Opposition und Gewerkschaften gegen geplanten Verkauf von Heimen

Um die Haushaltskasse zu entlasten, will Hamburg alle städtischen Pflegeheime an die Berliner Vitanas Gruppe verkaufen.

Hamburgs Senat will heute über den Verkauf aller zwölf bisher vom städtischen Unternehmen »pflegen & wohnen« (p & w) betriebenen Pflegeheime entscheiden. Offenbar soll die Berliner Vitanas Gruppe den Zuschlag erhalten. Betroffen davon sind 2800 Heimbewohner und 1600 Mitarbeiter. Für sie soll es keine Nachteile geben, hatte Hamburgs Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) schon vor Wochen betont. Trotzdem herrscht bei Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di Alarmstimmung. Hier fürchtet man schlechtere Arbeitsbedingungen und Qualitätsverluste in der Pflege.

Berechtigt, denn als Vitanas kürzlich drei Heime des Deutschen Roten Kreuzes in Schleswig-Holstein aufkaufte, wurden den Mitarbeiter dort sofort neue Arbeitsverträge aufgedrängt und ein Überleitungstarifvertrag abgelehnt. Gegenüber ND begründeten Mitarbeiter ihre Angst mit den Renditeansprüchen privater Pflegeunternehmen von etwa zehn Prozent. Bei Einhaltung bisheriger Qualitätsstandards seien nur drei bis vier Prozent möglich.

Dass die Pflegeheime zur Haushaltsentlastung privatisiert werden, entschied die Bürgerschaft schon im Juli 2003. Dem stimmten auch die Oppositionsparteien SPD und Grüne zu. Mehrfach hatte die Stadt zuvor Zuschüsse erbringen müssen, weil die Einnahmen nicht die Kosten trugen. Das aber sei selbst verursacht, sagen p & w-Mitarbeiter gegenüber ND, denn als der Träger 1997 zu einer »Anstalt öffentlichen Rechts« wurde, wären ihm Altlasten wie Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten einfach aufgebrummt worden. Aus den Pflegesätzen sind solche Kosten aber nicht zu tragen, so dass die Schuldenlast schließlich auf 347 Millionen Euro stieg.

Die Schulden verblieben aber nach einem Verkauf bei der Stadt, sonst ließen sich die Heime nicht veräußern. Weitere 37,8 Millionen Euro mussten zudem für dringende Sanierungsmaßnahmen aufgebracht werden. Trotzdem rechnet niemand mit einem Verkaufspreis oberhalb von 70 Millionen Euro, denn der Investitionsstau liegt für die Heime und die teils maroden Gebäude in einem dreistelligen Millionenbereich. Den zu bewältigen soll Sache des Käufers sein. Doch ob Vitanas das alleine kann, ist zweifelhaft. Zwar betreibt das Unternehmen allein in Berlin rund 25 Seniorencenter, weitere Einrichtungen auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen, doch die Mitarbeiterzahl würde sich beim Kauf der Hamburger Heime schlagartig um rund zwei Drittel erhöhen. 2370 Mitarbeiter zählt das Unternehmen bisher, das 2005 einen Jahresumsatz von 104 Millionen Euro machte. Deshalb ist nun ein Kaufkonsortium gemeinsam mit dem Hamburger Immobilienunternehmer Jacob Jürgensen im Gespräch. Dieser würde die Gebäude übernehmen, während sich Vitanas auf den reinen Pflegebetrieb konzentrieren würde.

Doch Kritik erntet auch dieses Modell. So forderte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, dass statt über einen Verkauf über Minderheitsbeteiligungen nachgedacht werden müsse. Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wachse ständig, weshalb die Stadt Steuerungspotenziale nicht vollständig aus der Hand geben dürfe. Das aber hatte die Linkspartei schon 2003 gefordert, als Kienscherfs Fraktion der Privatisierung noch zustimmte.

Doch trotz dieser Kurswende rechnet der Senat nur mit verhaltenem Widerstand gegen den Verkauf. Schon jetzt sind in der Stadt 80 Prozent aller Pflegedienstleistungen privatwirtschaftlich organisiert. Es war ein schleichender Prozess, in dem immer mehr Bereiche privatisiert wurden. Auch ver.di-Landeschef Wolfgang Rose hat das inzwischen offenbar akzeptiert, wenn er darauf hinweist, dass die 1600 p & w-Mitarbeiter nach dem Verkauf für ein halbes Jahr ein Rückkehrrecht in einen staatsnahen öffentlichen Bereich haben. Doch das will der Senat nicht, weshalb er in den Kaufvertrag auch eine Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter bis 2009 hineinschreiben möchte.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=95788&IDC=3



Düsseldorf: Mietergruppen, Gewerkschaften und Opposition starten Volksinitiative gegen von Regierung geplanten Verkauf landeseigener Wohnungen

Erneut darf sich die nordrhein-westfälische Landesregierung auf ganze Waschkörbe voller Protestschreiben freuen. Denn in der Landeshauptstadt Düsseldorf wollen am heutigen Dienstag nicht nur Mietergruppen, sondern auch Opposi­tionsparteien und Gewerkschaften eine neue Volksinitiative starten. Der Protest richtet sich gegen Planungen der Regierung, die Landesentwicklungsgesellschaft zu verkaufen, die im Besitz Nordrhein-Westfalens befindliche Wohnungen verwaltet. Im Gespräch ist der Verkauf von bis zu 100000 Wohnungen. Die Veräußerung ist Bestandteil des Koalitionsvertrages der Regierungsparteien CDU und FDP. Bis zum Juli soll ein Bankenkonsortium den Verkaufswert ermitteln.

Zum Bieterkreis werden voraussichtlich Immobilienfonds wie die Deutsche Annington Immobilien Gruppe (DAIG) und Fortress gehören. DAIG-Geschäftsführer Volker Riedel hatte erst kürzlich angekündigt, den DAIG-Wohnungsbestand in der BRD von derzeit 230000 auf über 500000 erhöhen zu wollen, »in fünf bis zehn Jahren möglicherweise sogar auf eine Million«.

Gegen solche Privatisierungsabsichten will der Mieterbund nun »alle Bürger des Landes mobilisieren«, so dessen Sprecherin Annette Dalstein-Troendle. Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht, denn die Volksinitiative wird auch von den Gewerkschaften sowie von sämtlichen Oppositionsparteien des Landes unterstützt. Sowohl von denen im Landtag, als auch von Linkspartei.PDS und WASG. Damit der geplante Verkauf erneut im Landtag behandelt wird, ist die Sammlung von mindestens 66000 Unterschriften nötig.

Die schwarz-gelbe Landtagsmehrheit hatte sich indes erst kürzlich über eine Volksinitiative hinweggesetzt, die sich gegen Streichungen bei den Jugendeinrichtungen wandte, obwohl sich mehr als 500000 Bürger mit ihrer Unterschrift dagegen gewandt hatten.

Volksinitiativen sind in NRW wie auch anderswo häufig ein stumpfes Schwert, weil die anschließende Einleitung eines Volksentscheides nicht möglich ist, wenn die Finanzen des Landes davon berührt wären.

http://www.jungewelt.de/2006/06-27/014.php



1 Kommentar

Zwei Drittel der Linksfraktion im Landtag gegen Verwaltungsreform

Unmittelbar vor Beginn des Landesparteitages der Linkspartei.PDS in Mecklenburg-Vorpommern an diesem Wochenende hat sich der Streit um die Zustimmung zum »Verwaltungsmodernisierungsgesetz« der SPD-geführten Landesregierung zugespitzt. In offenen Briefen begründeten Gegner und Befürworter des nach Aussage von Linkspartei-Arbeitsminister Helmut Holter »wichtigsten Reformvorhabens« der Landesregierung, ihren jeweiligen Standpunkt, denn in der Landtagsfraktion hatten acht der insgesamt zwölf Abgeordneten eine Ablehnung des Gesetzes angekündigt. Drei von ihnen wollen ihren Standpunkt nur überdenken, wenn sich der Landesparteitag für das Gesetz ausspricht. Erst dann hätte die Landesregierung im Landtag wieder eine Mehrheit. Ohne eine Mehrheit in dieser Frage sei damit aber die »Regierungsunfähigkeit der PDS« erwiesen, hatte SPD-Landeschef Till Backhaus schon vor Beginn des Parteitags warnend festgestellt.

Doch ob die Linkspartei am Sonnabend in Sternberg dem Reformvorhaben zustimmt, ist fraglich. Eindringlich haben sieben Landtagsabgeordnete die Delegierten zum Gegenteil aufgefordert. Sie lehnen vor allem die Bildung von fünf regionalen Großkreisen ab, die nun an Stelle der bisher 18 Kreise und kreisfreien Städte treten sollen. Überraschend hatte zudem Mitte der Woche auch Sozialministerin Marianne Linke (Linkspartei) ihre Ablehnung des Gesetzesvorhabens bekundet. Linke fürchtet um die kommunale Selbständigkeit der Insel Rügen, die nach dem Verwaltungsgesetz künftig zum Großkreis Nordvorpommern gehören soll. Auf Widerstand trifft zudem, daß mit dem Gesetz rund hundert Behörden entweder zusammengelegt oder aufgelöst sowie zahlreiche Landesaufgaben privatisiert werden sollen. 35 Parteitagsdelegierte haben einen Antrag eingereicht, mit dem der Parteitag das Gesetzesvorhaben ablehnen soll.

Die Delegierten stehen unter Druck, denn sämtliche Kreistage des Landes haben das neue Gesetz abgelehnt, an dessen Ausarbeitung auch Linkspartei-Arbeitsminister Holter beteiligt war. Die Kommunalpolitiker befürchten, daß sich durch die Großkreise die Politik noch weiter vom Bürger entfernt. Delegierte der Linkspartei fordern nun Nachverhandlungen im Koalitionsausschuß.

Das aber werde der Koalitionspartner SPD nicht mitmachen, sagte Linkspartei-Landeschef Peter Ritter vor Beginn des Parteitags. Er fürchtet einen »Koalitionsbruch« mit unabsehbaren Folgen sechs Monate vor den Landtagswahlen. Diese Gefahr sehen auch die Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm und Martina Bunge, die ebenfalls einen »offenen Brief« an die »lieben Delegierten« schrieben. »Diese Kröte« – gemeint ist das Gesetzesvorhaben – müsse geschluckt werden, denn das werde nun »zur faktisch entscheidenden Frage über den Fortbestand« der Koalition. Augen zu und durch fordert auch Wulf Gallert, Fraktionschef der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, der sich Hoffnungen auf ein »drittes rot-rotes Regierungsbündnis« macht. Daraus wird aber nichts, wenn zuvor die Musterkoalition im Nordosten platzt. Dort unkte nun auch SPD-Fraktionsvorsitzender Volker Schlotmann, daß eine Ablehnung des Reformvorhabens durch die Linkspartei, für ihn nachweisen würde, daß dort im Zweifel »fundamental-oppositionelle Kräfte« das Sagen hätten, womit die Koalition in Frage gestellt sei.

http://www.jungewelt.de/2006/03-11/043.php



Hamburg: Öffentliche Debatte der WASG übers Mitregieren. Schlechte Noten für Berliner Koalitionäre

Energisch haben am Montag abend zahlreiche Mitglieder und Funktionäre der WASG in Hamburg den Austritt der Linkspartei.PDS aus der Berliner Regierungskoalition gefordert, die sie als »zentrales Hindernis für die Verständigung der Linken in Deutschland« bezeichneten. Ein Unterschied zur CDU-Politik sei kaum erkennbar, sagte Dora Heyenn, Vorstandsmitglied der Hamburger WASG, in der fast dreistündigen Debatte der etwa 70 Aktivisten. Einige Vertreter von WASG-Kreisverbänden kündigten an, einen möglicherweise eigenständigen Wahlantritt der WASG bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin von Hamburg aus zu unterstützen.

Zu ihrer »Debatte über linke Regierungsbeteiligung am Beispiel Berlin« hatte der WASG-Landesvorstand Elke Breitenbach (Abgeordnete der Linkspartei.PDS im Berliner Abgeordnetenhaus), Rouzbeh Taheri (WASG-Schatzmeister in Berlin) und Christine Buchholz vom Bundesvorstand der WASG eingeladen. »Sachbezogene Debatte unter Mitgliedern« war die Veranstaltung genannt worden, damit die an Alster und Elbe selbst verordnete Harmonie durch das Rupfen der Linkspartei keinen Schaden nehme. Doch gerupft wurde trotzdem.

Mühsam hatte Breitenbach zuvor die »Rahmenbedingungen« der Berliner Koalition beschrieben, in der es angesichts der Haushaltslage kaum Spielraum für linke Politik gebe. Deshalb stehe die Haushaltssanierung im Mittelpunkt. Heftige Kritik an dieser Politik kam von Taheri und Buchholz, die der Linkspartei.PDS vorwarfen, daß es den Berlinern »heute schlechter als vor vier Jahren« gehe. Sie kritisierten Gehaltskürzungen und den Stellenabbau im öffentlichen Dienst, aber auch Privatisierungsstrategien des Berliner Senats. Regelrecht erschrocken reagierten Veranstaltungsteilnehmer auf Einzelheiten dieser Politik, die gleichermaßen von Hamburgs Linkspartei-Landessprecher Horst Bethge kritisiert wurde.

Neuer Zündstoff für die Debatte kam unterdessen aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort erklärte der WASG-Landesvorstand am Dienstag, im Parteibildungsprozeß müsse eine »Vormachtsstellung« der Linkspartei ausgeschlossen werden.

http://www.jungewelt.de/2006/02-15/043.php



Hamburgs Hafenarbeiter wollen Mehrheitsverkauf der HHLA an die Bahn AG nicht zulassen. Auch längerer Arbeitskampf ist nicht ausgeschlossen. Ein Gespräch mit Gerd Müller

* Gerd Müller ist Mitglied des Gemeinschaftsbetriebsrates der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)

F: Trotz aller Kritik hält der Hamburger Senat an einem Mehrheitsverkauf der HHLA an die Deutsche Bahn AG fest. Schon im Februar sollen fertige Verträge vorliegen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Als Betriebsrat haben wir uns immer gegen einen Mehrheitsverkauf der HHLA ausgesprochen, gleich an wen. Darüber existieren mit dem Haupteigner, also der Freien und Hansestadt Hamburg, auch Verträge. Die wurden abgeschlossen, als die HHLA vor einigen Jahren in Einzelgesellschaften aufgegliedert wurde. Doch der jetzige CDU-Senat hält sich nicht an diese Verträge und führt nun schon seit dem Frühjahr Geheimverhandlungen über einen Mehrheitsverkauf der HHLA an die Bahn AG, die erst im Dezember bekannt wurden. Einen solchen Verkauf werden wir nicht zulassen.

F: Hamburgs Wirtschaftssenator erhofft sich über den Mehrheitsverkauf Neuinvestitionen in Höhe von 400 Millionen Euro. Außerdem rechnet die Stadt mit dem Umzug der Bahnzentrale von Berlin nach Hamburg, wodurch 1000 neue Arbeitsplätze entstehen sollen.

Diese Arbeitsplätze werden doch zugleich in Berlin vernichtet. Auf eine solche Standortlogik, bei der Beschäftigte gegeneinander ausgespielt werden, werden sich Hamburgs Hafenarbeiter nicht einlassen. Es ist auch falsch, von Neuinvestitionen zu sprechen. Denn diese Investitionen, von denen der Wirtschaftssenator redet, gibt es auf jeden Fall – egal, ob die HHLA nun verkauft wird oder nicht. Sie sind auch schon angeschoben und werden größtenteils aus der HHLA heraus sowie zusätzlich über Kredite finanziert. Diese Investitionen sind nötig, weil die HHLA ein florierendes Unternehmen ist, das im Containerumschlag und im gesamten Arbeitsvolumen ständig wächst. Es sind normale Erweiterungsinvestitionen, für die niemand die Deutsche Bahn AG braucht.

Was eine mehrheitliche Privatisierung für die Beschäftigten heißt, hat schon das Beispiel des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) gezeigt. Ein öffentliches Unternehmen wurde mitsamt seinen Beschäftigten zum Spielball von Finanzinteressen. Auch bei der HHLA könnten Hunderte Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen – allein schon durch Rationalisierungsschübe, die vor allem im Verwaltungs- und Logistikbereich zu befürchten sind. Nicht ausgeschlossen wäre es zudem, daß die Bahn einzelne Filetstücke herausbricht, womit die ökonomische Gesamtstärke der HHLA verloren ginge.

F: Wie wollen Sie sich gegen die Privatisierung wehren?

Nachdem bekannt wurde, daß die HHLA verkauft werden soll, haben Hunderte Kollegen kurz vor Weihnachten mit einem Autokorso demonstriert. Wir haben damit deutlich gezeigt, daß wir eine Mehrheitsprivatisierung der HHLA nicht hinnehmen. Jetzt bereiten wir für den 11. Januar den internationalen Aktionstag der europäischen Hafenarbeiter gegen das »Port Package« vor. Wir planen einen 24-Stunden-Boykott. So wehren wir uns gegen diese neue Hafenrichtlinie, mit der die EU-Kommission Hafendienstleistungen europaweit privatisieren will. Da besteht ein enger Zusammenhang auch zu dem, was der Senat jetzt für die HHLA plant. Am 19. Januar werden wir unsere 3500 Mitarbeiter zur ersten Gesamtpersonalversammlung der HHLA einladen. Natürlich in der Arbeitszeit. Auch damit werden wir ein deutliches Signal setzen.

F: Reichen Signale aus?

Wir werden – nach und nach – weitere Aktionen organisieren, um die öffentliche Debatte im Sinne unserer Interessen zu beeinflussen. Der Senat sollte eigentlich wissen, daß er sich mit der Belegschaft des größten Hamburger Hafenbetriebs anlegt. Wir sind gut organisiert. Wir sind solidarisch und wir sind, wenn es sein muß, auch kampfstark. Zudem sind Hafenarbeiter sehr spontan. Beim Autokorso sind einige Kollegen anschließend gleich zum Rathaus weitergezogen. Daß da eine Bannmeile existiert, die Demonstrationen eigentlich ausschließt, hat sie nicht interessiert.

F: Ist ein längerfristiger Arbeitskampf denkbar?

Bei der jetzigen Stimmung kann ich mir das gut vorstellen.

http://www.jungewelt.de/2006/01-05/022.php



Hamburg: Der neue Eigner des Landesbetriebs Krankenhäuser in »angespannter Liquiditätslage«

In Hamburg will der Gesundheitskonzern Asklepios Rentenzuzahlungen für die Beschäftigten des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) beleihen, um so eigene Liquiditätsprobleme abzuwenden. Schon vor Weihnachten hatten LBK-Mitarbeiter Journalisten auf diese Planungen der Konzernzentrale aufmerksam gemacht. Inzwischen liegt ein entsprechender Antrag der LBK-Geschäftsführung beim Personalrat vor. Demnach sollen Zuzahlungen für eine Unterstützungskasse der Volksfürsorge, aus der Betriebsrenten gezahlt werden, in den Jahren 2006 und 2007 nicht überwiesen werden. So will Asklepios als neuer Eigentümer auf eine »angespannte Liquiditätslage« beim LBK reagieren.

Die Planungen haben unter den 12600 Beschäftigten des LBK erhebliche Unruhe ausgelöst, wie Mitarbeiter am Dienstag gegenüber junge Welt berichteten. Befürchtet wird nun, daß Asklepios für 2006 auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausschließen wird, um Kosten einzusparen. Mitte des Jahres hatte dies schon im Aufsichtsrat zu erregten Diskussionen zwischen Personalvertretern und den Eignern des LBK geführt. Verärgerung gibt es aber auch deshalb, weil Asklepios mit dem Deal auf einen Zinsgewinn hofft, der damit gleichzeitig den Mitarbeitern entzogen wird, wenn die Zuzahlungen (in geschätzter Höhe von 50 Millionen Euro) erst mit zweijähriger Verspätung in die Unterstützungskasse eingezahlt werden. Mitglieder des Personalrats haben bereits ihre Ablehnung zum Antrag der Geschäftsführung signalisiert.

Beunruhigt über diese Entwicklung zeigte sich auch der Bürgerschaftsabgeordnete Jens Kerstan (Grüne), der im Hamburger Abendblatt die Pläne von Asklepios als Beleg dafür wertete, daß der Gesundheitskonzern die erforderlichen Mittel für einen dauerhaften Weiterbetrieb des LBK nicht aufbringen könne. Dies zeige sich auch darin, daß Asklepios eine im November fällige Kaufrate für den LBK bis heute nicht gezahlt habe.

Wie berichtet, hatte der CDU-Senat den LBK privatisiert, obwohl sich in einem Volksentscheid 77 Prozent aller Hamburger Wahlbürger gegen die Privatisierung ausgesprochen hatten. Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) erhoffte sich von der Privatisierung unter anderem neue Investitionsmittel für die Modernisierung des LBK, den die Stadt jahrelang vernachlässigt hatte.

Auf finanzielle Probleme haben unterdessen auch Vertreter der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG) hingewiesen, in der sich zahlreiche kleinere Privatkliniken vereinigten. So kündigte die HKG für die kommenden Jahre einen »starken Personalabbau« an, der sich vor allem im Verwaltungsbereich der Krankenhäuser niederschlagen werde. Um Kapazitäten zu bündeln, würden verschiedene Kliniken fusionieren. Um einen härter werdenden Konkurrenzkampf zu bestehen, müßte es zu einer »Leistungsverdichtung in den Arbeitsprozessen« kommen, sagten Vertreter der HKG.

http://www.jungewelt.de/2005/12-29/017.php



Hamburg: Protest gegen den Mehrheitsverkauf der Hafen- und Logistikgesellschaft und der Hochbahn an die Deutsche Bahn AG

Mit einem Autokorso durch das Hafengelände demonstrieren am heutigen Donnerstag Hunderte Mitarbeiter der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und der Hamburger Hochbahn (HHA) gegen einen Mehrheitsverkauf ihrer Unternehmen an die Deutsche Bahn AG. Der Senat der Hansestadt bereitet ihn seit Wochen vor. Höhepunkt der Aktion soll die Rushhour um 16 Uhr sein, wenn der Konvoi die Köhlbrandbrücke erreicht. Damit solle ein Verkehrschaos ausgelöst werden, wie es die Stadt schon lange Zeit nicht erlebt habe. Doch werde dies nur der Auftakt der Proteste sein, sagte HHLA-Betriebsratschef Fred Timm gegenüber jW und wollte auch Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Privatisierung nicht mehr ausschließen.

Schlagzeilen zum Thema hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schon vor Wochen ausgelöst, als er den Deal zur Privatisierung beider Unternehmen an die Forderung koppelte, die Bahn müsse ihre Konzernleitung von Berlin nach Hamburg verlegen. Strukturpolitische Gründe ließen Derartiges nicht zu, beendete ein Sprecher der Bundesregierung schließlich die Debatte, der auf hohe Arbeitslosigkeit auch in der Berliner Region verwies. Doch davon unbeeindruckt, halten Hamburgs CDU-Politiker an ihrer Forderung fest. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bezeichnete erst am Dienstag die Verlagerung der Bahn-Zentrale von Berlin nach Hamburg als eine »große Chance«. Auch Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) argumentierte ähnlich und will nun 74 Prozent aller Anteilswerte von HHLA und HHA an die Bahn AG übertragen. Hamburgs Senatoren geht es dabei weniger um Erlös (der reinvestiert werden soll), sondern um »ökonomische Expansion«, die man sich an der Elbe durch die Beteiligung an den weltweiten Geschäftsverbindungen der Bahn AG verspricht. So hob Peiner in diesem Zusammenhang das neue Standbein der Bahn AG in den USA hervor: die Logistikfirma Bax Global, mit deren Hilfe es der Stadt auch besser gelingen könne, die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen anzukurbeln. Das abweichende Votum der Bundesregierung kommentierte Peiner wie folgt: Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister stünden dem Hamburger Projekt schon »sehr aufgeschlossen« gegenüber, nur Innenminister Wolfgang Schäuble blockiere noch ein wenig und müsse deshalb überzeugt werden.

Diese Einschätzung teilen SPD, FDP, Grüne, Linkspartei und WASG, aber auch Handwerks- und Handelskammer in der Hansestadt nicht. Auch der gegenwärtige Aufsichtsrat der HHLA sieht große Probleme: Insbesondere ein Mehrheitsverkauf der HHLA führe dazu, daß die weitere Hafenentwicklung dann politisch kaum noch zu beeinflussen und damit für die Stadt auch unkalkulierbar sei. Sogar vier Bürgerschaftsabgeordnete der CDU haben sich deshalb gegen den Mehrheitsverkauf der HHLA ausgesprochen.

Wenn die Bahn AG 2008 an die Börse geht, hat sie nur als profitorientiertes und breitgefächertes Logistik-Unternehmen ökonomisch eine Chance. Experten meinen, dafür müsse das klassische Schienengeschäft auf maximal 30 bis 40 Prozent des jetzigen Umsatzes heruntergebrochen werden. Doch mit der HHLA würde die Bahn auch einen Konzern übernehmen, der allein durch den Umschlag von 4,6 Millionen Standardcontainern jährlich, aber auch durch Beteiligungen, Immobilien und Dienstleistungen im Hinterlandtransportsystem, schon jetzt zu den größten Logistikern in Deutschland gehört. Der Zugriff auf die HHA – größtes Personenverkehrsunternehmen der Stadt – verschafft der Bahn gleichzeitig mehr Gewicht im Hamburger Verkehrsverbund (HVV), der wiederum eng mit den Nahverkehrssystemen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen verflochten ist. Kritiker fürchten deshalb, die Bahn könne im Zusammenhang mit dem Börsengang durch gezieltes Ausschlachten beider Unternehmen versuchen, im Hinterlandverkehr der Seehäfen in Hamburg, Bremen und Kiel eine Monopolisierung zu erreichen. Das wäre für die außerhalb der Bahn verbliebene Hafenwirtschaft ein teures Vergnügen und würde für manchen Hafenarbeiter den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.

http://www.jungewelt.de/2005/12-22/017.php



Hamburg: Volksbegehren gegen Privatisierung der Berufsschulen vor Verfassungsgericht gescheitert

Das Volksbegehren gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen ist gescheitert. Am Mittwoch entschied das Hamburger Verfassungsgericht, daß die Volksinitiative »Bildung ist keine Ware« auf einen Volksentscheid nicht bestehen könne, da die Bürgerschaft im November 2004 dem Anliegen der Initiative bereits entsprochen habe.

Wie berichtet, hatten statt geforderter 61000 sogar 121000 Hamburger das Volksbegehren unterstützt. Daraufhin beschloß die Bürgerschaft, daß die Berufsschulen zwar nicht mehr, wie ursprünglich geplant, auf eine private Wirtschaftstiftung übertragen werden, doch gleichzeitig beschloß das Landesparlament deren Ausgliederung in einen Landesbetrieb. Der Pferdefuß: In dessen aufsichtsführenden Gremien haben Vertreter der Handwerks- und Handelskammer einen bestimmenden Einfluß. Das alte Vorhaben, »nur neu verpackt«, kommentierte Sigrid Strauß, stellvertretende Vorsitzende der GEW in Hamburg. Doch Senat und Bürgerschaft sahen damit die Sache als erledigt an. Um doch noch einen Volksentscheid zu erzwingen, ging die Initiative im Dezember 2004 vor das Verfassungsgericht. Die Kläger beantragten festzustellen, daß der Beschluß der Bürgerschaft dem Anliegen des Volksbegehrens nicht entspricht.

Diese Klage wurde nun zurückgewiesen, nachdem Verfassungsgerichtspräsident Wilhelm Rapp schon Anfang November in mündlicher Verhandlung verdeutlicht hatte, daß das Petitum des Volksbegehrens nicht eindeutig wäre. (junge Welt berichtete). Durch den Beschluß der Bürgerschaft, so das Gericht, wäre dem eigentlichen Anliegen entsprochen worden.

Enttäuscht zeigen sich neben den Initiatoren vor allem Hamburgs Gewerkschaften. Das Gericht habe der Volksgesetzgebung einen weiteren Dämpfer verpaßt, meinte DGB-Chef Erhard Pumm, dem sich die »Frage aufdrängt, worüber das Volk eigentlich noch entscheiden dürfe«, werden die juristische Hürden so hoch gesetzt. Wie Strauß befürchtet auch Pumm nun einen Verlust von Allgemeinbildung und eine Benachteiligung vollzeitschulischer Bildungsgänge in den Hamburger Berufsschulen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-01/013.php



Hamburg: Verkauf von zwölf Heimen geplant. Qualitätsstandards in Gefahr

In Hamburg hat Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) den Verkauf von zwölf Pflegeheimen angekündigt, die bis jetzt Teil des städtischen Unternehmens »pflegen & wohnen« (p & w) waren. Als »Pflege GmbH« ausgegründet, sollen sie bereits ab kommendem Montag europaweit zum Kauf feilgeboten werden. Davon betroffen sind 2 800 Heimbewohner und 1 600 Mitarbeiter. Während Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram betonte, daß sich der Verkauf für die Bewohner und Mitarbeiter der Heime nicht nachteilig auswirken werde, befürchten Beschäftigte einen Qualitätsverlust.

Gewerkschaften sprachlos

Bereits im Juli 2003 hatte die Bürgerschaft – mit Unterstützung von CDU, SPD und GAL – die Privatisierung zur Haushaltsentlastung abgenickt. Zuvor mußte die Stadt mehrfach mehrere Millionen Euro zuschießen, denn die Einnahmen bei p & w trugen die Kosten nicht. Doch das sei selbst verursacht, sagen Mitarbeiter. 1997 wurden bestehende Altlasten aus Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten bei der Übertragung in eine Anstalt öffentlichen Rechts einfach dem Träger aufgebrummt. Das wäre aus den Pflegesätzen aber nicht zu decken gewesen, weshalb sich die Schuldenlast auf 347 Millionen Euro erhöhte.

Diese Schulden kommen zur Stadt zurück, denn sonst läßt sich die »Pflege GmbH« nicht verkaufen. Für Sanierungsmaßnahmen wurde zudem ein Finanzzuschuß von 37,8 Millionen bereitgestellt, weshalb Peiner von »vielen Kaufinteressenten« spricht. Ein hoher Kaufpreis ist aber nicht zu erwarten, denn während Hamburg allein in diesem Jahr über 100 Millionen Euro in den Aufbau der Elbphilharmonie und des Militaria-Tamm-Museums am Hafenrand steckt, blieben Modernisierungsinvestitionen beim städtischen Eigentum seit Jahren vernachlässigt. Der Investitionsstau für die Pflegeheime bewegt sich im dreistelligen Millionenbereich. Das werden sich Pflegekonzerne als potentielle Käufer verrechnen lassen.

Mit hartem Widerstand gegen die Privatisierung rechnen Peiner und Schnieber-Jastram nicht, denn der städtische Pflegedienstanteil sinkt seit Jahrzehnten stetig. 80 Prozent des Hamburger Marktes teilen sich heute schon 100 Privatunternehmen. Die Gewerkschaften verharren zu diesem Thema in Sprachlosigkeit.

Renditeziel: Zehn Prozent

Vor der Privatisierung der Heime konnte deren Personalrat allerdings noch durchsetzen, daß es betriebsbedingte Kündigungen nicht vor 2009 geben soll und bis dahin Tarifstandards (für bisher schon Beschäftigte) noch gesichert sind. Glücklich ist man trotzdem nicht. Gegenüber jW begründeten Mitarbeiter ihre Angst vor Qualitätsverlust mit dem Renditeanspruch großer Pflege- und Finanzkonzerne. Bei Einhaltung bisheriger Qualitätsstandards lägen Renditen bei drei bis vier, nicht aber bei zehn Prozent, wie sie Pflege- und Finanzkonzerne fordern. Deshalb befürchten Mitarbeiter erhöhten Leistungsdruck, Arbeitszeiterhöhungen, den vermehrten Einsatz von Billigjobbern und spätestens nach 2009 dann auch Tarifflucht.

Kritik kommt auch von WASG und Linkspartei, die »sozialpolitischen Steuerungsverlust« beklagen. Alles, was die Stadt lebenswert gemacht habe, werde nach und nach versilbert. Peiner ist längst weiter: Beim »Bundesverband Junger Unternehmer« dachte er in der letzten Woche schon über »private Gefängnisse« nach.

* Über Daseinsvorsorge und stadtpolitische Alternativen sprechen Mitglieder von WASG, Linkspartei und DKP auf einem Workshop am 25./ 26. November in Hamburg. Nähere Infos unter: www.wasg-hh.de

http://www.jungewelt.de/2005/11-10/016.php



Niederlage der Hamburger Initiative »Bildung ist keine Ware« vor Verfassungsgericht

Der Volksentscheid über die Privatisierung der Hamburger Berufsschulen ist möglicherweise ausgehebelt. Die Volksinitiative »Bildung ist keine Ware« hat am Donnerstag vor dem Hamburger Verfassungsgericht eine schwere Niederlage einstecken müssen. Das Gericht hat eine zur Bürgerabstimmung stehende Frage als zu ungenau bewertet. »Wir sehen kein eindeutiges Petitum, das mit Ja oder Nein beantwortet werden kann«, sagte Gerichtspräsident Wilhelm Rapp. Ein endgültiges Urteil hat das Gericht für den 30. November angekündigt.

Zum Hintergrund: Nach einem erfolgreichen Volksbegehren, bei dem die Initiative statt geforderter 61000 sogar 121000 Unterschriften gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen sammeln konnte, hatte die Bürgerschaft beschlossen die Berufsschulen nicht mehr – wie ursprünglich geplant – auf eine private Stiftung zu übertragen. Doch gleichzeitig beschloß das Landesparlament deren Ausgliederung in einen Landesbetrieb. Der Pferdefuß: In den die Aufsicht führenden Gremien sollen Vertreter der Handwerks- und Handelskammer einen bestimmenden Einfluß haben. »Im Kern das alte Vorhaben, nur neu verpackt«, kommentierte Sigrid Strauß, stellvertretende Vorsitzende der GEW in Hamburg. Doch der CDU-Senat hoffte, sich so um eine Volksabstimmung herumzumogeln.

Die Volksinitiative reagierte im Dezember 2004 mit einer Verfassungsklage gegen die Bürgerschaft, um den Volksentscheid doch noch zu erzwingen. Die Kläger beantragten festzustellen, daß der Beschluß der Bürgerschaft dem Anliegen des Volksbegehrens nicht entspricht.

Doch das Verfassungsgericht beschäftigte sich nicht damit, sondern nur mit dem Text des Volksbegehrens, dessen Kernforderung lautete, daß die Berufsschulen »unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Leitung« verbleiben. So ein Satz sei nicht wertungsunabhängig, sagte Rapp. Zudem sei zu bezweifeln, daß »uneingeschränkte staatliche Verantwortung« bisher gelte. Rapp verwies auf eine Vielzahl schon bestehender Beteiligungsrechte für die Wirtschaft. Die Vertreter von Senat und Bürgerschaft hatten im Gerichtsverfahren zudem argumentiert, daß die Klage schon deshalb nicht begründet sei, weil sich das Volksbegehren nur auf die Verhinderung eines Stiftungsmodells bezogen habe.

http://www.jungewelt.de/2005/11-05/013.php



Hamburgs Krankenhausträger wollen abgesenkten Branchentarif durchsetzen. Gewerkschaft fordert neue Verhandlungen und kündigt heißen Herbst an

Nach den Streikaktionen in verschiedenen Universitätskliniken Baden-Württembergs (jW berichtete) kündigt sich nun auch in den großen Hamburger Krankenhäusern ein Arbeitskampf an. Hintergrund ist der Austritt der Arbeitgeber des privatisierten Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) mit 12600 Mitarbeitern und der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, in der viele kleinere Krankenhausträger vereinigt sind, aus der »Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg«. Ihr Ziel war es, so Lohnkürzungen durchzusetzen. Ende September folgte das städtische Universitätsklinikum mit seinen über 6 000 Mitarbeitern. Flugs gründeten die Krankenhausträger einen eigenen Arbeitgeberverband und wollen mit diesem nun einen abgesenkten Branchentarif durchsetzen.

Inzwischen hat auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di adäquat reagiert, wie es Beschäftigte in den Krankenhäusern seit längerem einfordern. Ver.di-Chef Wolfgang Rose kündigte an, daß ein Arbeitskampf mit Streikmaßnahmen nur noch zu verhindern sei, wenn die Arbeitgeber an den gemeinsamen Verhandlungstisch zurückkämen. Die Signale stünden auf Streik, betonte der Gewerkschafter.

Nach Berechnungen von ver.di müßte eine durchschnittliche Krankenschwester mit den neuen Gehaltsstrukturen, wie sie die Klinikbosse durchsetzen wollen, einen Verdienstausfall von 700 Euro hinnehmen. Rose stellte in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Arbeitgeber überhaupt zu ernsthaften Verhandlungen mit der Gewerkschaft bereit seien. Bisher würden diese in Separatgesprächen mit Standesorganisationen der Ärzte eher versuchen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Während für das ärztliche Personal dabei sogar Lohnerhöhungen diskutiert werden, sollen andere Lohnabbau hinnehmen.

Wie Mitarbeiter aus dem LBK gegenüber jW mitteilten, ist die Kampfbereitschaft in der Belegschaft groß. Dort hat sich wegen der Privatisierung des größten Hamburger Arbeitgebers zum Jahresbeginn und dem anschließenden Weiterverkauf eines der sieben Krankenhäuser des LBK und geplanter Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen schon jetzt beträchtlicher Unmut angestaut.

Warnstreiks werden bereits für die nächsten 14 Tage erwartet. Da auch die Mitarbeiter in den Behörden und Verwaltungen der Stadt, die ebenfalls den Bundesangestelltentarif kündigte, dabei sind, Warnstreiks vorzubereiten, steht der Hansestadt ein heißer Herbst bevor.

http://www.jungewelt.de/2005/10-14/020.php



Hamburger Wirtschaftsbehörde will größten Hafenbetrieb teilprivatisieren. Kritiker warnen vor absehbarer Negativentwicklung für die Beschäftigten

In Hamburg will die Wirtschaftsbehörde 49 Prozent der bislang städtischen Hafen- und Lagerhausgesellschaft AG (HHLA) innerhalb von zwei Jahren für 500 Millionen Euro verkaufen. Doch Kritiker befürchten, daß damit ein Mehrheitsverkauf – wie zuvor beim Landesbetrieb Krankenhäuser – nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben ist. Gleichzeitig hat die Behörde auch die Umwidmung des bisherigen Amtes für Strom- und Hafenbau in eine »Anstalt öffentlichen Rechts« durch die Bildung eines Aufsichtsrates abgeschlossen. Die Anstalt mit ihren 1 650 Mitarbeitern ist damit jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen.

An den Hamburger Hafen sind direkt oder indirekt Zehntausende Arbeitsplätze in der Region gebunden. Für die Modernisierung des Containerterminals der HHLA, dem mit 3340 Mitarbeitern größten Hafenbetrieb, soll nun durch die Teilprivatisierung »frisches Geld« mobilisiert werden.

Doch Kritiker sagen: Was weg ist, ist weg! Immerhin erwirtschaftet die HHLA einen jährlichen Gewinn vor Steuern in Höhe von 60 Millionen Euro, der bislang auch dem Haushalt der Stadt zugute kam. Außerdem fragen sich viele, warum das Unternehmen nicht auch ohne Privatisierung notwendige Anpassungsmodernisierungen vornehmen kann, hatte die HHLA doch schon 2004 liquide Mittel von 113 Millionen Euro angehäuft. Doch tatsächlich geht es nicht allein um Modernisierungen, sondern um eine Neuausrichtung der gesamten Hafenwirtschaft auf privatwirtschaftlichen Grundlagen zum Nachteil der Beschäftigten. Allein die HHLA soll dafür bis zu eine Milliarde Euro investieren.

Vorbild dafür ist die bereits bestehende Containerumschlagsanlage in Altenwerder, wo Container durch »Automatically Guided Vehicles« führerlos und per Computerprogramm transportiert und von ebenfalls automatischen Portalkränen dann gestapelt werden. Nur am Anfang und am Ende dieser Kette, am Schiff und am LKW, arbeiten dort noch Menschen. Dieser Stand soll nun auch für geplante Neuanlagen und ab 2012 ebenfalls für den Burchardkai, den größten Terminal im Hamburger Hafen, gelten, wo bisher 37 Prozent aller Container eher noch arbeitsintensiv umgeschlagen werden.

Von der Erneuerung der Hafenanlagen versprechen sich Senat und Hafenwirtschaft eine Kapazitätssteigerung von jetzt 8,5 auf 18 Millionen Standardcontainer jährlich. Eine Verlagerung von Transportkapazitäten in diesem Umfang ginge zu Lasten der Konkurrenten in Rotterdam und Antwerpen, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo schon jetzt Auslastungsschwierigkeiten bestehen.

Nur verhalten kritisiert ver.di-Landeschef Wolfgang Rose die Privatisierung. Er betont: Einer »weisen Beteiligungspolitik« werde sich seine Gewerkschaft nicht verschließen. Kritischer sieht das DKP-Mitglied Bernt Kamin ( Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb GHB ), der in einem Papier seiner Partei grundsätzlich warnt, daß politische Einflußmöglichkeiten auf die Gesamtentwicklung des Hafens, für die Entwicklung von Löhnen, Arbeitsbedingungen und des Sozialgefüges in der Zukunft verspielt werden. Zudem warnt Kamin, daß der Großteil neuer Arbeitsplätze im Hafen, schon jetzt nicht im gut bezahlten Hafenumschlag, sondern in vor- und nachgelagerten Dienstleistungen des Containerumschlags entstehe, wo die Arbeitsbedingungen als eher schlecht bezeichnet werden müssen.

http://www.jungewelt.de/2005/10-12/013.php



Hamburger Krankenhausbelegschaften wehren sich gegen geplante Privatisierung

Die Auseinandersetzungen um die beabsichtige Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser in Hamburg (jW berichtete) gewinnen an Schärfe. Am Mittwoch abend gingen mehrere hundert Beschäftigte des LBK auf die Straße. Unter Losungen wie »Wir lassen uns nicht verramschen« oder »Von Beust, Wersich, Peiner – so dreist war noch keiner« demonstrierten vor allem Mitarbeiter aus den Krankenhäusern in St. Georg und Eilbek. Bei einer Kundgebung an der Humboldtbrücke – ganz in der Nähe befindet sich die Gesundheitsbehörde – kam es zu lautstarken Protesten.

Auf dieser Kundgebung sprach Katharina Ries-Heidtke, Gesamtpersonalratsvorsitzende des LBK, von »skandalösen Vorgängen«. Die Entscheidung zur Mehrheitsprivatisierung und Angliederung an die Asklepios Kliniken GmbH sei ausschließlich aufgrund einer schriftlichen Empfehlung des Staatsrates in der Gesundheitsbehörde Dietrich Wersich (CDU) getroffen worden. Ries-Heidtke verwies darauf, daß es noch nicht mal eine parlamentarische Drucksache« gebe. Der Senat »lüge«, wenn er behaupte, der Betrieb könne seine Tätigkeit nicht selbst finanzieren. Und zu der Bemerkung von Bürgermeister Ole von Beust, die Entscheidung, in zwei Tranchen zu privatisieren, sei auch aus »aus Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten« getroffen worden, stellte Ries-Heidtke klar: »Das kann sich der Bürgermeister an den Hut stecken«.

Für Ulrich Meinecke, stellvertretender Landesleiter von ver.di, ist die Privatisierung eine »Mißachtung des Volkswillens«. Wörtlich: »Die Politik des Freiherrn von Beust trägt feudale Züge.« Meinecke warf von Beust und dessen Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) vor, lediglich die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung loswerden zu wollen. Deshalb solle der LBK – mit seinen 12 400 Mitarbeitern – zu einem »Schleuderpreis verramscht werden«. Meinecke unterstrich die Absicht seiner Gewerkschaft, vor das Verfassungsgericht zu gehen. DGB-Landeschef Erhard Pumm erinnerte daran, daß 77 Prozent der Hamburger Wähler gegen die Privatisierung votiert haben. Pumm sprach den Abgeordneten der Bürgerschaft das Recht ab, den Senatsplänen zuzustimmen. Wer dies doch tue, verhalte sich »verfassungswidrig«, denn die Wahl zur Bürgerschaft sei am gleichen Tag erfolgt, an dem das Volk »selbst entschieden« habe. Pumm will, daß die Abgeordneten, die trotzdem der Privatisierung zustimmen, von den Bürgern »persönlich gestellt« werden.

Unterdessen gerät auch die Gewerkschaft unter Druck. Gerald Kemski, Sprecher der AG Betrieb und Gewerkschaft bei der PDS, erinnerte daran, daß die Gewerkschaft zunächst einer Minderheitsprivatisierung zugestimmt habe. Damit sei das Tor für den Privatinvestor Asklepios bereits geöffnet worden. Kemski will eine stärkere Mobilisierung der Mitarbeiter und der Bevölkerung und fordert weitere Aktionen. Erst dann, so betonte er, »ist die vorgesehene Verfassungsklage ein weiteres Mittel, um die Pläne des Senats zu durchkreuzen«.

http://www.jungewelt.de/2004/07-16/014.php



Parlament ist an Willen des Volkes nicht gebunden
Volksgesetzgebung in Hamburg per Gericht de facto eliminiert

Das Hamburger Verfassungsgericht hat die Beschwerde der Gewerkschaften gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser zurückgewiesen. Nebenbei wurde die gesamte Volksgesetzgebung in Frage gestellt.

77 Prozent der Hamburger Wahlbürger sprachen sich am 29. Februar gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) aus. »Der Senat wird aufgefordert, sicherzustellen, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Mehrheitseigentümer des Landesbetriebs Krankenhäuser bleibt«, so der Abstimmungstext anlässlich der Bürgerschaftswahlen. Die Gewerkschaften hatten dann eine Klage beim Verfassungsgericht eingereicht, um Bürgermeister Ole von Beust (CDU) daran zu hindern, den LBK – trotz Volksentscheid – an den privaten Klinikbetreiber Asklepios zu verkaufen.

Beust hatte argumentiert, dass der Volksentscheid rechtlich nicht bindend sei, da lediglich ein Ersuchen formuliert worden sei. Das ist nun gerichtlich bestätigt. Auch für Wilhelm Rapp, Präsident des Hamburger Verfassungsgerichts, steht fest, dass eine rechtliche Bindung von Bürgerschaft und Senat nicht gegeben sei, wie er am Mittwoch bei der Urteilsverkündung betonte.

So kann die Bürgerschaft nun den Verkauf des LBK zum 1.Januar 2005 beschließen. Tarifabsenkungen, Kündigungen und der Abbau sozialer Standards für die Mitarbeiter sind damit verbunden. Noch schlimmer: Zukünftig kann das Parlament auch jeden anderen Volksentscheid sofort wieder aufheben. In seiner Urteilsbegründung betonte Rapp die Gleichrangigkeit von Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung. Deshalb könne die Bürgerschaft jederzeit ein Gesetz mit anderem Inhalt beschließen. Einem Volksentscheid käme keine höhere Verbindlichkeit als einem Bürgerschaftsbeschluss zu. Das Parlament müsse nur gründlich abwägen, dürfe sich aus Gründen der Organtreue nicht leichtfertig über einen Volksentscheid hinwegsetzen. Eine gründliche Abwägung habe es im Fall des LBK aber durch eine Vielzahl von Erörterungen und Abstimmungen in der Bürgerschaft und in den Ausschüssen gegeben.

Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) freute sich sichtlich: Der Beschluss des Gerichts setze klare Spielregeln. Röder hat Grund zur Freude, denn immer wieder gelang es Hamburgs Gewerkschaften, Privatisierungsvorhaben des CDU-Senats mit Volksbegehren und Volksentscheiden zu hinterfragen. Entnervt wollte die CDU zuletzt das Volksgesetzgebungsverfahren schon korrigieren und den Volksinitiativen höhere Hürden setzen. Eine »Volksinitiative zur Rettung des Volksentscheids« kündigte Widerstand an (ND berichtete).
Das Verfassungsgericht hat diesen Streit nun faktisch entschieden. Jürgen Kühling, Anwalt der Gewerkschaften und selbst ehemaliger Verfassungsrichter betonte nach dem Urteilsspruch, dass Volksentscheide keinen Sinn machen, wenn diese vom Parlament sofort wieder außer Kraft gesetzt werden können. Die Niederlage der Hamburger Gewerkschaften ist fundamental. Denn auch die bisherigen Volksentscheide etwa gegen die Privatisierung der Berufsschulen und der Wasserwerke könnten nun ignoriert werden.

Schon im August hatte Rapp zu erkennen gegeben, dass die Klage der Gewerkschaften in Sachen LBK nur geringe Erfolgsaussichten hat. Gerald Kemski, Sprecher der AG Gewerkschaftspolitik der örtlichen PDS, forderte deshalb, Entscheidungen nicht nur auf juristischem Weg zu suchen, sondern auch den politischen Druck durch Aktionen der Beschäftigten zu verstärken. Kemski konnte sich seinerzeit nicht durchsetzen. Jetzt sind Hamburgs Gewerkschaften zur Strategieüberprüfung gezwungen.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64654&IDC=2&DB=Archiv



Hamburger Volksinitiative will Plebiszite retten

Am Freitag haben in Hamburg Gewerkschaften, Oppositionsparteien und Initiativen eine »Volksinitiative zur Rettung des Volksentscheids« angemeldet. Sie will die Schwelle für Plebiszite niedrig halten.

Die Hamburger Initiative hat ein eigenes Gesetz für die Veränderung des Hamburger Volksgesetzgebungsverfahrens vorgestellt. Jetzt muss sie 10000 Wahlbürger als Unterstützer finden, damit der Bürgerschaft das Gesetz eingereicht werden kann. Das will Angelika Gardiner von »Mehr Demokratie e.V.« schon bis Februar erreicht haben. Lehnt das Parlament den Entwurf dann ab, muss ein Volksbegehren stattfinden, bei dem fünf Prozent der Hamburger Wähler die Initiative unterstützen müssen. Bleibt die Bürgerschaft auch dann ablehnend, gibt es einen Volksentscheid, der bei den Bundestagswahlen 2006 stattfinden soll.

Geschlossen reagiert Hamburgs parlamentarische und außerparlamentarische Opposition damit auf ein Vorhaben der regierenden CDU, die seit 1996 gültige Volksgesetzgebung zu verschärfen. Danach sollen Volksabstimmungen nicht mehr zu Wahlterminen und als Briefwahlen stattfinden. Unterschriften für Volksbegehren dürfen nicht mehr gesammelt, sondern müssen direkt auf Ämtern abgegeben werden. Damit aber werden die Hürden so hoch gehängt, dass Experten von einer »De-facto-Abschaffung« der Volksgesetzgebung sprechen.

Für die Wirksamkeit eines Volksentscheids soll zudem ein Zustimmungs-Mindestquorum von 25 Prozent der gesamten Wahlbevölkerung erreicht sein. Die Volksinitiative will hingegen eine weitere Liberalisierung der Volksgesetzgebung durchsetzen. Das Bündnis geht davon aus, das eigene Vorhaben bereits zu den von der CDU geplanten neuen Bedingungen durchsetzen zu müssen. Manfred Brandt von der Initiative »Mehr Demokratie«: »Wir werden ein sehr breites Bündnis auf die Beine bringen müssen.«

DGB-Chef Erhard Pumm sagt der CDU eine schwere Niederlage voraus, und SPD-Fraktionschef Mathias Petersen betont: »Die CDU hat kein Gespür für die Anliegen der Menschen.« Die Hamburger haben mehrfach Vorhaben des Senats zu Fall gebracht. So sprachen sich im Februar 77 Prozent gegen die Privatisierung der landeseigenen Krankenhäuser aus. Im Mai setzte die Initiative »Mehr Demokratie« ein neues Wahlrecht durch, das mehr Bürgereinfluss sichert und die Fünf-Prozent-Hürde für die Bezirksversammlungen kassierte.

268000 Hamburger unterstützten im September Begehren gegen die Privatisierung der Berufsschulen und Wasserwerke. Aus Angst, eine Schlappe bei Volksentscheiden einzufahren, die noch nach dem alten Recht hätten stattfinden müssen, lenkte der Senat ein.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64362&IDC=2&DB=Archiv



Hamburger Senat will Volksbegehren gegen Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser ignorieren. Oppositionsparteien kritisieren zwar, wollen aber keinen Krach riskieren

Auf Aufforderung des Hamburger Verfassungsgerichts sollte die Hamburger Bürgerschaft am Donnerstag eine Stellungnahme zur Klage der Volksinitiative »Gesundheit ist keine Ware« abgeben. Die Klage war beim Verfassungsgericht eingereicht worden, um Senat und Bürgerschaft daran zu hindern, sich über ein Volksbegehren vom Februar dieses Jahres hinwegzusetzen. Eine Mehrheit von 76,8 Prozent der Wahlbevölkerung (darunter auch jeder zweite CDU-Wähler) hatte sich am 29. Februar gegen die Mehrheitsprivatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) – mit 12 000 Mitarbeitern zugleich Hamburgs größter Arbeitgeber – ausgesprochen. (jW berichtete) Doch schon im Juli erklärte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), daß er sich rechtlich nicht gebunden fühlt. Mit dem Volksbegehren sei lediglich ein »Ersuchen« an Senat und Bürgerschaft formuliert worden.

In einer turbulenten Sitzung des Hamburger Parlaments erklärte SPD-Oppositionschef Michael Neumann dazu: Wer sich »so über die Entscheidung der Bürger unserer Stadt hinwegsetzt, treibt Menschen wie am Sonntag in Sachsen und Brandenburg in die Arme von NPD und DVU«. In einem Brief an alle 121 Abgeordneten forderten die Initiatoren des Volksbegehrens, unter ihnen Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm, diese dazu auf, dem Petitum des Senats nicht zuzustimmen. Die »Volksvertreter« sollten statt dessen »den Volksentscheid respektieren und umsetzen«, denn in Volksentscheidungen nehme das Volk die Funktion eines Verfassungsorgans wahr.

Allerdings sind die Chancen, daß sich Hamburgs Gewerkschaften mit dieser Rechtsauffassung vor Gericht durchsetzen, gering. Im Unterschied zu weiteren Volksbegehren, die sich gegen die Privatisierung der Berufsschulen und der Wasserwerke wehren und die vermutlich im Mai 2005 zu Volksentscheidungen führen, läßt die Gerichtsentscheidung vom Februar erheblichen Spielraum. Neben der sprachlichen Unklarheit als »Ersuchen« wandte sich das Begehren in der Tat nur gegen eine Mehrheitsprivatisierung der Krankenhäuser. Nun verscherbelt der Senat den LBK Schritt um Schritt, wobei das Ziel der Mehrheitsveräußerung an den privaten Klinikbetreiber Asklepios aber feststeht.

Schon im vorläufigen Verfahren hat sich das Verfassungsgericht auf den Standpunkt gestellt, das Volksbegehren erschöpfe sich tatsächlich in einer »unverbindlichen Aufforderung«. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert bewertete deshalb die Angriffe der Opposition als den Versuch, »die Rechte des Parlaments zu beschneiden«. Mit der Mehrheit seiner Fraktion werde das Parlament die Zurückweisung der Klage beim Verfassungsgericht beantragen.

Es ist absehbar, daß diese – eher unter rechtlichen Gesichtspunkten – geführte Debatte den Oppositionsparteien zwar absehbar die Möglichkeit bietet, sich als Sachwalter des Willens der Bevölkerungsmehrheit darzustellen, aber an der eigentlichen Entscheidung nichts ändert. Kritische Stimmen – so auch aus der Gewerkschaftslinken – fordern eine Politisierung des Konflikts. Nur mit einer breiten Mobilisierung sowohl der Mitarbeiter, als auch der Bevölkerung, gegen jegliche Form der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen könne die Auseinandersetzung gewonnen werden. Das aber wollen auch die Oppositionsparteien nicht.

Zudem: Sowohl im SPD-PDS-regierten Mecklenburg-Vorpommern als auch im benachbarten Schleswig-Holstein mit SPD und Grünen, sind viele Kliniken längst privatisiert. Selbst in der Chefetage des Hamburger DGB scheint ein Großkonflikt nicht wirklich gewollt zu sein, würde dabei doch schnell die Grundlinie der Politik aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – »Sparmaßnahmen« umzusetzen und den »Haushalt zu konsolidieren« – ins Zentrum der Kritik geraten. Erhard Pumm ist eben nicht nur Hamburgs DGB-Chef, sondern auch Bürgerschaftsabgeordneter der SPD.

* Der Personalrat des LBK bittet um Unterstützung bei der öffentlichen Anhörung zum LBK-Verkauf am 30. September ab 17 Uhr im Gebäude der Handwerkskammer am Holstenwall

http://www.jungewelt.de/2004/09-25/016.php



Hamburger Senat stellt Volksentscheid gegen Krankenhausprivatisierung in Frage. Klage vor Verfassungsgericht

Da Hamburgs Regierungspolitiker einen gültigen Volksentscheid mißachten, ruht jetzt die Hoffnung der Bevölkerung auf Richtern. Am 15. September reichten die Initiatoren des Hamburger Volksentscheids »Gesundheit ist keine Ware« Klage beim Hamburgischen Verfassungsgericht ein.

Hintergrund: Am 29. Februar hatten sich 600000 Hamburger in einem Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser ausgesprochen. Hamburgs Senat stellt diese Entscheidung aber in Frage und will die sieben Krankenhäuser mit ihren 12000 Mitarbeitern an den privaten Klinikbetreiber Asklepios verscherbeln. (jW berichtete).

»Die Krankenhäuser gehören den Bürgern, nicht Bürgermeister Ole von Beust. Der Senat will den Volksentscheid in den Papierkorb werfen. Aber das Votum des Volkes vom Februar gilt. Das Verfassungsgericht soll den vom CDU-Senat beabsichtigten Verkauf der Mehrheitsanteile am Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) verhindern«, sagte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Rechtsanwalt Dr. Jürgen Kühling, Verfassungsrechtler und bis 2001 Richter am Bundesverfassungsgericht, vertritt die Kläger vor Gericht.

Da der Senat der Bürgerschaft eine Gesetzesvorlage zugeleitet hat, die die Voraussetzungen für eine Privatisierung des LBK schaffen soll, verklagt die Volksinitiative nun die Bürgerschaft mit dem Ziel, einen entsprechenden Gesetzesbeschluß zu unterbinden. Das Verfassungsgericht soll feststellen, daß auch die Bürgerschaft an die Volksentscheidung gebunden ist und deswegen ein solches Gesetz nicht erlassen darf, solange sich keine grundlegend neuen Umstände oder Erkenntnisse ergeben.

»Die Privatisierungspläne des Senats sind von den Hamburger Bürgern in einem Volksentscheid mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Wir klagen, damit das Gericht diesen Verfassungsbruch stoppen kann«, so Rose: »Dieser Senat macht einen großen Fehler. Er nutzt seine absolute Mehrheit aus ideologischen Motiven zu einem Bruch der Verfassung und verletzt damit auch den politischen Anstand. Der Senat will ein Vermögen verschleudern, das dem Volk gehört«.

Kühling argumentiert in der Klageschrift, daß der Volksentscheid nicht mittels juristischer Winkelzüge ignoriert werden dürfe. Schließlich hätten die Hanseaten nicht eine unverbindliche Empfehlung ausgesprochen, sondern einen »Entscheid« durchgeführt, der auch für die politischen Organe verbindlich sei.

http://www.jungewelt.de/2004/09-17/012.php



Erfolgreiches Begehren zu Volksentscheid gegen Privatisierung von Berufsschulen und Wasserwerken

Mit Einkaufswagen und Transparenten zogen am Dienstag morgen Lehrer, Eltern und Berufsschüler zum Hamburger Rathaus. Im Gepäck: 121000 Unterschriften unter dem Volksbegehren »Bildung ist keine Ware«. Bereits zuvor hatten die Initiatoren des parallel laufenden Volksbegehrens »Unser Wasser Hamburg« 147000 Unterschriften beim Landeswahlleiter abgegeben. 14 Tage – zwischen dem 23. August und dem 6. September – hatten die Initiativen Zeit, um die nach dem Hamburgischen Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheide nötigen Unterschriften zu sammeln. Nach dem seit 1996 gültigen Gesetz, ist ein Volksbegehren dann erfolgreich, wenn fünf Prozent der Wahlbevölkerung die Forderungen einer Initiative unterstützen. Das sind etwa 61000 Personen. Die Bürgerschaft hat nun drei Monate Zeit sich den Anliegen anzuschließen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Geschieht dies nicht, finden im Mai 2005 Volksentscheide statt, die rechtlich bindend sind.

Das Volksbegehren »Bildung ist keine Ware« richtet sich gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen, die in eine wirtschaftsorientierte Stiftung überführt werden sollen. Damit würden Vertreter der Handelskammer wichtigen Einfluß auf die Ausbildung gewinnen. Bereits im Juni hatte die GEW auf die Verfassungswidrigkeit des Vorhabens hingewiesen (jW berichtete). Im Auftrag der GEW hatte der Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Sterzel ein Gutachten erarbeitet. Dessen Kernaussagen: Entstaatlichung der Berufsschule hebelt die Grundsätze der dualen Berufsausbildung aus und widerspricht dem im Grundgesetz festgelegten staatlichen Bildungsauftrag. Nach Ansicht von Dr. Stephanie Odenwald, Landesvorsitzende der GEW, ist umfassende Bildung aber nur gewährleistet, »wenn die beruflichen Schulen uneingeschränkt bei den staatlichen Behörden bleiben«. Die Handelskammer will hingegen, daß »Lerninhalte besser an die Bedürfnisse der Praxis« angepaßt werden, womit der Wegfall allgemeinbildender Fächer und die Reduzierung des theoretischen Unterrichts auf reinen Fachunterricht gemeint ist.

Mit dem Volksbegehren »Unser Wasser Hamburg« will diese Initiative eine Privatisierung der Wasserwerke verhindern. Die Initiatoren befürchten eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität und erhebliche Preissteigerungen für die Verbraucher. Bewußt hatten beide Initiativen die Volksbegehren parallel durchgeführt, um sich beim Sammeln gegenseitig zu unterstützen. Besonders genau achteten die Initiativen auf die Formulierung ihrer Anliegen. »Bildung ist keine Ware« fordert unmißverständlich, »daß die beruflichen Schulen wie bisher unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Leitung und Verantwortung« verbleiben.

»Unser Wasser Hamburg« will, daß die öffentliche Wasserversorgung »weiterhin vollständig Eigentum« der Stadt bleibt. Beim Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser hatte die Gewerkschaft ver.di lediglich ein »Ersuchen« formuliert, zudem wurde eine Teilprivatisierung nicht explizit ausgeschlossen. Obwohl 77 Prozent aller Wähler sich gegen die Privatisierung am 29. Februar aussprachen, bot dies dem Senat die Möglichkeit, die rechtliche Bindung des Volksentscheids in Frage zu stellen. Ver.di muß nun eine Klage beim Verfassungsgericht einreichen.

Für Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sind die Volksbegehren eine erhebliche Niederlage, denn die Privatisierung der Berufsschulen gehört für ihn zu den »ehrgeizigsten Reformvorhaben« der Hamburger Regierung. Diese ist nun auf Eis gelegt.

http://www.jungewelt.de/2004/09-08/016.php



Hamburg: Senatsbeschluß zum Klinikverkauf schlägt weiter hohe Wellen

Der Hamburger Senat will die Mehrheit der städtischen Krankenhäuser in zwei Tranchen dem privaten Asklepios-Konzern – trotz eines gegenteiligen Volksentscheids – übereignen (jW berichtete am Donnerstag). Diese Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) führt in der Hansestadt seitdem zu hitzigen Diskussionen. »Das ist so ziemlich das Unvernünftigste, was man machen kann«, kritisierte GAL-Bürgerschaftsabgeordneter Jens Kerstan jetzt den Senat. SPD-Chef Mathias Petersen fügt hinzu: »Der jetzt vom Senat geplante Mehrheitsverkauf in Raten ist ein billiger Trick, um die Wähler hinters Licht zu führen. Der Senat will 600 000 Hamburgerinnen und Hamburger offensichtlich für dumm verkaufen.« Was Petersen nicht sagt: Die SPD-geführte Regierung in Schleswig-Holstein hat bereits mehrere Kliniken an Asklepios verscherbelt und im SPD-PDS-regierten mecklenburg-Vorpommern wurde das Medizinische Zentrum in Schwerin an die privaten Helios-Kliniken verkauft.

600 000 Hamburger und damit fast 77 Prozent aller Wähler hatten beim Volksentscheid am 29. Februar gegen die Privatisierung des LBK gestimmt. Für verdi-Chef Wolfgang Rose wäre die Privatisierung »so, als würde man einem Gebrauchtwagenhändler eine gut geführte Mercedes-Filiale anvertrauen.« Rose verweist auf die Kliniken des Konzerns in Schleswig-Holstein, in denen nicht mal die Gehälter pünktlich gezahlt werden.

Der Asklepios Konzern betreibt in Deutschland und den USA 82 Einrichtungen (darunter 67 Kliniken) und macht nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro Umsatz. Alleiniger Gesellschafter des Konzerns ist Dr. Bernhard Broermann, ein guter Bekannter des Hamburger Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU) aus dessen Zeit als Vorstand der Gothaer-Versicherung. Peiner übergibt Broermann jetzt einen Betrieb mit 12 400 Mitarbeitern, 375 000 Patienten und einen Umsatz von 700 Millionen Euro im Jahr. Der Landesbetrieb ist damit Hamburgs größter Arbeitgeber.

Zur Empörung tragen jetzt auch Einzelheiten des beabsichtigen Deals bei. Senator Peiner betonte lange Zeit, daß die Schulden des LBK durch die Stadt kaum zu begleichen wären und auch deshalb die Privatisierung notwendig sei. Diese Schulden des LBK belaufen sich auf 560 Millionen Euro. Es sind vor allem Pensionsverpflichtungen, für die in der Vergangenheit keine Vorsorge betrieben wurde. Nachdem man 1995 die Hamburger Krankenhäuser im LBK zusammengefaßt hatte, wurde diese Schuldlast dem neuen Betrieb einfach aufgedrückt. Im operativen Geschäft schreibt der Betrieb schwarze Zahlen. Von einer Übernahme dieser Schuldenlast durch den Privatinvestor ist jetzt aber keine Rede mehr. Die Schulden fließen in eine »städtische Besitzgesellschaft«, verbleiben somit also bei der Stadt. Der so entschuldete Betrieb soll dann für eine Kaufsumme von 319 Millionen Euro von Asklepios übernommen werden. Peiner sagt nun, daß er damit einen Teil der Schulden begleichen könne. Eine Milchmädchenrechnung, denn tatsächlich fließen zunächst nur 200 Millionen, von denen aber allein der LBK 180 Millionen über einen Kredit selbst finanzieren soll. Asklepios bezahlt lediglich 20 Millionen. Der LBK bezahlt seine Übernahme also selbst! Die restlichen 119 Millionen des Kaufpreises fließen erst dann, wenn der LBK an die Börse geht. Verkaufen sich die Aktien aber schlecht, fließt auch dann kein Geld. Zudem verzichtet die Stadt für 60 Jahre auf Erbbauzins- und Pachteinnahmen für die Nutzung der städtischen Grundstücke und Gebäude. Rose beziffert den Einnahmeverlust für die Stadt auf rund 190 Millionen Euro. Er befürchtet, »daß irgendwann ein US-Fonds den ganzen Laden übernimmt und allein seiner Anlagestrategie folgt: Kapital sucht Rendite«. Die Gewerkschaft will beim Verfassungsgericht klagen, denn sie sieht in der Mißachtung des Volksentscheids einen Rechtsverstoß. Gemeinsam mit dem Personalrat befürchtet die Gewerkschaft Lohneinbußen, Personalabbau und die Verringerung von Mitbestimmungsmöglichkeiten. In der Tat verweigert Asklepios die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband und will einen Haustarif durchsetzen. Die Gesamtpersonalratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke kündigte deshalb jetzt Personalversammlungen in allen Krankenhäuser an. Sie will Aktionen, denn die Empörung unter den Mitarbeitern sei groß.

http://www.jungewelt.de/2004/07-12/013.php



Hamburger Senat beschloß entgegen früherer Versprechen Verkauf des Landesbetriebes für Kliniken

Der Hamburger Senat will den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) nun doch verkaufen. Darauf hat sich die Landesregierung am Dienstag abend geeinigt. 49,9 Prozent der Anteile sollen sofort verkauft verkauft werden, 25 Prozent zwei Jahre später. Einziger Interessent für den Kauf ist der Klinikbetreiber Asklepios. Wie zu hören ist, soll der Verkauf des ersten Anteils »für ’n Appel und ’n Ei« erfolgen. Der Senat begründet den Verkauf mit notwendigen Modernisierungen, die man nicht finanzieren könne.

Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) hatte mit Asklepios bereits im letzten Jahr eine 75-Prozent-Beteiligung vereinbart. Dagegen gab es das Volksbegehren »Gesundheit ist keine Ware«, das von Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di initiiert wurde. Am 29. Februar sprachen sich im Volksentscheid 77 Prozent der Wähler gegen einen Mehrheitsverkauf des LBK aus. Bürgermeister Ole von Beust hatte nach den Wahlen mehrfach zugesichert, daß sich der Senat an das Votum halten werde. Doch er ließ sich stets eine Hintertür offen: Der Entscheid habe rechtlich keine Bindung, da er im Wortlaut nur eine Empfehlung bedeute. Die Information über die Entscheidung, den LBK nun doch mehrheitlich zu privatisieren, sickerte am Dienstag abend durch. Am Mittwoch lud der Bürgermeister nur die Chefredakteure der großen Hamburger Medien zu einem Gespräch in der Sache. Erst am Nachmittag informierte Gesundheitssenator Jörg Dräger (parteilos) die »restlichen« Medien auf einer Pressekonferenz.

Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose ist empört: »Es wäre fairer und demokratischer Stil gewesen, zuerst die Initiatoren des Volksentscheides über den Senatsbeschluß zu unterrichten.« Die Forderung der Gewerkschaften lautet: »Gesundheit als wichtiger Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge darf kommerziellen Interessen nicht untergeordnet werden«. Ob die Gewerkschaften nun tatsächlich den Weg vor das Verfassungsgericht gehen, wie ver.di-Chef Rose beim Hamburger Sozialforum ankündigte, blieb am Mittwoch jedoch unklar. Für die Personalratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke sind nun »alle Befürchtungen erfüllt, die die Beschäftigten mit dem Mehrheitsverkauf verbunden haben. Die Tarifverträge werden gekippt, die Arbeitsplätze sind nicht mehr gesichert.«

http://www.jungewelt.de/2004/07-08/016.php



Hamburger GEW, Schüler- und Elternkammer wollen keine Entstaatlichung der beruflichen Schulen

Mit einem Paukenschlag eröffnete die GEW ihre Fachtagung »Neue Rechtsformen für die berufsbildenden Schulen« am Donnerstag. Zu dieser hatte die Lehrergewerkschaft nicht nur ihre Vorsitzende Eva-Maria Stange aufgeboten, sondern auch zahlreiche Experten aus verschiedenen Bundesländern. Die Hamburger GEW will, gemeinsam mit Schüler- und Elternkammern sowie dem Lehrerverband, ein Volksbegehren durchführen, um die vom Senat geplante Übernahme der 48 Berufsschulen in eine wirtschaftsorientierte Stiftung zu verhindern. Vom 23. August bis 5. September sollen 60 000 Unterschriften gesammelt werden, um einen Volksentscheid zu erzwingen. Die Initiatoren betonen dabei die bundesweite Bedeutung ihres Anliegens, denn auch in Bremen sollen Teile der Berufsschulen in eine GmbH verwandelt werden.

»Die Hamburger Politiker sind gut beraten, endgültig die Hände vom Stiftungsmodell für die beruflichen Schulen in der Hansestadt zu lassen. Das Modell ist in weiten Teilen verfassungswidrig«, so Ursula Herdt, beim GEW-Vorstand für berufliche Bildung zuständig, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Hamburg. Die Gewerkschafterin berief sich auf ein Rechtsgutachten, das der Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Sterzel im Auftrag der Max-Träger-Stiftung erstellt hatte. Dessen Kernaussagen: Entstaatlichung der Berufsschule hebelt die Grundsätze der dualen Berufsausbildung aus und widerspreche dem im Grundgesetz festgelegtem staatlichen Bildungsauftrag. Hamburgs GEW-Vorsitzende Stephanie Odenwald sieht in dem Gutachten eine Unterstützung: »Nur wenn die beruflichen Schulen uneingeschränkt bei der staatlichen Behörde bleiben«, sei »gewährleistet, daß Jugendliche eine umfassende Bildung erhalten.«

In der Tat läßt das Gutachten wenig Spielraum: »Aus dem Primat des staatlichen Erziehungsauftrages folgt laut Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes, daß sich der staatliche Geltungsbereich nicht nur auf die organisatorische Gliederung bezieht, sondern auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und der Unterrichtsziele umfaßt.« Die Schulaufsicht gehöre zu den obligatorischen Staatsaufgaben, die nicht an eine private Stiftung übertragen werden können. Sterzel sieht das »grundgesetzliche Demokratiegebot« in Gefahr. »Dem Hamburger Schulgesetzgeber ist es daher verwehrt, eine Stiftung des öffentlichen Rechts als ›Form der kollegialen Selbststeuerung‹ quasi in die Rolle einer Einrichtung der funktionalen Selbstverwaltung schlüpfen zu lassen«, so Sterzel.

Genau das sah das neue Stiftungsmodell vor, mit dem vor allem die Wirtschaft Einfluß erhalten sollte. Die Handelskammer will es ermöglichen, daß »die Lerninhalte besser an die Bedürfnisse der Praxis« angepaßt werden. Übersetzt heißt dies: Wegfall allgemeinbildender Fächer (wie Deutsch und Politik) sowie die Reduzierung theoretischen Unterrichts auf Fachunterricht.

Seit 2001 betreibt die Handelskammer die Privatisierung der Hamburger Berufsschulen offensiv und traf dabei immer wieder auf erheblichen Widerstand. Beim FDP-Schulsenator Lange und dem alten CDU/FDP/Schill-Senat fand man endlich Unterstützung. Dieser erklärte das Anliegen der Handelskammer zu einem der »ehrgeizigsten Reformvorhaben« der Hamburger Regierung. Doch selbst in den Workshops der Bildungsbehörde kam es zum offen Widerspruch. Viele Betriebsvertreter lobten »die bisher gute Zusammenarbeit mit den Berufsschulen.« Um den Protest abzuschwächen, sah sich der alte Senat im November 2003 dann gezwungen, einen Garantieschutz für bisherige Berufsschulstandorte abzugeben. Im April legte die neue Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig das Vorhaben dann »zunächst auf Eis«, um in einer »Potential- und Schwachstellenanalyse« die Notwendigkeit der Privatisierung erneut zu prüfen. GEW, Eltern- und Schülerkammern werteten dies als »Bankrotterklärung« der bisherigen Schulpolitik, wiesen jedoch gleichzeitig darauf hin, daß damit noch keine Absage an ein Stiftungsmodell verbunden ist. Deshalb soll das Volksbegehren stattfinden.

http://www.jungewelt.de/2004/06-11/015.php