25. Juli 2007

Ulrik Ludwig
GEW Hamburg will arisiertes Gebäude nicht für jüdisches Museum zur Verfügung stellen. Spende in Antirassismusfonds. Gespräch mit Ulrik Ludwig

Ulrik Ludwig ist Mitglied des Landesvorstandes der GEW Hamburg

Die Debatte um eine 1935 von einer jüdischen Erbengemeinschaft durch die Vorgängerorganisation der GEW Hamburg erworbene Immobilie (»Ro 19«) hört nicht auf. Auf einer Versammlung wurde es abgelehnt, das Haus für ein jüdisches Museum zur Verfügung zu stellen, gleichzeitig sollen nun jedes Jahr 10 000 Euro in einen Antirassismusfonds fließen. Sie nennen das »winklig-opportunistisch«. Was meinen Sie damit?

Das Problem beginnt schon 1933, als »Die Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Erziehungswesens« zerschlagen und im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) aufgegangen ist. Dieser kaufte 1935 das Haus weit unter Wert für 40 000 Reichsmark. Also im gleichen Jahr als die Rassengesetze in Kraft traten. Hinzu kommt, daß nach 1945 ehemalige Nazifunktionäre mit einem Gutachten dazu beitrugen, daß die GEW das Haus behalten konnte.

Der nun gefaßte Beschluß erweckt jetzt den Eindruck, die GEW hielte dies für akzeptabel. Gleichzeitig wurden die vorgebrachten politischen und moralischen Bedenken bestätigt, in dem Geld für antirassistische Arbeit bereitgestellt wird. Von den jährlichen Mieteinnahmen von 150000 Euro ist man also bereit 6,5 Prozent abzugeben. Das ist ihnen die Sühne also wert.

Eingewandt wurde, daß einige der Vorbesitzer der »RO 19« nach dem Verkauf weitere Immobilien kauften und nach 1945 keine Restitutionsansprüche stellten. Von einer typischen Arisierung könne daher nicht gesprochen werden.

Solche Verweise blenden die Bedeutung des politischen Systems des deutschen Faschismus für das Handeln der Menschen aus. Nachdem die GEW in vorbildlicher Weise die Hintergründe dieses Immobilienerwerbs aufgearbeitet hat, kann sie nun nicht annehmen, daß ein Beschluß Bestand haben kann, der die Rechtfertigung eines Arisierungsgewinns beinhaltet. Das markiert für viele einen fatalen Paradigmenwechsel.

Was meinen Sie damit?

Antifaschismus, Solidarität mit den Opfern, die kritische Verarbeitung einer verdrängten und verschwiegenen Vergangenheit – das waren für die GEW in den letzten Jahrzehnten prägende Inhalte. Sie galten als Voraussetzung zur Erkenntnis der Gegenwart und der Verpflichtung zur Sühne. Anerkannt war, daß bei Käufen zwischen 1933 und 1937 der Käufer den zwangfreien Erwerb nachzuweisen hatte. Jetzt wird diese Beweislast umgekehrt. Es wird verlangt, daß die eingetretene Arisierung lückenlos nachgewiesen werden muß. Wenn also nicht mehr alles daran gesetzt wird, nicht von einer wie auch immer gearteten Arisierung zu profitieren, dann liegt darin ein Paradigmenwechsel. So verlieren wir an Glaubwürdigkeit. Auch im Umgang mit einem nach rechts rückenden Staatsapparat.

Scharfe Kritik gab es von der jüdischen Gemeinde. Der Fonds sei der Versuch, begonnenes Unrecht ins Gegenteil zu verkehren, hieß es in einer Stellungnahme.

Das liegt an diesem widersprüchlichen und verschleiernden Beschluß. Die Marginalisierung der Zeitumstände, die interessengeleitete Befassung mit Biographien, die unausgewiesene Prioritätensetzung der Finanzen, machen die Kritik verständlich. Es wird ja anerkannt, daß es eine moralische Verpflichtung zur Gutmachung gibt. Doch andererseits wird die finanzielle Absicherung der eigener Handlungsfähigkeit bevorzugt.

Ist denn die Situation der GEW so labil, daß sie einen Verzicht nicht verkraften könnte?

Wenn die GEW in finanziellen Schwierigkeiten stecken würde, wäre es dumm, das hier hinauszuposaunen. Doch es ist nicht mal der ernsthafte Versuch unternommen worden, die bisherige Verwendung des nicht unbeträchtlichen Vermögens der Hamburger GEW einer vorbehaltlosen Prüfung zu unterziehen. In der Debatte sind Vorschläge gemacht worden, die aber allesamt auf steinigen Boden fielen. Bezeichnenderweise gibt es kein Vorstandsmitglied, das explizit sagen würde: Wir können uns eine nachträgliche Wiedergutmachung nicht leisten.

Was fordern Sie konkret?

Klare Absagen an alle Argumentationen, die in die Nähe von Verharmlosung des Faschismus und Geschichtsrevisionismus führen, Revision des Beschlusses der Landesvertreterversammlung, Neueröffnung der Debatte um die »Ro 19«. Mit der Zielsetzung der Wiedergutmachung und die Klärung der Finanzierbarkeit durch eine Gesamtschau auf das GEW-Vermögen.

Verwendung: Junge Welt vom 25. Juli 2007und Lokalberichte Hamburg vom 2. August 2007, Printausgabe Seite 4f.
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