01. August 2007

Hamburg: 2000 Beschäftigte von verscherbelten Klinikum wollen in öffentlichen Dienst zurück. Ein Gespräch mit Ralf Bröcker-Lindenau

Ralf Bröcker-Lindenau ist stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Asklepios-Kliniken in Hamburg

In Hamburg wollen rund 2000 der etwa 12500 Beschäftigte des privatisierten ehemaligen Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), nun Asklepios-Kliniken, von ihrem Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst Gebrauch machen. Dieses Recht haben rund 6000 Mitarbeiter, die schon 1995 bei dem LBK beschäftigt waren. Sind Sie überrascht?

Nein, als Betriebsrat haben wir immer gefordert, daß gemeinsam mit den Beschäftigten Zukunftsperspektiven erarbeitet werden müssen. So etwa im Bereich der Beschäftigungssicherung oder zur Verbesserung der unerträglichen Arbeitsbedingungen. Mehrfach haben wir außerdem Neueinstellungen für den Pflegebereich gefordert. Aber das Management reagierte nur ablehnend und hat die Fallzahlen für den Einzelnen immer höher geschraubt. Verunsichert sind auch die Mitarbeiter aus den Service- und Verwaltungsbetrieben. Asklepios hat angekündigt, dort Kosten einzusparen und einige Bereiche ganz aufzulösen.

Was heißt es für die Patienten, wenn so viele Mitarbeiter gehen wollen?

Um sie zu betreuen, steht immer weniger Personal zur Verfügung. Bei der Verbraucherzentrale häufen sich schon jetzt die Beschwerden. Wenn jetzt keine Maßnahmen ergriffen werden, dann steuern wir nicht nur auf einen Pflegenotstand zu, sondern auf eine einzige Katastrophe. Stationen in den Krankenhäusern müssen so besetzt sein, daß Patienten nicht stundenlang warten müssen.

Auf einigen Stationen steht manchmal schon jetzt nur ein einziger Mitarbeiter, manchmal sogar nur eine Aushilfskraft, zur Verfügung. Wenn dann fünf oder sechs Patienten gleichzeitig klingeln, kann man sich vorstellen, was da los ist. Die Patienten müssen warten, bis sie ihre Notdurft verrichten dürfen oder ihr Schmerzmittel erhalten. Das ist eine Situation, die auch unsere Kollegen krank macht.

Gleichzeitig ist klar, daß die Stadt so viele Rückkehrer in den öffentlichen Dienst gar nicht aufnehmen kann. Der Senat hat mit maximal 300 Personen gerechnet. CDU-Kreise überlegen, die Pflege- und Verwaltungsmitarbeiter als Ordnungskräfte zum Verteilen von Strafzetteln oder für Reinigungsarbeiten einzusetzen. Entspricht das dem von der Bürgerschaft beschlossenen Rückkehrrecht?

Die Rückkehrer müssen so eingesetzt werden, wie es ihrer bisherigen Eingruppierung entspricht. Es wäre völlig absurd eine ehemalige Stationsleitung oder einen Arzt für das Verteilen von Knöllchen einzusetzen. Das war auch nicht Sinn der Sache als das Rückkehrrecht im Vorlauf der Privatisierung beschlossen wurde.

Finanzstaatsrat Robert Heller verweist darauf, daß nur die eine Chance haben werden, eine Stelle bei der Stadt zu finden, die flexibel sind. Was ist aber mit denen, für die keine Arbeit gefunden wird? Gibt es dann betriebsbedingte Kündigungen?

Das stünde im Widerspruch zum Versprechen von Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Diese Spekulationen sollen die Kollegen nur noch weiter verunsichern. Es soll verhindert werden, daß noch mehr von ihrem Rückkehrrecht Gebrauch machen.

Was wäre notwendig, um die Situation in den Kliniken zu verbessern?

Es müssen tragfähige Zukunftsmodelle für eine gute Patientenversorgung entwickelt werden. Das Gesundheitswesen ist doch keine Ware, wo es nur um Geld geht. Außerdem müssen die Rückkehrer durch neues Personal ersetzt werden.

Die Linke hat die Re-Kommunalisierung der Kliniken gefordert. Die SPD sagt, diese Privatisierung sei ein einziges Minus-Geschäft. Allein für die Personalkosten der Rückkehrer muß die Stadt nun jedes Jahr 90 Millionen Euro zusätzlich aufbringen.

Wenn Sie mich als Bürger und als Gewerkschafter fragen, dann kann ich ihnen bestätigen, daß diese Privatisierung vollständig mißlungen ist. Für die Stadt ist es ein einziges Minusgeschäft und für die Patienten und Beschäftigten eine Katastrophe. Und die große Zahl der Rückkehrer, es sind immerhin ein Drittel aller Berechtigten, bestätigt das auch. Es ist eine Abstimmung mit den Füßen.

Verwendung: Junge Welt vom 01. August 2007
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