9. März 2007

Warum die Hamburger SPD überhaupt noch zur Bürgerschaftswahl im Frühjar 2008 antreten will und wozu sie gar einen Spitzenkandidaten braucht, ist eigentlich nicht ersichtlich. Selten hat sich ein Landesverband einer großen Partei so systematisch zerlegt wie der der Hamburger Genossen. Gegen deren Intrigensumpf wirkt selbst die brandenburgische CDU wie ein Musterbeispiel für Geschlossenheit. Höhepunkt waren vor rund zwei Wochen 1000 verschwundene Stimmzettel bei der parteinternen Urwahl eines Bürgermeisterkandidaten, was den kompletten Landesvorstand samt möglicher Kandidaten entnervt zum Rückzug bewog. Angefragte »Retter« wie Henning Voscherau winkten entsetzt ab. Dieser sozialdemokratischen Konkursmasse steht mit Amtsinhaber Ole von Beust (CDU) ein äußerst beliebter Politiker gegenüber, der seiner Partei längst vorgemacht hat, wie man die urbanen neuen Mittelschichten gewinnen kann.

Angesichts solcher Konstellationen schlägt stets die Stunde für Menschen, von denen nichts erwartet wird. Diese Stellenbeschreibung paßte punktgenau auf Michael Naumann, der zwar gerne den weltgewandten Intellektuellen mimt, aber weder als Publizist und Verleger noch bei seinem Ausflug in die Bundeskulturpolitik Bäume ausgerissen hat. Zuletzt wurde er noch als Verwalter gepflegter Langeweile in der Chefredaktion der Zeit bemerkt, bevor er sich auf eine Art Altersteilzeitstelle als Mitherausgeber des Blattes zurückzog.

Es spricht für die äußerst kargen beruflichen Perspektiven Naumanns, daß er am Donnerstag in Hinblick auf die ihm angetragene Spitzenkandidatur betonte: »Ich mache das gerne«. Postwendend warf er die Phrasendreschmaschine an. Er wolle »die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs vorantreiben« und dabei »soziale Aspekte berücksichtigen«. Und dabei »durch Hartnäckigkeit überzeugen« und »die Innenpolitik neu fokussieren«.

Für die offizielle Nominierung durch den kommenden Landesparteitag der Hamburger SPD dürfte das dicke reichen. Man kann Ole von Beust schon jetzt zur Wiederwahl gratulieren.

[Dieser Kommentar wurde von meinem jW-Kollegen Rainer Balcerowiak verfasst.]

Verwendung: Junge Welt
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„Was brauchen Kriminelle eine Sporthalle?“ Das ist ein typischer Kusch. Den brachte Hamburgs Justizsenator schon kurz nach seinem Amtsantritt. Damals besuchte er eine Jugendhaftanstalt und wurde von den Mitarbeitern auf die marode Sporthalle aufmerksam gemacht.
Über die Jahre fing sich der heute 51-jährige Roger Kusch (inzwischen aus der CDU ausgetreten – Red.) durch seine Vorstöße in Sachen innere Sicherheit den Spitznamen „lachende Guillotine“ ein.

Sein Kampf gegen auffällig gewordene Kinder und Jugendliche mündete schließlich in dem Vorschlag, das Jugendstrafrecht komplett abzuschaffen. Auch wenn er damit nicht durchkam, gelang es ihm doch, die Lockerungen im Hamburger Strafvollzug ersatzlos zu streichen. Als es darum ging, den letzten Spritzenautomaten für drogenabhängige Häftlinge endlich aus der Wand zu reißen, krempelte er die Ärmel hoch und legte selbst Hand an.

Widerspruch duldet ein Mann wie Kusch selbstverständlich nicht. Reihenweise ließ der Senator nicht nur das Spitzenpersonal in seiner eigenen Behörde, sondern auch Staatsanwälte, Richter und Vollzugsbeamte über die Klinge springen.

Bevor Kusch Senator wurde, war er schon Volljurist, später dann Leiter des Referats für innere Sicherheit im Bundeskanzleramt. Im Oktober wurde er schließlich Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof. Von dort holte ihn Bürgermeister Ole von Beust nach Hamburg.
Kusch sollte dem Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill, auch Richter Gnadenlos genannt, das Wasser abgraben. Dessen Anhänger sollten ihr Herz wieder für die CDU entdecken. Im August 2003 musste Schill abtreten, unter anderem weil er behauptet hatte, dass Beust und Kusch ein Pärchen seien. Ohne Schill verblasste auch Kusch.

„Heute steht im Hamburger Strafvollzug kein Stein mehr auf dem anderen“, hatte Kusch sich bei der Eröffnung eines neuen Hochsicherheitsgefängnisses in Billwerder selbst gefeiert (Bild). Als sich Häftlinge beschwerten, dort nackt auf Pritschen angeschnallt und eingesperrt worden zu sein, störte ihn das selbstredend nicht. Für die Regierungspartei CDU war aber doch der Grad erreicht, den Mann loszuwerden. Am Montag musste er seine Sachen Packen – nicht wegen Fesselungen, Folter oder penetranter Jugendfeindlichkeit. Er stolperte über die Weitergabe vertraulicher Akten und geht wegen einer Protokollaffäre.

Seite 16: http://85.183.64.11/archiv/Lokal/Hamburg/2006/07hh.pdf



Was brauchen Kriminelle eine Sporthalle?« Das ist ein typischer Kusch. Den brachte Hamburgs Justizsenator schon kurz nach seinem Amtsantritt. Damals besuchte er eine Jugendhaftanstalt und wurde von den Mitarbeitern auf die marode Sporthalle aufmerksam gemacht.

Über die Jahre fing sich der heute 51jährige Roger Kusch (CDU) durch seine Vorstöße in Sachen innere Sicherheit den Spitznamen »lachende Guillotine« ein. Sein Kampf gegen auffällig gewordene Kinder und Jugendliche mündete schließlich in dem Vorschlag, das Jugendstrafrecht komplett abzuschaffen. Auch wenn er damit nicht durchkam, gelang es ihm doch, die Lockerungen im Hamburger Strafvollzug ersatzlos zu streichen. Als es darum ging, den letzten Spritzenautomaten für drogenabhängige Häftlinge endlich aus der Wand zu reißen, krempelte er die Ärmel hoch und legte selbst Hand an.

Widerspruch duldet ein Mann wie Kusch selbstverständlich nicht. Reihenweise ließ der Senator nicht nur das Spitzenpersonal in seiner eigenen Behörde, sondern auch Staatsanwälte, Richter und Vollzugsbeamte über die Klinge springen. Bevor Kusch Senator wurde, war er schon Volljurist, später dann Leiter des Referats für innere Sicherheit im Bundeskanzleramt. Im Oktober wurde er schließlich Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof. Von dort holte ihn Bürgermeister Ole von Beust nach Hamburg.

Kusch sollte dem Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill, auch Richter Gnadenlos genannt, das Wasser abgraben. Dessen Anhänger sollten ihr Herz wieder für die CDU entdecken. Im August mußte Schill abtreten, unter anderem weil er behauptet hatte, daß Beust und Kusch ein Pärchen seien. Ohne Schill verblaßte auch Kusch.

»Heute steht im Hamburger Strafvollzug kein Stein mehr auf dem anderen«, hatte Kusch sich bei der Eröffnung eines neuen Hochsicherheitsgefängnisses in Billwerder selbst gefeiert. Als sich Häftlinge beschwerten, dort nackt auf Pritschen angeschnallt und eingesperrt worden zu sein, störte ihn das selbstredend nicht. Für die Regierungspartei CDU war aber doch der Grad erreicht, den Mann loszuwerden. Am Montag mußte er seine Sachen Packen – nicht wegen Fesselungen, Folter oder penetranter Jugendfeindlichkeit. Er stolperte über die Weitergabe vertraulicher Akten und geht wegen einer Protokollaffäre. (ag)

http://www.jungewelt.de/2006/03-28/074.php