21. Februar 2007

Uwe HelmkeIn »öffentlicher Verhandlung« wurden in Bremen Erwerbslose und Mitarbeiter von Beschäftigungsträgern befragt. Ein Gespräch mit Uwe Helmke

Uwe Helmke gehört zu den Mitinitiatoren einer »öffentlichen Verhandlung zu den Ein-Euro-Jobs«, die am Freitag in Bremen stattfand

Rund 150 Menschen, darunter auch etliche Erwerbslose, haben am Freitag an Ihrer Verhandlung zum Thema Ein-Euro-Jobs teilgenommen. Wie kam es zu dieser Aktion?

Diese Jobs sind Arbeitsgelegenheiten ohne Arbeitsvertrag und ohne ausreichende soziale Absicherung. Fast 4500 Menschen sind davon allein in Bremen betroffen, wo diese Maßnahmen »Injobs« genannt werden. Doch einen solchen Begriff lehnen wir ab, denn diese Maßnahmen sind für die Betroffenen meist völlig perspektivlos, führen eher dazu, daß die Menschen an Fähigkeiten verlieren. Der vom Gesetzgeber benannte Grundsatz des »Förderns und Forderns« ist nicht eingelöst worden. Nur aus der Not heraus sind nun etliche Erwerbslose gezwungen, sich auf solche, häufig entwürdigenden, Arbeitsgelegenheiten einzulassen. Das wollten wir thematisieren.

Wer war beteiligt, und wie war der Verlauf?

Beteiligt waren Menschen aus unterschiedlichsten Gruppen: Erwerbslose und Betroffene genauso wie Mitarbeiter der Beschäftigungsträger und von der Bremer Arbeit GmbH. Auch Mitarbeiter aus Behörden und vom Kirchlichen Dienst der Arbeitswelt kamen zu Wort. Es war uns wichtig, dieses Thema mit allen zu diskutieren, die in irgendeiner Form an der Organisation der Ein-Euro-Jobs beteiligt sind. Das Instrument einer öffentlichen Verhandlung sicherte zugleich eine sehr sachliche und sehr gründliche Debatte.

Während der Verhandlung kamen also nicht nur Kritiker, sondern auch Befürworter zu Wort. Als letzterer trat zum Beispiel der Geschäftsführer eines Beschäftigungsträgers auf, der schilderte, wie sich Erwerbslose auch freiwillig für solche Jobs bewerben. Die Erwerbslosen wollen etwas Sinnvolles tun, auch wenn es schlecht bezahlt ist. Berichtet wurde außerdem, wie etliche Träger sich bemühen, eigene Qualifizierungs- und Beratungsangebote zu unterbreiten.

Dazu gab es dann eine Kontroverse, in der sich viele auch auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung zwischen Arm und Reich bezogen. Die Ein-Euro-Jobs sind ein Teil davon und nur in diesem Zusammenhang zu verstehen. Deshalb war es uns bei der Abfassung der Klagen auch wichtig, nicht nur die Nutznießer und Organisatoren der Jobs zu kritisieren, sondern vor allem die politischen Entscheidungsträger und die Regierungen, aber auch Wirtschaftsführer und Medien.

Was wurde angeklagt?

Die mit Ein-Euro-Jobs verbundene Perspektiv-, Würde- und Rechtlosigkeit, aber auch die politischen Rahmenbedingungen, die diese möglich gemacht haben. Zu den Problemen gehören auch die unzureichenden Miet­obergrenzen, die Erwerbslose dazu zwingen, die eigene Wohnung aufzugeben oder aber Kürzungen bei der Grundsicherung hinzunehmen.

Wer wurde als Zeuge aufgerufen?

Erwerbslose, die von ihrem Schicksal und von ihrer Situation berichteten. Auf seiten der Verteidigung dann die Träger, aber auch Mitarbeiter aus den Behörden. Die Träger sitzen oft zwischen zwei Stühlen: Einerseits lehnen sie die Ein-Euro-Jobs politisch ab – andererseits möchten sie den Erwerbslosen helfen.

Gab es ein Urteil?

Wir haben uns entschieden, die Debatte zunächst fortzuführen. Doch gleichzeitig geht es auch darum zu handeln. Aus vier Ein-Euro-Jobs könnten leicht drei durchaus armutsresistente und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gemacht werden. Doch entscheidend dafür ist, daß die Politik wieder anerkennt, daß solche öffentlichen Aufgaben durch vernünftig finanzierte und reguläre Jobs abgedeckt werden.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-21/042.php