Gewerkschaften fordern Sofortprogramm für Ausbildung. Länder verschleiern Ausmaß des Lehrstellenmangels und lassen Betroffene in Warteschleifen sitzen
Angesichts der verheerenden Lage auf dem Ausbildungsmarkt nach den am Freitag von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Zahlen sind auch im neuen Ausbildungsjahr noch immer 215 000 junge Menschen ohne Lehrstelle haben Gewerkschaftsfunktionäre am Wochenende die Forderungen des DGB nach einem Sofortprogramm für Ausbildung unterstützt. Wie zuvor schon DGB-Vizechefin Ingrid Sehrbrock verlangten nun auch Frank Werneke, stellvertretende Vorsitzender von ver.di, und GEW-Chef Ulrich Thöne 50000 zusätzliche, also außerbetriebliche Ausbildungsplätze, die aus einem Teil des erwarteten Milliardenüberschusses der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden könnten. Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck und sogar der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) unterstützen diese Forderung, deren Umsetzung nach Gewerkschaftsberechnungen 650 Millionen Euro kosten würde.
Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nele Hirsch, hält dagegen ein solches Programm für nicht ausreichend. So könne die Lehrstellenkrise nicht gelöst werden, kritisierte Hirsch. Sie verlangte die Aufkündigung des »wirkungslosen Ausbildungspaktes« zwischen Wirtschaft und Regierung durch letztere und die Einführung einer gesetzlichen Umlagefinanzierung für die Ausbildung.
Doch dazu ist die Bundesregierung nicht bereit. Wie die bis 2005 amtierende SPD-Grünen-Regierung setzt sie lediglich auf »freiwillige Selbstverpflichtungen« durch die Wirtschaft. Gebracht hat das bisher nichts, denn auch nach den offiziellen Zahlen aus Nürnberg kommen in diesem Ausbildungsjahr auf rund 703000 Ausbildungsinteressenten nur 402000 betriebliche Ausbildungsplätze. Auch die Delegierten des DGB-Kongresses im März hatten deshalb die Forderung nach einer Ausbildungsumlage bekräftigt, mit der ausbildungswillige Betriebe bezuschußt würden, während die anderen bezahlen müßten. Die Gewerkschaftsoberen halten das aber offenbar für nicht durchsetzbar, weshalb sie nun schon seit Juli an ihrem Vorschlag für ein Sonderprogramm herumbasteln.
Daß ein solches Programm das Problem nicht löst, zeigt auch eine aktuelle Berechnung der Hamburger Gewerkschaftsjugend. Danach ist die Lage noch dramatischer, als die offiziellen Zahlen aus Nürnberg vermuten lassen. Allein in Hamburg wurden von fast 28000 Jugendlichen, die sich bei der Bundesagentur meldeten, für das laufende Ausbildungsjahr nur 7187 als Ausbildungsplatzbewerber anerkannt. Mehrere tausend wurden hingegen als »nicht ausbildungsreif« eingestuft und in sogenannte berufsvorbereitende Maßnahmen oder andere Warteschleifen gesteckt. Von den 7187 offiziell anerkannten Bewerbern waren 71 Prozent sogenannte Altbewerber, die schon in den letzten Jahren keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten. Nur 35 Prozent der Bewerber eines Schuljahres landen also direkt in der dualen Berufsausbildung. Angesichts dessen, daß nur 16 Prozent aller ausbildungsberechtigten Betriebe tatsächlich Jugendliche in die Lehre nehmen, sei das nicht verwunderlich, konstatierte Olaf Schwede von der Gewerkschaftsjugend.
Deshalb hat der Hamburger DGB nun einen eigenen Forderungskatalog vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei die Initiative für ein »Landesgesetz für eine nachfrageorientierte Kammerumlage, die ausbildende Unternehmen unterstützt und dem Ausbildungsengagement der anderen auf die Sprünge hilft«. Maßstab dafür müsse die Zahl der tatsächlich nicht versorgten Jugendlichen sein, sagte der Hamburger DGB-Chef Erhard Pumm.
http://www.jungewelt.de/2006/09-04/030.php
Bundesagentur für Arbeit rechnet für den Herbst mit 40000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz. Das liegt um ein Drittel über der Schätzung der Bundesregierung
Bis zu 40000 Jugendliche könnten im Herbst ohne Lehrstelle dastehen. Das befürchtet die Bundesagentur für Arbeit, die deshalb den kommenden Montag zum »Tag des Ausbildungsplatzes« erklärt hat. Sie will zu diesem Datum bundesweit Unternehmen um weitere Ausbildungsplätze bitten. Unterstützt wird die Aktion von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesregierung. Während der Aktion sollen allein in Schleswig-Holstein über 500 Sachbearbeiter aus den lokalen Arbeitsagenturen mehrere tausend Betriebe aufsuchen. Bislang rechnete die Bundesregierung mit bis zu 30000 fehlenden Lehrstellen, wie Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) soeben im Kabinett vortrug. Das Thema soll deshalb am Sonntag auch im Koalitionsausschuß besprochen werden.
Hintergrund für die aktuelle Lehrstellenmisere ist der neuerliche Rückgang beim Ausbildungsplatzangebot vor allem in den alten Bundesländern. Demgegenüber stagniert der Ausbildungsmarkt in den neuen Bundesländern. Im Vergleich zum Vorjahr wurden den Arbeitsagenturen nach eigenen Angaben 3,4 Prozent weniger Lehrstellen angeboten, so daß vier Monate vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch 371000 Jugendliche als »unversorgt« gelten 47700 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.
Das Thema hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch auf dem DGB-Kongreß in Berlin angesprochen. Der Ausbildungspakt mit der Wirtschaft sei in einem Zustand, mit dem »wir nicht zufrieden sein können«, sagte Merkel. Doch trotz dieser Probleme erteilte Müntefering Forderungen nach einer Ausbildungsplatz-umlage erneut eine Absage. Diese Forderung hatte der DGB-Bundeskongreß auf Antrag der Gewerkschaftsjugend erst am Donnerstag erneuert.
Das Recht auf eine ordentliche Berufs-ausbildung sei ein Grundrecht für alle Jugendlichen, sagte Olaf Schwede, Sprecher der Gewerkschaftsjugend in Hamburg, zu junge Welt. Es sei aber offensichtlich, daß die Arbeitgeber ihre im Ausbildungspakt gegebenen Versprechen nicht einhielten. Das könne nur mit einer Ausbildungsplatzumlage verändert werden, bei der diejenigen Unternehmer, die nicht ausbilden, ausbildungsbereite Betriebe finanziell unterstützen müßten.
http://www.jungewelt.de/2006/05-27/018.php
Gegen Springers 80 Prozent
Mit einer Erstauflage von 100 000 Exemplaren startete in dieser Woche die neue »Hamburger Initiativenzeitung« (HIZ). Gedruckt im Tabloidformat wird das Blatt nun überall durch Bürgerinitiativen und Basisverbände verteilt, denn für sie hat Herausgeber Ralf Flechner die neue Zeitung gemacht. Die Initiativen selbst liefern die Themen, während sie dafür dann den Vertrieb der Zeitung übernehmen. Dass das klappt, dafür bürgt die WUZ, die »Walddörfer Umweltzeitung«, die nun schon 10 Jahren in den nordöstlichen Stadtteilen Hamburgs erscheint. Dort ist Flechner auch Mitglied im Ortausschuss. Eigene Initiativen, selbst wenn sie von vielen unterstützt wurden, fanden in den großen Medien (sie gehören in Hamburg zu 80 Prozent dem Springer-Verlag) keine Beachtung. Doch inzwischen ist auch die WUZ ein viel gelesenes Medium und dieses Konzept will Flechner nun nun auf die ganze Stadt übertragen. Fünf seiner Freunde haben dafür ein Startkapital von 55 000 Euro zusammengelegt. Doch die laufenden Kosten für die zunächst zweimonatlich erscheinende HIZ sollen über Spenden und Anzeigen refinanziert werden. Mit dabei ist auch die ehemalige Redakteurin der »Hamburger Morgenpost« Sigrid Meißner, die in dem Boulevardblatt 20 Jahre im Politik-Ressort tätig war. Nun ist sie Teil der HIZ-Redaktion, wo Reportagen und Informationen aus den Bürgerinitiativen überarbeitet werden.
In der 32-seitigen Erstausgabe ging dieses Mal der Platz für die Titelstory an den Verein »Mehr Demokratie«, der ein aktuelles Gerichtsverfahren zur Volksgesetzgebung auswertete. Weitere Themen waren unter anderem der Ostermarsch, die Trinkwasserversorgung in Hamburg, Stellenstreichungen bei der Polizei, eine Hafenrundfahrt der Gewerkschaftsjugend, das Graffiti-Bekämpfungsgesetz sowie eine Ortsumgehung im Stadtteil Finkenwerder. Damit sich solche Vielfalt ausprägt, gibt es einen Beirat, dem zahlreiche Initiativenvertreter, aber auch Ex-IG-Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller angehören. Unterstützung kommt aber auch von der SPD, den Grünen und der Linkspartei. Für die Sozialisten etwa nahm Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack gleich 3000 Zeitungen mit, die nun an eigenen Büchertischen verbreitet werden.
Quelle: Nur Printausgabe vom 22.02.2006
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wurde am 26. September 1968 neu konstituiert, nachdem die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), in deren Tradition die DKP steht, am 17. August 1956 auf Antrag der Adenauer-Regierung verboten wurde. Ende der 80er Jahre hatte die DKP nach eigenen Angaben mehr als 50.000 Mitglieder. Nach 1989 trat die Mehrzahl aus. Heute gehören zur DKP in ihren 281Grundeinheiten etwa 4.600 Mitglieder, von denen wiederum fast 90 Prozent in den alten Bundesländern aktiv sind.
Eng verbunden ist die Partei mit der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und der Assoziation Marxistischer Studenten (AMS). Im Selbstverlag erscheint die Wochenzeitung der DKP Unsere Zeit (UZ). Als ein der DKP nahestehendes Theorieorgan gelten zudem die Marxistischen Blätter, die alle zwei Monate veröffentlicht werden. Auf internationaler Ebene hat die Partei einen Beobachterstatus für die Partei der Europäischen Linken (EL) und die Europäische Antikapitalistische Linke (EAL).
Sehr viel Kraft hat die DKP seit 1989 bei der Erneuerung ihrer programmatischen Positionen auf marxistisch-leninistischer Grundlage aufgebracht. Als Eckpunkte dafür gelten drei Dokumente: die »Thesen zur programmatischen Orientierung«, die schon im Januar 1993 beschlossen wurden, die »Sozialismusvorstellungen« vom Mai 1998 und schließlich das Positionspapier »Die DKP Partei der Arbeiterklasse«, das der 15. Parteitag im Juni 2000 beschloß. Daran anschließend begann dann die Diskussion zu einem neuen Grundsatzprogramm, bei der aber jene Kontroversen auftraten, die noch bis heute Teile der Debatte kennzeichnen. So wurde die Erarbeitung eines Programmentwurfs mehrmals vertagt.
Zahlreiche Dokumente, Diskussionsbeiträge sowie Stellungnahmen zur DKP-Programmdebatte sind im Internet zu lesen: www.dkp-online.de, www.marxistische-blaetter.de, www.triller-online.de (dort unter »Theorie und Praxis«).
http://www.jungewelt.de/2006/04-06/002.php