes schon Druck dafür, dass es kurzfristig zu viel höheren CO2 Steuern kommt. Das aber würde die Akzeptanz des Klimaschutzes in der Gesellschaft untergraben. Wir sehen das schon stark in Frankreich. Aber auch in Deutschland sind Tendenzen einer zum Teil aggressiven Gegenmobilisierung vor allem in den sozialen Netzwerken, deutlich zu bemerken. Auch solche Bewegungen entstehen aber nicht in erster Linie durch Verschwörungen, die können allenfalls verstärken, sondern sie haben reale gesellschaftliche Ursachen.

Die Klimabewegung mobilisiert zurzeit Massen. Vor allem junge Menschen. Aber wenn sie mittelfristig keinen Erfolg hat, kann dies auch resignative Tendenzen schnell fördern. Niemand kann derzeit seriös die Frage beantworten, ob sich die Dinge so fortentwickeln, dass ein ökologisch-sozialer Kurswechsel möglich wird. Denn um Veränderungen durchzusetzen müssen vor allem die Monopole zu einem Kurswechsel gezwungen werden. Aber wenn die ökologische Frage nicht mit der sozialen Frage und auch nicht mit der Friedensfrage kombiniert wird, kann diese Macht nicht entfaltet werden.

Dass Kurswechsel auch unter kapitalistischen Verhältnissen möglich sind, zeigen indes die Kämpfe der Arbeiterbewegung um ihre Arbeitsbedingungen. Und nicht nur im 19. Jahrhundert. Allerdings haben diese Kämpfe Jahrzehnte benötigt.

Dafür ist aber auch inhaltliche Klarheit erforderlich, wohin eine solche Wende gehen muss. Apokalyptische Überspitzungen und einseitige Orientierungen auf eine CO2 Steuer, verleihen keine Stabilität. Hat der Mohr seine Schuldigkeit getan, entfällt dann auch schnell der pressebezogene Jubel. Erste Tendenzen in diese Richtung sind schon deutlich zu erkennen. Deshalb muss sich die Bewegung von der Politik und von den Medien emanzipieren. Um sich zu emanzipieren benötigt sie aber Koalitionspartner. In sozialen Bewegungen, auch in der Friedensbewegung.

Der größte Klima Killer: Das Militär

Notwendig scheint es mir zu sein Klima viel stärker im Kontext mit Frieden und Abrüstung zu setzen:

Das Militär gehört zu den größten Klima-Killern auf diesem Planeten. Allein der CO2 Ausdruck der US Armee entspricht dem von Schweden. Täglich werden 43 Mio. Liter Öl verbraucht, was einer CO2 Belastung von 25 Mio. Tonnen entspricht. Wenn es knallt und Kriege geführt werden, steigt dieser Ausstoß massiv an.

Kriege sind die schlimmsten Klima-Killer, die es gibt. Doch schon 1998 beschloss der US-amerikanische Kongress, dass alle Festlegungen zum Klimaschutz für das Militär keine Anwendung finden.


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Andreas Grünwald
Hamburg-Wilhelmsburg
info@hamburg-news.org
04.10.2019



[1] Anlass für diese Ausarbeitung ist eine Diskussionsveranstaltung der Partei Die Linke in Hamburg Langenhorn, zu der ich als Referent eingeladen wurde. Diese findet am Donnerstag, 10. Oktober 2019 um 19 Uhr im Bürgerhaus Langenhorn unter dem Titel „CO2- und Fleischsteuer, Gebühren auf Plastik und Zigarettenfilter – was soll das?“ statt. – Zurück


[2] MEW 19, 13-32 – Zurück


[3] Auf die Idee die Frage des Naturverhältnisses der kapitalistischen Gesellschaft im Abgleich mit dem historischen Prozess zur Regulierung der Arbeitszeit zu betrachten, bin ich über einen Artikel vom André Leisewitz gekommen. Erschienen am 28.08.2019 in der Zeitung Junge Welt. Dann in längerer Form auch in der Nummer 119 der Zeitschrift Marxistische Erneuerung. Ich folge Leisewitz in dieser Betrachtung. Vergleiche hier: https://www.jungewelt.de/artikel/361688.klima-und-marxismus-ersch%C3%B6pfte-springquellen.htmlZurück


[4] MEW 1, 375 – Zurück


[4] Karl Marx: Das Kapital, Erster Band, MEW 23, S. 330 – Zurück


[6] Vergleiche hier: https://fridaysforfuture.de/forderungen/Zurück


[7] Siehe hier: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1673502/768b67ba939c098c994b71c0b7d6e636/2019-09-20-klimaschutzprogramm-data.pdfZurück


[8] In den folgenden Abschnitten folge ich einem hervorragenden Artikel von Jürgen Ehlers und Yaak Pabstm der auf dem Webportal von Marx21 zu finden ist. Siehe hier:
https://www.marx21.de/co2-steuer-keine-loesung/Zurück


[9] Ein Beispiel dafür ist im linken Spektrum die Memorandum-Gruppe. Zwar konstatiert auch sie, dass der CO2-Preis  kein „Superheld“ sei und die Wirkung als nur sehr gering einzuschätzen sei, sie zudem „überfällige Maßnahmen wie den Ausbau von Schiene und Öffentlichem Personennahverkehr, eine höhere Lkw-Maut, das mittelfristige Verbot von Verbrennungsmotoren und anderes … nicht ersetzen“ könne, aber irgendwie sei sie trotzdem nicht völlig von der Hand zu weisen. Ich frage mal ernsthaft: Um was geht es hier eigentlich um Pädagogik und Klein-Klein oder um wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des drohenden Klimawandels? – Zurück


[10] Siehe Anmerkung 8. Auch hier in diesem Abschnitt folge ich im Wesentlichen den Ausführungen des Artikels auf dem Web-Portal von Marx21. – Zurück


[11] Interview im Deutschlandfunk mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Vergl. hier:
https://www.deutschlandfunk.de/annalena-baerbock-gruene-die-regierung-weiss-nicht-was-sie.868.de.html?dram:article_id=459747Zurück


[12] Vergleiche hier: https://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/de/article/10656286.co2-preis-weder-superheld-noch-superschurke.html. – Zurück


[13] In diesem Abschnitt stütze ich mich auch auf einige Überlegungen von Franz Garnreiter in seinem Artikel Grüner Kapitalismus?, Marxistische Blätter  2/2019, S. 71 – 80. Ich übernehme hier einige seiner Gedanken zur fehlenden Wirkungsanalyse. – Zurück


[14] Die erwähnten Zahlen entstammen dem bereits erwähnten Aufsatz von Garnreiter, der diese wiederum einer Untersuchung des ISF München entnahm. – Zurück


[15] Vergleiche dazu den bereits erwähnten Artikel auf dem Webportal Marx 21. Ganz unten „Hintergrund 2“
https://www.marx21.de/co2-steuer-keine-loesung/Zurück


[16] Vergleiche beispielsweise diesen Background Artikel im Tagesspiegel: https://background.tagesspiegel.de/warum-der-europaeische-emissionshandel-wirksamen-klimaschutz-nicht-garantiertZurück


[17] Vergleiche z.B. hier: https://www.deutschlandfunk.de/klimaschutz-eu-einigt-sich-auf-reform-des-emissionshandels.2852.de.html?dram:article_id=400210Zurück


[18] Es wäre hier jetzt noch mal ein Extra Thema auf die Besonderheit von Steuern einzugehen, die wir indirekte Steuern nennen, was aber den Umfang dieses Aufsatzes beträchtlich in die Länge brächte. Ich will es aber zumindest andeuten: In einem Brief an die Internationalen Arbeiterassoziationen (IAA) hatte bereits Marx eine besonders scharfe Kritik an den indirekten Steuern geäußert. Denn diese würden nicht nur die Preise der Waren einseitig zu Lasten der Arbeiter erhöhen, sondern dieses noch in besonderer Weise, da dann auch „die Zinsen und der Profit auf das [so] vorgeschossene Kapital“ auf den Preis der Waren noch aufgeschlagen werden. Vergleiche: Karl Marx, Brief an die Delegierten der IAA, MEW 16, 198 – Zurück


[19] VergleicheJürgen Ehlers und Yaak Pabst in Marx 21: https://www.marx21.de/co2-steuer-keine-loesung/Zurück


[20] Auch hier stütze ich mit auf den Artikel auf dem Webportal Marx 21. – Zurück


[21] Vergleiche hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/653722/918056e18ab9171e66bcaa960fcfccb8/WD-4-094-19-pdf-data.pdfZurück


[22] BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 128 – 129, juris – Zurück


[23] Vergleiche: https://www.srf.ch/kultur/wissen/schifffahrt-das-schmutzigste-gewerbe-der-weltZurück