Krisenstimmung im Hamburger Rathaus: Das neue Auslieferungszentrum für den Airbus 380 ist in Gefahr
Einen festen Zeitplan hatte Hamburgs Senat für die von Airbus geforderte Verlängerung der Landebahn im Flugzeugwerk Finkenwerder mit dem Konzern bereits beschlossen: um 589 Meter sollte die 2,68 Kilometer lange Landebahn erweitert werden. Doch am 9. August entschied das Hamburger Oberverwaltungsgericht, dass die dafür notwendige Enteignung von 15 Grundeigentümern unrechtmäßig sei. Airbus – samt dem neuen Auslieferungszentrum A 380 – käme auch ohne eine Landebahnverlängerung aus. Nur die Frachtflugzeuge des neuen A 380 könnten hier nicht landen, für diese wenigen Flugzeuge sei aber der Lufthansa-Airport eine durchaus denkbare Alternative.
Airbus-Konzernchef Noel Forgeard knüpft seine Zustimmung für ein Auslieferungszentrum in Hamburg dennoch weiter an die Landebahnverlängerung. Bestünde diesbezüglich bis Ende Oktober keine Planungssicherheit, so sagte er es dem nach Toulouse geeiltem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), entscheide sich Airbus neu.
170 Hektar Natur sind schon zugeschüttet
Für dieses Auslieferungszentrum hat Hamburg 170 Hektar des Mühlenberger Lochs – ein großes Naturschutzgebiet – zugeschüttet. 750 Millionen Euro kostete das die Stadt. Nichts war dem Senat zu teuer um den A 380 nach Hamburg zu holen. Bis vor drei Jahren schien selbst die Endmontage des A 380 eine Option für Hamburg. 10 000 Arbeitsplätze sollten so entstehen. Doch diese Endmontage, das stand schnell fest, geht nach Toulouse. Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) musste deshalb seine Schätzungen immer wieder korrigieren. Zum Schluss ist er bei 2 000 neuen Arbeitsplätzen gelandet. Filmregisseur Hark Bohm – einer der prominentesten Kritiker des Projekts – bezweifelt selbst dies. Neue Arbeitsplätze – so Bohm – entstünden vor allem bei kleineren Modellreihen, während das Auslieferungszentrum selbst „maximal“ 100 bis 150 brächte.
Airbus-Werk bekam Status der Gemeinnützigkeit
Die Landebahnverlängerung wurde erst öffentlich, als das Mühlenberger Loch bereits zugeschüttet war. Weitere 56 Millionen Euro kostet das nun. Zur Befriedung auch dieses Wunsches beschloss eine große Allparteienkoalition noch vor den Wahlen dem Airbus-Werk per Gesetz den Status der Gemeinnützigkeit zu verleihen. Eine Enteignung der Grundeigentümer schien so besser möglich. 236 Anrainer bildeten darauf hin die Klagegemeinschaft „Schutzbündnis für die Elbregion“. An der Spitze steht die Obstbäuerin Gabi Quast, deren Familie hier schon in der elften Generation ansässig ist.
Dem Bündnis geht es um ein großes Obstanbaugebiet und um das 943 Jahre alte Dorf Neuenfelde. Nun aber sollen rote Backsteinhäuser und Apfelbaumplantagen weichen. Immer wieder verwiesen die Anrainer darauf, dass die Landebahnerweiterung gar nicht nötig sei. Ihre Heimat für vage Zukunftsplanungen zu opfern, kam für sie nicht in Frage.
Eigner wollen sich nicht kaufen lassen
So war es kein Wunder, dass der Senat auch bei weiteren Initiativen auf Widerstand stieß. Nach verlorener Gerichtsschlacht dachten sich die Hamburger Politiker das, was sie immer denken: alles ist eine Frage des Preises. So verdreifachte der Senat sein Kaufangebot für die begehrten Grundstücke auf satte 61,50 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig aber setzte er die Bedingung, dass die nun bis 1. Oktober verkauft haben. Doch sieben dieser Eigner sind Teil des Schutzbündnisses. Sie hielten an ihrer Entscheidung fest: „Wir bleiben, wo wir sind.“
Ole von Beust: „Es geht um nationale Interessen“
Seitdem herrscht hektische Betriebsamkeit im Rathaus. Am 12. Oktober trat Ole von Beust schließlich vor die Landespressekonferenz. 100 Journalisten drängten sich im Raum 151 des Rathauses. So voll war es seit der Entlassung von Schill nicht mehr. Beust zog alle Register: Es gehe um „nationale Interessen“, denn nur noch in wenigen Bereichen könnten wir „weltweit mithalten“. Dazu zähle die Luftfahrtindustrie. Hier gehe es nicht um einen Kampf „David gegen Goliath“, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der ganzen Welt.
Ganz der Stadtvater, gab es aber auch warme Worte des Verständnisses: Legitim und nachvollziehbar sei der Widerstand gewesen. Nun aber müsse Schluss sein, denn die „Glaubwürdigkeit des Landes als internationaler Industriestandort“ sei sonst erschüttert.
Definitiv sei dies die letzte Werkserweiterung, so der Bürgermeister, der nun selbst eine Bestandsgarantie für das Dorf abgeben wollte. Gute Nachbarschaft will auch Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken. Drei Millionen Euro spendet er dem Dorf, vorausgesetzt die Grundstücke werden endlich verkauft. Zuschüsse für die freiwillige Feuerwehr und den Sportverein seien möglich. Was, so fragt Gabi Quast, sei aber eine Bestandsgarantie wert, wenn Airbus selbst diese nicht gebe? Und auch die Spende des Konzerns konnte das Dorf nicht wirklich erfreuen. John-Henry Köster vom Vorstand der Kirchengemeinde bringt es auf den Punkt: „Was soll eine Gemeinde mit Geld, wenn sie keine Gemeinde mehr hat.“
Mit EADS auf Augenhöhe zu US-Amerikanern
Ändert sich an der Haltung der Eigner bis Ende Oktober nichts, könnte der Stadt eine große Subventionspleite drohen. Auf der anderen Seite bildet aber die Luftfahrtindustrie nicht zufällig ein Prioritätsprojekt Deutsch-Französischer Zusammenarbeit. Hier besteht eine enge Symbiose zur Rüstungsindustrie.
Airbus gehört zu zwei Dritteln der „European Aeronatic Defence and Space Company“ (EADS), die den Kern eines neuen militärisch-industriellen Komplexes darstellt. Über die Vereinigung der deutschen DASA (Daimler Crysler und die Deutsche Bank) mit dem französischen Rüstungskonzern „Aerospatiale Matra“ ist ein Konzern entstanden, der insbesondere von staatlichen Subventionen wie Rüstungsaufträgen lebt, ja dafür geschaffen wurde. „Mit EADS sind die Europäer endlich auf Augenhöhe mit den Amerikanern“ schwärmte der damalige Co-Chef von EADS Rainer Hertrich schon bei der Gründung des europäischen Riesen. Kürzlich konnten sogar Nautikaufträge aus dem Pentagon übernommen werden.
Träumt Ole von Beust schon vom Airbus 400 M?
Zum Produktionsprogramm der Airbus gehört auch das neue Militärtransportflugzeug A 400 M. Ist es nicht denkbar, dass Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, nach verlorener Schlacht mit den Bauern – und mit bekannt unschuldiger Miene – dann von Verhandlungen mit Konzernchef Forgeard zurückkommt, um die Übernahme der Produktion des A 400 M oder bestimmter Komponenten daran zu feiern? Im benachbarten Bremen wird darüber schon spekuliert. Jedenfalls ist es schwer vorstellbar, dass 750 Millionen Euro staatlicher Subventionen und 600 Millionen Euro betrieblicher Investitionen einfach so in den Sand gesetzt werden.
http://www.dkp-online.de/uz/3643/s0604.htm
DORF AUF DER ROLLBAHN
In Sachen Flughafenerweiterung für das Airbus-Werk droht Hamburg eine große Subventionspleite
Dort, wo es in Hamburg nach Elbe riecht und der Wind auf die Deiche drückt, ist das größte Werk von Airbus Deutschland. Hier soll das Auslieferungszentrum A 380 entstehen. 170 Hektar des Mühlenberger Lochs – als Süßwasserwatt ein großes Naturschutzgebiet – wurden dafür zugeschüttet. 750 Millionen Euro kostete das die Stadt. Doch nichts ist zu teuer, um das „Flaggschiff des 21. Jahrhunderts“ an die Elbe zu holen.
Eigentlich war die Endmontage des A 380 Ziel- und Ausgangspunkt für diese Subvention. Doch die geht ins südfranzösische Toulouse zum Sitz der Konzernzentrale. Für das Auslieferungszentrum sind der Innenausbau und die Lackierung der Flugzeuge vorgesehen. 1.550 Flugzeuge des A 380, davon 350 Frachter, will Airbus in den kommenden 20 Jahren verkaufen. Der Konkurrenzkampf mit Boeing scheint damit entschieden. Deren Jumbo-Jet 747 erreicht nicht annähernd die Kapazitäten des A 380, der mit einem Rumpf von 73 Metern neun Meter länger ist. Zahlreiche Fluggesellschaften haben bereits das 555 Passagiere tragende Super-Flugzeug bestellt.
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sieht die Hansestadt so in einer Reihe mit den wichtigsten Standorten des europäischen Flugzeugbaus. Von 10.000 neuen Arbeitsplätzen war in den Neunzigern die Rede. Heute spricht Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) nur noch von 2.000. Doch auch das ist umstritten. Experten sagen: vor allem bei kleineren Modellreihen entstünden neue Arbeitsplätze.
Der Subventionswahnsinn kennt keine Grenzen. Kaum war der Widerstand der Naturschutzverbände gebrochen, entstand ein neuer Kriegsschauplatz. Damit auch die Frachtversion des A 380 und noch größere künftige Varianten des Flugzeugs landen können, soll die Landebahn um 589 Meter verlängert werden. Damit stehen Teile des angrenzenden Obstanbaugebietes und des Dorfes Neuenfelde zur Disposition. Die Familien, die hier ansässig sind, haben ihre Betriebe über viele Generationen errichtet. Kommt die Landebahn ins Dorf, müssen rote Backsteinhäuser und Apfelbaumplantagen weichen.
Um dies zu erreichen, beschlossen CDU, Schill-Partei, FDP und SPD noch vor der Wahl ein neues Gesetz. Das Airbus-Projekt errang – ein einmaliger Vorgang – den Status der Gemeinnützigkeit. So konnten die Rechtsansprüche der Ausbaugegner so weit gemindert werden, dass Enteignungsverfahren für die Grundstücke – unmittelbar betroffen sind 15 Eigentümer – möglich wurden. 236 Anrainer schlossen sich zu einer Klagegemeinschaft, dem „Schutzbündnis für die Elbregion“ zusammen. An der Spitze steht Gabi Quast, Frau des Obstbauern Cord Quast und hier in der elften Generation zu Hause. Und siehe da: In letzter Instanz gab das Oberverwaltungsgericht am 9. August 2004 den Anrainern recht. Mögliche zukünftige Entwicklungen seien kein Kriterium für das deutsche Planungsrecht. Just verdreifachte der Senat nun sein Kaufangebot und bot satte 61,50 Euro pro Quadratmeter, sollten die benötigten Grundstücke bis 1. Oktober verkauft sein. Doch die Mehrheit der Eigner blieb standhaft. Ihre Heimat aufzugeben, kommt für sie nicht in Frage.
Krisenstimmung herrscht seitdem im Rathaus, denn Hamburg hat längst den Zeitplan mit Airbus vertraglich geregelt. Eilig flog der Bürgermeister nach Toulouse, um bei Konzernchef Noel Forgeard für gute Laune zu sorgen. Der setzte ein Ultimatum: Bestehe nicht binnen vier Wochen Planungssicherheit, könne sich der Konzern auch andernorts umsehen. Hektische Betriebsamkeit setzte ein. Von Beust trat am 12. Oktober vor die Landespressekonferenz. Er zog alle Register: Es gehe um „nationale Interessen“, denn „industriell ist Deutschland eine Wüste“. Nur noch in wenigen Bereichen könnten wir „weltweit mithalten“. Dazu zähle die Luftfahrtindustrie. Hier gehe es nicht um ein paar Obstbauern, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. Dann wandte sich der Regierungschef an seine Bürger in Neuenfelde: Legitim sei der Widerstand gewesen, Verständnis habe er für sie. Aber nun müsse Schluss sein, denn sonst sei die „Glaubwürdigkeit des Landes als internationaler Industriestandort“ erschüttert. Für das Dorf will Beust eine Bestandsgarantie geben. Gute Nachbarschaft wünschte sich auch Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken. Drei Millionen Euro will er dem Dorf spenden, vorausgesetzt die Grundstücke werden verkauft.
Doch das Schutzbündnis reagiert abwehrend: Was, so fragt Gabi Quast, sei eine Bestandsgarantie wert, wenn Airbus selbst diese nicht gebe sondern der Bürgermeister? Der Gemeinschaftsfonds von Airbus löste Spott aus. Das Geld reiche gerade für die entstandenen Schäden. Zwei Jahre donnerten LKWs über den Nincoper Deich, um das Mühlenberger Loch zuzuschütten. Anrainer Franz-Josef Oberließen spricht von einer „Lachnummer“. Gabi Quast bringt es auf den Punkt: das Dorf soll „gespalten werden, damit wir kapitulieren“. Das aber komme nicht in Frage.
Die Springerpresse verbreitet jetzt Panik. So sei die Stadt im internationalen Wettbewerb erledigt. Auch die ehemaligen (SPD-) Stadtoberhäupter appellieren öffentlich und unter dem Motto „Helft Hamburg“. „Neutrale Vermittler“ werden vorgeschlagen. Doch nach wie vor will die Mehrheit der Eigner nicht verkaufen. Ändert sich daran bis Ende Oktober nichts, droht der Stadt eine große Subventionspleite.
http://www.freitag.de/2004/44/04440201.php
Vom Kampf des Hamburger „Kita-Bündnisses“
Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 „einsparen“. Gleichzeitig will der Senat aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. Mit weniger Geld mehr Plätze? Entlassungen, Gehaltskürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen befürchten die 9 500 Mitarbeiter. Eltern, Erziehungswissenschaftler und die GEW warnen vor einem Qualitätsverlust in der frühkindlichen Bildung. Sie sagen: Insbesondere Kinder aus sozial schwachen Familien fallen schon jetzt durchs Raster. Der Unmut ist groß. In Betriebsversammlungen, Aktionen und Demonstrationen formiert sich Widerstand. 8 000 Mitarbeiter, Eltern und Kinder zogen Anfang September mit Losungen wie „Macht ihr erst die Kita platt, wächst nichts mehr in dieser Stadt“ vor das Rathaus. Doch die Verhandlungen zwischen den Trägern und der Sozialbehörde blieben ohne Ergebnis. Das Hamburger „Kita-Bündnis“ – in dem sich Betriebsräte und Vertreter vieler Träger zusammenschlossen – weitet nun seine Proteste aus.
Darum geht es: Seit dem 1. August 2003 gilt in Hamburg ein neues Kita-Gutscheinsystem. Eltern erhalten einen Gutschein, auf dem die Leistung und die Anzahl der Betreuungsstunden vermerkt sind. Sie lösen diesen bei einer Einrichtung ihrer Wahl ein. Jeder Gutschein hat einen pauschalisierten Gebäude-, Personal- und Sachkostenwert, auch Entgelt genannt. Bei der Umstellung auf dieses System reagierten Initiativen und die oppositionelle SPD mit einem Volksbegehren. Standards sollten gesichert werden. Nach den Bürgerschaftswahlen schlossen CDU und SPD den „Kita-Kompromiss“. Vordergründig war von einer Ausweitung der „Rechtsansprüche für Kinder von Berufstätigen“ sowie des „Betreuungsanspruches für die Drei- bis Sechsjährigen von vier auf fünf Stunden“ die Rede. Da aber auch letzteres mit erhöhten Eigenleistungen der Eltern kombiniert ist, ergibt sich tatsächlich eine Abkehr von der Prioritätensetzung für sozial benachteiligte Kinder. Unklar blieb zudem, wie die Mehrkosten für die Ausweitung der Kita-Plätze zu finanzieren sind. Mitte des Jahres sprach Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) Klartext: Ihr gehe es nicht um Mehrkosten, sondern um eine Kürzung der Kita-Mittel. Nominell veranschlagte sie eine 50 Millionen-Haushaltskürzung, die sich aber schnell auf satte 80 Millionen hochrechnet, werden Mehrausgaben bei den Trägern aus der größeren Anzahl von Kita-Plätzen einberechnet.
Erreicht werden soll das „Sparziel“ vor allem durch eine Absenkung der Personalkosten. 49 Millionen sollen durch Stellenstreichungen und abgesenkte Löhne eingefahren werden. Bei der städtischen „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“ – hier sind rund die Hälfte der Kita-Plätze konzentriert – fürchtet der Betriebsrat deshalb um jede vierte Stelle. Erhebliche Kürzungen sind auch bei den Sachmitteln und den Gebäudekosten avisiert. Durch pauschalisierte Sätze werden zudem die kleineren Träger benachteiligt. Sie errechnen nun (völlig irreale) Gruppengrößen im Hortbereich von bis zu 31 Kindern, was viele tatsächlich in die Pleite führen würde.
Michael Edele, Verhandlungsführer der „Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände“ stellte hierzu fest: „Das Verhandlungsangebot der Behörde ist nicht akzeptabel. In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder können wir den Forderungen nicht entsprechen.“ Doch für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern, will die Senatorin gerüstet sein. Mit Hilfe eines „Einführungsgesetzes“ sollen neue Kostensätze den Trägern dann per Rechtsverordnung einfach diktiert werden. Am 27. Oktober steht das Gesetz in zweiter Lesung zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Um sich abzusichern gab die Sozialbehörde ein Rechtsgutachten in Auftrag. Doch nun wird dessen Veröffentlichung verweigert, sickerte doch durch, dass die bestellten Gutachter das Gesetz für rechtswidrig halten. Es sei nicht zulässig, bestimmte Ausstattungsstandards hinsichtlich Personal und Flächen einfach vorzugeben, wenn zugleich die Finanzierung den Bedarf nicht decke, so die trockene Bilanz namhafter Juristen.
Gleichzeitig lassen die Proteste der Erzieher und Eltern nicht nach. Nach einer Betriebsversammlung bei der „Vereinigung“ gingen erneut tausend Menschen auf die Straße. Sie wehrten sich gegen die Pläne ihres eigenen Geschäftsführers Dr. Martin Schaedel, der – dem Senat zum Wohlgefallen – bereits Kürzungen im hauswirtschaftlichen Bereich ankündigte und Tarifstrukturen in Zweifel zog. Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose vertritt hier eine klare Linie: „Wir werden nicht zum Vorreiter einer Dumpingspirale nach unten, auf die dann andere aufspringen und noch weitergehende Absenkungsforderungen stellen“, stellte Rose klar.
Kämpferisch gibt sich auch das Hamburger „Kita-Bündnis“, in dem sich die Betriebsräte der großen Träger, Vertreter kleinerer Träger und Elterverbände vereinigt haben. Das Bündnis fordert die Vielfalt der Einrichtungen und damit verbundene Wahlmöglichkeiten für Eltern zu erhalten. Zudem sei jede Kürzung ein weiterer Schritt in Richtung sozialer Ausgrenzung, denn soziale Prioritäten bei der Aufnahme würden immer weiter zurückgedrängt. Um gut zu arbeiten, dürfe der Haushalt nicht gekürzt, sondern müsse erweitert werden. Vehement wendet sich das Bündnis gegen die Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und die vorgesehene Fremdvergabe des hauswirtschaftlichen Bereichs. Entlassungen will das Bündnis nicht hinnehmen. Sprecher Ronni Prieß erklärte gegenüber der UZ, dass nur mit verstärktem Protest ein Kurswechsel erreicht werden könne. Wörtlich: „Wenn am 22. Oktober um 17 Uhr im Rathaus die Expertenanhörung zum Thema stattfindet, dann sollte der Saal sehr voll sein. Und wenn wir am 26. Oktober erneut demonstrieren, dann sollten sich Tausende Hamburger diesem Protest anschließen.“
http://www.dkp-online.de/uz/3642/s0602.htm
Millionenangebot für Anrainer des Hamburger Werks
Im Streit um die Startbahnverlängerung am Airbus-Werk in Hamburg hat der Flugzeughersteller den Anwohnern die Einrichtung eines gemeinnützigen Fonds in Höhe von 3 Millionen Euro angeboten.
In der langjährigen Auseinandersetzung um die Verlängerung der Start- und Landebahn im Airbus-Werk Hamburg vollzieht die Landesregierung einen Strategiewechsel. Statt erneut die Grundeigentümer auf juristischem Weg zur Aufgabe ihrer Grundstücke zu zwingen, die für eine Landebahnerweiterung benötigt werden, machte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Dienstagnachmittag den Grundeigentümern ein Angebot. Von Beust betonte, ihm gehe es darum, »neues Vertrauen zu schaffen«.
Bereits im Juli war ein geplantes Enteignungsverfahren vom Oberlandesgericht untersagt worden. Die Stadt verdreifachte dann ihr Kaufangebot für die Grundstücke auf satte 61,50 Euro pro Quadratmeter. Doch die Mehrheit der Eigentümer weigert sich trotz des lukrativen Preises. Diese sehen nicht nur die gesamte Region ein großes Obstanbaugebiet , sondern auch den Fortbestand ihres Stadtteils Neuenfelde als gefährdet an.
Es bleibt unklar, ob Hamburg den Zuschlag als Auslieferungszentrum für das größte Passagierflugzeug der Welt erhält, denn Airbus-Chef Noel Forgeard hatte vor einer Woche ein Ultimatum gesetzt. Beim Besuch des Bürgermeisters in Toulouse forderte er binnen vier Wochen »Planungssicherheit«, ob die 2,68 Kilometer lange Startbahn um weitere 589 Meter verlängert werden kann. Geschehe dies nicht, so ergänzte Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken, könne sich der Konzern nach anderen Standorten umsehen. 1550 Maschinen der Modellreihe A380 wolle Airbus in den nächsten 20 Jahren verkaufen. Doch mit kurzer Piste gehe das Geschäft an Hamburg vorbei.
Bei dem neuen Angebot des Bürgermeisters geht es nicht nur um Geld. Die Vertrauensbasis mit den Anwohnern soll durch Gespräche wieder hergestellt werden. Von Beust will zusichern, dass die geplante Landebahnverlängerung die letzte in den nächsten 20 Jahren ist. Selbstkritisch räumt er ein, dass die Stadt Erweiterungspläne immer nur scheibchenweise veröffentlicht habe. Den Anwohnern sollen lukrative städtische Grundstücke angeboten werden. Schließlich wird auch das Angebot zum Aufkauf der Grundstücke noch einmal kräftig erhöht. Die dörfliche Gemeinschaft soll zudem mit einem gemeinnützigen Fond in Höhe von drei Millionen Euro geködert werden, den Airbus zur Verfügung stellt. Die Rede ist von Zuschüssen für die freiwillige Feuerwehr und den Sportverein. Auch Klagekosten will der Konzern den Bürgern ersetzen, entscheiden sich diese zum Verkauf.
Auf die Startbahnverlängerung will Airbus nicht verzichten. Über 750 Millionen Euro hat Hamburg bereits für Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben, um den A380 nach Hamburg zu holen. Für eine Werkserweiterung wurde das Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch zugeschüttet. Für die dann im Frühjahr geforderte Landebahnerweiterung hatte Hamburg, noch vor dem Entscheid des Oberverwaltungsgerichts einen Vertrag mit Airbus unterzeichnet. Gerät die Stadt jetzt in Verzug, wäre womöglich auch Schadensersatzklagen des Konzerns möglich.
Unterdessen halten sich Vertreter des »Schutzbündnisses für Hamburgs Elbregion« bedeckt. Die Obstbäuerin Gabi Quast steht den Angeboten des Bürgermeisters skeptisch gegenüber. Solange Airbus keine Bestandsgarantie für Neuenfelde abgebe, seien die Angebote des Bürgermeisters wertlos. Die Vertreterin des Bündnisses sieht im jetzigen Angebot eher den Versuch den öffentlichen Druck auf die Anwohner zu erhöhen, damit diese, so Quast wörtlich »kapitulieren«.
Das alles hätte vermieden werden können, wenn sich Airbus 1998 für den Produktionsstandort Rostock entschieden hätte. Der Produktionsstandort Laage bot genügend Platz. Doch mit der Hamburger Subventionspolitik konnten die Rostocker nicht mithalten.
Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=61188&IDC=3&DB=Archiv
Hamburger Senat will Volksbegehren gegen Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser ignorieren. Oppositionsparteien kritisieren zwar, wollen aber keinen Krach riskieren
Auf Aufforderung des Hamburger Verfassungsgerichts sollte die Hamburger Bürgerschaft am Donnerstag eine Stellungnahme zur Klage der Volksinitiative »Gesundheit ist keine Ware« abgeben. Die Klage war beim Verfassungsgericht eingereicht worden, um Senat und Bürgerschaft daran zu hindern, sich über ein Volksbegehren vom Februar dieses Jahres hinwegzusetzen. Eine Mehrheit von 76,8 Prozent der Wahlbevölkerung (darunter auch jeder zweite CDU-Wähler) hatte sich am 29. Februar gegen die Mehrheitsprivatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) mit 12 000 Mitarbeitern zugleich Hamburgs größter Arbeitgeber – ausgesprochen. (jW berichtete) Doch schon im Juli erklärte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), daß er sich rechtlich nicht gebunden fühlt. Mit dem Volksbegehren sei lediglich ein »Ersuchen« an Senat und Bürgerschaft formuliert worden.
In einer turbulenten Sitzung des Hamburger Parlaments erklärte SPD-Oppositionschef Michael Neumann dazu: Wer sich »so über die Entscheidung der Bürger unserer Stadt hinwegsetzt, treibt Menschen wie am Sonntag in Sachsen und Brandenburg in die Arme von NPD und DVU«. In einem Brief an alle 121 Abgeordneten forderten die Initiatoren des Volksbegehrens, unter ihnen Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm, diese dazu auf, dem Petitum des Senats nicht zuzustimmen. Die »Volksvertreter« sollten statt dessen »den Volksentscheid respektieren und umsetzen«, denn in Volksentscheidungen nehme das Volk die Funktion eines Verfassungsorgans wahr.
Allerdings sind die Chancen, daß sich Hamburgs Gewerkschaften mit dieser Rechtsauffassung vor Gericht durchsetzen, gering. Im Unterschied zu weiteren Volksbegehren, die sich gegen die Privatisierung der Berufsschulen und der Wasserwerke wehren und die vermutlich im Mai 2005 zu Volksentscheidungen führen, läßt die Gerichtsentscheidung vom Februar erheblichen Spielraum. Neben der sprachlichen Unklarheit als »Ersuchen« wandte sich das Begehren in der Tat nur gegen eine Mehrheitsprivatisierung der Krankenhäuser. Nun verscherbelt der Senat den LBK Schritt um Schritt, wobei das Ziel der Mehrheitsveräußerung an den privaten Klinikbetreiber Asklepios aber feststeht.
Schon im vorläufigen Verfahren hat sich das Verfassungsgericht auf den Standpunkt gestellt, das Volksbegehren erschöpfe sich tatsächlich in einer »unverbindlichen Aufforderung«. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert bewertete deshalb die Angriffe der Opposition als den Versuch, »die Rechte des Parlaments zu beschneiden«. Mit der Mehrheit seiner Fraktion werde das Parlament die Zurückweisung der Klage beim Verfassungsgericht beantragen.
Es ist absehbar, daß diese eher unter rechtlichen Gesichtspunkten geführte Debatte den Oppositionsparteien zwar absehbar die Möglichkeit bietet, sich als Sachwalter des Willens der Bevölkerungsmehrheit darzustellen, aber an der eigentlichen Entscheidung nichts ändert. Kritische Stimmen so auch aus der Gewerkschaftslinken fordern eine Politisierung des Konflikts. Nur mit einer breiten Mobilisierung sowohl der Mitarbeiter, als auch der Bevölkerung, gegen jegliche Form der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen könne die Auseinandersetzung gewonnen werden. Das aber wollen auch die Oppositionsparteien nicht.
Zudem: Sowohl im SPD-PDS-regierten Mecklenburg-Vorpommern als auch im benachbarten Schleswig-Holstein mit SPD und Grünen, sind viele Kliniken längst privatisiert. Selbst in der Chefetage des Hamburger DGB scheint ein Großkonflikt nicht wirklich gewollt zu sein, würde dabei doch schnell die Grundlinie der Politik aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien »Sparmaßnahmen« umzusetzen und den »Haushalt zu konsolidieren« ins Zentrum der Kritik geraten. Erhard Pumm ist eben nicht nur Hamburgs DGB-Chef, sondern auch Bürgerschaftsabgeordneter der SPD.
* Der Personalrat des LBK bittet um Unterstützung bei der öffentlichen Anhörung zum LBK-Verkauf am 30. September ab 17 Uhr im Gebäude der Handwerkskammer am Holstenwall
http://www.jungewelt.de/2004/09-25/016.php
Kitas sollen in der Hansestadt 50 Millionen Euro »einsparen«, aber 5000 Plätze mehr anbieten
Knapp zwei Wochen nach der Demonstration von 8000 Beschäftigten der Hamburger Kindertagesstätten am 2. September (jW berichtete), gingen am Dienstag abend erneut Mitarbeiter der Kitas in Hamburg auf die Straße. Zuvor hatte eine Personalversammlung der »Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten« stattgefunden, an der rund 2 400 Mitarbeiter teilnahmen. In der Vereinigung sind rund 4 800 der insgesamt 10 000 Beschäftigten im Bereich der Hamburger Kindertagesstätten beschäftigt. Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 »einsparen«. Gleichzeitig soll sich aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. So befürchten Hamburgs Erzieher drastische Verschlechterungen nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei ihren Arbeitsbedingungen und in den Standards der Kinderbetreuung.
Die Personalversammlung der städtischen Vereinigung sollte wie bei anderen Trägern auch bereits am 2. September stattfinden, war dann aber durch die Geschäftsführung untersagt worden. Für die Betriebsratsvorsitzende Irene Gröne ein Skandal, denn inzwischen sind Fakten geschaffen worden. In einem Brief an die Mitarbeiter im Hauswirtschaftsbereich (Küchen und Reinigungsdienste) kündigte Geschäftsführer Dr. Martin Schaedel Personalkürzungen insbesondere für diesen Bereich an. Darüber hinaus soll bei den Kita-Leitungen Personal eingespart werden. Aber auch im Bereich der Erzieher will Schaedel Fakten schaffen, um sich so in eine bessere Verhandlungsposition mit der Behörde zu setzen: Befristete Arbeitsverträge laufen aus, Versetzungen werden vorgenommen und die Vergütungen für das Personal nach Durchschnittswerten im Bereich der Kitas pauschalisiert. Wie Schaedel den entsetzten Mitarbeitern vorrechnete, kann dies zu Lohnkürzungen für einzelne Erzieherinnen von mehreren Tausend Euro im Jahr führen. Co-Geschäftsführerin Hedi Colberg-Schrader versuchte die angeheizte Stimmung mit einem Appell an das pädagogische Pflichtgefühl der Mitarbeiter zu besänftigen. Sie sollten trotz dieser extremen Kürzungen Standards der Kinderbetreuung nicht aufgeben. Sie erntete Pfiffe.
Die Kampfbereitschaft in den Kitas ist hoch. Ronni Prieß vom Bündnis der Hamburger Kita-Beschäftigten sprach bereits am 2. September von möglichen Streiks. In einem offenen Brief, der im Anschluß an die Demonstration der zuständigen Senatorin Birgit Schnieber-Jastram(CDU) übergeben wurde, forderte er nun dazu auf, endlich den Dialog mit den Mitarbeitern der verschiedenen Träger aufzunehmen. Prieß, der auch im Hamburger Sozialforum aktiv ist, gegenüber jW: »Der Zusammenhalt der Beschäftigten im Kita-Bereich ist heute so groß wie nie zuvor. Wir sind kampfbereit und werden diese Kürzungen nicht hinnehmen.«
http://www.jungewelt.de/2004/09-17/015.php
Erfolgreiches Begehren zu Volksentscheid gegen Privatisierung von Berufsschulen und Wasserwerken
Mit Einkaufswagen und Transparenten zogen am Dienstag morgen Lehrer, Eltern und Berufsschüler zum Hamburger Rathaus. Im Gepäck: 121000 Unterschriften unter dem Volksbegehren »Bildung ist keine Ware«. Bereits zuvor hatten die Initiatoren des parallel laufenden Volksbegehrens »Unser Wasser Hamburg« 147000 Unterschriften beim Landeswahlleiter abgegeben. 14 Tage zwischen dem 23. August und dem 6. September hatten die Initiativen Zeit, um die nach dem Hamburgischen Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheide nötigen Unterschriften zu sammeln. Nach dem seit 1996 gültigen Gesetz, ist ein Volksbegehren dann erfolgreich, wenn fünf Prozent der Wahlbevölkerung die Forderungen einer Initiative unterstützen. Das sind etwa 61000 Personen. Die Bürgerschaft hat nun drei Monate Zeit sich den Anliegen anzuschließen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Geschieht dies nicht, finden im Mai 2005 Volksentscheide statt, die rechtlich bindend sind.
Das Volksbegehren »Bildung ist keine Ware« richtet sich gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen, die in eine wirtschaftsorientierte Stiftung überführt werden sollen. Damit würden Vertreter der Handelskammer wichtigen Einfluß auf die Ausbildung gewinnen. Bereits im Juni hatte die GEW auf die Verfassungswidrigkeit des Vorhabens hingewiesen (jW berichtete). Im Auftrag der GEW hatte der Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Sterzel ein Gutachten erarbeitet. Dessen Kernaussagen: Entstaatlichung der Berufsschule hebelt die Grundsätze der dualen Berufsausbildung aus und widerspricht dem im Grundgesetz festgelegten staatlichen Bildungsauftrag. Nach Ansicht von Dr. Stephanie Odenwald, Landesvorsitzende der GEW, ist umfassende Bildung aber nur gewährleistet, »wenn die beruflichen Schulen uneingeschränkt bei den staatlichen Behörden bleiben«. Die Handelskammer will hingegen, daß »Lerninhalte besser an die Bedürfnisse der Praxis« angepaßt werden, womit der Wegfall allgemeinbildender Fächer und die Reduzierung des theoretischen Unterrichts auf reinen Fachunterricht gemeint ist.
Mit dem Volksbegehren »Unser Wasser Hamburg« will diese Initiative eine Privatisierung der Wasserwerke verhindern. Die Initiatoren befürchten eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität und erhebliche Preissteigerungen für die Verbraucher. Bewußt hatten beide Initiativen die Volksbegehren parallel durchgeführt, um sich beim Sammeln gegenseitig zu unterstützen. Besonders genau achteten die Initiativen auf die Formulierung ihrer Anliegen. »Bildung ist keine Ware« fordert unmißverständlich, »daß die beruflichen Schulen wie bisher unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Leitung und Verantwortung« verbleiben.
»Unser Wasser Hamburg« will, daß die öffentliche Wasserversorgung »weiterhin vollständig Eigentum« der Stadt bleibt. Beim Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser hatte die Gewerkschaft ver.di lediglich ein »Ersuchen« formuliert, zudem wurde eine Teilprivatisierung nicht explizit ausgeschlossen. Obwohl 77 Prozent aller Wähler sich gegen die Privatisierung am 29. Februar aussprachen, bot dies dem Senat die Möglichkeit, die rechtliche Bindung des Volksentscheids in Frage zu stellen. Ver.di muß nun eine Klage beim Verfassungsgericht einreichen.
Für Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sind die Volksbegehren eine erhebliche Niederlage, denn die Privatisierung der Berufsschulen gehört für ihn zu den »ehrgeizigsten Reformvorhaben« der Hamburger Regierung. Diese ist nun auf Eis gelegt.
http://www.jungewelt.de/2004/09-08/016.php
8000 demonstrierten in Hamburg gegen Ausverkauf der Kinderbetreuung
Die Kürzungspläne des Senats im Bereich der Kindertagesstätten (jW berichtete am Mittwoch) haben Hamburg die größte Kita-Demo seit 20 Jahren eingebracht. Mehr als 8 000 Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder zogen am Donnerstag abend durch die Innenstadt, um mit Losungen wie »Macht ihr erst die Kita platt, wächst nichts mehr in dieser Stadt« gegen die vorgesehenen »Einsparungen« in Höhe von 85 Millionen Euro zu protestieren. Schon zuvor zogen die Demonstranten sternförmig aus verschiedenen Stadtbezirken zum Jungfernstieg, um sich dort zu vereinigen. Ins Visier nahmen die Protestierer insbesondere Bürgermeister Ole von Beust (CDU), dem sie Wahlbetrug vorwarfen. Bereits vor der Demonstration war es in zahlreichen Einrichtungen zu Betriebsversammlungen gekommen, so daß die meisten Kindertagesstätten leer blieben. Erstmals war es gelungen, die Beschäftigten nahezu aller Träger der Kindertagesstätten zum gemeinsamen Handeln zu vereinen.
Ronny Pries vom Bündnis der Hamburger Kita-Beschäftigten und aktiv im Hamburger Sozialforum wies auf drohende Arbeitszeiterhöhungen, die Kürzung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie bevorstehende Stellenstreichungen hin. Darauf, so Pries, werde das Bündnis auch weiterhin reagieren mit Demos, Betriebsversammlungen und »demnächst auch Streiks«.
http://www.jungewelt.de/2004/09-04/011.php
Hamburger Senat will bei Kitas drastisch kürzen. Erzieher und Eltern fürchten unzumutbare Bedingungen
Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 »einsparen«. Gleichzeitig soll sich aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. Mit weniger Geld mehr Plätze? Hamburgs Erzieher fürchten drastische Verschlechterungen nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei ihren Arbeitsbedingungen und in den Standards der Kinderbetreuung.
Der Unmut ist so groß, daß schon am Abend des 26. August 700 Mitarbeiter unter lautstarkem Protest an einer Sitzung des Familienausschusses der Bürgerschaft teilnahmen. Für den 2. September haben die Mitarbeitervertretungen nun flächendeckend Aktionen und Demonstrationen angekündigt. Erstmals werden an diesem Tag fast alle Einrichtungen der Kinderbetreuung in der Hansestadt schließen.
Darum geht es: Seit dem 1. August 2003 gilt in Hamburg ein neues Kita-Gutscheinsystem. Eltern erhalten dabei einen Gutschein, auf dem die Leistung und die Anzahl der Betreuungsstunden vermerkt sind, und lösen diesen bei einer Einrichtung ihrer Wahl ein. Jeder Gutschein hat einen pauschalierten Gebäude-, Personal- und Sachkostenwert, auch Entgelt genannt. Bei der Umstellung vom Pflegesatz- auf dieses Gutscheinsystem hatten Sozialinitiativen, freie Träger und die oppositionelle SPD mit einem Volksbegehren reagiert, um vorhandene Standards zu sichern. Das Hamburger »Kita-Chaos« war eines der großen Themen, die zur Auflösung des alten CDU-FDP-Schill-Senats führten.
Nach den Wahlen im Frühjahr sagte die SPD das Volksbegehren im Alleingang einfach ab. Im »Kita-Kompromiß« mit der regierenden CDU setzte die SPD eine Ausweitung von Rechtsansprüchen für die Betreuung durch. So besteht ab 1. Januar 2006 ein Rechtsanspruch in der Kita-Betreuung für bis zu 14 Jahre alte Kinder von Berufstätigen. Schon ab 1. Januar 2005 wird für alle Drei- bis Sechsjährigen der Betreuungsanspruch von vier auf fünf Stunden ausgeweitet. Experten berechneten, daß damit schon für 2005 eine Steigerung bei den Kita-Plätzen von 50 000 auf 55 000 erforderlich ist. Nun wird um die Mehrkosten gestritten. Während die anbietenden Träger von zusätzlichen Mitteln ausgingen, will Hamburgs zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram, aber nicht aufstocken, sondern die Zuschüsse um 50 Millionen Euro kürzen. Bei Einrechnung der zusätzlich anzubietenden Kita-Plätze so rechnete der Wohlfahrtsverband SOAL jetzt vor eine tatsächliche Mittelkürzung um satte 85 Millionen Euro zum 1. Januar 2005.
Die Senatorin will ihr »Sparziel« insbesondere durch eine Absenkung der Personalkosten erreichen. 49 Millionen Euro sollen durch Stellenstreichungen (jeder vierte Arbeitsplätze) und abgesenkte Löhne »eingespart« werden. Die Gruppenfrequenzen erhöhen sich damit drastisch: Im Hortbereich steigt die Anzahl der Kinder zum Beispiel von 20 auf 25 pro Gruppe. Hinzu kommen beträchtliche Kürzungen im Sachmittelhaushalt.
Michael Edele, Geschäftsführer der »Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege« stellte hierzu am 17. August fest: »Das Verhandlungsangebot der Behörde ist für die Verbände nicht akzeptabel. In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder können wir den Forderungen nicht entsprechen.«
Schnieber-Jastram greift nun zu härteren Methoden. Ganz unverhohlen droht sie mit einem neuen Gesetz. Dieses soll den Senat in die Lage versetzen, widerspenstigen Trägern Betreuungsstandards einfach vorzuschreiben. In einer junge Welt vorliegenden und noch nicht veröffentlichten Bürgerschaftsdrucksache heißt es zur Begründung des geplanten Gesetzes: »Mit der Leistungsverordnung werden die Leistungsmerkmale auch im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten verbindlich festgelegt. Der beschriebene Leistungsumfang bildet damit zugleich die Grundlage für die Kalkulation der erstattungsfähigen Kosten.«
»Ohne Rücksicht auf bestehende Vergütungstarife und Arbeitsverträge, ohne Rücksicht auf bestehende Leistungszusagen gegenüber den Eltern und ohne Rücksicht auf die hohe Verantwortung, der sich die Träger durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz mit seinem Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet haben« so die Gewerkschaften GEW und ver.di in einer gemeinsamen Stellungnahme wolle Frau Schnieber-Jastram nun die Kürzungen einfach anordnen.
Ohne das Wort vom »Streik« zu nutzen, sind Hamburgs Erzieher nun zum Äußersten entschlossen. Für den 2. September sind Aktionen, Betriebsversammlungen und Demonstrationen in nahezu allen Einrichtungen angekündigt. In mehreren Marschsäulen werden sie zum Jungfernstieg demonstrieren, um sich dort ab 17 Uhr zu einer gemeinsamen und großen Demonstration zu vereinigen. Unterstützung erhalten die Erzieherinnen und Erzieher dabei von der GEW, der Gewerkschaft ver.di und dem Hamburger Sozialforum.
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Hamburg: Senatsbeschluß zum Klinikverkauf schlägt weiter hohe Wellen
Der Hamburger Senat will die Mehrheit der städtischen Krankenhäuser in zwei Tranchen dem privaten Asklepios-Konzern trotz eines gegenteiligen Volksentscheids übereignen (jW berichtete am Donnerstag). Diese Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) führt in der Hansestadt seitdem zu hitzigen Diskussionen. »Das ist so ziemlich das Unvernünftigste, was man machen kann«, kritisierte GAL-Bürgerschaftsabgeordneter Jens Kerstan jetzt den Senat. SPD-Chef Mathias Petersen fügt hinzu: »Der jetzt vom Senat geplante Mehrheitsverkauf in Raten ist ein billiger Trick, um die Wähler hinters Licht zu führen. Der Senat will 600 000 Hamburgerinnen und Hamburger offensichtlich für dumm verkaufen.« Was Petersen nicht sagt: Die SPD-geführte Regierung in Schleswig-Holstein hat bereits mehrere Kliniken an Asklepios verscherbelt und im SPD-PDS-regierten mecklenburg-Vorpommern wurde das Medizinische Zentrum in Schwerin an die privaten Helios-Kliniken verkauft.
600 000 Hamburger und damit fast 77 Prozent aller Wähler hatten beim Volksentscheid am 29. Februar gegen die Privatisierung des LBK gestimmt. Für verdi-Chef Wolfgang Rose wäre die Privatisierung »so, als würde man einem Gebrauchtwagenhändler eine gut geführte Mercedes-Filiale anvertrauen.« Rose verweist auf die Kliniken des Konzerns in Schleswig-Holstein, in denen nicht mal die Gehälter pünktlich gezahlt werden.
Der Asklepios Konzern betreibt in Deutschland und den USA 82 Einrichtungen (darunter 67 Kliniken) und macht nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro Umsatz. Alleiniger Gesellschafter des Konzerns ist Dr. Bernhard Broermann, ein guter Bekannter des Hamburger Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU) aus dessen Zeit als Vorstand der Gothaer-Versicherung. Peiner übergibt Broermann jetzt einen Betrieb mit 12 400 Mitarbeitern, 375 000 Patienten und einen Umsatz von 700 Millionen Euro im Jahr. Der Landesbetrieb ist damit Hamburgs größter Arbeitgeber.
Zur Empörung tragen jetzt auch Einzelheiten des beabsichtigen Deals bei. Senator Peiner betonte lange Zeit, daß die Schulden des LBK durch die Stadt kaum zu begleichen wären und auch deshalb die Privatisierung notwendig sei. Diese Schulden des LBK belaufen sich auf 560 Millionen Euro. Es sind vor allem Pensionsverpflichtungen, für die in der Vergangenheit keine Vorsorge betrieben wurde. Nachdem man 1995 die Hamburger Krankenhäuser im LBK zusammengefaßt hatte, wurde diese Schuldlast dem neuen Betrieb einfach aufgedrückt. Im operativen Geschäft schreibt der Betrieb schwarze Zahlen. Von einer Übernahme dieser Schuldenlast durch den Privatinvestor ist jetzt aber keine Rede mehr. Die Schulden fließen in eine »städtische Besitzgesellschaft«, verbleiben somit also bei der Stadt. Der so entschuldete Betrieb soll dann für eine Kaufsumme von 319 Millionen Euro von Asklepios übernommen werden. Peiner sagt nun, daß er damit einen Teil der Schulden begleichen könne. Eine Milchmädchenrechnung, denn tatsächlich fließen zunächst nur 200 Millionen, von denen aber allein der LBK 180 Millionen über einen Kredit selbst finanzieren soll. Asklepios bezahlt lediglich 20 Millionen. Der LBK bezahlt seine Übernahme also selbst! Die restlichen 119 Millionen des Kaufpreises fließen erst dann, wenn der LBK an die Börse geht. Verkaufen sich die Aktien aber schlecht, fließt auch dann kein Geld. Zudem verzichtet die Stadt für 60 Jahre auf Erbbauzins- und Pachteinnahmen für die Nutzung der städtischen Grundstücke und Gebäude. Rose beziffert den Einnahmeverlust für die Stadt auf rund 190 Millionen Euro. Er befürchtet, »daß irgendwann ein US-Fonds den ganzen Laden übernimmt und allein seiner Anlagestrategie folgt: Kapital sucht Rendite«. Die Gewerkschaft will beim Verfassungsgericht klagen, denn sie sieht in der Mißachtung des Volksentscheids einen Rechtsverstoß. Gemeinsam mit dem Personalrat befürchtet die Gewerkschaft Lohneinbußen, Personalabbau und die Verringerung von Mitbestimmungsmöglichkeiten. In der Tat verweigert Asklepios die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband und will einen Haustarif durchsetzen. Die Gesamtpersonalratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke kündigte deshalb jetzt Personalversammlungen in allen Krankenhäuser an. Sie will Aktionen, denn die Empörung unter den Mitarbeitern sei groß.
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Ronald Prieß ist Leiter einer Kindertagesstätte im Hamburger Schanzenviertel
* Seit dem 1. August 2003 gilt in Hamburg das bundesweit einmalige Kita-Gutscheinsystem. Eltern erhalten dabei einen Gutschein, auf dem die Leistung und die Anzahl der Betreuungsstunden vermerkt sind, und lösen diesen bei einer Einrichtung ihrer Wahl ein. Jeder Gutschein hat einen pauschalierten Gebäude-, Personal- und Sachkostenwert, auch Entgelt genannt.
F: Erzieher in den Hamburger Kindertagesstätten planen Protestaktionen bis hin zu einem Streik. Wogegen wehren Sie sich?
Ab 1. August werden die Entgelte für Krippenplätze um 30 Prozent gekürzt, was eine Vergrößerung der Gruppen auf 20 Kinder und eine sinkende Betreuungsqualität zur Folge haben wird. Zusätzlich sollen ab Januar 50 Millionen Euro eingespart werden. Für die Träger bleibt nur die Möglichkeit, beim Personal zu sparen. Kleineren Trägern droht die Insolvenz.
F: Auf die Umstellung vom Pflegesatz- auf das Gutscheinsystem hat die SPD mit einem Volksbegehren reagiert. Hat sich seitdem nichts verbessert?
Das Volksbegehren wurde gemeinsam von der SPD und verschiedenen Sozialinitiativen eingeleitet. Nach den Bürgerschaftswahlen im Fühjahr hat die SPD das Volksbegehren ohne Absprache einfach abgeblasen und wieder auf auf eigene Faust Verhandlungen mit der CDU geführt. Das Ergebnis war der Kita-Kompromiß, der ab 2005 eine Erhöhung des Rechtsanspruchs von vier auf fünf Stunden und eine Betreuungsgarantie vorsieht letztere aber erst ab 1. August 2006. Schon das Gutscheinsystem brachte einen Abbau der Betreuungsstunden in den sozialen Brennpunkten mit sich. Jetzt sollen die mit der Betreuungsgarantie verbundenen Mehrkosten allein durch die Träger aufgefangen werden. Damit rutschen wir noch unter den Stand vor der Einführung des Gutscheinsystems. Ursprünglich sollten die Mehrkosten aus anderen Bereichen des Haushalts finanziert werden.
F: Streben Sie ein neues Bündnis mit der SPD an?
Wir werden uns auf unsere eigenen Kräfte verlassen. Wir wollen ein breites Bildungsbündnis auf die Beine stellen: mit Schülern und Lehrern, Auszubildenden und Studierenden. Wenn andere mitziehen, auch Parteien, dann ist das in Ordnung.
F: Ist es Ihnen mit Ihrer Streikdrohung wirklich ernst?
Es geht ja nicht nur um Entgeltkürzungen, hinzu kommen die beabsichtigte Kürzung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes und eine geplante Arbeitszeitverlängerung auf bis zu 42 Stunden. Am 23. Juni wollen wir auf unserer nächsten Versammlung eine erste Aktion beraten. Ende August sollen Betriebsversammlungen in Verbindung mit einer Großdemonstration stattfinden. An diesem Tag werden die Hamburger Kitas bis maximal 14 Uhr geschlossen bleiben. Wir wollen die Intensität unserer Aktionen allmählich steigern. Auf unsere letzten Versammlung haben etliche Kolleginnen und Kollegen längere Arbeitsniederlegungen gefordert. Im Rahmen der tariflichen Auseinandersetzungen ist auch ein stadtweiter Streik möglich.
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Hamburger GEW, Schüler- und Elternkammer wollen keine Entstaatlichung der beruflichen Schulen
Mit einem Paukenschlag eröffnete die GEW ihre Fachtagung »Neue Rechtsformen für die berufsbildenden Schulen« am Donnerstag. Zu dieser hatte die Lehrergewerkschaft nicht nur ihre Vorsitzende Eva-Maria Stange aufgeboten, sondern auch zahlreiche Experten aus verschiedenen Bundesländern. Die Hamburger GEW will, gemeinsam mit Schüler- und Elternkammern sowie dem Lehrerverband, ein Volksbegehren durchführen, um die vom Senat geplante Übernahme der 48 Berufsschulen in eine wirtschaftsorientierte Stiftung zu verhindern. Vom 23. August bis 5. September sollen 60 000 Unterschriften gesammelt werden, um einen Volksentscheid zu erzwingen. Die Initiatoren betonen dabei die bundesweite Bedeutung ihres Anliegens, denn auch in Bremen sollen Teile der Berufsschulen in eine GmbH verwandelt werden.
»Die Hamburger Politiker sind gut beraten, endgültig die Hände vom Stiftungsmodell für die beruflichen Schulen in der Hansestadt zu lassen. Das Modell ist in weiten Teilen verfassungswidrig«, so Ursula Herdt, beim GEW-Vorstand für berufliche Bildung zuständig, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Hamburg. Die Gewerkschafterin berief sich auf ein Rechtsgutachten, das der Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Sterzel im Auftrag der Max-Träger-Stiftung erstellt hatte. Dessen Kernaussagen: Entstaatlichung der Berufsschule hebelt die Grundsätze der dualen Berufsausbildung aus und widerspreche dem im Grundgesetz festgelegtem staatlichen Bildungsauftrag. Hamburgs GEW-Vorsitzende Stephanie Odenwald sieht in dem Gutachten eine Unterstützung: »Nur wenn die beruflichen Schulen uneingeschränkt bei der staatlichen Behörde bleiben«, sei »gewährleistet, daß Jugendliche eine umfassende Bildung erhalten.«
In der Tat läßt das Gutachten wenig Spielraum: »Aus dem Primat des staatlichen Erziehungsauftrages folgt laut Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes, daß sich der staatliche Geltungsbereich nicht nur auf die organisatorische Gliederung bezieht, sondern auch die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und der Unterrichtsziele umfaßt.« Die Schulaufsicht gehöre zu den obligatorischen Staatsaufgaben, die nicht an eine private Stiftung übertragen werden können. Sterzel sieht das »grundgesetzliche Demokratiegebot« in Gefahr. »Dem Hamburger Schulgesetzgeber ist es daher verwehrt, eine Stiftung des öffentlichen Rechts als Form der kollegialen Selbststeuerung quasi in die Rolle einer Einrichtung der funktionalen Selbstverwaltung schlüpfen zu lassen«, so Sterzel.
Genau das sah das neue Stiftungsmodell vor, mit dem vor allem die Wirtschaft Einfluß erhalten sollte. Die Handelskammer will es ermöglichen, daß »die Lerninhalte besser an die Bedürfnisse der Praxis« angepaßt werden. Übersetzt heißt dies: Wegfall allgemeinbildender Fächer (wie Deutsch und Politik) sowie die Reduzierung theoretischen Unterrichts auf Fachunterricht.
Seit 2001 betreibt die Handelskammer die Privatisierung der Hamburger Berufsschulen offensiv und traf dabei immer wieder auf erheblichen Widerstand. Beim FDP-Schulsenator Lange und dem alten CDU/FDP/Schill-Senat fand man endlich Unterstützung. Dieser erklärte das Anliegen der Handelskammer zu einem der »ehrgeizigsten Reformvorhaben« der Hamburger Regierung. Doch selbst in den Workshops der Bildungsbehörde kam es zum offen Widerspruch. Viele Betriebsvertreter lobten »die bisher gute Zusammenarbeit mit den Berufsschulen.« Um den Protest abzuschwächen, sah sich der alte Senat im November 2003 dann gezwungen, einen Garantieschutz für bisherige Berufsschulstandorte abzugeben. Im April legte die neue Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig das Vorhaben dann »zunächst auf Eis«, um in einer »Potential- und Schwachstellenanalyse« die Notwendigkeit der Privatisierung erneut zu prüfen. GEW, Eltern- und Schülerkammern werteten dies als »Bankrotterklärung« der bisherigen Schulpolitik, wiesen jedoch gleichzeitig darauf hin, daß damit noch keine Absage an ein Stiftungsmodell verbunden ist. Deshalb soll das Volksbegehren stattfinden.
http://www.jungewelt.de/2004/06-11/015.php
April 1994
„Wahlen sind Scheiße!!!“, so sprang es uns in der letzten Ausgabe der Lokalberichte ins Auge. Fast trotzig darunter: ein vermummtes schwarzes Sternchen. Viel mehr ist auf den ersten, sicherlich auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen.
Die Leserinnen und Leser beginnen sich zu fragen, was das soll? (F) wollte ganz offensichtlich provozieren, denn ein größerer Teil der LeserInnen, nicht nur des INFO, sondern auch der Lokalberichte, wird mit dieser einfachen Sicht der Dinge kaum etwas anfangen können. Das weiß auch (F). (F) hat sich wohl darüber geärgert, daß in den letzten Ausgaben auch über Debatten und Anlage des Wahlkampfjahres einiges zu lesen war, oder er wollte wohl einfach mal austesten, was er uns so zumuten kann.
Na ja: Die Absicht ist angekommen, erschrecken oder gar provozieren kann er damit freilich niemanden. Am allerwenigsten die LeserInnen aus dem PDS/Linke Liste-Spektrum. Uns ärgert am Artikel eher der Umstand, wie sich hier Teile der Antifa-Bewegung mit aller Gewalt selbst lächerlich machen. Denn erst auf den dritten Blick erkennt mensch, daß (F) Bezug nimmt auf Wahlergebnisse von populistischen, faschistischen und rassistischen Gruppen. Deren Wahlergebnisse bei den jüngsten Wahlen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind erschreckend hoch. Die geballte Faust des Sternleins soll wohl an die Parole erinnern „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft“.
Ich meine, daß die politische Debatte zu Problemen antifaschistischer Arbeit schon auf höherem Niveau stattgefunden hat. Auch die Beiträge von (F) waren in diesem Zusammenhang schon lesenswerter. (F) läuft mit diesem Beitrag Gefahr, das Leseverhalten der Leser der Lokalberichte in einer Weise zu manipulieren, wie es ihm eigentlich nicht recht sein sollte. Denn durch diesen Beitrag scheinen (ungerechtfertigte?) Vorurteile über die Antifa-Bewegung nur bestätigt. Es ist aber gerade ein Fortschritt auch der letzten Ausgaben, daß ganz unterschiedliche Formen von politischem Widerstand und von Opposition diskutiert werden, auch über ganz unterschiedliche Bereiche berichtet wird. Unter anderem auch über die Verbindung von parlamentarischen und außerparlamentarischen Widerstandsformen, und daß wir so miteinander (und schrittweise) in eine ernsthafte Diskussion kommen.
Verwendung: Lokalberichte Nr. 8 1994 (April 1994)
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