04. August 2008

Kritiker befürchten, dass der Stadtteil an seinen Bewohner vorbeientwickelt werde. Manche wehren sich gegen Strukturveränderungen, andere kritisieren den Mangel an konkreten Verbesserungen

VON KRISTINA GERSTENMAIER

Gegen die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg regt sich Widerstand. Kleingärtner sorgen sich um ihre Oasen, Studenten um die billigen Mieten, andere bemängeln, dass die Bewohnerschaft nicht genügend an den bevorstehenden Veränderungen beteiligt werde. „Die IBA ist nur für die IBA da“, behauptet Michael Rothschuh, Professor für soziale Entwicklung.

Obwohl sich IBA-Mitarbeiter, Investoren und die Bewohner Wilhelmsburgs einig waren, dass im Stadtteil etwas passieren muss, haben sich seit dem Auftakt im vergangenen Jahr mehrere kritische Initiativen gebildet. „Es besteht die Gefahr, dass hier wohnende Menschen durch Mietsteigerungen und durch die Umwandlung von Sozial- in Eigentumswohnungen vertrieben oder in Randbereiche abgedrängt werden“, sagt der Journalist und Stadtteilaktivist Andreas Grünwald. Dies betreffe vor allem Migrantenfamilien und Wenigverdiener. Seit Monaten beschäftigt er sich im Aktionskreis „Wilhelmsburg gehört uns!“ damit, wie man „die asozialen Komponenten der ,Durchmischung‘ genannten Vertreibung eines Teils der Bevölkerung“ entgegentreten kann.

Die Immobilienpreise stiegen zwischen 2005 und 2007 schon von 1.018 Euro pro Quadratmeter auf 1.233 Euro. Das städtische Wohnungsunternehmen Saga vermeldet keinen Leerstand mehr, seit viele Studenten und Künstler in Wilhelmsburg ihre Zukunft sehen. Eine Mietsteigerung gebe es jedoch nicht, sagt eine Saga-Sprecherin.

Sanierungsarbeiten im Reiherstiegviertel haben bereits begonnen. Dabei werden in einem IBA-Projekt die Außenfassaden der Gründerzeitgebäude erneuert. Das „Weltquartier“, das Menschen von über 30 Nationalitäten beherbergt, wird unter Beteiligung der BewohnerInnen umgebaut. Die 820 Wohnungen des Quartiers sollen renoviert und vergrößert werden, so dass 130 wegfallen. Allerdings werden auch neue Wohnungen gebaut.

Bei den Projekten werde nicht viel herauskommen, unkt Michael Rothschuh. Auch Projekte, die sich erst einmal positiv anhörten, seien nicht nachhaltig. Sie würden nur angegangen, um 2013 etwas präsentieren zu können. Das so genannte Open House, bei dem „ein buntes Straßenleben“ mit Geschäften und Cafés entstehen werden soll, hält er für überfrachtet. Auch Andreas Grünwald spricht von einer „reinen Inszenierung“.

Es gebe kein einziges Projekt, das den Bewohnern nutze, behaupten einige. „Ihr habt viel versprochen, aber umgesetzt wurde bis jetzt nichts“, schimpfte Günther Katz, Vorsitzender des Bürgervereins, bei einer IBA-Veranstaltung. Der Zollzaun am Spreehafen im Norden des Stadtteils solle endlich geöffnet werden, damit die Anwohner Zugang zum Wasser hätten. Ein Fahrradweg solle den Stadtteil mit dem Alten Elbtunnel und St. Pauli verbinden.

„Der IBA stehen eine Millionen Euro zur Verfügung“, kritisiert Jörg von Prondzinski, der seit seiner Geburt im Stadtteil lebt. „Dafür wird Goldlametta gekauft und in die Luft gepustet.“ Eigentlich werde nur die Werbetrommel gerührt, um Investoren anzulocken.

Gute Ansätze wie der Themenschwerpunkt „soziale Stadt“ seien zwar vorhanden, meint Michael Rothschuh, aber die IBA habe keine Erfahrung damit. Deswegen sei die Umsetzung unzureichend. „Eine Befragung im Weltquartier ist keine längerfristige Bürgerbeteiligung“, sagt Rothschuh.

Die Bürgerbeteiligung ist der IBA wichtig. „Hier gibt niemand fertige Lösungen vor – schon gar nicht gegen den Willen der Betroffenen“, teilt sie im Internet mit. Tatsächlich hat sie schon eine Reihe von Diskussionsforen auch unter Beteiligung von Bewohnern veranstaltet. Eine Ausstellung in einem ehemaligen Supermarkt gibt einen Überblick über die Themen und Pläne.

Für Jörg Prondzinski steht fest, dass das grundlegende Problem Wilhelmsburgs der Lärm ist, dessen Lösung nicht angegangen werde. Im Zuge des IBA-Kultursommers, der in erster Linie Werbung für den Stadtteil machen solle, habe der Lärm sogar noch zugenommen. „Es wird versucht, Negativ-Lärm, wie die Container vom Hafen, mit Positiv-Lärm zu überdecken“, moniert er.

Prondzinski ist Mitbegründer der Lärmschutzinitiative „60 Dezibel“, die der IBA vorwirft, die lärmempfindliche Bevölkerung verdrängen zu wollen. Zwar würde die IBA gern die zentrale Wilhelmsburger Reichsstraße verlegen und den Durchgangsverkehr um den Stadtteil herumlenken. Doch zugleich plant der Senat einen neuen Containerhafen am Rande des Stadtteils.

Auch unter den Kleingärtnern regt sich Widerstand. Die Gruppe „Zornige Gartenzwerge“ kämpft um ihre Kolonie Bauernfelde, die teilweise geräumt werden soll. Die Gärten sollen Teil des Geländes der mit der IBA verbundenen Gartenschau werden. Die meisten Kleingärten sollen aber nur umgestaltet werden. Die Kleingärtner üben grundsätzliche Kritik an den IBA-Projekten: „Schwachsinn ist es“, sagt Kleingartenbesitzer Ronald Wilken, „wenn Grün gegen Grün kämpfen muss.“

Beileibe nicht alle Wilhelmsburger sehen die IBA so kritisch. Manuel Humburg von der Bürgerinitiative „Zukunft Elbinsel“ könnte vieles von den allgemeinen Projekten unterschreiben. Er glaubt nicht, dass der Stadtteil nach ökonomischen Kriterien umstrukturiert wird. „Der Mensch braucht mehr als bezahlbaren Wohnraum“, meint er, „zum Beispiel Bildung“. Darum kümmere sich die IBA in Gestalt einer neuartigen Stadtteilschule. Einige Kritiker argumentierten „unglaublich oberflächlich“.

IBA 2013

Die IBA ist ein Prozess, mit dem die Lebensbedingungen im Stadtteil über mehrere Jahre hinweg verbessert werden sollen. Die zentrale Idee ist, dass mitten in der Großstadt, auf der Elbinsel zwischen der City und Harburg, Stadtentwicklung betrieben wird. Dabei will das IBA-Büro wegweisende Lösungen für das 21. Jahrhundert finden. Sie orientieren sich an drei Themenkreisen: dem Zusammenleben vieler unterschiedlicher Ethnien, dem Klimawandel und den „inneren Stadträndern“, denn Wilhelmsburg ist umgeben von Hafen-, Industrie- und Verkehrsflächen. KNÖ

Verwendung: taz hamburg vom 04. August 2008
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26. Juli 2008

Klimaschützer und Antirassisten rufen zum gemeinsamen Camp in Hamburg auf. Stadt verweigert Fläche

In drei Wochen werden Klimaschützer und Antirassisten in Hamburg ihre Zelte aufschlagen. Am Donnerstag nachmittag informierte ein Initiativenbündnis während einer Barkassenfahrt durch den Hafen über zwei Protestcamps, die vom 15. bis 24. August in Hamburg organisiert werden. »Wir rechnen mit etwa 2500 Anreisenden aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland«, so eine Sprecherin der Initiative gegenüber junge Welt. Um so ärgerlicher sei das Verhalten der Behörden in der Hansestadt. Alle Vorschläge für eine Fläche, auf der sowohl das Klima- als auch das antirassistische Camp Platz gefunden hätten, seien zurückgewiesen worden. »Wir haben einen Spießrutenlauf durch die Ämter hinter uns«, so die Sprecherin. Ohne Ergebnis. Nun fordern die Organisatoren einen Park auf der dem Hafen zugeneigten Halbinsel Entenwerder. Sollte die Stadt auch diesen Vorschlag ignorieren, müsse die Fläche halt besetzt werden, so Ines Kohburger von der Vorbereitungsgruppe. Der schwarz-grüne Senat sei dringend aufgefordert, die Fläche offiziell zur Verfügung zu stellen, heißt in einer Erklärung des Bündnisses, in dem u. a. ATTAC, NoLager Bremen, six hills aus Berlin, die BUND-Jugend, zahlreiche Flüchtlingsinitiativen sowie die Bundeskoordination Internationalismus (Buko) aktiv sind. Der zuständige Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Markus Schreiber (SPD), lehnt das ab. Unterstützung bekommt er vom Fraktionschef der Grünen im Bezirk, Michael Osterberg: In Hamburger Parkanlagen sei das Zelten »grundsätzlich verboten«, so der Grüne vor der Presse.

Die Initiativen haben sich bewußt für Hamburg entschieden. Zum Beispiel, weil die Hansestadt eine »so traurige Rolle als norddeutsche Abschiebezentrale« spiele, begründet Conni Gunßer für die antirassistischen Initiativen. Eindringlich verwies sie auf die zahlreichen – vor allem afghanischen – Flüchtlinge, die die Ausländerbehörde, häufig im Rahmen von Sammelabschiebungen, in ihre vom Krieg gezeichneten Länder zurückgeschickt habe. Regelmäßig werde dafür das Nachtflugverbot für den Flughafen außer Kraft gesetzt. Vor allem gegen Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern komme es häufig zu »brutalen Polizeiübergriffen«. Allein für das kommende Jahr bereite die europäische Grenzschutzagentur Frontex noch zehn Sammelabschiebungen vor. Ausgehend von den Camps wird es deshalb am 22. August einen Aktions-tag auf dem Hamburger Flughafen geben. Gunßers Hoffnung ist es, das Gebäude »mit Tausenden von Teilnehmern zu fluten«. Bereits am 18. August wollen die Camper einen Discounter besetzen, um auf die »rabiate Geschäftspolitik von Supermarktketten und ihre rassistische Ausbeutung« aufmerksam zu machen.

Aktionen wird es während der Camps auch gegen das geplante Steinkohlekraftwerk in Moorburg (Besetzung des Bauplatzes am 15. August) sowie gegen verschiedene Produzenten im Düngemittel- und Pestizidbereich geben, berichtete Heinz Wittmer vom Aktionsnetzwerk Globale Landwirtschaft. Die Vorherrschaft der Agrochemie führe in zahlreichen Ländern dazu, die bäuerliche Landwirtschaft in Abhängigkeit von solchen Konzernen zu halten. Das Ergebnis seien Hunger und Unterernährung. Wittmer verwies im Hafen auf eine Biodieselraffinerie, die vom Agrarkonzern Archer Daniels Midland (ADM) betrieben wird. Dort würde »Gensoja aus Südamerika und das Palmöl der gerodeten Urwaldflächen Indonesiens« für deutsche Autos verarbeitet. Am 19. August rufen die Camper daher zu einer Demonstration zum Firmensitz von ADM im Stadtteil Wilhelmsburg auf.

camp08.antira.info

Verwendung: Junge Welt vom 26. Juli 2008
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17. Juli 2008

Hafenrundfahrt350 Kilometer Schienennetz sollen an die Hochbahn AG der Hansestadt übertragen werden

Dem Hamburger Hafen stehen gewaltige Veränderungen bevor, meldete Welt online Anfang der Woche. Offenbar, so der Springer-Internetdienst, habe der schwarz-grüne Senat sich vorgenommen, mit einem »ehernen Grundsatz« aller bisherigen Bürgermeister der Hansestadt zu brechen. Dieser besagt erstens, daß sich die Hafenwirtschaft zwar selbst um die sogenannte Suprastruktur ihrer Kaianlagen, also um Gebäude und Kräne, kümmern muß. Er besagt zweitens, daß die Stadt sämtliche Infrastrukturkosten für den Hafen übernimmt. Sollte das geändert werden, wäre die bisher bestimmende Hafenbehörde, die Hamburg Port Authority (HPA), weitgehend entmachtet. Das entspricht einer Forderung der Grünen, die schon seit Jahren vertreten, die HPA solle sich auf ihr Kerngeschäft, die Organisation des Hafens, zurückziehen. Pflege und Ausbau des Straßen- und Wegenetzes hingegen müßten der Stadtentwicklungsbehörde überlassen werden.

Entschieden sei diesbezüglich noch nichts, betonte am Dienstag ein Sprecher des Senats. Oder doch? Beschlossen scheint, daß die Hafenbahn mit ihrem fast 350 Kilometer langen Schienennetz aus dem HPA-Komplex herausgelöst werden soll. Senatsvertreter bestätigten ein erstes Treffen zwischen Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) und dem Chef der Hochbahn AG Günter Elste zur Übernahme der Hafenbahn. Die Hochbahn AG betreibt in Hamburg bisher nur das Bus- und U-Bahn-Netz.

Dahinter steckt der Gedanke, daß eine so »entschlackte« HPA ihre Restaufgaben, darunter den Ausbau der Kaianlagen, ohne weitere Haushaltsmittel, also aus eigener Kraft finanzieren könnte. Linkspartei, Grüne und Umweltschutzverbände fordern seit Jahren die Aufgabe der milliardenschweren Subventionspraxis. Erstaunlich wäre allerdings, wenn sich dem nun auch die CDU unter Bürgermeister Ole von Beust anschließen würde. Vieles spricht eher dafür, daß sich dort allmählich ein realistisches Bild vom Wachstum des Hafens und den damit verbundenen Infrastrukturkosten abzeichnet. Fast zehn Millionen Standardcontainer (TEU) werden an der Elbe schon jetzt jährlich umgeschlagen. Auf über 18 Millionen TEU soll diese Kapazität in den nächsten sieben Jahren anwachsen. Neues Geld muß dringend her. Geld, das die HPA durch eine Beleihung städtischer Grundstücke beschaffen soll – 700 Millionen Euro schon im nächsten Jahr. Erst nach und nach sollen dann auch die Hafenunternehmer zur Tilgung der Bankkredite durch leicht erhöhte Pachtzinsen herangezogen werden.

Dieses Prinzip nennen die Grünen »ökologisch«, weil es ein »nachhaltiges« Flächenmanagement ermögliche. Handelskammer-Syndikus Reinhard Wolf betont indes, daß durch die Mobilisierung des zusätzlichen Kapitals der Ausbau des Hafens »ein Stück weit von der Haushaltslage der Stadt« entkoppelt werden könnte, ohne diese allerdings aus ihrer »Verantwortung« zu entlassen. Ähnlich der Blick der Kammer auf die Hafenbahn: Um sie auszubauen, bestünde ein Investitionsstau von 500 Millionen Euro. Damit »private Partner« sich an der Lösung dieses Problems beteiligen könnten, sei ihre Ausgliederung in die rechtlich verselbständigte Hochbahn dringend erforderlich.

Sollte die Bürgerschaft so beschließen, wäre das für den städtischen Haushalt allerdings verheerend. Experten verweisen darauf, daß die Hochbahn – sollte sie die Regie über die Containerzüge übernehmen – auch die Eisenbahnlinie Altona–Kaltenkirchen–Neumünster (AKN) mitsamt der dort vorhandenen Rangierbetriebe übernehmen müßte. 50 Prozent der AKN-Anteile hält Schleswig-Holstein, das seine Anteile nicht unter Wert verkaufen will. So erweist sich das Gerede vom angeblichen Ausstieg aus der Hafensubventionierung bei näherer Betrachtung als reiner Betrug.

Verwendung: Junge Welt vom 17. Juli 2008
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25. März 2008

Manfred BraaschKoalitionsverhandlungen in Hamburg: Umweltschützer fordern Grüne auf, hart zu bleiben. Ein Gespräch mit Manfred Braasch

Manfred Braasch ist Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Hamburg

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und CDU in Hamburg sollen die Knackpunkte Kohlekraftwerk Moorburg und Elbvertiefung zunächst in Arbeitsgruppen weiter diskutiert werden. Was erwarten die Umweltschutzverbände vom Ausgang dieser Verhandlungen?

Wir wollen, daß Lösungen gefunden werden, die auch aus umweltpolitischer Sicht akzeptabel sind. Nehmen Sie die Elbvertiefung, bei der es darum geht, daß auch sehr große Containerschiffe der nächsten Generation Zufahrtsmöglichkeiten zum Hamburger Hafen erhalten. Dafür müßten 40 Millionen Kubikmeter Sand abgebaggert werden, was aus ökologischer Sicht überhaupt nicht vertretbar ist. Wir habe deshalb ein norddeutsches Hafenkonzept vorgeschlagen, mit dem es möglich wäre, die Containerverkehre arbeitsteiliger zu bewältigen. Demzufolge könnten die sehr großen Containerschiffe ab 2010 in Wilhelmshaven entladen werden. Die Elbvertiefung wäre überflüssig, und allein der Hamburger Haushalt würde um etwa 100 Millionen Euro entlastet. Angesichts des Wachstums im Containerverkehr würden die Arbeitsplätze im Hafen nicht verlorengehen. Wir erhoffen uns, daß die Grünen bei dieser Verhandlungslinie bleiben.

Und bezüglich des Kohlekraftwerks?

Das Projekt des Energiekonzerns Vattenfall im Hamburger Stadtteil Moorburg wäre ein gigantischer Klimakiller. Das Kraftwerk ist weder mit dem Klimakonzept der Hansestadt noch mit den Klimazielen auf Bundesebene zu vereinbaren. Kohle ist als Brennstoff ein Energieträger, der bei der Verbrennung doppelt so viel Kohlendioxid freisetzt wie etwa ein modernes Gaskraftwerk.

Nicht nur Vattenfall-Vorstand Hans-Jürgen Cramer, sondern auch die Vorstände der Norddeutschen Affinerie und der Trimet AG sagen aber, daß ohne ein solches Grundlastkraftwerk die Energieversorgung nicht mehr sichergestellt und somit auch Arbeitsplätze gefährdet wären. Cramer betonte zudem, daß der Kraftwerksbau mit Hamburg bereits vertraglich vereinbart und deshalb genehmigungsrechtlich nicht mehr in Frage gestellt werden könne.

Das Argument der Versorgungslücke ist schlicht falsch. Bereits im November 2007 haben wir mit einer Studie nachweisen können, daß diese nicht auftritt, wenn es jetzt zu einem konsequenten Ausbau regenerativer Energiequellen, zur besseren Nutzung der Ressourcen sowie zum Bau eines hocheffizienten Gaskraftwerks kommt. Allerdings müssen die Weichen dafür bereits 2008 gestellt werden. Die Industrie verkennt, daß ein Kohlekraftwerk nicht nur mit den klimapolitischen Zielen, sondern auch mit den Vorgaben des europäischen Wasserrechts nicht vereinbar wäre. In Moorburg kommt hinzu, daß durch ein solches Kraftwerk auch die Elbe stark belastet würde, durch die Einleitung von erwärmtem Kühlwasser und toter Biomasse. Herr Cramer irrt sich, wenn er behauptet, durch die bereits erteilte Vorabgenehmigung für einzelne Bauabschnitte sei nach dem Bundesemissionsschutzgesetz eine Endgenehmigung nun nicht mehr notwendig. Denn aus einer solchen Vorabgenehmigung kann kein rechtlich-formaler Anspruch auf eine abschließende Genehmigung abgeleitet werden.

Es wird spekuliert, die Halbierung der Kraftwerksleistung könne eine denkbare Kompromißlinie sein.

Ein sinnvoller Kompromiß wäre das nicht, denn die Grundproblematik, daß Kohle kein vernünftiger Energieträger ist, bliebe erhalten. Eher könnte ich mir deshalb vorstellen, daß Vattenfall im Ergebnis der Koalitionsverhandlungen die Genehmigung für ein hochmodernes Gaskraftwerk an gleicher Stelle erhält. Das würde auch die wirtschaftlichen Interessen des Konzerns berücksichtigen.

Als Umweltschutzverband ist Ihre Organisation traditionell eng mit den Grünen verbunden. Wie setzen Sie diese unter Druck bzw. stärken ihnen den Rücken für die Verhandlungen mit der CDU?

Mit einer Onlinekampagne haben wir die Bürger bundesweit dazu aufgerufen, die Verhandlungsführerin der Grünen, Christa Goetsch, in einer Mail darum zu bitten, bei der Frage des Kraftwerks hart zu verhandeln. Binnen weniger Tage sind bereits 1500 Mails bei uns eingegangen, die wir Goetsch auch schon übergeben haben. Außerdem versuchen wir, die Grünen mit unserem Fachwissen und unseren Expertisen zu unterstützen.

Verwendung: Junge Welt vom 22. März 2008
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13. März 2008

Vasco SchultzUnter den Grünen in Hamburg regt sich Widerstand gegen einen Koalitionsvertrag mit der CDU. Ein Gespräch mit Vasco Schultz

Vasco Schultz ist Bezirksabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen (Grün-Alternative Liste – GAL) in Hamburg-Wandsbek

Sie sammeln gegenwärtig Unterschriften, um in der GAL – das sind die Hamburger Grünen – eine Urabstimmung über den noch auszuhandelnden schwarz-grünen Koalitionsvertrag durchzusetzen. Was bezwecken Sie damit?

Bei einer so wichtigen Frage müssen möglichst viele Mitglieder an der Entscheidung beteiligt sein. Etliche von ihnen haben mir außerdem deutlich gemacht, daß sie gegen schwarz-grün sind, sich aber auf den Mitgliederversammlungen unter Druck gesetzt fühlen. Die Urabstimmung hat den Vorteil, daß sie in einem geschützten Rahmen stattfindet und sich jeder in Ruhe entscheiden kann, ob ihm das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ausreicht.

Wie hoch ist das Quorum?

Da wir in der GAL keine Regeln für solche Urabstimmungen haben, würde das gelten, was auch für die Mitgliederversammlungen gilt: Ein Antrag ist angenommen, wenn er die Mehrheit der Stimmen erhält.

Ihnen wird vorgeworfen, die Bildung der Koalitionsregierung nur verzögern zu wollen. Immerhin hatte sich Ihr Kreisverband schon vor den Wahlen für Gespräche mit der Linkspartei und der SPD stark gemacht.

Daß wir verzögern, ist Quatsch. Denn wenn die Unterschriften zusammen sind, werden wir uns schnell mit dem Vorstand auf ein zügiges Verfahren einigen. Daß aber nach den Wahlen Gespräche zwischen allen demokratischen Parteien stattfinden, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Die Linke davon auszuschließen, ist eine Mißachtung des Wählerwillens.

Wir haben doch jetzt – zumindest rechnerisch – eine Mehrheit links der CDU in der Bürgerschaft. Warum soll da nicht ausgelotet werden, ob und wie die trägt? In den Wahlprogrammen erkenne ich zahlreiche Schnittmengen.

Das Ergebnis der Sondierungen mit der CDU war doch gar nicht so schlecht. Demnach soll die Grundschulzeit, also die Zeit des gemeinsamen Lernens, auf sechs Jahre verlängert werden. Die CDU verzichtet auf einige Verkehrsprojekte und sagt außerdem zu, Volksentscheide künftig anzuerkennen. Selbst die Abschaffung der Studiengebühren und die Einführung eines Sozialtickets sind im Gespräch.

Daß Volksentscheide verbindlich sind, ist eigentlich selbstverständlich. Dies, oder die Wiedereinführung des Sozialtickets – das die CDU gestrichen hat – nun als großen Verhandlungserfolg darzustellen, ist armselig. Uns müßte es doch darum gehen, möglichst viel aus unserem Wahlprogramm durchzusetzen. Doch auch beim Schulsystem sind wir meilenweit davon entfernt. Wo es, wie bei den Studiengebühren, gar haushaltsrelevant wird, da heißt es zudem, daß dies dann aus anderen Bereichen gegenfinanziert werden muß. Das ist diffus und entspricht nicht dem, wofür wir angetreten sind.

Die CDU hat zugesagt, daß den illegal in Hamburg lebenden Menschen Gesundheitsversorgung und Schulbildung zuteil werden soll. Auch der Kinderknast in der Feuerbergstraße soll geschlossen werden.

Daß Illegale ein Recht auf medizinische Betreuung und ihre Kinder ein Recht auf Schulbildung haben, ist ein Menschenrecht. In einigen Bezirken wird das längst praktiziert. Hier wäre es doch darum gegangen, die Qualität einer solchen Schulbildung zu hinterfragen. Und diesen Kinderknast, den gibt es nur, weil ihn der rechte Politik Ronald Schill 2001 gefordert hat. Seitdem zeigt sich schon, daß diese Einrichtung nicht funktioniert.

1997 hatte Ihre Partei auf Rot-Grün gesetzt. Dafür mußte dann der Zuschüttung des »Mühlenberger Lochs« in der Elbe zugestimmt werden.

Wer verhandelt, muß Kompromisse machen. Doch Kompromisse sind etwas anderes, als sich, wie in diesem Fall, über den Tisch ziehen zu lassen. Ich frage mich: Was wird nun aus unserem Widerstand gegen die Elbvertiefung? Es wäre falsch, ihn für ein paar Peanuts im Rahmen eines Öko-Topfs einfach aufzugeben. Besorgniserregend finde ich zudem, daß das Soziale fast keine Rolle mehr spielt. Weder die Ausstattung der Schulen mit Lernmitteln ist ein Thema noch zum Beispiel der Verkauf von Wohnungen aus dem öffentlichen Wohnungsbestand.

Wie geht es weiter?

Für die Urabstimmung benötigen wir die Unterstützung von zehn Prozent unserer Mitglieder. Das wären 140 Unterschriften. Ich bin guter Dinge, daß wir die bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen zusammenbekommen.

Verwendung: Junge Welt vom 13. März 2008
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06. März 2008

Hamburg: Union diktiert Bedingungen für Koalition mit Grünen. Die wollen trotzdem mitregieren

In Hamburg scheint »Schwarz-Grün« ausgemachte Sache. Sieben Stunden zogen sich die Sondierungen am Mittwoch hin. Danach ging alles sehr schnell. »Es waren sehr detaillierte Gespräche zu allen wichtigen Themen«, so der Erste Bürgermeister Ole von Beust am Abend vor der Presse. Es gebe »eine Reihe gemeinsamer Perspektiven« und »diverse unterschiedliche Auffassungen«. Die Fraktionschefin der Grün-Alternativen Liste (GAL) in der Bürgerschaft, Christa Goetsch, fügte knapp hinzu, daß man an diesem »intensiven Tag« auch »Kompromißvarianten« erörtert habe. Dann war das »Pressegespräch« beendet, Nachfragen waren nicht erlaubt.

»Kreative Stadt« hatten die Grünen ihr Wahlprogramm überschrieben. Kreativ müssen sie nun vor allem im Umgang mit ihren Wahlversprechen sein. Der Umwelt zuliebe wollten sie weder ein Kohlekraftwerk in Moorburg noch eine Fahrrinnenanpassung der Elbe durchgehen lassen. Mit einer »Schule für alle« sollte zudem die Bildungsselektion gestoppt werden. Am Donnerstag abend mußte eine Mitgliederversammlung der Hamburger Grünen über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen entscheiden. Überaschungen waren dort nach dem schnellen Jawort zu Sondierungsgesprächen allerdings nicht zu erwarten.

Dabei hatte Beust schon Anfang Januar seine Bedingungen genannt: Die Garantie der Elbvertiefung und des Schuldenabbaus, die Wahrung der »inneren Sicherheit« und die Fortführung eines auf zwei Säulen basierenden Schulsystems, in dem die Gymnasien beibehalten werden.

Bleibt den Grünen der Kampf gegen das Kohlekraftwerk. Bis 2012 soll es eine Leistung von 1640 Megawatt Strom und 650 Megawatt Fernwärme aufweisen. Damit wäre es das größte in Deutschland und würde jedes Jahr 8,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Hier kalkuliert die Union damit, daß das Kraftwerk längst genehmigt ist und inzwischen auch schon gebaut wird. Allenfalls kann es also noch darum gehen, ob die Leistung des Werks, und damit sein Emissionswert, reduziert werden könnte. Sollten, wider Erwarten, grüne Basisforderungen doch darüber hinausgehen wäre schnell Schluß mit lustig, heißt es aus Kreisen der Union. Denn eine große Koalition sei immer noch möglich.

Verwendung: Junge Welt vom 07. März 2008
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06. März 2008

Steht Hamburg vor einer schwarz-grünen Landesregierung? Seit heute berichten die Medien von dieser Sensation. Im Ergebnis eines Sondierungsgesprächs zwischen CDU und Grünen am Mittwoch im Hamburger Nobelhotel »Grand Elysée«. Hauptindiz, dass es so kommt, sei die Länge des Gesprächs. Denn wer sieben Stunden spricht, der müsse ja auch über die Einzelheiten eines Koalitionsvertrags schon gesprochen haben, wird gemutmaßt.

Hamburgs Sonny Boy Ole von Beust hat alles im Griff»Es waren sehr detaillierte Gespräche zu allen wichtigen Themen« und bei denen man »eine Reihe gemeinsamer Perspektiven«, wie aber auch »diverse unterschiedliche Auffassungen« feststellen konnte, so bewertete Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Mittwochabend vor Journalisten das Gespräch. In einer wahren Meisterleistung politischer Präzision fügte dem die grüne Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Christa Goetsch, nur noch hinzu, dass auch »Kompromissvarianten« an diesem »intensiven Tag« – man habe an dem Tag »die verschiedenen Politikfelder beleuchtet« – erörtert worden wären. Dann war Ende mit dem Pressegespräch. Inhaltliche Nachfragen waren nicht erlaubt.

Ein Schauspiel per Excelence und wie es insbesondere Ole von Beust seit Jahren pflegt. Sich nur nicht festlegen, bloß nicht zu viel sagen, den eigenen Anhängern aber zeigen, wie »hart, und zugleich fair«, der Bürgermeister kämpft, das war die Botschaft dieses Auftritts für Anhänger der Union. Dass er offen sei für neue und »kreative« Ideen, das sollte mit dem Auftritt den Grüne-Anhängern gesagt werden. »Kreative Stadt« hatten diese ihr Wahlprogramm überschrieben. Kreativ sollen sie nun sein! Vor allem im Umgang mit ihren eigenen Wahlversprechen: Stopp des neues Kohlekraftwerks in Moorburg, einem »Klimakiller«; Verhinderung der Fahrrinnenanpassung der Elbe, weil diese ökologisch nicht verantwortlich sei; Schluss mit der Bildungsselektion durch eine neue »Schule für alle«. Heute Abend soll eine Mitgliederversammlung der Grünen über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen entscheiden. Das »Modellprojekte« für ein neues Schulsystem auch schon was sind, »ökologische Ausgleichsprojekte« sowieso, ist dafür nun die Linie des grünen Landesvorstands.

Dass Beust auf schwarz-grün zielt, ist indes genauso wenig überraschend, wie der Kurswechsel bei den Grünen. Letztere hatten zwar im Wahlkampf immer wieder versprochen, dass sie diesen Bürgermeister, der Volksentscheide gleich mehrfach einfach aufhob, am liebsten aus dem Amt jagen würden, doch gleichzeitig hatte die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Krista Sager, schon Anfang Februar betont, dass es bei »Hessischen Verhältnissen« keinen »Automatismus für eine Großen Koalition« geben dürfe. Ein Bündnis mit der CDU schaffe auch auf Bundesebene neue Möglichkeiten, sagte Sager. Beust sah das ebenso. Schon Anfang Januar betonte er vor dem Wirtschaftsrat der CDU, dass dafür aber vier Bedingungen erfüllt sein müssten: die Garantie der Elbvertiefung und des Schuldenabbaus, die Wahrung der »inneren Sicherheit« und die Fortführung eines auf zwei Säulen basierenden Schulsystems, das die Gymnasien einschließt.

Knackpunkt für die Koalitionsverhandlungen bleibt demnach das Kohlekraftwerk. Bis 2012 soll es eine Leistung von 1640 Megawatt Strom und 650 Megawatt Fernwärme aufweisen. Damit wäre es das größte in Deutschland, würde jedes Jahr 8,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Hier kalkuliert die Union darauf, dass das Kraftwerk längst genehmigt ist und inzwischen sogar gebaut wird. Allenfalls könne es somit darum gehen, ob die Leistung des Werks, und damit sein Emissionswert, ein Stück weit reduziert werden. Sollten, wider Erwarten, grüne Basisforderungen darüber doch noch hinausgehen, sollten gar die Essentials des Bürgermeisters angegriffen werden, dann wäre freilich Schluss mit lustig, heißt es aus CDU-Kreisen. Denn eine große Koalition – ein Sondierungsgespräch dafür fand bereits am Dienstag statt – wäre ebenfalls möglich. »Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten« konnte SPD-Spitzenmann Michael Naumann dabei zwischen seiner Partei und der Union nicht mehr ausmachen. So aber hat die CDU die freie Wahl, wen sie sich nun als Juniorpartner aussucht.

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08. Februar 2008

Die DKP Betriebsgruppe Hamburger Hafen und die DKP Wohngebietsgruppe Harburg / Wilhelmsburg laden Interessierte zu einer Politische Hafenrundfahrt zu gewerkschaftlichen und kommunalpolitischen Fragen ein. Im Zentrum stehen dabei die Probleme der Hafenentwicklung und der Stadtteilentwicklung in Wilhelmsburg.

Die Hafenrundfahrt findet statt am 15. März 2008

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08. Februar 2008

Bernhard Wieszczeczynski
Hamburg: Nie wurden so viele Container umgeschlagen. Dennoch rutschte der Hafen international auf Platz neun. Gespräch mit Bernhard Wieszczeczynski

Bernhard Wieszczeczynski ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb Hamburg

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, daß der Containerumschlag im Hamburger Hafen 2007 um 11,6 Prozent auf den Rekord von 9,9 Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen ist. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nutzt das, um erneut eine Fahrrinnenvertiefung der Elbe zu fordern. Die aber trifft bei Umweltverbänden wie bei den Anrainergemeinden auf heftigen Widerstand. Wie sehen Sie das?

Als Interessenvertreter der Hafenarbeiter – sei es als Betriebsrat oder als Mitglied des Fachgruppenvorstands von ver.di – ist mir zunächst wichtig, daß tariflich abgesicherte Arbeitsplätze im Hafen erhalten oder neu geschaffen werden. Natürlich muß die Anpassung mit den notwendigen Schutzmaßnahmen für die Anrainer begleitet werden. Dennoch brauchen wir die Vertiefung des Fahrwassers, weil Schiffe mit einer Ladekapazität bis 9000 TEU schon jetzt den Hafen nur bei Hochwasser anlaufen können. Zur ökologischen Frage: Die Unterelbe ist kein Naturschutzreservat, sondern seit Jahrzehnten eine industriell genutzte Wasserstraße. Mit oder ohne Fahrrinnenanpassung. Daß sie schiffbar bleibt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.

Mit der Vertiefung würde auch die Sturmflutgefahr zunehmen. Wer soll die zusätzlichen Milliarden für die Deichsicherung bezahlen? Die Hafenwirtschaft?

Das ist völlig richtig, daß die Hafenwirtschaft stärker zur Kasse gebeten werden sollte, sich an solchen Kosten zu beteiligen. Sie ist es ja auch, die die Gewinne einstreicht.

Kritik gibt es auch am Flächenverbrauch durch neue Kaianlagen. In Hongkong werden 24 Millionen TEU auf einem Bruchteil der Hamburger Fläche umgeschlagen. Was läuft in Hamburg schief?

Unser Hafen ist in seiner Struktur historisch gewachsen. Das kann man nicht mal eben umkrempeln oder mit Hongkong vergleichen. Der Boom hat auch die Hafenbetriebe überrollt. Mit den Baumaßnahmen am Burchardkai und am Eurogate sollen vorhandene Flächen besser genutzt werden. Auch das neue Terminal im mittleren Freihafen entsteht innerhalb des Hafens.

Im internationalen Vergleich ist Hamburg vom achten auf den neunten Platz der größten Seehäfen abgerutscht. Stößt der Hafen an Grenzen? Die Nordsee ist 120 Kilometer entfernt – Containerriesen der nächsten Generation mit bis zu 12000 TEU werden ihn nicht mehr anlaufen können.

Auf welchem Platz wir liegen, ist mir egal. Es würde ja auch keiner auf die Idee kommen, daß Deutschland zum Agrarstaat werden soll, nur weil China Exportweltmeister wird. Hamburg baut jedenfalls seine Führung als bedeutendster deutscher Seehafen aus.

Sie haben das Arbeitsplatzargument bemüht. Tatsächlich entstehen gegenwärtig ein paar hundert neue Jobs. Doch bei einer Gesamtbilanz der vom Hafen abhängigen Arbeitsplätze zeigt sich, daß deren Zahl seit Jahrzehnten sinkt.

Die Frage, welche Arbeitsplätze vom Hafen abhängig sind, kann je nach Blickrichtung unterschiedlich beantwortet werden. Es ist jedenfalls Tatsache, daß neue Arbeitsplätze entstehen – nach jahrzehntelangem Rückgang durch die Containerisierung. Nicht nur im Umschlag, sondern auch in den angegliederten Branchen der Logistik und der Distribution. Beschäftigtenzahlen wie in den 70er Jahren werden wir zwar nicht mehr erreichen. Doch der Laden z. B., in dem ich arbeite, vergrößert sich in diesem Jahr von 1000 auf 1200 Kollegen. Darunter viele, die arbeitslos waren. So ist es in fast allen Hafenbetrieben.

43 Prozent der bei Ihnen umgeschlagenen Container werden anschließend wieder verschifft. Besonders arbeitsintensiv ist das nicht.

Ob ein Container, den wir löschen, per LKW, per Bahn oder auf dem Wasser weitertransportiert wird, macht für die Umschlagsbetriebe keinen Unterschied. Ein großer Teil der Empfänger befindet sich in Skandinavien und in Osteuropa. Und aus ökologischer Sicht ist der Transport per Schiff sicherlich zu begrüßen.

[Lesen Sie zu diesem Thema auch das Protokoll einer Arbeitsgruppensitzung von „Wilhelmsburg gehört uns“ (Thematik Hafenentwicklung versus Stadtteilentwicklung in Hamburg-Wilhelmsburg) und den Beitrag Arbeiten im Hafen – Wohnen in Hafennähe (Ankündigung einer politischen Hafenrundfahrt in Hamburg am 15. März 2008]

Verwendung: Junge Welt vom 08. Februar 2008



25. Januar 2008

Jochen StayKernkraftgegner in Niedersachsen setzen wenig Hoffnung auf Politiker. Skepsis auch gegenüber Linkspartei. Ein Gespräch mit Jochen Stay

Jochen Stay ist Sprecher der Antiatom-kampagne X-tausendmal quer

Wegen ihrer Energiepolitik hat Wolfgang Clement (SPD) davor gewarnt, am Sonntag in Hessen die SPD zu wählen. Wie sehen Sie das, als jemand, der nicht aus der Atomlobby, sondern aus der Anti-AKW-Bewegung kommt?

Wer am Sonntag sein Kreuz macht, entscheidet nicht darüber, wie sich die Energiepolitik entwickelt. Das entspricht jedenfalls unserer Erfahrung aus den letzten 30 Jahren. Entscheidend bleibt der Druck aus der Gesellschaft, von den außerparlamentarischen Bewegungen.

Ist es nicht erstaunlich, daß die SPD jetzt meint, die Wahlen nur gewinnen zu können, wenn sie einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie fordert?

Zumindest zeigt es, wie die SPD die Stimmung in der Bevölkerung einschätzt. Ob aber Andrea Ypsilanti in Hessen, Wolfgang Jüttner in Nieder­sachsen oder eine neue rot-grüne Bundesregierung den Ausstieg wirklich beschleunigen würden, ist durch Wahlkampfparolen alleine nicht gesichert. Denn es waren ja der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Genossen, die in den Verhandlungen um den sogenannten Atomkonsens bei der Frage der Laufzeiten am stärksten auf die Bremse getreten haben. Deshalb ist unser Vertrauen in die SPD ziemlich begrenzt.

Auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) versprach im Wahlkampf, daß sich der Anteil des in Niedersachsen aus regenerativen Energiequellen gewonnenen Stroms bis 2020 auf etwa ein Viertel ausweiten wird.

Das ist so, als wenn er sagt: Wählt mich, dann geht morgen die Sonne auf. Denn bis 2020 werden die erneuerbaren Energien viel stärker wachsen. Da ist die Ankündigung von 25 Prozent eher eine Drohung, den Zuwachs bremsen zu wollen. Interessant finde ich, daß auch Wulff in der Frage der Verlängerung der Laufzeiten ins Lavieren gekommen ist. Die CDU merkt, daß sie mit Pro-Atomkraft-Positionen keine Wahlen gewinnen kann.

Umstritten sind in Niedersachsen auch die Atommüllendlager Schacht Konrad, Gorleben und Asse. Von den Landtagsparteien haben da nur die Grünen eine klar ablehnende Position.

Atommüll kann nirgendwo sicher gelagert werden. Das zeigt das Desaster im Salzbergwerk Asse, das abzusaufen droht. So lange die Atomkraftwerke nicht stillgelegt sind, dient jede Endlagersuche nur der Legitimation des Weiterbetriebs. Da sind mir auch die Grünen nicht eindeutig genug. Zwar sagen sie, der Salzstock Gorleben ist geologisch ungeeignet, wollen ihn aber bei der von ihnen geforderten vergleichenden Standortsuche nicht ausklammern. So besteht die Gefahr, daß am Ende doch alles an Gorleben kleben bleibt, alleine schon deshalb, weil bereits 1,4 Milliarden Euro in den Ausbau des Bergwerks geflossen sind.

Die Linke plädiert für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Doch welche Möglichkeiten bestehen – abseits der Laufzeiten -, den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken zumindest zu behindern?

Uran ist als Brennstoff steuerlich bevorzugt. Das muß ja nicht so sein. Ebensowenig wie die Steuerprivilegierung der Rückstellungen für die Entsorgung. Andererseits könnten die Versicherungssummen für Unfälle heraufgesetzt werden. Auf landespolitischer Ebene können die Umweltministerien als atomrechtliche Aufsichtsbehörden viel erreichen, wenn sie das Atomgesetz eng auslegen und technische Mängel in den AKW zum Entzug der Betriebsgenehmigung nutzen.

Schön, daß die Linke ein deutliches Anti-AKW-Programm vorgelegt hat. Doch das hatten die Grünen auch, bevor sie regiert haben. Deshalb bleibe ich skeptisch, welche Ergebnisse herauskommen, wenn die Linke in Regierungs- oder Tolerierungsverhandlungen eintritt. Die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin überzeugen jedenfalls nicht.

Wichtig ist, daß wir als Umweltbewegung auf die eigene Kraft vertrauen. Spannend ist, daß es vor dem Hintergrund der Klimadebatte inzwischen nicht nur gegen Atom-, sondern auch gegen Kohlekraftwerke und die Stromkonzerne selbst Proteste gibt. Um den Druck für eine Wende in der Energiepolitik auszubauen, wollen wir stärker auf direkte Konfrontationen setzen. Angedacht sind Blockaden gegen die Wiederinbetriebnahme des AKW Krümmel, Bauplatzbesetzungen bei Kohlekraftwerken und natürlich Aktionen gegen den Castortransport nach Gorleben im Herbst.

Verwendung: Junge Welt vom 25. Januar 2008
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15. Januar 2008

Lebensraum für Fische und Vögel in Gefahr: Tausende protestierten zwischen Hamburg und Dresden gegen Vertiefungs- und Begradigungsprojekte des Flusses

Am gesamten Flußlauf der Elbe in Deutschland haben am Sonntag abend rund 15000 Umweltschützer in 35 Orten mit Fackeln gegen die Pläne zur Vertiefung des Gewässers sowie zahlreiche weitere Bauprojekte, wie etwa den Ausbau der Mittel- und Oberelbe, demonstriert. Nach Angaben des Veranstalters, des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), wurden die Proteste von etwa 40 regionalen Umweltinitiativen, Verbänden und Vereinen unterstützt.

Am größten war das Lichtermeer in Dresden, wo sich allein fast 3000 Menschen an der Aktion »Fackeln für die Elbe« beteiligten. Hier demonstrierten die Teilnehmer gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke. Dem Protest gegen dieses von der sächsischen Landesregierung geplante Bauvorhaben sei besondere Bedeutung zugekommen, weil damit ein UNESCO-Welterbestatus und ein bedeutsames Erholungsgebiet verlorengehe, erklärte der BUND-Vorsitzende, Professor Dr. Hubert Weiger, am Montag.

Mehrere tausend Teilnehmer verzeichnete der BUND auch bei den Protesten in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Hier stand vor allem die vom Hamburger Senat geplante Elbvertiefung um einen weiteren Meter im Mittelpunkt der Aktionen. Umweltschützer und Anrainer befürchten, daß dadurch die Sturmflutgefahr beträchtlich steigt. Da durch die Maßnahme die Flußgeschwindigkeit zunehme, seien zahlreiche Lebensräume für Fische und Seevögel bedroht. Im Hamburger Hafen verwiesen Redner vor etwa 300 Bürgern darauf, daß die »ökologische Belastungsfähigkeit« der Elbe bereits jetzt erreicht sei.

Proteste gegen überdimensionierte Verkehrsprojekte gab es auch in Torgau und in Dömitz (Kreis Ludwigslust). Während es in Torgau um die Wirkungen einer neuen und in Tschechien geplanten Elbstaustufe sowie um die Einengung und Vertiefung im mittleren und oberen Elblauf ging, zogen etwa 300 Menschen in Dömitz an ihren Fluß, um gegen die dortigen Pläne zum Begradigen eines bislang noch relativ naturbelassenen Elbabschnitts zu protestieren. Das Gebiet würde bisher von zahlreichen Zugvögeln auch als Rast- und Überwinterungsgebiet genutzt, was aber bei dessen Ausbau in Frage gestellt sei. Daß die Flußlandschaft der Elbe bundesweit »zu einem der größten Bioreservate in ganz Deutschland« gehört, betonte am Montag auch der Vorstand des BUND in einer Erklärung. Es sei »aller höchste Zeit, daß die Politiker in Bund und Ländern ihre Ignoranz beenden« und das Feld nicht »nur einigen wenigen Profiteuren der jeweiligen Bauprojekte überlassen«, forderte Ernst Paul Dörfler, Leiter des BUND Elbeprojektes.

Verwendung: Junge Welt vom 15. Januar 2008
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06. November 2007

Linksfraktion hält die Arbeit der mecklenburg-vorpommerschen Landesregierung für »grottenschlecht«

Ein Jahr nach der Bildung einer neuen Koalitionsregierung aus SPD und CDU für Mecklenburg-Vorpommern hat die Linksfraktion im Schweriner Landtag eine »verheerende Bilanz« gezogen. In einer Erklärung warf der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion, Wolfgang Methling, der Landesregierung am Montag vor, vor allem in der Arbeitsmarkt-, aber auch in der Umweltpolitik »grottenschlecht« gearbeitet und komplett versagt zu haben. Denn während »aktive Arbeitsmarktpolitik« weitgehend beerdigt worden sei, habe die Landesregierung durch die faktische Abschaffung des Umweltressorts auch in diesem Bereich völlig falsche Akzente gesetzt. Als schizophren bezeichnete Methling das Vorhaben, in Lubmin ein Steinkohlekraftwerk zu errichten und damit allen Bestrebungen für einen besseren Klimaschutz zu widersprechen.

Die Große Koalition habe kaum Konzepte und neue Ideen, die das Land voranbringen, sagte Methling am Montag. Kritisch vermerkte er zudem, daß »positive und zukunftsorientierte Ansätze« der alten Landesregierung – vor allem in der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Bildungs- und Umweltpolitik – nun weitgehend zerschlagen würden. Geglänzt habe die neue Regierung demgegenüber nur durch »undurchsichtige Manöver im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm« und beim »Stochern im Nebel des Nichtraucherschutzes.«

Im Landtag sei es dagegen die Linke gewesen, die mit 63 Anträgen, acht Gesetzentwürfen und 131 Anfragen die inhaltliche Debatte vorangetrieben hätte. Besonders erwähnte Methling dabei die eigenen Initiativen für die Fortsetzung des Existenzgründerprogramms, für die Sicherung des Landespflegewohngeldes und gegen die Senkung des Blindengeldes. Seine Fraktion habe auch erreicht, daß Mittelkürzungen bei Klassenfahrten und kostenlosem Schulessen zwar nicht verhindert werden, aber abgemildert werden konnten. Andererseits verwundere es nicht, daß vieles von dem, für das sich die Linke einsetze, im Landtag keine Mehrheit findet. Deshalb – so Methling – müsse die Linke nun auch besonders Wert auf die Verbesserung ihrer Kontakte zu außerparlamentarischen Organisationen, Bewegungen und Initiativen legen. Nur so sei eine gute Oppositionsarbeit gewährleistet.

Mit »Schwung, mit klugen Ideen, kämpferisch und phantasievoll« wolle seine Fraktion diesen Kurs fortsetzen, sagte Methling. Schwerpunkte seien dabei die Sicherung aller Kranken­hausstandorte sowie die Verbesserung der Lebenssituation für Geringverdiener und für Bezieher des Arbeitslosengeldes II. Hier fordert die Linke eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze sowie eine vollständige Befreiung von Rundfunk- und Fernsehgebühren. Im Rahmen eines Modellprojekts will sich die Linke zudem für ein neues öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm einsetzen. »Existenz sichernd« und mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, betonte Mehtling. Auf umweltpolitischem Gebiet wolle sich die Fraktion vor allem gegen das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner-Heide und für ein klares Nein zum Bau eines Steinkohlekraftwerks in Lubmin einsetzen.

Verwendung: Junge Welt vom 06. November 2007
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19. Juni 2007

Fünf Wochen nach den Bürgerschaftswahlen in Bremen, haben sich SPD und Grüne am Wochenende auf einen Koalitionsvertrag und die Neubesetzung des Bremer Senats geeinigt. Wie der Senat bestellt sein soll, daß gaben beide Parteien am Montag auf einer Pressekonferenz bekannt. Die Grünen erhalten demnach zwei von insgesamt sieben Senatsressorts. Ihrem Koalitionspartner haben die Sozialdemokraten unter Bürgermeister Jens Böhrnsen dabei neben der Umweltbehörde nur noch das Finanzressort zugebilligt. Letzteres wird nun von bisherigen grünen Fraktionsvorsitzenden Karola Linnert geleitet.

Doch noch weniger hat die Öko-Partei bezüglich der inhaltlichen Grundlagen ihrer künftigen Regierungshandelns durchsetzen können. Die Fahrrinnenvertiefung der Weser, ein Projekt, das die Grünen noch im Wahlkampf heftig kritisierten, ist nun beschlossene Sache. Und auch beim umstrittenen Neubau eines großen Kohlekraftwerkes, haben die Grünen offenbar kapituliert. Zwar soll letzteres noch durch ein „Prüf- und Moderationsverfahren“ gehen, doch dass es dann am Ende gebaut wird, daran zweifelt neimand. Erkauft hat sich dies die SPD mit dem Ausbau eines „Kompetenzzentrums für Klimaschutz, Energiesparen und erneuerbare Energien“ sowie mit fünf Renaturierungsprojekten an der Weser.

Wer in der neuen Koalition das Sagen hat, das verrät indes auch ein Blick auf die weitere Senatsliste. Denn außer beim Finanzressort, verwalten die Sozialdemokraten nun sämtliche Schlüsselressorts. Darunter die für Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft und das Justizressort.

Neue Akzente will die SPD-Grüne-Koalition hingegen in der Sozialpolitik setzen. Mit 58 Millionen Euro will der neue Senat die Kindergärten ausbauen. Mehr Geld soll rd künftig auch für die Betreuung der Erwerbslosen geben. Letzteres steht allerdings unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wie der Senat aber Haushaltsumschichtungen in diese Richtung bewirken will, sei bisher nicht erkennbar, kritisierte denn auch Klaus-Rainer Rupp, finanzpolitischer Sprecher der neuen Bürgerschaftsfraktion der LINKEN.

Ebenfalls nicht vom Tisch ist die Privatisierung eines Teils der Bremer Kliniken und die Kürzung der Zuschüsse für die Bremer Hochschulen um 93 Millionen Euro, die noch der alte SPD-CDU-Senat beschloß.

Verwendung: bisher keine Verwendung
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08. Juni 2007

Bremen: Grüne geben Widerstand gegen neues Kohlekraftwerk und Vertiefung der Weser auf

Ob Neubau eines Kohlekraftwerks, Bestätigung der Kürzungen bei der Hochschulfinanzierung oder Vertiefung der Weserfahrrinne – es gibt offensichtlich kein »urgrünes« Thema, bei dem sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen in Bremen nicht durchgesetzt hat. Das geht aus dem Protokoll eines Spitzengespräches zwischen SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen und der Grünen-Frak­tionsvorsitzenden Karoline Linnert vom 19.Mai hervor, welches der taz mittlerweile vorliegt, die es Anfang der Woche auszugsweise veröffentlichte. Bei der Grünen-Basis der Hansestadt sorgte das Papier für erheblichen Unmut, so daß sich der Landesvorstand gezwungen sah, ein Rundschreiben an alle Mitglieder zu verschicken, in dem vor »Verratslegenden« gewarnt wird.

Doch die Echtheit des brisanten Protokolls bestreitet auch der Vorstand der Grünen nicht. Und dort steht schwarz auf weiß, daß weder die Rücknahme der Mittelkürzungen an den Hochschulen und der Fahrrinnenvertiefung, noch die Verhinderung eines neuen 900-Megawatt-Kohlekraftwerks im Stadtteil Mittelsbüren für Linnert noch ein Thema sind. All das aber waren »Wahlkampfschlager« der Partei.

Entsprechend sauer sind auch die niedersächsischen Grünen. Denn dort hatte die Partei im Kommunalwahlkampf versprochen, die Fahrrinnenvertiefung mit allen Mitteln verhindern zu wollen. Die Landtagsabgeordnete Ina Korter forderte deshalb nun ihre Bremer Parteifreunde auf, in dieser Frage hart zu bleiben. Entsetzen auch bei den Umweltschutzverbänden, die seit Jahren gegen dieses umweltzerstörende Projekt kämpfen.

Erfreuliches gibt es hingegen zum »Sozialen« zu berichten. Denn unter dem Druck des Wahlerfolgs der Linken, haben sich die Verhandlungsdelegationen von SPD und Grüne darauf geeinigt, nun mehr Geld für Kinder und Arbeitslose auszugeben. Selbst die Umwandlung einiger Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ist im Gespräch. Doch eben diese Linke befürchtet nun, daß solche Maßnahmen mit Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst finanziert werden. »Wird neues Geld in die Hand genommen, oder spart man anderer Stelle im Haushalt«, diese Frage müsse endlich beantwortet werden, forderte Linkspartei-Landessprecherin Inga Nitz am Mittwoch.

Verwendung (zum Teil): Junge Welt vom 8. Juni 2007
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05. Mai 2007

Elbanrainer und Umweltschützer wehren sich gegen die Vertiefung der Unterelbe. Kutterdemo und Protestaktion vor dem Hamburger Rathaus

Mit einer Aktion vor dem Hamburger Rathaus und einer Kutterdemo auf der Elbe haben Naturschützer und Elbanrainer am Freitag das Ende der sechswöchigen Einreichfrist im laufenden Planfeststellungsverfahren für die Elbvertiefung gefeiert. Wie berichtet, hatte Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall die Fahrtrinnenvertiefung um einen weiteren Meter auf dann 14,50 Meter gefordert, damit auch Superfrachter neuester Bauart mit bis zu 11000 Standardcontainern den Hamburger Hafen problemlos und ohne Grundberührung erreichen können. Doch gegen das 330 Millionen Euro teure Projekt, bei dem der Bund fast zwei Drittel aller Kosten übernehmen will, gibt es seit Monaten gewichtige Einwände.

Es sind vor allem die Elbanrainer bis hinauf nach Cuxhaven, die diese Protestbewegung tragen. Denn für den Fall, daß die Elbe weiter ausgebaggert wird, fürchten sie eine wachsende Gefahr bei Sturmfluten und auch Deichbrüche durch die dann stärkere Strömung. Unabsehbar seien aber auch die Folgen für Flora und Fauna und die eigenen Hafenanlagen. Wie Umweltschutzverbände am Freitag bekanntgaben, kommen deshalb nun allein fast 500 Einwendungen gegen die weitere Elbausbaggerung aus dem Landkreis Cuxhaven.

Doch Widerstand gegen das von Hamburg gewünschte Projekt signalisieren nicht nur Elbgemeinden. Bei der Aktion vor dem Rathaus waren es Vertreter des BUND, des Förderkreises »Rettet die Elbe« und des Naturschutzbundes (NABU), die der Hansestadt ihre 23 Planungsordner symbolisch vor die Tür warfen. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde solle ihre Unterlagen »in die Tonne« treten, denn diese seien voller Lügen und gespickt mit Halbwahrheiten. Um dies zu begründen, hatte der BUND sogar eine eigene Studie ausarbeiten lassen, auf der im Detail Planungsfehler nachgewiesen werden.

Hauptargument ist dabei, daß es an Umweltverträglichkeitsprüfungen mangele. Das Projekt, für das bis 2010 rund 40 Millionen Kubikmeter Schlick und Sand bewegt werden müssen, verstoße gleich gegen fünf Richtlinien der Europäischen Union. Der NABU kritisiert zudem, dass auch an einer ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse fehle. Kritisiert wird außerdem, dass die in den Planunterlagen verwendeten Datengrundlagen den erst jüngst vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Anforderungen für solche Projekte, nicht entspreche. Außerdem warnen die Umweltschützer, daß eine weitere Elbvertiefung auch die Sauerstoffprobleme in dem Fluss weiter verschärfen würden. Wanderfische, wie zum Beispiel die Meerforelle und der Lachs, könnten ihre Laichgebiete dann nicht mehr erreichen.

Noch gewichtiger sind die ökonomischen Einwände, die die Elbanrainer geltend machen. In einigen Schriftsätzen heißt es, die bisherige Fahrtrinnentiefe von 13,50 Metern sei in den letzten Jahren nur dreimal in Anspruch genommen worden. Etliche Reeder löschten einen Teil ihrer Fracht bereits in Le Havre, Rotterdam oder Antwerpen – es gebe somit keine Schiffe, die Hamburg wegen zu großen Tiefgangs nicht erreichen können. Auch der Wunsch der Reeder, einen Teil ihrer Fracht künftig in Hamburg zwischenzulagern, bevor es dann zurück nach Südostasien gehe, bringe keine Mehrauslastung und damit auch keine neuen Arbeitsplätze. Doch gerade damit hatte Hamburg seine Ausbaggerungspläne begründet.

Verwendung: Junge Welt
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3. März 2007

Streit um Landebahnverlängerung bei Airbus erhält neue Nahrung

Während die Politik über die Airbus-Pläne für den Standort Hamburg erleichtert ist, kündigt der Betriebsrat Proteste an.

Derzeit vergeht kaum ein Tag ohne neue Überraschungen bei Airbus. Am Mittwoch wurde das umstrittene Sparprogramm »Power 8« verkündet, bei dem Hamburg laut Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) mit einem »blauen Auge« davon kam. Doch nun führen Meldungen über einen Baustopp für die geplante Frachterversion des Großraumjets A 380 zu Besorgnis.

Dieser A 380F war in der Hansestadt der Bewilligungsgrund für die umstrittene Verlängerung der Start- und Landebahn am Airbus-Werk in Finkenwerder. Ohne eine solche Verlängerung hätte die Konzernspitze in Toulouse aber auch niemals das Auslieferungszentrum für die Passagiervariante des Megajets genehmigt. Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken ist deshalb um Schadensbegrenzung bemüht. Er spricht von einem nur »vorübergehenden Baustopp«, weil bisherige Terminpläne nicht eingehalten worden seien.

Das sieht A 380-Programmchef Mario Heinen offenbar völlig anders. Er sagte gegenüber der »Financial Times Deutschland«, dass es eine Marktperspektive für den Frachter nicht gebe. Großkunden wie die Leasinggesellschaft International Lease Finance sowie Paketversender Fedex und UPS hatten Bestellungen zuvor storniert.

Für die Klägergemeinschaft um die streitbare Obstbäuerin Gabi Quast, die sich jahrelang mit anderen Anrainern gegen die Landebahnverlängerung gewehrt hatte, schafft der Baustopp neue Perspektiven. Gegenüber ND verwies sie darauf, dass das Hauptverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch nicht einmal eröffnet worden sei. Bisherige Grundstücksenteignungen und den Baubeginn habe es nur im Wege von Eilverfahren vor dem Landgericht gegeben. Quast fordert jetzt einen sofortigen Rückbau der Baumaßnahmen.

Doch ob das realistisch ist, bleibt abzuwarten. EADS-Konzernchef Louis Gallois hat mit »Power 8« ja nun auch grünes Licht für das neue Hamburger Auslieferungszentrum für den A 380 gegeben. Ein monatelang geführter Streit um die Aufgabenverteilung zwischen den beiden Airbus-Hauptstandorten Hamburg und Toulouse ist damit beendet. Die Landebahnverlängerung forderte die Konzernzentrale auch mit Blick auf künftige noch größere Varianten des Passagierflugzeugs.

Bei Kurz- und Mittelstreckenjets soll Hamburg künftig sogar noch mehr zu tun haben als bisher. Während das Werk bisher nur am Bau für den A 318, den A 319 und den A 321 beteiligt war, kommen nun noch kleinere Kontingente beim A 320 dazu. Und die nächste Generation des erfolgreichen Mittelstreckenflugzeugs, die ab Mitte nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen soll, wird sogar fast vollständig an der Elbe gebaut werden. Entwicklungsverantwortung verbleibt aber auch für den Rumpf und die Kabine des Langstreckenflugzeugs A 350, was für die Hamburger Flugzeugindustrie eine besonders gute Nachricht ist: So bleibt der Standort auch von der neuen Technologie CFK (kohlefaserverstärkter Kunststoff) nicht abgeschnitten, was insbesondere die Politik zuvor befürchtete.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sieht die Hansestadt deshalb durch »Power8« auch eher gestärkt. »Fair und angemessen« sei der Standort behandelt worden, hieß es. Doch so viel Euphorie will bei den Beschäftigten und ihrem Betriebsratschef Horst Niehus bisher nicht aufkommen. Niehus weiß, dass auch sein Werk Tribut zahlen muss, wenn Airbus seine Ankündigung wirklich wahrmacht, bis zu 3700 Stellen allein in Deutschland abzubauen. In einigen Medien ist sogar schon von bis zu 1000 Arbeitsplätzen die Rede, die an der Elbe trotz höherer Aufträge verloren gehen könnten.

Das aber will Niehus nicht hinnehmen. Nicht wegen der Personalkosten, sondern wegen Managementfehlern sei Airbus in die Krise geraten. Hunderte seiner Kollegen mobilisierte Niehus deshalb schon am Donnerstag zu ersten Protestaktionen. Und beim europaweiten Aktionstag Mitte März gegen »Power 8« soll Hamburg ein Zentrum der Proteste sein.

Verwendung: Neues Deutschland
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13. Februar 2007

Schadstoffausstoß von Hochseeschiffen führt zu Gesundheitsrisiken. Hamburger HafenCity betroffen

Schwefelhaltige Abgase von Hochseeschiffen gefährden die Gesundheit der Mitarbeiter in den Seehäfen und von Anwohnern. 90 Prozent der Handels- wie Passagierschiffe nutzen einen Motorenbrennstoff, dessen Schadstoffanteil so erheblich ist, daß eine Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe der Liegeplätze kaum möglich ist. Das berichtet das Magazin Spiegel (Ausgabe vom gestrigen Montag).

Besonders betroffen ist demnach Hamburg, wo derzeit mit erheblichem Aufwand die neue HafenCity entsteht. Deren Weiterbau steht nun aber in Frage, wie ein Luftschadstoffgutachten der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hervorhebt. Die Expertise war im Vorfeld der Errichtung eines neuen Kreuzfahrtterminals in Auftrag gegeben worden. Wie aus dem Gutachten hervorgeht, ist die Belastung mit Stickoxiden, Schwefeldioxid und Feinstaub zu hoch. Selbst für geplante Bürogebäude in der neuen HafenCity – das Konzept sieht eine Mischung aus Büro- und Wohngebäuden mit gastronomischen und Freizeitangeboten vor – könnte es nun kritisch werden. Diese sollen nur noch dann genehmigt werden, wenn die Fassaden zur Wasserseite hin geschlossen sind und zudem eine zusätzliche Belüftung aus unbelasteten Bereichen möglich ist.

Das ist ein herber Rückschlag für das jüngste Mammutprojekt des Hamburger CDU-Senats, der hier vor allem zahlungskräftige Wohnungseigentümer ansiedeln wollte. Für die Erschließung, den Abriß alter Gebäude und die Neufundamentierung des Geländes wurden bereits mehrere Millionen Euro ausgegeben. Um das Vorhaben noch zu retten, müßten Schiffe, die hier anlegen, erheblich nachrüsten. Dies wäre allerdings so teuer, daß Reeder den Hamburger Hafen meiden könnten. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat deshalb nun eine europaweit geltende Regelung gefordert, damit der Hansestadt keine Standortnachteile entstünden. Besonders viel Dreck produziert dem Gutachten nach die »Queen Mary 2«, das zweitgrößtes Passagierschiff der Welt, das auch in Hamburg regelmäßig anlegt. Der Luxusliner hat allein einen Strombedarf, der dem einer Stadt mit rund 200000 Einwohnern entspricht, was einen gewaltigen Dieselverbrauch nach sich zieht.

Muß nun die HafenCity völlig neu geplant werden? Auf den Besuch der Ozeanriesen wird Hamburg jedenfalls kaum verzichten. Betroffen sind auch andere Hafenstädte, wie etwa das Ostseeheilbad Lübeck-Travemünde. Auch dort sollen laut Gutachten die schwefelhaltigen Schiffsabgase die Gesundheit der Anwohner gefährden.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-13/038.php



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12. Februar 2007

Elbausbau in Hamburg noch nicht vom Tisch

Ohne Ergebnis endete in der vergangenen Woche ein Krisentreffen der Wirtschafts- und Umweltminister aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, bei dem erneut eine von Hamburg gewünschten Vertiefung der Elbfahrrinne um durchschnittlich einen Meter diskutiert wurde.

Einberufen hatte den unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Gipfel Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU). Er will mit der Fahrrinnenanpassung bereits in diesem Jahr starten, denn nur dann könnten auch Containerschiffe der neuen Generation mit einer Tonnage von bis zu 12 000 Standardcontainern und einem Tiefgang von 14,50 Metern den Hamburger Hafen ab 2009 erreichen. Die Kosten für das Projekt, bei dem 38 Millionen Kubikmeter Sand zu bewegen sind, liegen bei 330 Millionen Euro, etwa zwei Drittel will der Bund übernehmen.

Doch was Uldall ein »Zukunftsprojekt« nennt, verursacht bei Bewohnern der Elbmarsch bis hinauf nach Cuxhaven nur Angst. Durch die größere Stromgeschwindigkeit des tideabhängigen Flusses, befürchten sie stärkere Verschlickungen in den Seitenarmen der Elbe, vor allem aber erhöhte Sturmflutgefahren. Naturschützer weisen darauf hin, dass neuere Erkenntnisse aus der Klimaforschung, die einen Anstieg des Nordsee-Meeresspiegels von bis zu 60 Zentimeter für die nächsten Jahrzehnte voraussagen, nicht berücksichtigt wurden. Eine weitere Elbvertiefung könnte die Sturmflutwellen noch höher auflaufen lassen. Bestritten wird zudem die ökonomische Notwendigkeit einer Vertiefung. Auch mit Blick auf den neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven fordert etwa der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nun ein »gesamtnorddeutsches Küstenkonzept«, das auch die Gefährdung durch die Klimaänderungen stärker mit berücksichtigt.

Uldall treibt hingegen zur Eile, denn im Hamburger Hafen soll sich die Umschlagskapazität von 8,6 auf 18 Millionen Standardcontainer bis 2010 erweitern. Das aber macht nur Sinn, wenn sich die Großreeder nicht für Rotterdam oder Antwerpen, sondern für Hamburg als neuen Anlaufpunkt für ihre Containerriesen entscheiden. Den Befürchtungen aus der Elbmarsch, allein auf den Folgekosten – etwa bei der Deichsicherung – sitzen zu bleiben, kommt der Senator deshalb jetzt mit einem Ausgleichsfonds entgegen, in den die Stadt bereits fünf Millionen Euro eingezahlt hat. Das reicht nicht einmal, um die Verschlickungen in den Seitenarmen der Elbe wieder zu beseitigen.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) erklärte deshalb schon kurz nach dem Treffen, seine Zustimmung zu dem Vorhaben nicht zu geben. Zunächst müssten die Schäden bereits vollzogener Elbvertiefungen behoben und weitere Folgekosten, wie etwa bei der Deichunterhaltung, abgeschätzt werden. Noch kompromissloser zeigt sich der NABU, der Klagen ankündigt. Protest kommt inzwischen auch von den Obstbauern im Alten Land, die sich jetzt mit Vereinen und Verbänden zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Und ähnliche Konflikte deuten sich für Bremen und Bremerhaven an, wo ebenfalls die Fahrrinne der Weser für rund 50 Millionen Euro um etwa einen Meter vertieft werden soll.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=104937&IDC=9&DB=archiv



7. Februar 2007

IMAG3291
Krisentreffen der Wirtschaftsminister von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur geplanten Elbvertiefung auf Kosten der Steuerzahler

Das Meeting fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Offenbar gibt es erheblichen Dissens zwischen den Umwelt- und Wirtschaftsministern von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die sich am Dienstag zu einem Krisentreffen versammelten. Die Pressestelle der Hamburger Wirtschaftsbehörde bestätigte am Dienstag gegenüber jW, der Austausch zum Thema Elbvertiefung zugunsten des weiteren Ausbaus des Hamburger Hafens finde statt, aber an einem geheimen Ort.

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) warnte aus Anlaß des Treffens erneut vor den Gefahren der weiteren Ausbaggerung des Flusses. In den Plänen des Hamburger Senats, der die Elbvertiefung für notwendig hält, um die Zukunftsfähigkeit des Hafens der Hansestadt zu sichern, seien Erkenntnisse aus der Klimaforschung nicht berücksichtigt. Diese aber sagen einen Anstieg der Meeresspiegel und damit erhöhte Sturmflutgefahren voraus. Doch Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) drängt weiter zur Eile. Geht es nach ihm und der Hafenindustrie, soll die Fahrrinne der Elbe so bald wie möglich um durchschnittlich einen, an einigen Stellen aber sogar um zwei Meter vertieft werden, wofür 38 Millionen Kubikmeter Sand bewegt werden müßten.

Widerstand regt sich indes nicht nur bei Umweltverbänden, sondern auch in etlichen Gemeinden an der Unterelbe, die wie Cuxhaven Klagen gegen die geplante Ausbaggerung angekündigt haben und damit die Landesregierungen in Kiel und Hannover unter Druck setzen. Dort befürchtet man zudem, auf den Folgekosten, etwa bei der zusätzlichen Deichsicherung, sitzenzubleiben, während nur Hamburg einen Nutzen aus der Elbvertiefung zieht. Die Deutsche Schifffahrts-Zeitung berichtete am Dienstag, Uldall wolle deshalb bei dem Treffen auch Ausgleichszahlungen für die Nachbarländer zusichern. Im Gegenzug sollten diese erste Teilarbeiten schon in diesem Jahr genehmigen. Die Ausbaggerung ist aus Sicht von Uldall notwendig, damit auch Containerriesen der neuen Generation mit einem Tiefgang von 14,5 Metern und einer Tonnage von bis zu 12000 Standardcontainern (TEU), Hamburg anlaufen können. Dabei ist auch unter Hafenexperten umstritten, ob die Maßnahme notwendig ist, denn in Wilhelmshaven wurde bereits ein neuer Tiefwasserhafen gebaut.

Der NABU will auch unabhängig von Ausgleichszahlungen an die Länder gegen eine Elbvertiefung klagen. Die Umweltschützer berufen sich dabei auf ein Gutachten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), in dem Wissenschaftler eine Erhöhung des Nordseespiegels von mindestens 19 und maximal 58 Zentimeter infolge des Abschmelzens des Grönlandeises schon für die nächsten Jahrzehnte vorausgesagt haben. Durch eine weitere Elbvertiefung würden die Sturmflutwellen auf der Elbe noch viel höher auflaufen. »Der Deichschutz und damit der Menschenschutz sind nicht verhandelbar«, sagte NABU-Hamburg-Vorsitzender Rolf Bonkwald am Dienstag. Er forderte ein »gesamtnorddeutsches Küstenkonzept«, das auch die aus der Erhöhung der Meeresspiegel resultierenden Gefahren berücksichtige.

Die Bundesregierung hat die Elbvertiefung jedoch bereits befürwortet und die Übernahme von 230 Millionen Euro des insgesamt fast 330 Millionen Euro teuren Projekts durch den Bund zugesagt. Davon erhoffen sich die Wirtschaftspolitiker eine Steigerung beim Umschlag des Hamburger Hafens, der von jetzt 8,6 auf 18 Millionen Standardcontainer bis 2010 wachsen soll.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-07/027.php



18. Januar 2007

Heute könnte es ganz dick für die nordfriesischen Inseln kommen. Denn nachdem die schweren Sturmschäden vom letzten Wochenende noch nicht mal alle registriert sind, steht schon das nächste Sturmtief vor der Tür. Wetterexperten verschiedener Institute sagen für die Nacht vom Donnerstag auf den Freitag, einen außergewöhnlich starken Orkan voraus, der Windgeschwindigkeiten von bis zu 180 km/h aufweisen könne. Das bestätigte auch der Sprecher des Deutschen Wetterdienstes, Günter Delfs, der nun auch die Gefahr weiterer Abbrüche gerade an den kritischen Stellen der Nordseeinseln sieht. Wetterexperten in Hamburg prognostizieren zudem eine schwere Sturmflut für die Hansestadt.

Doch für die nordfriesischen Inseln geht es nun fast um die Substanz, wie Norbert Gades von der Verwaltungsdienstaußenstelle auf Amrum gegenüber verschiedenen Medien betonte. Auf der Insel greifen die Brandungen der Nordsee den alten Inselkern an, der erst kürzlich auf einer Fläche von 1200 Mal 100 Meter wieder aufgespült werden musste. In der Nacht zum Freitag, wenn den Orkan seinen Höhepunkt erreicht, könnte auf Amrum auch der breite dem Festland zugeneigte Binnenstrand derart überflutet werden, dass die Wucht der Wellen dann den gesamten Dünengürtel massiv beschädigt. Einige Experten meinen sogar, dass dann das Wasser bis in den Pinienwald vorstoßen könnte.

Dramatisch sieht es auch für Helgoland aus, wo schon seit Beginn der Herbststürme auf einer vor gelagerten Düneninsel 100.000 Kubikmeter Sand (das entspricht 1000 Lastwagenladungen) einfach fortgerissen worden sind, wie Kurdirektor Christian Lackner bestätigte. Auf Sylt sind es sogar 800.000 Kubikmeter Sand, die nun einfach fehlen. Hier sind nun auch einige Siedlungen bedroht, wie das für den Küstenschutz zuständige Amt für ländliche Räume betonte.

Alarmiert ist auch der Hamburger Meteorologe Karsten Brandt, der nun damit rechnet, dass bei stürmischen Nordwestwind, der bis zu 24 Stunden dauern könnte, die Gefahr einer schweren Sturmflut besteht. Er rechnet damit, dass der Sturmflutpegel schon am Donnerstag die Marge von 3,50 Meter über Normalnull übersteigt.

Dass diese ungewöhnlich starken Stürme auch die Folgen des weltweiten Klimawandels sind und sich betroffenen Regionen nun auch dauerhaft auf gesteigerte Gefahren durch Sturmfluten einstellen müssen, darauf verwies der Vorsitzende des schleswig-holsteinischen Landschaftszweckverbandes Helge Jansen. Und Karsten Reise von der Wattenmeerstation des Alfred-Wegener-Instituts in List, schlug nun sogar vor, dass der „Häuserbau auf Stelzen“ eine sinnvolle Zukunftsarchitektur für die Inseln wäre.

Veröffentlichung: online-Portal 0815-info:
http://www.0815-info.de/archiv/2007/januar/010718.php



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Umweltschutzverbände: Ausbau dreier konkurrierender Tiefseehäfen in der BRD kostet die Steuerzahler Milliarden

Aus Anlaß der am gestrigen Dienstag zu Ende gegangenen »Fünften Nationalen Maritimen Konferenz« haben Umweltschutzverbände ihre Forderung nach einem Kurswechsel in der bislang nur auf Standortkonkurrenz basierenden Hafenpolitik von Bund und Ländern bekräftigt. 3,3 Milliarden Euro würde dies sonst dem Steuerzahler allein bis 2010 kosten, hatte Beatrice Claus vom World Wide Fund for Nature (WWF) schon vor der Konferenz gewarnt.

Rund 1000 Hafenmanager, Verwaltungsfachleute und Politiker des Bundes und der Länder Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen hatten seit dem 3. Dezember im Hamburger Kongreßzentrum getagt. Eine koordinierte deutsche Hafenstrategie, die aus dem Bundesumweltministerium bereits im Sommer angemahnt worden war, stand jedoch nicht auf der Agenda der Konferenz, die »konkrete Handlungsempfehlungen zur weiteren Gestaltung der operativen Rahmenbedingungen für die Branche« erarbeiten sollte. Die Einschränkung des Wettbewerbs widerspreche »politischen Vorgaben«. Vielmehr solle er »belebt« werden, betonte die »maritime Koordinatorin der Bundesregierung« und parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Dagmar Wöhrl (CSU) zu Beginn der Tagung. Darin sieht sie auch die größte Chance zur Stärkung der deutschen Wettbewerbsposition gegenüber den Niederlanden und Belgien.

Gleich drei deutsche Tiefwasserhäfen, die um dieselben großen Containerschiffe mit einer Ladekapazität von bis zu 11000 Standardcontainern (TEU) konkurrieren, sollen entstehen: Zunächst der neue Hafen bei Wilhelmshaven, auf den vor allem Niedersachsen setzt. Allein die dafür erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen werden rund 1,1 Milliarden Euro kosten. Dazu kommen Hamburg und Bremerhaven, wo Elbe und Außenweser mit Landes- und Bundesmitteln in Höhe von 400 Millionen Euro so ausgebaggert werden sollen, daß auch hier die neuen Containerriesen an die Kaimauern gelangen können. Diese müssen ebenfalls für mehrere hundert Millionen Euro ausgebaut und verlängert werden.

Nach Einschätzung von Bernd Quellmalz, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), ist dieses Vorgehen volkswirtschaftlich ein Nullsummenspiel. Er erinnerte am Dienstag auch daran, daß mit der weiteren Vertiefung von Elbe und Weser die Gefahr von Sturmfluten weiter wachsen wird. Die Sturmflutwasserstände würden sich dadurch so weit erhöhen, daß auch die Deiche im Unterelbebereich akut gefährdet seien. Weitere Kosten für die Deichsicherung seien eine schon jetzt absehbare Folge. Der BUND forderte deshalb eine »standortübergreifende Hafenplanung« und ein neues Logistikkonzept. Danach würde Wilhelmshaven Hauptanlaufpunkt für die Containerriesen werden. Gleichzeitig könne gewährleistet werden, daß in Hamburg oder Bremen keine Arbeitsplätze verloren gehen.

Doch volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen interessieren die Politik längst nicht mehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte jede erdenkliche Unterstützung der Interessen der maritimen Wirtschaft in Hamburg zur »nationalen Aufgabe«.

http://www.jungewelt.de/2006/12-06/029.php



Projekt findet nicht nur Gegenliebe / Zweifel an avisierten Arbeitsplätzen

Hamburgs Hafen steht vor einem immensen Ausbau mit erheblichen Folgen für die Stadtentwicklung. Es sollen jedoch anderseits 16 000 Arbeitsplätze entstehen.

Die Containerumschlagskapazität im hanseatischen Hafen soll kolossal steigen – bis 2015 von rund 8,7 auf 21,3 Millionen Standardcontainer (TEU), bestätigte CDU-Wirtschaftssenator Gunnar Uldal dieser Tage im Hafen-Club. Bislang war selbst im von Optimismus geprägten Entwicklungsplan nur von 17,7 Millionen TEU die Rede. Doch die Erweiterung verläuft nicht ohne Widerstand, denn die neuen Kaimauern ragen gefährlich nah an einige Stadtteile heran, und auch der Bau einer Verbindungsautobahn zwischen der A 1 und der A 7 stößt auf heftige Gegenwehr.

Rund 800 Mitglieder zählt dieser Hafen-Club der Hafenwirtschaftsmanager, in dessen stilvollem Ambiente direkt an den St. Pauli Elbbrücken Uldall seine Pläne besprach. Einlass erhält hier nur, wer von drei der Refugiumsmitglieder vorgeschlagen wurde, denn bei edlem Wein und bestem Fisch wurde hier schon manche Grundsatzentscheidung für Hafen und Stadt diskutiert. Dass der Hafen wachsen muss, war hier noch nie umstritten. Mittelfristig soll er nun sogar, vorbei an Antwerpen und nach Rotterdam, EU-weit Platz zwei werden.

Wachsen werden vor allem die Containerterminals am Tollerort und am Burchardkai im mittleren Hafen, wo die Lärmbelästigung für die Bewohner auf der anderen Elbseite schon jetzt besonders groß ist und man das Dröhnen der Schiffsaggregate bis tief in die Nacht hört. 31 Bürger klagen deshalb gegen den Ausbau. Für die West-Erweiterung bei Eurogate soll zudem der alte Petroleumhafen zugeschüttet werden. Doch wenn die Terminals wachsen, müssen auch die Hinterlandanbindungen mithalten. Uldall geht davon aus, dass der Transport auf Schienenwegen bis 2015 von 190 auf 450 Güterzüge täglich steigen wird. [Anmerkung: in der Printausgabe im ND ist von jährlich die Rede. Das aber ist ein Fehler] Die Hafenbahnstrecke soll dafür mit einer neuen Süderelbe-Querung ausgebaut werden. Hinzu kommt die neue Verbindungsautobahn, die als Hafenquerspange auch den Stadtteil Wilhelmsburg tangiert, wo 50 000 Menschen wohnen. Das ist eines der ärmsten Viertel der Stadt, das schon durch zahlreiche Verkehrsachsen belastet ist. Aber die Bewohner des Stadtteils, der selbst eine Insel ist, sind kampfstark und haben schon manches Senatsprojekt auch wieder zu Fall gebracht.

Doch woher kommen Uldalls Umschlagsprognosen? Der Senator rechnete vor, dass sich das Frachtvolumen in allen EU-Seehäfen bis 2030 mehr als verdoppeln werde, laut einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts und der Berenberg Bank. Sei dies richtig, würde sich in den wichtigsten EU-Häfen der Containerumschlag sogar versechsfachen. Durch seine enge Anbindung an den Asienhandel will die Hafenwirtschaft davon besonders profitieren, woran der Bau eines neuen Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven nichts ändert.

16 000 neue Arbeitsplätze allein im Hafen verspricht sich Uldall von dieser Entwicklung. Doch Skeptiker wenden ein, dass auch die neue Containeranlage in Altenwerder, für welche die Stadt fast eine Milliarde Euro investierte und auch ein ganzes Elbdorf opferte, kaum neue Arbeitsplätze brachte. Die Anlagen sind hier so modern, dass der Mensch als Arbeitskraft eigentlich nur noch in der Funktion als Kapitän der riesigen Containerbrücken vorkommt. Alles andere übernehmen Computer.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland vom 01.11.06, Seite 10



Kritiker an geplanter Fehmarnbelt-Brücke bekommen Rückenwind: Kapital setzt auf Fährverbindung. Investoren bieten Milliardenbetrag für Scandlines-Reederei

Eigentlich sollte die Ostsee-Fährreederei Scandlines am Freitag letzter Woche praktisch schon verkauft sein. Doch wie die Financial Times Deutschland am Montag unter Berufung auf »Informationen aus dem Umfeld der Verhandlungen« meldete, konnten sich die Eigentümer – Deutsche Bahn und dänische Regierung – nicht einigen, ob der Zuschlag an den internationalen Finanzinvestor 3i oder ein Konsortium aus Deutscher Seereederei (DSR) und Allianz gehen sollte. Beide Interessenten bieten laut FTD »rund 1,5 Milliarden Euro«, 3i angeblich etwa 50 Millionen mehr als DSR und Allianz.

Zu Beginn der Verhandlungen hatte man mit Erlösen von 600 bis 800 Millionen Euro gerechnet. Scandlines erwirtschaftete 2005 einen operativen Gewinn von 70 Millionen – bei einem Umsatz von 523 Millionen Euro. Sein größtes Geschäft macht das Unternehmen mit dem Fährverkehr zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf dem dänischen Lolland, auf der sogenannten Vogelflugroute. Die Monopolstellung dieser Verbindung ist allerdings strategisch durch den geplanten Bau der Fehmarnbelt-Brücke gefährdet. Daß die Kaufangebote trotzdem auf solch astronomische Summen geklettert sind, könnte darauf hindeuten, daß die Investoren nicht mehr recht daran glauben, daß es mit der Megabrücke noch etwas wird.

Zwar hatte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Dietrich Austermann (CDU) kürzlich erst betont, daß Spitzenbeamte der EU eine Teilfinanzierung für das Projekt in Aussicht gestellt hätten. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon während des Landtagswahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern Zweifel an dem rund fünf Milliarden Euro teuren Bauprojekt geäußert. Selbst bei einem hohen Anteil privater Investoren und einer Teilfinanzierung durch die EU müßte nämlich der Bund zur Gewährleistung des Projekts eine Staatsbürgschaft über die Gesamtkosten übernehmen. Kritiker aus dem Bundesfinanzministerium befürchten zudem, daß die Hinterlandanbindung weitere Folgekosten in Milliardenhöhe entstehen läßt. Eine endgültige Entscheidung zum Brückenbau müssen deutsche und dänische Regierung aber schon bis Ende des Jahres treffen, weil sonst Haushaltsmittel aus der Europäischen Union zur Kofinanzierung nicht mehr zur Verfügung stünden.

Umstritten ist das Großprojekt, das allein für seine bislang 35 Machbarkeitsstudien fast 20 Millionen Euro verschlungen hat (und seit 20 Jahren diskutiert wird), aber nicht nur zwischen Berlin und Kiel. Selbst in Schleswig-Holstein wächst die Kritik an der geplanten Schrägseilbrücke, wo nun Linke und Grüne, vor allem aber der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) auf »völlig falsche« Verkehrsprognosen hinweisen. Sorgen macht sich der SSW auch um die infrastrukturschwachen Gebiete im Norden Schleswig-Holsteins, die damit »völlig abgehängt« würden, so Landtagsabgeordneter Lars Harms.

Daß nun ausgerechnet die Partei der dänischen Minderheit so offensiv gegen die Fehmarnbelt-Querung polemisiert, ist für diejenigen überraschend, welche die Positionen der Regierung in Kopenhagen und der dortigen Industrielobbyisten mit denen der dänischen Bevölkerung verwechselt hatten. Die Industrie verspricht sich von der Brücke einen besseren Zugang zu den Märkten in Westeuropa, doch in der Bevölkerung wächst die Skepsis, wie Meinungsumfragen zeigen. Selbst in Kopenhagen, das wie Hamburg, zu den eigentlichen ökonomischen Nutznießern einer solchen Querung gehören würde, werden inzwischen heftig die ökologischen Konsequenzen eines solchen Brückenbaus diskutiert. Hintergrund: Der Fehmarnbelt wird alljährlich von Millionen arktischer Zugvögel gekreuzt. An einer 70 Meter hohen und rund 19 Kilometer langen Brücke könnten, so fürchten Ornithologen, bis zu 100000 Vögel pro Jahr ums Leben kommen. Außerdem weist der deutsche Naturschutzbund NABU darauf hin, daß ein stärkerer Verkehrsstrom über kurz oder lang eine weitere Brücke, nämlich über den Fehmarnsund, der das deutsche Festland mit Fehmarn verbindet, erforderlich machen würde. Diese Brücke müßte quer durch ein Naturschutzgebiet führen.

http://www.jungewelt.de/2006/11-01/039.php



Konzernboß Gallois kündigt schmerzhaften Sparkurs an. KfW-Einstieg nicht vom Tisch. Deutschland-Chef soll bleiben

[Der nachfolgende Artikel wurde gemeinsam mit jW-Redakteur Klaus Fischer verfasst]

Der neue Airbus-Lenker ­Louis Gallois hat aufkeimende Hoffnungen von Belegschaft und Gewerkschaften abgewürgt. Am Dienstag kündigte Gallois einen harten Sparkurs beim größten europäischen Flugzeugbauer an. »Es wird Entlassungen geben«, sagte er dem französischen Radiosender Europe-1. Für konkrete Angaben über das Sanierungsprogramm sei es allerdings noch zu früh. Zunächst wolle man mit den Sozialpartnern beraten.

Neuer starker Mann

Der Airbus-Mutterkonzern EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) hatte am Montag abend den bereits gerüchteweise bekannten Personalwechsel an der Führungsspitze bestätigt. Der Verwaltungsrat akzeptierte den Rücktritt von Christian Streiff und berief Gallois zu dessen Nachfolger. Der 62jährige Sozialist Gallois war erst Anfang Juli an die EADS-Konzernsspitze aufgerückt. Zuvor hatte er sich einen Namen als Chef der französischen Staatsbahn SNCF gemacht, wo er ein knallhartes Sparprogramm ohne großen Widerstand der Gewerkschaften durchsetzen konnte. Vermutlich will der Top-Manager, der auch seinen Chefposten bei EADS behält, dies nun auch bei Airbus versuchen und Betriebsräte sowie Gewerkschaften stärker einbinden.

Vorgänger Streiff hatte sich nur drei Monate an der Airbus-Spitze gehalten. Im Zusammenhang mit den jüngsten Lieferverzögerungen beim Großraumflugzeug A 380 wollte er den Gesamtkonzern umstrukturieren. Dabei sollten politisch gewachsene Strukturen des mit Steuermilliarden aus Deutschland und Frankreich aufgepäppelten Konzerns zerschlagen und u.a. die A380-Produktion vollständig in Toulouse konzentriert werden.

Gallois hingegen sieht das größte Handicap des Konzerns nicht in seinen komplizierten Führungs- und Fertigungsstrukturen. Er macht vor allem die Schwäche des US-Dollar verantwortlich dafür, daß Konkurrent Boeing wieder besser dastehe als Airbus. »Der Dollar ist zusammengebrochen«, so Gallois. Dennoch gab er sich zuversichtlich, daß die Sanierung des europäischen Flugzeugbauers schneller abgeschlossen sein könnte als von seinem Vorgänger Streiff befürchtet. Dieser hatte von einer 15-jährigen Konsolidierungsphase gesprochen. Zumindest an den Börsen wird Gallois’ Berufung willkommen geheißen. Am Dienstag legte die EADS-Aktie bis Mittag um vier Prozent zu.

Inwieweit die Beschäftigten am größten deutschen Konzernstandort Hamburg jetzt aufatmen können, bleibt abzuwarten. Zwar scheint die Idee, die Montage des A380 aus Hamburg abzuziehen, vom Tisch. Doch auch hier könnte der angekündigte Stellenabbau für Entlassungen sorgen. Als einer der ersten sollte Presseberichten zufolge Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken betroffen sein. Dem drohe der Rauswurf, hieß es in der Welt. Dem langjährigen Manager werden zwar keine direkten Versäumnisse vorgeworfen. Doch gehört Puttfarcken zu den Verantwortlichen, die die Produktionsprobleme in Hamburg seit längerem kannten und dennoch nicht angemessen darauf reagiert haben, hieß es. Die Spekulationen hätten keine Grundlage, sagte Airbus-Sprecher Tore Prang am Dienstag. Puttfarckens Position »stand und steht definitiv nicht zur Disposition«.

Inzwischen hat sich auch der zurückgetretene Streiff zu Wort gemeldet. Die bisherige Organisation innerhalb des EADS-Konzerns habe als Hauptziel, »das subtile Gleichgewicht von Machtmenschen und Postitionen« zu erhalten, so der Exmanager in der Tageszeitung Le Figaro. Dies sei angesichts der schweren Krise, in der sich das Unternehmen befinde, ein großes Hindernis. Airbus sei auch Jahre nach seiner Gründung »zum Teil noch immer eine Nebeneinanderreihung von vier Gesellschaften«, so Streiff.

Berliner Notfallplan

Auch die Bundesregierung scheint dem derzeitigen Burgfrieden bei EADS und Airbus nicht zu trauen. Einem Bericht des Handelsblatts zufolge arbeite Berlin entgegen aller offiziellen Bekundungen an einem Geheimplan, um notfalls beim Airbus-Mutterkonzern EADS einzusteigen. Demzufolge solle die bundeseigene KfW-Bankengruppe im Auftrag von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ein Modell entwickeln, das einen zeitlich befristeten Kauf von EADS-Aktien möglich mache. Die Beteiligung solle so ausgestaltet werden, daß die KfW dafür keine Aktien von Telekom oder Post verkaufen müsse, zitierte das Blatt einen hohen Regierungsbeamten. Die Bundesregierung prüfe gleich mehrere Optionen für den Fall, daß der Autokonzern DaimlerChrysler seinen Anteil an EADS weiter reduziert,wie die Zeitung weiter berichtete. Derzeit hält DaimlerChrysler 22,5 Prozent, hat aber bereits angekündigt, den Anteil auf bis zu 15 Prozent zu verkleinern. In jedem Fall wolle die Bundesregierung verhindern, daß der deutsche Einfluß durch den Rückzug der Stuttgarter sinke, hieß es.

http://www.jungewelt.de/2006/10-11/037.php



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Airbus-Belegschaften werfen Management schwere Versäumisse vor

Belegschaftsvertreter aus allen deutschen Airbus-Standorten wollen gemeinsam gegen Standortschließungen und Personalabbau kämpfen. »Wenn einer von uns angegriffen wird, sind wir alle angegriffen«, betonte am Freitag Thomas Busch, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender auf dem Krisengipfel der Belegschaftsvertreter in Hamburg.

Eine Verlagerung der A 380 Produktion nach Toulouse werde nicht hingenommen. »Wenn jemand uns dieses Projekt wegnehmen will, wird er spüren, was Hamburg auf die Beine stellen kann«, sagte der Betriebsratschef des Hamburger Werks, Horst Niehus.

Kurzfristig setzen die Betriebsräte auf ein System von Arbeitszeitkonten, das, um branchentypische Auftragsschwankungen abzufangen, schon 2003 eingeführt wurde. Die Strukturprobleme müssten hingegen in einer gemeinsamen Steuerungsgruppe von Management und Belegschaftsvertretern besprochen werden. Dem schloss sich IG-Metall-Küste-Chefin Jutta Blankau an, die zudem eine »andere Unternehmenskultur« und mehr Risikomanagement forderte. Arbeitnehmer hätten immer wieder auf technische Probleme, die jetzt zu den Produktionsverzögerungen führten, hingewiesen. Doch solche Einwände habe das Management stets »vom Tisch gewischt«, weshalb zeitliche Fertigungsvorgaben unrealistisch blieben.

Fertigungsschwierigkeiten haben bei Airbus auch etwas mit der komplizierten Eigentümerstruktur des Mutterkonzerns EADS zu tun, der zudem von Rüstungsaufträgen der französischen, deutschen, spanischen und britischen Regierung vielfältig abhängig ist. So war die Verteilung von Produktionskomponenten auf weit entfernte Standorte, was erhebliche logistische und technische Koordinationsprobleme auslöste, stets auch eine Frage des Proporzes. Dazu kommen Eitelkeiten und Machtkämpfe im Management, das sich auch letzte Woche wieder wunderbar austobte.

Während der deutsche EADS-Co-Chef Tom Enders in Berlin gegenüber Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vom Erhalt aller deutschen Standorte sprach, erklärte in Paris der Franzose Christian Streiff, dass dies keineswegs sicher sei. Im Tausch für den Großraumjet A 380 könne Hamburg gegebenenfalls Produktionsanteile der Flugzeugtypen A 330 und A 340 übernehmen. Bisher war dafür nur der Verkaufsschlager A 320 im Gespräch, was aber in Frankreich auf heftigen Widerstand stieß. Für Analysten wird indes zunehmend unklar, ob der A 380 überhaupt noch die Phase einer Serienproduktion erreicht. 12 Milliarden Euro hat das deutsch-französische Prestigeprojekt schon an Entwicklungskosten verschlungen. Nun kommen weitere 5 Milliarden Euro hinzu, die an die Fluggesellschaften gezahlt werden müssen. Um das aufzufangen, müssten mindestens 400 Flugzeuggiganten mittelfristig verkauft werden. Bestellt sind aber erst 159. Großabnehmer wie Emirate Airline (43 georderte Maschinen) denken längst über einen Wechsel zu Boeing nach.

Der US-Konkurrent bietet ab 2009 eine überarbeitete Version des B 747 an, der dem Fassungsvermögen des A 380 weitgehend entspricht, aber billiger ist. So werden nun selbst in Hamburg Stimmen laut, die von einer Fehlplanung der Stadtregenten sprechen, die Industriepolitik mit Prestige verwechselt hätten.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=98287&IDC=3



Airbus-Belegschaften wollen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen

Wann endlich schenkt Airbus seinen Mitarbeitern reinen Wein ein? Diese Frage beschäftigte Betriebsräte und Gewerkschafter aus allen deutschen Standorten des Flugzeugbauers gestern in Hamburg. Die Beschäftigtenvertreter betonten auf ihrer Krisensitzung in der Hansestadt, daß man sich nicht gegeneinander ausspielen lassen wolle. »Wenn einer von uns angegriffen wird, sind alle angegriffen«, erklärte der Hamburger Betriebsratschef Horst Niehus. Der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats (GBR), Thomas Busch, ergänzte, zwischen die Belegschaften des Konzerns passe »kein Blatt«.

Wie das gegenseitige Ausspielen der Standorte bislang funktionierte, konnte man am Vortag beobachten, als der Co-Chef des Mutterkonzerns EADS, Tom Enders, bei einem Gespräch mit Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) der deutschen Öffentlichkeit eine Beruhigungspille nach der anderen verabreichte, und Airbus-Chef Christian Streiff zugleich in Paris vor die Presse trat – mit entgegengesetzten Nachrichten. Während sich Enders in Berlin für den Erhalt aller deutschen Standorte aussprach und erklärte, Hamburg – samt A 380 – bleibe einer der wichtigsten Produktionsstätten, betonte Streiff gegenüber Le Monde, die Verlagerung der A380-Fertigung werde weiterhin erwogen und sei eine »offene Frage«. Der Airbus-Chef zog dann eine völlig neue Variante aus dem Ärmel: Demnach könnten im Tausch gegen den A380 nun die Flugzeugklassen A330 und A340 nach Hamburg wechseln. Bislang war stets nur von einem möglichen Wechsel des Verkaufsschlagers A320 die Rede. Doch das bringt Arbeitsplätze in Frankreich in Gefahr, weshalb die französischen Gewerkschaften gegen einen solchen Plan erbitterten Widerstand ankündigten.

Gleiches taten nun jedoch auch die deutschen Belegschaftsvertreter. »Wenn jemand versucht, ein Projekt wie den A380 aus Hamburg abzuziehen, dann wird er spüren, was Hamburg auf die Beine stellen kann«, drohte Niehus. In einem Positionspapier des GBR heißt es allerdings, man wolle den Dialog mit der Unternehmensspitze »konstruktiv führen, ohne dabei Grundpositionen aufzugeben«.

http://www.jungewelt.de/2006/10-07/052.php

Anmerkung: Zum Thema Airbus habe ich viele Beiträge verfasst. Analytisch darüber hinaus geht aber ein Beitrag meines Kollegen Winfried Wolf. Da dieser Online nur bedingt zu lesen ist, füge ich hier eine PDF-Datei hinzu. Der Beitrag schildert, wie wahnsinnig das ganze A 380 Projekt von Anfang an gewesen ist …

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Sparbeschlüsse des Verwaltungsrates zu Lasten der Beschäftigten

Der Verwaltungsrat des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS wollte gestern über das Sanierungsprogramm »Power 08« für die Flugzeugtochter Airbus entscheiden. Heute soll das Management informiert werden.

Mit einem rigorosen Sparprogramm will der Airbus-Mutterkonzern EADS den weltweit größten Hersteller von Passagierflugzeugen aus der Krise führen. Der Sanierungsplan, der seit Freitag im Verwaltungsrat diskutiert wird, soll nach Informationen der französischen Wirtschaftszeitung »Les Echos« auch Produktionsverlagerungen und -ausgliederungen für die 17 europäischen Airbuswerke mit ihren 57 000 Mitarbeitern vorsehen. So soll das Hamburger Werk, wo rund 12 000 Beschäftigte arbeiten, sein neues A380-Auslieferungszentrum im Tausch gegen Produktionsanteile am A320 schon wieder verlieren. Damit wäre auch die Landebahnverlängerung, die die Hansestadt nach jahrelangem Rechtsstreit mit Anrainern gerade erst durchgesetzt hat, überflüssig. Die A380-Produktion würde vollständig auf Toulouse konzentriert, wo die Konzernspitze heute Nachmittag 400 Top-Manager über Details des Sparprogramms informieren will.

Es regen sich bereits Proteste. In Toulouse fürchten Belegschaftsvertreter und die Gewerkschaft CGT einen Arbeitsplatzverlust für 1400 Mitarbeiter, weil hier die A320-Familie bisher 90 Prozent aller Bestellungen ausmachte. Widerstand gibt es aber auch in Hamburg, wo derzeit A380-Rumpfsegmente gebaut sowie der Innenausbau und die Endlackierungen für das mit bis zu 853 Sitzplätzen weltweit größte Passagierflugzeug erfolgen. Die Hansestadt hat für das Auslieferungszentrum zudem fast 800 Millionen Euro, vor allem für Flächenerweiterungen, investiert. Der frühere grüne Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch, der jetzt in der Wahlalternative WASG aktiv ist, spricht davon, dass sich die Hamburger Wirtschaftspolitiker haben abzocken lassen.

Auf die Einhaltung von Verträgen pocht Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal. Der CDU-Politiker forderte Anfang der Woche, dass der Bund direkt bei EADS einsteigt, um so deutsche Interessen besser zu sichern.

Selbst wenn es Uldall noch gelingt, einen GAU abzuwenden, dürften in Hamburg hunderte Arbeitsplätze zur Disposition stehen. Stellen sind zudem an den Produktionsstandorten Stade, Buxtehude und Nordenham gefährdet, die auf einer Streichliste der EADS-Manager stehen sollen. Bis zu 30 Prozent der Airbus-Produktionskapazitäten sollen an Fremdfirmen, mittelfristig auch in Niedriglohnländer wie Russland und China, ausgegliedert werden. So sollen die eigenen Kosten um jährlich etwa 2 Milliarden Euro sinken.

Doch diese Summe muss Airbus allein für Vertragsstrafen kalkulieren, die sich aus den Auslieferungsverzögerungen beim A380 ergeben. Softwareprobleme hatten nach Angaben von Airbus-Chef Christian Streiff dazu geführt, dass Produktionskomponenten nicht zusammenpassten. Verzögerungen gab es aber auch beim Langstreckenflugzeug A350 und beim Militärtransporter A400 M, weshalb CGT-Gewerkschafter vor Einsparungen von bis zu zehn Milliarden Euro bis 2011 warnen.

Analysten argumentieren, Airbus müsse billiger und effektiver werden, da sonst Fluggesellschaften wie Virgin Atlantic oder Air France zum Konkurrenten Boeing wechseln könnten. Dies zu prüfen, hat am Dienstag die Fluggesellschaft Emirates, die mit 43 Bestellungen für den A380 größter Kunde des Super-Airbus ist, schon angekündigt. Dies war eine Reaktion auf die Ankündigung weiterer Verzögerungen um zehn Monate bei der Auslieferung des A380. Das erste Exemplar wäre im August 2008 verfügbar.

Arbeitsplätze sind außer an den Produktionsstandorten auch in der Zuliefererindustrie in Gefahr. Die kleineren Firmen haben Entwicklungskosten häufig vorfinanziert, während Airbus erst nach Auslieferung der Flugzeuge zahlt. Branchenkenner spekulieren, dass Airbus europaweit die Anzahl seiner Zulieferer von gegenwärtig 10 000 auf rund 7000 senken will.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=97972&IDC=3



Managementfehler beim europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern könnten Tausende den Job kosten

Am heutigen Mittwoch nachmittag wird der Verwaltungsrat des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS dem Gesamtbetriebsrat in Toulouse Einzelheiten seines Sanierungsprogramms zur Airbus-Krise vorlegen. Denn obwohl die Spitzenmanager schon seit Freitag hinter verschlossenen Türen in Amsterdam beraten, konnte das international besetzte Betriebsratsgremium wegen des »Tags der Deutschen Einheit« selbst bisher nicht zusammentreten. Es wird eine brisante Sitzung, denn geplant sind Einsparungen in Milliardenhöhe, wie die französische Zeitung Les Echos erst am Montag berichtete. Demnach sollen alle europäischen Airbus-Werke von Produktionsverlagerungen und massivem Personalabbau betroffen sein. Alarmstimmung herrscht nun auch in Hamburg, wo rund die Hälfte der etwa 22000 deutschen Airbus-Mitarbeiter arbeiten. Durchgedrungen war zuvor, daß die Konzernmanager den Großraumjet A 380 am liebsten nur noch in Toulouse bauen und ausliefern lassen möchten, um so die Produktionsabläufe zu straffen. Das aber wäre auch das Ende für das neue A-380-Auslieferungszentrum in Hamburg, für das die Hansestadt zuletzt eine umstrittene Landebahnverlängerung gegen den Widerstand betroffener Anrainer auch mit Enteignungen durchsetzte.

GAU für Hamburg?

Kein A-380-Auslieferungszentrum in Hamburg? Wirtschaftspolitisch wäre das eine Katastrophe, denn um Flächen für den Werksausbau und die verlängerte Landebahn zur Verfügung zu stellen, hat die Stadt inzwischen fast eine Milliarde Euro ausgegeben. Für WASG-Vertreter Norbert Hackbusch, der den Airbus-Werksausbau schon als früherer Bürgerschaftsabgeordneter der Gruppe »Regenbogen« heftig kritisiert hatte, haben die Wirtschaftspolitiker von SPD und CDU damit nicht nur viel Geld, sondern auch das »Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch und ein halbes Dorf im Poker um die Landebahnverlängerung verzockt«. Demgegenüber pocht Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) auf »vertragliche Vereinbarungen«. Doch sicher ist sich Uldall damit offenbar nicht. Auch er befürwortet nun eine direkte Beteiligung des Bundes an EADS, um so einen besseren Interessenausgleich zwischen deutschen und französischen Standorten zu sichern. Doch selbst wenn der »Super-GAU« so für die Hansestadt doch noch abzuwenden ist, kann ein massiver Personalabbau offenbar nicht mehr verhindert werden. Bis zu 15 Prozent der Airbus-Produktionskapazitäten sollen an Billiglohnländer wie Rußland und China vergeben werden, wofür der Einstieg von russischem Kapital bei EADS und die Vorbereitung einer A-320-Fertigungsstraße in China gerade recht kommen. Weitere 30 Prozent der Airbus-Kapazitäten sollen an europäische Fremdfirmen ausgegliedert werden, weshalb Les Echos nun auch berichtete, daß mindestens sieben europäische Airbus-Standorte, darunter die in Stade, Buxtehude und Nordenham, direkt zum Verkauf anstünden. So sollen die Produktionskosten um jährlich etwa zwei Milliarden Euro gedrückt werden.

Vertragsstrafen drohen

Doch diese Summe entspricht lediglich dem, was Airbus an Vertragsstrafen für die Auslieferungsverzögerungen beim A 380 wird zahlen müssen. Softwareprobleme hatten dazu geführt, daß die in Hamburg produzierten Spezialkabel schlicht zu kurz waren. So werden nach Angaben des neuen Airbus-Chefs Christian Streiff auch 2007 nur vier Maschinen ausgeliefert werden können. Produktionsverzögerungen gab es aber auch beim Langstreckenflugzeug A 350 und dem Militärtransporter A400 M, wodurch weitere Kosten in Milliardenhöhe entstehen werden. Wegen dieser Managementfehler muß Airbus nun billiger und schneller werden, weshalb die französische Gewerkschaft CGT inzwischen erwartet, daß bis 2011 jedes Jahr mindestens eine Milliarde Euro »eingespart« wird, um doch noch den Profitinteressen der Eigner gerecht zu werden. Andere Beschäftigtenvertreter sprechen gar von zehn Milliarden Euro, weil Fluggesellschaften wie Air Emirates, Virgin Atlantic oder die Air France andernfalls zur US-amerikanischen Boeing-Konkurrenz wechseln könnten, die nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Produktivität für Großraumflugzeuge Airbus inzwischen längst eingeholt hat.

Doch nicht nur die Arbeitsplätze eines Teils der rund 57000 europäischen Airbus-Beschäftigten sind gefährdet – allein in Toulouse sollen 1400 Zeitarbeitsverträge nicht verlängert werden. Auch in der Luftfahrtzulieferindustrie, die häufig Risikopartnerschaften eingegangen ist und einen Teil ihrer Entwicklungskosten für die Fertigung von Airbus-Komponenten vorfinanziert hat, stehen Jobs auf dem Spiel. Allein in Hamburg könnten dadurch Hunderte weitere Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Europaweit will EADS die Anzahl seiner Zulieferer von derzeit 10000 auf rund 7000 senken.

http://www.jungewelt.de/2006/10-04/043.php

http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/alarmstimmung-bei-eads/



Hamburger Wirtschaftssenator treibt Elbvertiefung für Hafenausbau voran und ignoriert unkalkulierbare Risiken

In Hamburg hat die städtische Hafenentwicklungsgesellschaft Port Authority am Mittwoch einen Antrag auf Planfeststellung der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe bei den zuständigen Behörden eingereicht. Dies sei ein großer Schritt für die weitere Zukunftsfähigkeit des Hafens, schwärmte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU), der nun den Fluß bis zur Mündung bei Cuxhaven um einen bis 1,50 Meter vertiefen will. Damit könnten auch Containerriesen mit einem Tiefgang von 14,50 Metern den Hafen erreichen, während bis jetzt bei 13,50 Metern Schluß ist.

Doch der Naturschutzbund (NABU) warnt vor erhöhten Sturmflutgefahren, die diese nun fünfte Elbvertiefung bringen würde. Zudem sei eine weitere Verschlackung ökologisch wertvoller Flachwasserbereiche sowie der Yacht- und Überseehäfen zu befürchten. Nun prüfen die Naturschützer, ob sie Widerspruchsverfahren einleiten können.

Das aber könnte für die Wirtschaftsbehörde zu erheblichen Problemen führen. Nach eigenen Angaben erwarten die Reeder von ihr, das geplante Vorhaben bis Ende 2009 abzuschließen. Auch die Zuschüsse des Bundes, der zwei Drittel der Gesamtkosten von rund 330 Millionen Euro tragen will, sind nur auf diesen Zeitraum bezogen. Gleichzeitig bestehen Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf Ausgleichsfonds für Verschlackungsschäden in ihren eigenen Elbehäfen und für die Sicherheit ihrer Deiche. Die Einrichtung dieser Fonds hat Hamburg zwar zugesagt, doch über die genaue Höhe muß noch verhandelt werden.

Von einem »Vabanquespiel« spricht deshalb Christian Maaß, Umweltpolitiker der Hamburger Grünen. Er verweist darauf, daß noch nicht einmal die mit der letzten Elbvertiefung von 1999 zugesagten ökologischen Ausgleichsmaßnahmen vollständig realisiert worden sind.

Unkalkulierbar sind vor allem die Folgekosten für die Deichsicherung, da durch klimatische Veränderungen bereits jetzt mit einem weiteren Anstieg des Spiegels der Nordsee zu rechnen ist. Darüber hinaus erhöht sich mit jeder Fahrrinnenvertiefung der Pegelstand der Elbe bei Sturmfluten.

Abgesehen davon bezweifelt der NABU auch die ökonomische Notwendigkeit einer weiteren Elbvertiefung. Die Wirtschaftsbehörde hatte die geplante Maßnahme nur mit angenommenen, künftigen Entwicklungen bei der Größe der Containerschiffe begründet. Dies ersetze nicht eine dringend notwendige echte Kosten-Nutzen-Analyse, sagte Hamburgs NABU-Vorsitzender Rolf Bonkwald. Er fordert ein gemeinsames Hafenkonzept für Norddeutschland, was auch einen Ausbau von Cuxhaven und Wilhelmshaven einschließe.

http://www.jungewelt.de/2006/09-14/012.php



Deutscher Standort ist keineswegs gesichert

Bricht Airbus sein Versprechen, ein Auslieferungszentrum für den A 380 in Hamburg zu bauen? Seit der neue Airbus-Chef Christian Streiff dieser Tage einen Einstellungsstopp für alle Airbus-Werke verkündete, grassiert in der Hansestadt dieses Gerücht.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hat bestätigt, dass die Gefahr »einer veränderten Arbeitsteilung zwischen Toulouse und Hamburg« bestehe, der er sich aber energisch widersetzen werde. Also kein Auslieferungszentrum für Hamburg? »Das wäre ein beispielloser Affront«, sagte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, Jens Kerstan. Er schoss sich Donerstagnachmittag schon mal auf den Senat ein. Dieser hätte dem Forderungsdruck der Airbus-Spitze in Toulouse immer wieder und zu schnell nachgegeben, kritisierte Kerstan und nannte die Landebahnverlängerung für das Airbus-Werk. Ultimativ hatte Toulouse diese gefordert, damit auch Frachtversionen des A 380 starten und landen könnten. Schärfer reagieren Naturschützer. Sie fordern einen sofortigen Baustopp.

Dass die Airbus-Spitzen für den Hamburger Standort keineswegs entschieden sind, hätte schon im Juni 2006 klar werden können. Damals gab der frühere EADS-Konzernchef Noël Forgeard auch Hamburg eine Mitschuld, dass Liefertermine nicht eingehalten werden konnten und Großkunden mehrere bestellte A 380 stornierten. Branchenkennern zufolge hatten auch Abstimmungsprobleme zwischen einzelnen Produktionsstandorten die Lieferengpässe verursacht. Streiff verkündete nun ein »A-380-Aufholprogramm«, doch wie die Produktion gestrafft werden soll, wird Ende September in Toulouse entschieden.

Dabei kostet allein die Landebahnverlängerung 60 Millionen Euro. Ihr Ausbau hat erst kürzlich begonnen, weil sich Anrainer jahrelang weigerten, ihre Grundstücke zu verkaufen. Weitere 750 Millionen Euro musste die Stadt zuvor für die Zuschüttung einer großen Elbbuchtung berappen, mit der zugleich ein großes Naturschutzgebiet (das Mühlenberger Loch) weitgehend vernichtet wurde. Grund waren die Pläne, neue Produktionshallen für die Endlackierung und Ausrüstungsmontage des A 380 zu bauen.

So hat Uldall Recht, auf Vereinbarungen mit der Konzernspitze zu pochen. Doch solche haben die Airbus-Manager schon einmal gebrochen, als sie nach der Zuschüttung etwa die Landebahnverlängerung zur Bedingung machten. Auch die ist nun erfüllt. Trotzdem ist in Toulouse nichts entschieden, wie Firmensprecher Arndt Hellmann gegenüber dem »Hamburger Abendblatt« bestätigte. Er gehe zwar davon aus, dass das Auslieferungszentrum komme, doch wo dem Spardruck nachgegeben werden könne, vermochte er nicht zu sagen.

Allein die Stornierungen hätten bei Airbus ein 300-Millionen-Euro-Loch gerissen, berichtete die französische Zeitung »La Tribune«. Kostendruck sei zudem entstanden, weil Boeing seinen Jumbojet 747-8 zu einem wirklichen Konkurrenzmodell zum A 380 ausgebaut hat. Ausführlich berichtete das Blatt auch vom Ausbau des neuen A-380-Auslieferungszentrum in Toulouse, das bald fertig gestellt werden könne. In Hamburg wird hingegen noch bis Juli 2007 allein an der Landebahnverlängerung gebaut.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=96806&IDC=3