30. August 2008

Hamburger Gewerkschafter und Elterninitiativen wollen gleiche Bildungschancen durchsetzen

In Hamburg hat der SPD-Grüne-Senat neue Regeln für Volksbegehren und Volksabstimmungen beschlossen. Demnach können Unterstützerunterschriften nicht mehr nur auf dem Amt, sondern auch wieder auf der Straße gesammelt werden. So würden die Voraussetzungen für das anstehende Volksbegehren »Eine Schule für alle« geschaffen, hieß es zur Begründung aus der Innenbehörde. Für den Erfolg des Begehrens müssen rund 60000 Unterstützerunterschriften innerhalb von drei Wochen – vom 19. September bis 9. Oktober – gesammelt werden. Die Unterstützerunterschriften können auch weiterhin in den amtlichen Stellen der Bezirke oder per Briefwahl abgegeben werden. Entsprechende Formulare werden ab heute auf Antrag der Bürger verschickt.

Inhaltlich geht es bei dem Begehren darum, daß künftig alle Hamburger Schüler bis zur 10. Klasse in einer Schule gemeinsam unterrichtet werden. Von der Grundschule kommend wechselten sie bislang schon nach Klasse vier auf drei verschiedene Schulformen. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen für den CDU/Grünen-Senat konnte die Grün-Alternative Liste (GAL) im Februar 2008 durchsetzen, daß die bisherigen Hauptschulen abgeschafft werden und ein Schulwechsel erst nach der sechsten Klasse erfolgt. Den Initiatoren des Volksbegehrens »Eine Schule für alle«, darunter die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), reichen diese Schritte nicht. Zwar entstehen neue Stadtteilschulen, aber die Gymnasien bleiben wie gehabt. Damit bliebe auch die Ungleichheit der Bildungschancen vor allem für Kinder aus sozial benachteiligten Familien erhalten, so GEW-Landeschef Klaus Bullan am Freitag im Gespräch mit junge Welt. Er kritisiert zudem, daß der »schwarz-grüne« Senat den Betroffenen sein Schulmodell »einfach überstülpen« will. Demokratischer sei es, darüber in einer Volksabstimmung entscheiden zu lassen. Wie das Beispiel skandinavischer Länder zeige, sei die »Schule für alle das gerechtere, leistungsfähigere und zeitgemäßere Schulsystem«, so Bullan gegenüber jW.

Ob sich der Gewerkschafter mit diesem Standpunkt durchsetzen kann, ist allerdings offen. Bereits bei der Gründung der Volksinitiative im Herbst vorigen Jahres als innerhalb von sechs Monaten 10000 Unterschriften gesammelt werden mußten, traten erhebliche Mobilisierungsprobleme zutage. Hinzu kommt, daß sich die Grünen jetzt aus dem Unterstützerkreis für die Initiative weitgehend verabschiedet haben. Bullan gibt sich dennoch optimistisch. Immerhin hätten sich schon jetzt rund 500 Personen als Unterschriftensammler gemeldet. Zudem werde das Begehren auch durch die Partei Die Linke, den DGB und weitere Einzelgewerkschaften wie auch durch den Elternverein massiv unterstützt.

Wer Briefwahlunterlagen anfordern will, kann dies formlos mit einfacher Postkarte bei der Briefeintragungsstelle Volksbegehren im Bezirksamt Hamburg Mitte, Klosterwall 8, Block D, 20095 Hamburg, beantragen

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04. Juli 2008

Hamburg: Nachgelagerte Gebühren sollen trotz zahlreicher Proteste ins Gesetz

Am kommenden Dienstag wollen CDU und Grüne in Hamburg sogenannte nachgeordnete Studiengebühren im Gesetz verankern. Die Oppositionsparteien SPD und Die Linke haben angekündigt, ihre Zustimmung in der Bürgerschaft zu verweigern.

Mitte dieser Woche durften die Studierenden noch einmal Luft ablassen. Rund 150 Kommilitonen verschiedener Hochschulen nahmen an einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft teil. Die heftige Kritik richtete sich vor allem an die Abgeordneten der Grünen. »Ich vertraue euch nicht mehr«, so Benjamin Renter vom AStA der Hochschule für bildende Künste (HfbK) zur grünen Ausschußvorsitzenden Dr. Eva Gümbel. Die hatte den Studenten der HfbK noch kurz vor der Stimmabgabe für die Bürgerschaft am 24. Februar erklärt: Wer die Grünen wählt, wählt die Studiengebühren ab. Ähnlich harsch war die Kritik des Generalsekretärs des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde. Durch das neue Gesetz werde der »Abschreckungseffekt«, nach der Schule ein Studium aufzunehmen, eher noch verschärft. Dazu trage besonders bei, daß die Zahlungsverpflichtungen nun direkt an die Bank- und Kreditinstitute übertragen werden.

Für die Studierenden brächte das neue Gesetz – bei dem nicht während, sondern nach dem Studium zur Kasse gebeten wird – in vielen Punkten eine Verschlimmerung bisheriger Regelungen. Sicherlich: Die Höhe der Gebühren wird von 500 auf 375 Euro pro Semester reduziert. Das ist eine »Mogelpackung«, weil Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) gleichzeitig eine Vielzahl bisher geltender Ausnahmeregelungen zur Befreiung von den Studiengebühren gestrichen hat. Zahlen müssen nun auch Behinderte und Studierende mit Kind. Dadurch würden sich die Zahlungsverpflichteten um rund 10000 Personen pro Semester erhöhen, freute sich die Senatorin.

Die Studiengebühren werden bei dem Modell zunächst durch die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt zinslos kreditiert und für die Studierenden nur virtuell erfaßt. Für die Stadt, so die Kritiker, bedeute das einen zusätzlichen Verwaltungs- und Zinsaufwand von bis zu 22 Millionen Euro im Jahr. Doch auch die Studierenden sind vor Zinszahlungen an die Bank- und Kreditinstitute keineswegs geschützt. Wird etwa die Regelstudienzeit überschritten, kann nur noch zwei Semester ein Studiendarlehen in Anspruch genommen werden. Grundsätzlich sollen die Studierenden ihre aufgelaufene Schuld nach Ende des Studiums und bei Erreichen eines Jahresbruttoeinkommens von 30000 Euro zurückzahlen. Dann allerdings auf einen Schlag. Wem dies nicht gelingt, der ist zu Zinsvereinbarungen mit Kreditinstituten verpflichtet.

Verwendung: Junge Welt vom 04. Juli 2008
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06. März 2008

Steht Hamburg vor einer schwarz-grünen Landesregierung? Seit heute berichten die Medien von dieser Sensation. Im Ergebnis eines Sondierungsgesprächs zwischen CDU und Grünen am Mittwoch im Hamburger Nobelhotel »Grand Elysée«. Hauptindiz, dass es so kommt, sei die Länge des Gesprächs. Denn wer sieben Stunden spricht, der müsse ja auch über die Einzelheiten eines Koalitionsvertrags schon gesprochen haben, wird gemutmaßt.

Hamburgs Sonny Boy Ole von Beust hat alles im Griff»Es waren sehr detaillierte Gespräche zu allen wichtigen Themen« und bei denen man »eine Reihe gemeinsamer Perspektiven«, wie aber auch »diverse unterschiedliche Auffassungen« feststellen konnte, so bewertete Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Mittwochabend vor Journalisten das Gespräch. In einer wahren Meisterleistung politischer Präzision fügte dem die grüne Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Christa Goetsch, nur noch hinzu, dass auch »Kompromissvarianten« an diesem »intensiven Tag« – man habe an dem Tag »die verschiedenen Politikfelder beleuchtet« – erörtert worden wären. Dann war Ende mit dem Pressegespräch. Inhaltliche Nachfragen waren nicht erlaubt.

Ein Schauspiel per Excelence und wie es insbesondere Ole von Beust seit Jahren pflegt. Sich nur nicht festlegen, bloß nicht zu viel sagen, den eigenen Anhängern aber zeigen, wie »hart, und zugleich fair«, der Bürgermeister kämpft, das war die Botschaft dieses Auftritts für Anhänger der Union. Dass er offen sei für neue und »kreative« Ideen, das sollte mit dem Auftritt den Grüne-Anhängern gesagt werden. »Kreative Stadt« hatten diese ihr Wahlprogramm überschrieben. Kreativ sollen sie nun sein! Vor allem im Umgang mit ihren eigenen Wahlversprechen: Stopp des neues Kohlekraftwerks in Moorburg, einem »Klimakiller«; Verhinderung der Fahrrinnenanpassung der Elbe, weil diese ökologisch nicht verantwortlich sei; Schluss mit der Bildungsselektion durch eine neue »Schule für alle«. Heute Abend soll eine Mitgliederversammlung der Grünen über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen entscheiden. Das »Modellprojekte« für ein neues Schulsystem auch schon was sind, »ökologische Ausgleichsprojekte« sowieso, ist dafür nun die Linie des grünen Landesvorstands.

Dass Beust auf schwarz-grün zielt, ist indes genauso wenig überraschend, wie der Kurswechsel bei den Grünen. Letztere hatten zwar im Wahlkampf immer wieder versprochen, dass sie diesen Bürgermeister, der Volksentscheide gleich mehrfach einfach aufhob, am liebsten aus dem Amt jagen würden, doch gleichzeitig hatte die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Krista Sager, schon Anfang Februar betont, dass es bei »Hessischen Verhältnissen« keinen »Automatismus für eine Großen Koalition« geben dürfe. Ein Bündnis mit der CDU schaffe auch auf Bundesebene neue Möglichkeiten, sagte Sager. Beust sah das ebenso. Schon Anfang Januar betonte er vor dem Wirtschaftsrat der CDU, dass dafür aber vier Bedingungen erfüllt sein müssten: die Garantie der Elbvertiefung und des Schuldenabbaus, die Wahrung der »inneren Sicherheit« und die Fortführung eines auf zwei Säulen basierenden Schulsystems, das die Gymnasien einschließt.

Knackpunkt für die Koalitionsverhandlungen bleibt demnach das Kohlekraftwerk. Bis 2012 soll es eine Leistung von 1640 Megawatt Strom und 650 Megawatt Fernwärme aufweisen. Damit wäre es das größte in Deutschland, würde jedes Jahr 8,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Hier kalkuliert die Union darauf, dass das Kraftwerk längst genehmigt ist und inzwischen sogar gebaut wird. Allenfalls könne es somit darum gehen, ob die Leistung des Werks, und damit sein Emissionswert, ein Stück weit reduziert werden. Sollten, wider Erwarten, grüne Basisforderungen darüber doch noch hinausgehen, sollten gar die Essentials des Bürgermeisters angegriffen werden, dann wäre freilich Schluss mit lustig, heißt es aus CDU-Kreisen. Denn eine große Koalition – ein Sondierungsgespräch dafür fand bereits am Dienstag statt – wäre ebenfalls möglich. »Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten« konnte SPD-Spitzenmann Michael Naumann dabei zwischen seiner Partei und der Union nicht mehr ausmachen. So aber hat die CDU die freie Wahl, wen sie sich nun als Juniorpartner aussucht.

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08. Mai 2007

Vor zwanzig Jahren als studentische Streikzentrale an der Hochschule für Politik und Wirtschaft gegründet

Das »Café Knallhart« an der Hamburger Uni feiert in dieser Woche seinen zwanzigsten Geburtstag. Entstanden während eines Besetzungsstreik 1987 an der damaligen »Hochschule für Wirtschaft und Politik« (HWP), ist das Café seitdem ein Ort der kritischen Diskussion. Inzwischen hat das selbstverwaltete Café sogar die eigene HWP überlebt. Die gewerkschaftsnahe Hochschule, die auch Nicht-Abiturienten die Chance zum Studium bot, war 2005 durch den CDU-Senat als »Department für Wirtschaft und Politik« (DWP) mit der Universität Hamburg zwangsfusioniert worden.

Das »Knallhart« entstand am 13. Mai 1987 als Streikcafé – seinerzeit protestierten die HWP-Studenten gegen die Verschärfung der Aufnahmeprüfungen. Sogar Hochschulpräsident Norbert Aust war damals »stolz« auf das Engagement seiner Studenten. Doch diese Anfangssympathie legte sich, als die Café-Betreiber mit politischen Veranstaltungen und der Sammlung von Geld – so etwa für den Befreiungskampf in Lateinamerika, für die streikenden Arbeiter in Rheinhausen oder die Besetzer der Häuser in der Hafenstraße – ihrem Projekt eine ganz eigene Prägung gaben. Aust verlangte eine Entpolitisierung der Einrichtung und ließ die besetzten Seminarräume wieder räumen. Doch darauf reagierten die Café-Betreiber über Wochen hinweg mit »mobilen Cafés«, die jeden Tag an verschiedenen Orten in der Hochschule organisiert wurden. Die Auseinandersetzung endete schließlich mit einem Kompromiß. Während die Betreiber der Bildung eines Trägervereins zustimmen mußten, konnten sie gleichzeitig ihre politische Autonomie verteidigen.

Generationen von Studierenden haben bei leckerem Kaffee und selbstgemachten Brötchen – hergestellt in »Solischichten« und mit einem Soli-Aufpreis von 5 Cent verbunden – inzwischen die Angebote des Cafés genossen. Die Resonanz war so stark, daß der Hochschulrat Mitte der 90er Jahre sogar weitere Räume im Foyer der Hochschule zur Verfügung stellte. Optimismus, dieses lebendige Projekt studentischen Widerstands auch nach 20 Jahren zu verteidigen, prägt deshalb nun auch die Geburtstagsfeiern. Noch bis Samstag finden zahlreiche Veranstaltungen, alternative Vorlesungen, Erzählstunden, Partys und Konzerte statt.

Das komplette Programm unter www.knallhart.anti.de

Verwendung: Junge Welt
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04. Mai 2007

Lehrauftrag in Hamburg nach TV-Sendung entzogen

Mit einer Demonstration über den Campus haben rund 100 Studierende der Uni Hamburg am Donnerstag nachmittag gegen den Rausschmiß ihrer Geschichtsdozentin Sabine Todt protestiert. Der Dozentin am historischen Seminar ist ihr Lehrauftrag entzogen worden, nachdem sie in der ARD-Sendung »Monitor« vor einigen Wochen auf die prekäre Lage von Jungakademikern an der Universität aufmerksam gemacht hatte. Diese seien häufig von nur befristeten und schlecht bezahlten Lehraufträgen abhängig. Sie äußerte sich trotz eines Maulkorberlasses, den Hamburgs neue Unipräsidentin Monika Auweter-Kurtz im März verfügt hatte. Im »Interesse einer einheitlichen und professionellen Darstellung« sind demnach öffentliche Äußerungen mit der Unileitung abzustimmen.

Todt, deren Lehrangebot bereits im Vorlesungsverzeichnis stand, ist sicher, daß sie Opfer des Maulkorberlasses ist. Der »kausale Zusammenhang« zwischen ihren Äußerungen und der Beendigung ihres Lehrauftrags sei ihr in einem Gespräch selbst verdeutlicht worden, betonte sie. Für die Studenten ist das ein Skandal. Sie erklärten, daß hier ein Exempel nach der Devise »Bestrafe einen und erziehe hundert« statuiert werden soll. Das aber sei mit dem Status einer »demokratisch verfaßten Uni« nicht vereinbar, sagte Bela Rogalla, Mitglied im Ethikrat des Akademischen Senats. Für ihn ist das »Recht zur freien Meinungsäußerung« eine »unabdingbare Voraussetzung« für einen wirksamen wissenschafts- und hochschulpolitischen Diskurs. Daß hochschulpolitische Fragen nicht nur im »akademischen Elfenbeinturm«, sondern auch öffentlich diskutiert werden müßten, betonte auch Hanno Willkomm, Mitglied im Fachschaftsrat Medienkultur. Der Führungsstil von Auweter-Kurtz sei »anachronistisch verstaubt«. Das Aktionsbündnis ruft alle Hochschulangehörigen für den 10. Mai um 11.30 Uhr zu einer Protestkundgebung auf dem Campus auf.

Verwendung: Junge Welt
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03. Mai 2007

Die vier Hochschulrektoren der Hansestadt rufen zum Protest gegen Kürzungspläne des SPD/CDU-Senats auf

Es ist fast eine Rebellion, die die Hochschulen in Bremen zur Zeit erleben. Hunderte Professoren, Studierende und weitere Hochschulbeschäftigte gingen gemeinsam auf die Straße, nachdem eine Vollversammlung der Uni Protestwochen beschloß. Dutzende Seminare wurden in die Fußgängerzonen verlegt. Und seit Mittwoch geschieht das sogar mit offizieller Unterstützung der vier Hochschulrektoren.

Vor Journalisten erklärten sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz, sie fürchteten, daß ein Viertel aller Professuren und damit ganze Studiengänge gestrichen werden. Dieser Kahlschlag wäre die Folge des Anfang des Jahres vom SPD-CDU-Senat beschlossenen Wissenschaftsplans, der für die Hochschulen Einsparungen in Höhe von fast 100 Millionen Euro vorsieht. Die Rektoren lehnen diesen Plan ab und fordern statt dessen die »Erweiterung des Wissenschaftssystems«. Unirektor Wilfried Müller forderte gar alle Bürger dazu auf, an einer für kommenden Dienstag geplanten Großkundgebung vor dem Bremer Rathaus teilzunehmen. Bei der Gelegenheit solle dann auch gegen die Einführung von Studiengebühren demonstriert werden.

Mit »Bildern von heißen und kalten Kriegen« setzten Studierende des Fachbereichs Kulturwissenschaften unterdessen auch am Mittwoch ihre Proteste fort. Hunderte Studierende nahmen auch an einer Podiumsdiskussion der »Hochschule für angewandte Wissenschaften« gegen die Kürzungspläne des Senats teil. Für die kommenden Tage sind Proteste bei Veranstaltungen zur Bürgerschaftswahl am 13. Mai angekündigt.

Die Wahlkampfstrategen der Großkoalitionäre haben errechnet, daß es an den Hochschulen und an der Uni auch um ein Potential von fast 30000 Stimmen geht. Die Grünen haben deshalb für den Fall einer eigenen Regierungsbeteiligung bereits zweistellige Millionenbeträge für die Hochschulen zusätzlich in Aussicht gestellt. Und Druck kommt auch von der Linkspartei, die die Rücknahme der Kürzungspläne, den Verzicht auf Studiengebühren und eine Aufstockung des Wissenschaftsetats forderte.

Verwendung: Junge Welt
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18. April 2007

Professoren und Studierendenvertreter sollen sich Meinungsäußerungen von Pressestelle genehmigen lassen

Wie vergangene Woche durch Studierendenvertreter bekannt wurde, hat die neue Hamburger Uni-Präsidentin Monika Auweter-­Kurtz bereits Ende März allen Mitarbeitern und Gremien ihrer Hochschule in einem Brief an ihre sechs Dekane einen Maulkorb verpaßt. In dem Brief, der junge Welt vorliegt, fordert sie die Angehörigen der Universität dazu auf, Anfragen von Journalisten nur noch in Abstimmung mit der Pressestelle zu beantworten. In der Vergangenheit sei es »immer wieder dazu gekommen, daß Mitglieder der Fakultäten Erklärungen an die Medien verschickt oder Stellungnahmen zu Medienanfragen abgegeben haben, ohne sich mit der Pressestelle abzustimmen«, heißt es in dem Schreiben. Dies sei »im Interesse einer einheitlichen und professionellen Darstellung der Universität nach außen leider kontraproduktiv« und die »Außenvertretung der Universität generell der Präsidentin vorbehalten«. Diese Verantwortung habe sie teilweise an die Presseabteilung delegiert, die insbesondere »bei Anfragen, die aktuell auch politisch diskutierte Fragen betreffen (…), darauf zu achten« habe, daß »die Universität einheitlich nach außen« auftrete. Als Beispiele für solche Fragen werden unter anderem die Einführung von Studiengebühren und die Diskussion um Zulassungsbeschränkungen genannt.

Veröffentlicht hatte den Brief, der die Öffentlichkeit eigentlich nicht erreichen sollte, der Studierendenvertreter Bela Rogalla, selbst Mitglied im Ethikrat des Akademischen Senats. In einer beigefügten Erklärung bezeichnete er das Recht zur freien Meinungsäußerung als »unabdingbare Voraussetzung« für eine demokratisch verfaßte Universität. »Wissenschafts- und hochschulpolitische Diskurse« dürften nicht auf den akademischen »Elfenbeinturm« beschränkt bleiben, sondern müßten »in den Hochschulen und in der Gesellschaft geführt werden«. Hanno Willkomm, Mitglied im Fachschaftsrat Medienkultur, warf der Präsidentin »autoritäre Selbstherrlichkeit« vor und kritisierte den Maulkorberlaß als »verstaubt« und »anachronistisch«.

Daß es dabei auch um grundsätzliche Fragen zur Verfaßtheit der Hamburger Bildungseinrichtungen geht, unterstrich indes Klaus Bullan, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in einer Stellungnahme. »Wir kennen ein solches Vorgehen auch schon von der Schulbehörde«, erklärte der Berufsschullehrer. Deren Leitung habe offenbar »große Angst vor kritischen Äußerungen«. Die GEW, so Bullan weiter, wende sich »nachdrücklich gegen alle Versuche, Kollegen einzuschüchtern oder mundtot zu machen.«

Verwendung: Uni-Beilage Junge Welt, April 2007
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2. März 2007

BRIAN GARVEY und BARRY FAWCETTBritische Lehrergewerkschafter über die Folgen der Bildungsreformen Tony Blairs

In der schulpolitischen Debatte wird hierzulande gern auf das britische Vorbild verwiesen. Doch mittlerweile warnen selbst konservative Politiker vor einer »Rückkehr ins viktorianische Klassenschulsystem«. ANDREAS GRÜNWALD sprach am Rande des von der GEW organisierten »deutsch-britischen Gewerkschafterdialogs« in Hamburg mit den beiden britischen Lehrergewerkschaftern BRIAN GARVEY und BARRY FAWCETT.

ND: Welche Erfahrungen haben Sie mit der von Tony Blair forcierten Schulpolitik?

Barry Fawcett: Unsere Regierung versteht Erziehung als ein kommerzielles Geschäft. Wie auf dem Markt sollen die Schulen in einen Wettbewerb treten. Alle Schüler müssen sich deshalb gleich vier Mal in ihrer Schulkarriere einem landesweiten Test unterziehen. Das Ergebnis determiniert die weitere Laufbahn eines Schülers, entscheidet aber auch über das Wohl und Wehe ganzer Schulen. Sind die Ergebnisse schlecht, werden die Schulen geschlossen und das Personal entlassen. In den Tests wird aber nur Faktenwissen in Englisch, Mathematik und den Naturwissenschaften abgefragt. Die Lernfortschritte des Einzelnen und Allgemeinbildung spielen keine Rolle. Auch nicht die Umfeldbedingungen einer Schule.

Brian Garvey: Ähnlich verlaufen die Schulinspektionen, bei denen externe Prüfer die Standards und Abläufe einer Schule bewerten. Das fließt in ein Ranking-System, das dann, wie der Medaillenspiegel bei olympischen Spielen, in den Massenmedien veröffentlicht wird. Schulen, die gut abschneiden, sind so in die Lage versetzt, sich Schüler selbst auszusuchen. Schwerer haben es dann die Kinder aus den bildungsferneren Schichten.

Welche Auswirkungen hat das für die Lehrer?

Brian Garvey: Da vom Test das Image einer Schule abhängt, wird vielfach nur noch für den Test gelernt. Für Projektunterricht oder das Eingehen auf Schülerwünsche bleibt keine Zeit. Völlig unberücksichtigt ist dabei auch die pädagogische Arbeit, die gerade Schulen in den sozialen Brennpunkten leisten müssen.

Barry Fawcett: Dieses Kontrollsystem belastet sowohl die Lehrer als auch die Schüler. Viele Kollegen klagen über gestiegene Arbeitszeiten und den zunehmenden Stress. Und bei den Schülern weist bereits ein Drittel aller siebenjährigen Kinder Stresssymptome auf.

Was passiert, wenn Schulen geschlossen werden?

Brian Garvey: Sie werden durch privat gesponserte City-Akademien ersetzt, die je nach dem Einsatz der privaten Mittel zusätzliches Geld aus dem Erziehungsministerium erhalten. Das ist eine oberflächliche Politik, denn dieses Geld fehlt anschließend bei der Masse »normaler« Schulen.

Barry Fawcett: Diese Akademien werden nur noch durch die privaten Träger kontrolliert. Sie legen den Lehrplan fest, entscheiden über das Schulbudget, haben die Personal- und Tarifhoheit. Sie suchen auch die Schüler aus.

Von wem werden solche Akademien denn gegründet?

Barry Fawcett: Häufig von Großbetrieben oder Universitäten. In letzter Zeit auch von rechts-religiösen Sekten. Dort wird dann Evolutionstheorie durch die »Schöpfungsgeschichte« ersetzt. Das ist nicht nur eine Geldverschwendung, sondern auch höchst gefährlich.

Verwendung: Neues Deutschland



20. Februar 2007

Brian Garvey und Barry Fawcett

Zwangs- und Kontrollsystem an britischen Schulen setzt Schüler und Lehrer unter Druck. Gewerkschaften tauschten in Hamburg Erfahrungen aus

Vertreter von Lehrergewerkschaften Hamburgs und Großbritanniens tauschten sich vergangene Woche in der Hansestadt aus. Endlich, denn schon 2001 konfrontierte die Handelskammer den damaligen Schulsenator Rudolf Lange (FDP) mit »Leitlinien zur Schulpolitik« – die sie dann Chris Woodhead, Chef der inzwischen privatisierten englischen Schulinspektion, begründen ließ. Nur mit mehr Wettbewerb sei das Ergebnis schulischer Ausbildung zu verbessern, lautete die Kernthese. Hamburger Schulpolitiker eifern dem nun nach, wobei sie auf die britischen »Erfolge« verweisen. Höchste Zeit also, daß auch die Lehrergewerkschaft GEW mit ihren britischen Kollegen schulpolitische Fragen diskutiert. Um Erfahrungen zu sammeln, reiste GEW-Landeschef Klaus Bullan im vergangenen Jahr nach London. Dies war der Ausgangspunkt für jenen »deutsch-britischen Gewerkschaftsdialog«. Unter den Gästen auch Brian Garvey, Präsident der »National Association of Schoolmasters – Union of Women Teachers« (NASUWT) sowie Barry Fawcett, Chefverhandlungsführer der »National Union of Teachers« (NUT).

Hoher Besuch, denn beide Organisationen repräsentieren (zu fast gleichen Anteilen) beinahe 90 Prozent der Lehrerschaft auf der Insel – ein Organisationsgrad, von dem hiesige Gewerkschafter nur träumen können. Doch eine starke Interessenvertretung ist in England und Wales (in Schottland ist einiges anders) auch bitter nötig. Vor allem seitdem der Labour-Politiker Anthony Charles Lynton Blair 1997 das Amt des Premierministers übernahm. Er fährt einen besonders scharfen Kurs von »mehr Wettbewerb«, aber auch Zwang, so daß selbst einige Konservative vor einer »Rückkehr ins viktorianische Klassenschulsystem« warnen.

Brian Garvey beschrieb, wie Blair 1996 seinen Wahlkampf gegen John Major noch mit dem Schlachtruf »Bildung, Bildung, Bildung« eröffnete. Als Regierungschef setzte er dann jedoch unmittelbar das fort, was zuvor die »eiserne Lady« Margret Thatcher mit den Schlagworten »Testing«, »Assessment« und »Examination« versucht hatte. Heute steckt hinter solch harmlos klingenden Begriffen ein ausgeklügeltes Zwangs- und Kontrollsystem, das aber nicht nur etliche Schüler, sondern auch viele Lehrer auf der Strecke läßt. Ein Beispiel dafür sind die landesweiten Tests, denen sich alle Kinder gleich mehrfach in ihrer Schulkarriere unterziehen müssen. Blair hatte versprochen, diese abzuschaffen, doch statt dessen hat er sie noch verschärft. Nur Faktenwissen in Englisch, Mathematik und anderen Naturwissenschaften wird dabei abgefragt. Lernfortschritte oder Allgemeinbildung spielen keine Rolle. Das Ergebnis bestimmt nicht nur die schulische Laufbahn des einzelnen Schülers, sondern entscheidet zugleich über das Wohl und Wehe ganzer Schulen. Sind die Ergebnisse zu schlecht, werden die Schulen geschlossen, das Personal entlassen. Angst verbreitern aber auch die externen Schulinspektoren, die das Recht haben, »Selbstevaluationen« und Standards von Pädagogen und Schulen zu bewerten. Das Ergebnis schlägt sich in einem Ranking-System nieder, das wie der Medaillenspiegel bei Olympischen Spielen in den Massenmedien veröffentlicht wird. Genüßlich machen sich die Gazetten dann über einzelne Schulen her.

NUT-Vertreter Barry Fawcett berichtete von den Folgen. Viele seiner Kollegen würden den Hauptinhalt ihrer Arbeit nur noch in der Vorbereitung auf solche Tests sehen. Für Projektunterricht oder das Eingehen auf Schülerwünsche bleibe keine Zeit. Der Druck sei so groß, daß sich die Arbeitszeiten deutlich verlängert hätten. Betroffen sind aber auch die Kinder: Schon bei den Siebenjährigen leidet ein Drittel unter Streßsymptomen. Was aber passiert mit geschlossenen Schulen? Blair-Intimus und Erziehungsminister David Blunkett dachte sich dafür sogenannte »City academies« aus. Diese werden von privaten Organisationen finanziert und kontrolliert. Nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel erhalten sie zudem besonders hohe Zuschüsse aus dem Erziehungsministerium. Die neuen Träger können die Lehrpläne nach eigenem Gutdünken gestalten. Sie entscheiden über das Schulbudget, haben Personal- und Tarifhoheit. Selbst die Schüler können von den privaten Trägern ausgesucht werden.

Es sind die Großunternehmen, aber auch Universitäten, die sich so ihren Nachwuchs gleich selbst heranzüchten. Schülerwerbung erfolgt hier mit Hochglanzbroschüren in den »besseren« Wohngebieten, während Kinder aus bildungsfernen Schichten keine Chance haben. Doch auch rechts-religiöse Sekten gründen eigene Akademien. Die »Schöpfungsgeschichte« ersetzt dann die Evolutionstheorie.

In Hamburg suchten die Pädagogen nach Vergleichen zur eigenen Situation, denn auch in der Hansestadt wird inzwischen viel von der »selbstverantworteten Schule« mit eigenen Budgetrechten geredet. Doch Uli Ludwig vom GEW-Vorstand warnte vor unmittelbaren Vergleichen. Noch seien die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich und die Lehrer in Deutschland besser geschützt. Doch das Prinzip sei identisch. Überall in Europa stoße das Kapital in Räume vor, die dem Profitprinzip bisher versagt blieben. Sich dagegen zu wehren sei Aufgabe der GEW.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/02-20/015.php



Bildungsgewerkschaftstagung in Hamburg forderte »Schule für alle« als Gegenmodell zur Dreigliedrigkeit

»Länger gemeinsam lernen – wir brauchen eine Schule für alle.« Mit der einhelligen Verabschiedung der gleichlautenden »Hamburger Erklärung« endete am Wochenende eine von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) initiierte und von zahlreichen Bündnispartnern getragene bildungspolitische Fachtagung in Hamburg. Auf dieser betonte Hamburgs GEW-Chef Klaus Bullan, Untersuchungen hätten ergeben, wie ungerecht und ausgrenzend das gegenwärtige dreigegliedrige Schulsystem sei.

Nur in Österreich und Deutschland werden Kinder bereits nach der Jahrgangsstufe vier in verschiedene Bildungswege getrennt, während in den Benelux-Ländern eine solche Trennung erst drei, in Frankreich und Italien vier und in Griechenland und Portugal erst fünf Schuljahre später erfolgt. Den Spitzenwert halten die skandinavischen Länder. Hier erfolgt die Trennung der Schüler erst zu Beginn der Berufsausbildung.

»Auch in Deutschland benötigen wir deshalb jetzt eine ›Schule für alle‹, in der die Kinder ganztags und von der ersten Klasse bis zum Abitur gemeinsam unterrichtet werden«, forderte Bullan zum Abschluß der Tagung.

Infos: www.gew-hamburg.de



Recht auf Bildung: Hamburger Rektoren verweigern Herausgabe von Daten für Zentralregister

In Hamburg nimmt der Widerstand gegen ein neues zentrales Schülerregister (ZSR) zu, das die Bürgerschaft erst im letzten Jahr beschlossen hatte, um so von Verwahrlosung bedrohte Kinder besser zu schützen. Doch trotz dieser Absicht, hat bisher nur ein Drittel aller Schulen Daten abgeliefert. Ursprünglich sollte das Register schon Anfang Oktober komplett sein. Doch viele Lehrer verweigern die Herausgabe – um Schüler zu schützen.

Warum sich etliche Hamburger Schulleiter weigern, Daten für das geplante zentrale Schulregister herauszugeben, kam erst vor einigen Tagen heraus. Ein Rektor hatte sich anonym an das »Hamburger Abendblatt« gewandt.

Seit mindestens 15 Jahren werden demnach in etlichen Hamburger Schulen auch Kinder unterrichtet, deren Eltern keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Weil aber auch diese Kinder ein »Recht auf Bildung« haben, hätten er und seine Kollegen, die Kinder nicht bei der Ausländerbehörde gemeldet. Greife nun aber das neue Register, würden betroffene Eltern ihre Kinder wieder von der Schule nehmen, um nicht entdeckt und abgeschoben zu werden, befürchtete der Rektor.

Reihenweise schlossen sich daraufhin weitere Pädagogen dieser Stellungnahme an, die auf viele Hundert solcher Fälle aufmerksam machten. Scharf reagierte daraufhin Schulsenatorin Alexandra Dinges- Dierig (CDU), die nun am vergangenen Freitag alle Schulleiter schriftlich dazu aufforderte, illegale Schüler sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Eventuell würden sonst sogar disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Im Zweifel für die Kinder

Doch dem widersprechen nun fast 70 Vertreter von Kinder- und Flüchtlingsorganisationen, aus den Gewerkschaften und Kirchen, die in einem offenen Brief betroffene Pädagogen dazu aufforderten, sich im Zweifel für die Kinder zu entscheiden, also sie weder bei der Ausländerbehörde, noch im neuen Register zu melden. Empörte Christdemokraten, aber auch einige Spitzenpolitiker der SPD, wie etwa der Hamburger Fraktionschef Michael Neumann, sehen darin nun einen »Aufruf zum Rechtsbruch «.

Rechtspopulistische Töne

Schon zuvor hatte der frühere Innensenator Roger Kusch, der inzwischen eine eigene rechtspopulistische Partei gegründet hat, via Springerpresse die betroffene Pädagogen mit Kriminellen verglichen. Illegale Ausländerkinder müssten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch, was im Übrigen auch in ihrem eigenen Interesse wäre.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Karin Haas, widersprach dem scharf. Das »humanitäre Handeln« der Hamburger Lehrer sei durch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen gedeckt, die auch das bundesdeutsche Ausländerrecht nicht brechen könne, sagte Haas.

Ein Standpunkt, den auch der Menschenrechtsexperte Hendrik Cremer vertritt, der sich außerdem auf die Kinderrechtskonvention der UN bezog. Demnach bestehe das Recht auf Bildung auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Staatsangehörigkeit eines Kindes. Ähnlich argumentierte auch Antje Möller von den Grünen, die sich nun außerdem auf eine Empfehlung der so genannten Süssmuth- Kommission bezieht.

In dieser nach der CDU-Politikerin Rita Süssmuth benannten Zuwanderungskommission der Bundesregierung, waren auch unabhängigen Experten zu dem Ergebnis gelangt, dass Lehrer nicht dazu verpflichtet werden könnten, den Aufenthaltsstatus ihrer Schüler zu ermitteln.

Quelle: Printausgabe des Neuen Deutschland, 09.10.2006, Seite 5



Streit in Hamburg: Dürfen Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere zur Schule gehen?

In Hamburg planen Schulleiter, die Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere an ihren Schulen unterrichtet haben, ohne sie der Ausländerbehörde zu melden, ein heimliches Gipfeltreffen, um sich über ihr gemeinsames Vorgehen gegenüber der Schulbehörde zu verständigen. Dies meldete am Mittwoch das Hamburger Abendblatt. Die Direktoren befürchten, daß die Kinder wegen des geplanten neuen zentralen Schülerregisters (ZSR), auf das auch die Ausländerbehörde Zugriff hätte, von dieser ermittelt und somit – samt ihrer Eltern – abgeschoben werden könnten.

Daß in Hamburg überhaupt Kinder von Eltern ohne gültigen Aufenthaltsstatus heimlich unterrichtet werden, war erst Ende letzter Woche bekanntgeworden, nachdem sich ein Schulleiter an Journalisten wandte. Demnach hätten etliche Schulen seit mindestens 15 Jahren solche Kinder unterrichtet, obwohl sie diese nach gültigem Recht hätten melden müssen. Doch die Pädagogen wollten durch ihr couragiertes Verhalten auch solchen Kindern den Zugang zu Bildung und sozialer Integration ermöglichen, den ihnen das Ausländerrecht sonst verwehrt. Aber nach Einführung des ZSR befürchten die Lehrer nun, daß die Eltern betroffener Kinder diese nicht mehr zur Schule schicken, weil sie Angst haben könnten, entdeckt und abgeschoben zu werden.

Kirchen- und Flüchtlingsorganisationen, aber auch Vertreter der Elternkammer appellierten daraufhin an den Senat, auf das neue Melderegister zu verzichten. Dieser Vorstoß trifft aber auf den erbitterten Widerstand der Abschiebungsverfechter in Bürgerschaft und Senat. Die fordern vielmehr, daß sich die Schulleiter nun disziplinarrechtlich verantworten müssen. Den Aufruf kirchlicher Hilfsorganisationen, betroffene Kinder auch weiterhin zu unterrichten und sie einfach nicht in das neue Melderegister einzutragen, bewerten sie als eine »Aufforderung zum Rechtsbruch«. Doch inzwischen hat das Verhalten der Schulleiter dazu geführt, daß auch Kommunalpolitiker aller Parteien eine Überprüfung der bisherigen Abschiebepraxis fordern, denn in einigen Schulen, die sich in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil befinden, sind offenbar noch viel mehr Kinder betroffen, als zunächst angenommen. Während der SPD-Migrationspolitiker Aydan Özoguz für sie eine weitere Schulausbildung forderte, verglich der frühere Hamburger Innensenator Roger Kusch, der eine neue rechtspopulistische Partei gegründet hat, um Schill zu beerben, deren Eltern, aber auch die Pädagogen mit Kriminellen. Illegale Ausländerkinder hätten in Hamburg nichts zu suchen und müßten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch.

http://www.jungewelt.de/2006/10-05/005.php



Gewerkschaften fordern Sofortprogramm für Ausbildung. Länder verschleiern Ausmaß des Lehrstellenmangels und lassen Betroffene in Warteschleifen sitzen

Angesichts der verheerenden Lage auf dem Ausbildungsmarkt – nach den am Freitag von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Zahlen sind auch im neuen Ausbildungsjahr noch immer 215 000 junge Menschen ohne Lehrstelle – haben Gewerkschaftsfunktionäre am Wochenende die Forderungen des DGB nach einem Sofortprogramm für Ausbildung unterstützt. Wie zuvor schon DGB-Vizechefin Ingrid Sehrbrock verlangten nun auch Frank Werneke, stellvertretende Vorsitzender von ver.di, und GEW-Chef Ulrich Thöne 50000 zusätzliche, also außerbetriebliche Ausbildungsplätze, die aus einem Teil des erwarteten Milliardenüberschusses der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden könnten. Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck und sogar der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) unterstützen diese Forderung, deren Umsetzung nach Gewerkschaftsberechnungen 650 Millionen Euro kosten würde.

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nele Hirsch, hält dagegen ein solches Programm für nicht ausreichend. So könne die Lehrstellenkrise nicht gelöst werden, kritisierte Hirsch. Sie verlangte die Aufkündigung des »wirkungslosen Ausbildungspaktes« zwischen Wirtschaft und Regierung durch letztere und die Einführung einer gesetzlichen Umlagefinanzierung für die Ausbildung.

Doch dazu ist die Bundesregierung nicht bereit. Wie die bis 2005 amtierende SPD-Grünen-Regierung setzt sie lediglich auf »freiwillige Selbstverpflichtungen« durch die Wirtschaft. Gebracht hat das bisher nichts, denn auch nach den offiziellen Zahlen aus Nürnberg kommen in diesem Ausbildungsjahr auf rund 703000 Ausbildungsinteressenten nur 402000 betriebliche Ausbildungsplätze. Auch die Delegierten des DGB-Kongresses im März hatten deshalb die Forderung nach einer Ausbildungsumlage bekräftigt, mit der ausbildungswillige Betriebe bezuschußt würden, während die anderen bezahlen müßten. Die Gewerkschaftsoberen halten das aber offenbar für nicht durchsetzbar, weshalb sie nun schon seit Juli an ihrem Vorschlag für ein Sonderprogramm herumbasteln.

Daß ein solches Programm das Problem nicht löst, zeigt auch eine aktuelle Berechnung der Hamburger Gewerkschaftsjugend. Danach ist die Lage noch dramatischer, als die offiziellen Zahlen aus Nürnberg vermuten lassen. Allein in Hamburg wurden von fast 28000 Jugendlichen, die sich bei der Bundesagentur meldeten, für das laufende Ausbildungsjahr nur 7187 als Ausbildungsplatzbewerber anerkannt. Mehrere tausend wurden hingegen als »nicht ausbildungsreif« eingestuft und in sogenannte berufsvorbereitende Maßnahmen oder andere Warteschleifen gesteckt. Von den 7187 offiziell anerkannten Bewerbern waren 71 Prozent sogenannte Altbewerber, die schon in den letzten Jahren keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten. Nur 35 Prozent der Bewerber eines Schuljahres landen also direkt in der dualen Berufsausbildung. Angesichts dessen, daß nur 16 Prozent aller ausbildungsberechtigten Betriebe tatsächlich Jugendliche in die Lehre nehmen, sei das nicht verwunderlich, konstatierte Olaf Schwede von der Gewerkschaftsjugend.

Deshalb hat der Hamburger DGB nun einen eigenen Forderungskatalog vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei die Initiative für ein »Landesgesetz für eine nachfrageorientierte Kammerumlage, die ausbildende Unternehmen unterstützt und dem Ausbildungsengagement der anderen auf die Sprünge hilft«. Maßstab dafür müsse die Zahl der tatsächlich nicht versorgten Jugendlichen sein, sagte der Hamburger DGB-Chef Erhard Pumm.

http://www.jungewelt.de/2006/09-04/030.php



Rüstungsexpertin als Präsidentin der Hamburger Universität bestätigt

Deutschlands größte Universität wird künftig von einer Raketenforscherin geleitet, der Geschäfte mit der Rüstungsindustrie vorgeworfen werden. Der Akademische Senat (AS) der Universität Hamburg bestätigte am Donnerstag unter lautstarken Protesten mit neun Ja- gegen sechs Nein-Stimmen die Wahl von Monika Auweter-Kurtz, die bisher das Stuttgarter Steinbeis-Transferzentrum für Plasma- und Raumfahrttechnologie leitete. Die studentischen Vertreter im AS wollen die Entscheidung allerdings nicht akzeptieren, da ihrer Ansicht nach die Mehrheit des gesamten AS notwendig gewesen wäre. Vier AS-Mitglieder waren der Sitzung ferngeblieben.

Auweter-Kurtz war von dem neu eingerichteten Hochschulrat nominiert worden, der zur Hälfte mit hochschulfremden Personen wie Ex-Unilever-Chef Johan Lindenberg oder Sparkassenvorstand Harald Vogelsang besetzt ist. Da die Kandidatenauswahl unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, sprachen die Vertreter der Studentenschaft von einem »undemokratischen und autoritären Verfahren.« Bela Rogalla, studentischer Interessenvertreter im AS, sagte, die Ernennung sei ein Schlag ins Gesicht für alle – schließlich orientiere sich die Universität Hamburg am Leitbild der Friedensforschung. Unbestritten sei zudem, daß Auweter-Kurtz im Auftrag des Rüstungskonzerns Bayern-Chemie Protac Raketenbrennkammern der Typhoon-Gefechtsraketen des Eurofighters getestet habe.

Olaf Walther, ebenfalls studentischer Vertreter im AS, lehnte die Ernennung von »Raketen-Moni« auch deshalb ab, weil sie sich für die Einführung von Studiengebühren stark macht. Die würden aber, wie eine Urabstimmung gezeigt habe, von 95 Prozent der Hamburger Studenten abgelehnt.

Proteste gegen das Ernennungsverfahren gibt es auch von außerhalb. Die Linkspartei.PDS wirft der Stuttgarter Professorin vor, eng mit der US-Air-Force und der NASA zusammengearbeitet zu haben. Linkspartei-Landessprecher Horst Bethge befürchtet zudem, daß sich nun auch die Kooperation der Universität Hamburg mit dem Rüstungskonzern EADS verstärkt.

http://www.jungewelt.de/2006/07-28/037.php



Personalräte von Hamburger Schulen lehnen CDU-Pläne für neues Schulgesetz ab. Grüne finden konservative Vision von »selbstverantworteter Schule« chic

Gegen ein neues Schulgesetz haben am Mittwoch Personalräte aus fast allen Hamburger Gymnasien Stellung bezogen. In einer gemeinsamen Resolution forderten sie die Bürgerschaft auf, dieses neue Gesetz abzulehnen. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Hamburger Schulen künftig wie kleine Unternehmen geführt werden. Sie verwalten ihr eigenes Budget und haben das Recht zur eigenen Personalbewirtschaftung. Verbindliche Absprachen mit der Schulbehörde soll es nur noch im Rahmen jährlicher Leistungsvereinbarungen geben. Erst vor kurzem hatte sich auch die Personalversammlung aller erweiterten Schulleitungen der Gymnasien gegen das Vorhaben von Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) ausgesprochen, das diese schon im August durch die Bürgerschaft beschließen lassen will.

Das geplante Gesetz gehe zu Lasten der Qualität, sagte Gymnasialpersonalrat Michael Bartsch. Statt den päda-gogischen Konsens zu suchen, würde das neue Gesetz nur den Kostendruck einseitig auf die Schulleitungen übertragen. Diese müßten künftig darüber entscheiden, ob sie entweder mehr Sachmittel oder aber gut ausgebildete Lehrer statt billiger Honorarkräfte haben wollen. Schon jetzt sei absehbar, daß sich Schulleitungen unter diesem Druck dazu entscheiden würden, Probleme auf dem Rücken ihrer Kolle-gien zu lösen. Aber auch die Schulleiter selbst würden unter dem Druck eines Ranking-Wettbewerbs stehen, bei dem schlechte Auslastungs- und Budgetwerte entscheidende Kriterien liefern sollen, ob eine Schule gegebenenfalls geschlossen wird.

Ebenfalls einstimmig kritisierten die Personalräte die geplante Einschränkung von Mitbestimmungsrechten. Nach dem neuen Gesetz soll es keine Schulkonferenzen mehr geben. Beunruhigt zeigten sich die Personalräte auch über ein neues Gebäudemanagement, das auf eine Auslagerung von Hausmeistertätigkeiten hinauslaufe. Schon zuvor hatten sich Personalräte aus allen Grund-, Haupt- und Realschulen gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Heftige Kritik kam auch von der Lehrergewerkschaft GEW, der Linkspartei.PDS und sozialdemokratischen Bildungspolitikern. Die Grünen hingegen betonten, daß sie das CDU-Konzept der »selbstverantworteten Schule« im Grundsatz begrüßen.

http://www.jungewelt.de/2006/06-08/025.php



Bundesagentur für Arbeit rechnet für den Herbst mit 40000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz. Das liegt um ein Drittel über der Schätzung der Bundesregierung

Bis zu 40000 Jugendliche könnten im Herbst ohne Lehrstelle dastehen. Das befürchtet die Bundesagentur für Arbeit, die deshalb den kommenden Montag zum »Tag des Ausbildungsplatzes« erklärt hat. Sie will zu diesem Datum bundesweit Unternehmen um weitere Ausbildungsplätze bitten. Unterstützt wird die Aktion von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesregierung. Während der Aktion sollen allein in Schleswig-Holstein über 500 Sachbearbeiter aus den lokalen Arbeitsagenturen mehrere tausend Betriebe aufsuchen. Bislang rechnete die Bundesregierung mit bis zu 30000 fehlenden Lehrstellen, wie Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) soeben im Kabinett vortrug. Das Thema soll deshalb am Sonntag auch im Koalitionsausschuß besprochen werden.

Hintergrund für die aktuelle Lehrstellenmisere ist der neuerliche Rückgang beim Ausbildungsplatzangebot vor allem in den alten Bundesländern. Demgegenüber stagniert der Ausbildungsmarkt in den neuen Bundesländern. Im Vergleich zum Vorjahr wurden den Arbeitsagenturen nach eigenen Angaben 3,4 Prozent weniger Lehrstellen angeboten, so daß vier Monate vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch 371000 Jugendliche als »unversorgt« gelten – 47700 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.

Das Thema hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch auf dem DGB-Kongreß in Berlin angesprochen. Der Ausbildungspakt mit der Wirtschaft sei in einem Zustand, mit dem »wir nicht zufrieden sein können«, sagte Merkel. Doch trotz dieser Probleme erteilte Müntefering Forderungen nach einer Ausbildungsplatz-umlage erneut eine Absage. Diese Forderung hatte der DGB-Bundeskongreß auf Antrag der Gewerkschaftsjugend erst am Donnerstag erneuert.

Das Recht auf eine ordentliche Berufs-ausbildung sei ein Grundrecht für alle Jugendlichen, sagte Olaf Schwede, Sprecher der Gewerkschaftsjugend in Hamburg, zu junge Welt. Es sei aber offensichtlich, daß die Arbeitgeber ihre im Ausbildungspakt gegebenen Versprechen nicht einhielten. Das könne nur mit einer Ausbildungsplatzumlage verändert werden, bei der diejenigen Unternehmer, die nicht ausbilden, ausbildungsbereite Betriebe finanziell unterstützen müßten.

http://www.jungewelt.de/2006/05-27/018.php



Koalitionsstreit in Kiel: CDU verlangt Überarbeitung des Schulgesetzentwurfs der SPD-Bildungsministerin

Der von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) vorgelegte Entwurf für ein neues Schulgesetz kommt beim Koalitionspartner CDU nicht gut an. Am Mittwoch bezeichnete dessen Landesgeschäftsführer Daniel Günther den erst am Vortag ins CDU-SPD-Kabinett eingebrachten Gesetzesentwurf nur als »Arbeitsgrundlage«, der nun durch Beratungen in den Fraktionen dringend nachgebessert werden müsse. Erdsiek-Rave will vor allem an der Verankerung neuer Gemeinschaftsschulen im Gesetz festhalten.

Diese lehnt die CDU als »Einheitsschule« grundsätzlich ab. Allenfalls Modellversuche für einige Gesamtschulen sollen toleriert werden. Mit den Gemeinschaftsschulen will die SPD den Unterricht nicht mehr ab Klasse fünf, sondern erst ab Klasse sieben nach Schulformen differenzieren. Kritik am Gesetzentwurf kommt aber auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die die darin ebenfalls geplante Oberstufenreform als Rückgriff auf pädagogische Ansätze »aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts« bezeichnete.

Die Bildungspolitik war schon im Landtagswahlkampf zwischen Ost- und Nordsee der größte Streitpunkt. Die CDU will an der Dreigliedrigkeit des Schulsystems ab Jahrgangsstufe fünf festhalten. Umstritten ist auch das »Sitzenbleiben«, das Erdsiek-Rave nun für die Jahrgangsstufen fünf und sechs grundsätzlich abschaffen will, während ihr Koalitionspartner an Rückstufungen festhalten möchte.

Im Kabinett war dieser Streit zunächst vertagt worden. Für Unruhe sorgt auch die geplante Neuregelung des Abiturs, bei der die Bildungsministerin CDU-Positionen übernommen hat. Lehrer- und Elternverbände monieren, daß die Abiturprüfung künftig schon in Jahrgangsstufe zwölf erfolgen soll, während zusätzliches Personal für daraus resultierende zusätzliche Unterrichtssstunden nicht eingeplant werde. Auf Kritik stößt zudem, daß die Wahlmöglichkeiten in der Oberstufe eingeschränkt sind, während die Hauptfächer Mathematik und Deutsch sowie mindestens eine Fremdsprache verbindlich vorgegeben werden. Letzteres geht auf Forderungen der Wirtschaftsverbände zurück, die sich davon eine bessere Allgemeinbildung erhoffen. Für GEW-Landeschef Klaus Niemann ist dies jedoch eine Mißachtung sozialwissenschaftlicher oder musisch-künstlerischer Fächer. Überhaupt trifft das geplante neue Oberstufensystem bei der Lehrergewerkschaft nicht auf Gegenliebe. Niemann forderte statt dessen »echte Ganztagsschulen« und mehr individuelle Förderung für alle Schüler.

Zentraler Streitpunkt in der Kieler Koalition ist jedoch etwas anderes: Erdsiek-Rave will mit dem neuen Schulgesetz das Tragen religiöser Symbole für Lehrer grundsätzlich ausschließen. Sie sollen zu »religiöser Neutralität« verpflichtet werden, was aber sowohl Kopftücher als auch Kruzifixe ausschließe. Die Christdemokraten sehen in der Verbannung des Kreuzes dagegen eine Bedrohung abendländischer Kulturwerte.

http://www.jungewelt.de/2006/03-31/025.php



Schulleiter kündigen Beamtenprotest an

In Hamburg haben am Mittwoch auf einer gemeinsamen Konferenz über 120 Schulleiter der Grund- Haupt-, Real- und Sonderschulen einstimmig die Bürgerschaft dazu aufgefordert, ein geplantes neues Schulgesetz nicht zu verabschieden.

Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) will durch das neue Gesetz den Schuldirektoren eine volle Zuständigkeit für alle Budget- und Personalbewirtschaftungsfragen einräumen, während das Verhältnis einzelner Schulen zur Schulbehörde nur noch durch jährliche Leistungsvereinbarungen geprägt sein soll. Doch Kritiker befürchten, dass damit nur die Verantwortung für Mittelkürzungen auf die Schulen abgewälzt werden soll, wo die Leitungen dann veranlasst sein könnten, teureres Lehrerpersonal auch durch billige Honorarkräfte zu ersetzen.

Die Schulleiter haben nun angekündigt, gegen das neue Schulgesetz zu remonstrieren, sollte die Bürgerschaft es tatsächlich beschließen. Die Remonstration ist eine im Beamtengesetz vorgesehene Möglichkeit, grundlegende Bedenken gegen eine Anordnung aktenkundig zu machen und sie nur unter Protest auf eine Dienstanweisung hin durchzuführen.

Ob das neue Schulgesetz die Bürgerschaft nun tatsächlich und unverändert passieren wird, ist allerdings fraglich. Denn die Schulleiter nehmen bei Umsetzung der Novelle eine Schlüsselrolle ein und ohne sie ist eine Umsetzung der Veränderungen kaum denkbar. Schon zuvor hatten verschiedene Kammern, Lehrerverbände sowie die Oppositionsparteien scharf gegen das neue Hamburger Schulgesetz Stellung bezogen.

Die unerwartet einhellige Ablehnung durch die Schulleiter, die drei Viertel aller Schulen in ihrem Bereich vertreten, hat sich die Schulsenatorin selbst eingebrockt. Die Direktoren werfen ihr vor, das neue Gesetz im Eiltempo und »undemokratisch« ausgearbeitet zu haben, während sie selbst nicht beteiligt waren. In einer Stellungnahme wird deshalb nun vom Abbau innerschulischer Demokratie gesprochen, den eine neue und »selbstverantwortete Schule« aber benötige.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=87701&dc=2&db=Archiv



Personalräte der allgemeinbildenden Schulen in Hamburg machen Front gegen »Selbstverantwortete Schule«. SPD und Grüne wieder einmal für neoliberale Lösung

In Hamburg haben Personalversammlungen aller allgemeinbildenden Schulen die Bürgerschaft dazu aufgefordert, ein neues Schulgesetz des CDU-Senats abzulehnen. Das geht aus einer zum Wochenende veröffentlichen gemeinsamen Erklärung der Personalräte hervor. Darin wurden auch die Schulkollegien aufgefordert, Stellungnahmen gegen das neue Gesetz auszuarbeiten. Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) möchte damit erreichen, daß die Schulen künftig wie kleine Unternehmen geführt werden. Diese »Selbstverantworteten Schulen« sollen eigenständig ihr Budget bewirtschaften und Personal einstellen können. Absprachen mit der Schulbehörde soll es nur noch jährlich im Rahmen von Leistungsvereinbarungen geben.

Lehrer befürchten, daß mit diesem Konzept die Verantwortung für die Mängelverwaltung auf die Schuldirektoren abgeladen wird. Zugleich würden Mitbestimmungsmöglichkeiten von Lehrern, Eltern und Schülern gestrichen. Kritik kommt auch von der Linkspartei.PDS, deren Landessprecher Horst Bethge die Gefahr sieht, daß die Direktoren veranlaßt sein könnten, fehlende Sachmittel durch Personaleinsparungen auszugleichen. Nach dem neuen Gesetz könnten die Schulleiter für bestimmte Aufgaben auch anstelle von Lehrern billigere Honorarkräfte einstellen. Demgegenüber betonten Grüne und SPD, daß sie im Grundsatz für eine »Selbstverantwortete Schule« sind. Sie fordeten allerdings mehr Mitbestimmungsrechte durch die Schulkollegien.

http://www.jungewelt.de/2006/02-27/053.php



Hamburg: Konservative Kehrtwende in der Bildungspolitik

Einschneidende Veränderungen für die Bildungslandschaft hat der CDU-geführte Senat der Hansestadt Hamburg beschlossen. Schuldirektoren sollen mehr Entscheidungskompetenzen erhalten und neben dem Gymnasium wird es künftig nur noch so genannte Stadtteilschulen geben.

In Hamburg hat die Schuldeputation in der letzten Woche ein Schulgesetz beschlossen, nach dem die Direktoren volle und abschließende Zuständigkeit für die Budget- und Personalbewirtschaftung ihrer Schulen erhalten. Ihre Schulen sollen künftig wie kleine Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen Kennziffern geführt werden, die durch Leistungsvereinbarung mit der Behörde festgelegt werden.

Während Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) das neue Gesetz im Mai auch in der Bürgerschaft beschließen lassen will, kritisiert die Opposition das Vorhaben. Der Landessprecher der Linkspartei, Horst Bethge, fürchtet, dass Mittelkürzungen künftig die Schuldirektoren dazu veranlassen könnten, ihr Lehrerpersonal durch billigere Honorarkräfte zu ersetzen. Für »missraten« halten auch SPD und Grüne das Gesetz, obwohl sie im Grundsatz der »Selbstverantworteten Schule« zustimmen. Sie beklagen den Abbau von Mitbestimmungsrechten bei Lehrern, Eltern und Schülern. Größere Beteiligungsrechte beim Abschluss künftiger Leistungsvereinbarungen mit der Behörde fordert auch Elternkammernvorsitzender Holger Gisch.

»Mitbestimmung zur Mängelverwaltung« reiche aber allein nicht aus, sagte dazu GEW-Landeschef Klaus Bullan gegenüber ND. Für ihn ist Bildungspolitik durch Ressourcenwirtschaft und Wettbewerb nicht zu ersetzen und nach wie vor habe die Schule die Aufgabe, »soziale Disparitäten« auszugleichen. Wie die Linkspartei fürchtet auch Bullan, dass pfiffige Schulleiter auf die Idee kommen könnten, pädagogische Aufgaben, wie etwa die Pausenaufsicht oder die Korrektur von Klassenarbeiten, künftig durch Honorarkräfte erledigen zu lassen. Verärgert zeigt man sich in der Lehrergewerkschaft zudem, weil nun die »Entgeltlichkeit« von Lernmittel festgeschrieben wird.

Das Ganze ist allerdings nur der Auftakt einer bildungspolitischen Debatte, wie sie die Stadt seit langem nicht erlebte. Eine »Enquete-Kommission« der Bürgerschaft soll bis März 2007 den Vorschlag der Schulsenatorin bewerten, die Haupt-, Real und Gesamtschulen zu »Stadtteilschulen« zusammenfassen will, während die Gymnasien unberührt bleiben. Die PISA-Studien hätten gezeigt, dass nur fünf Prozent aller Hamburger Schüler im Deutschlandvergleich weit vorn lägen, während aber 75 Prozent der Hauptschüler zu den »Risikoschülern« zählten, die einen Berufsschulabschluss wohl nicht erreichen, begründete Dinges-Dierig ihren Vorschlag.
Während der Hauptschule niemand nachweint, will die CDU mit der Zusammenlegung von Schulen auch die Gesamtschulen schleifen. Sie sagt, »nirgendwo sonst« sei der Anteil der Schulabbrecher größer, weshalb die »Integration« die Probleme nicht behebe. Im Schulmodell der Christdemokraten ist deshalb ein höherer Bildungsabschlusses für die neue Stadtteilschule nicht mehr vorgesehen. Das aber will Erziehungswissenschaftler Professor Reiner Lehberger, den die SPD für die Kommission berufen hatte. Grüne und Linkspartei gehen einen Schritt weiter. Sie fordern bis Klasse 9 eine »Schule für alle«. Erst dann könnten alle Schüler entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert werden und die frühzeitige Selektion wäre zu Ende, begründete Kay Beiderwieden, schulpolitischer Sprecher der Linkspartei, gegenüber ND.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=86090&dc=2&db=Archiv



Hamburger Enquete-Kommission untersucht Möglichkeiten zur Reform der Schulstruktur. GEW will »Schule für alle«. Ein Gespräch mit Klaus Bullan

* Klaus Bullan ist Vorsitzender der GEW in Hamburg

F: Die Hamburger Bürgerschaft hat eine Enquete-Kommission zur Schulstrukturreform eingesetzt. Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) schlägt ein zweigliedriges Schulsystem vor. Wie beurteilen Sie das?

Das bisher dreigliedrige System hat schwere Mängel. Doch wir fürchten, daß nun ausgerechnet die Gesamtschulen wegfallen, die dann mit Haupt- und Realschulen zur Mittelschule zusammengefaßt werden, während die Gymnasien unangetastet bleiben. Das lehnen wir ab, denn die Gesamtschule ist – neben der Grundschule – die einzige allgemeinbildende Schulform, die integrativ ist. Die Hauptschule in Frage zu stellen, war überfällig, denn sie ist in Hamburg Restschule. Sie führt nur noch zehn Prozent der Schüler, wovon Dreiviertel Risikoschüler sind, d.h. Schüler, deren Berufschancen minimal sind.

F: Hat die Gesamtschule nicht versagt?

Schwächen ergeben sich vor allem aus der Konkurrenz zum gegliederten Schulsystem, das auf Selektion gerichtet ist. Aufs Gymnasium gehen überwiegend Kinder aus mittleren oder höheren Schichten, während die übrigen Schulen eher bildungsfernere Schichten erreichen. Ihre volle Wirkung könnte die Gesamtschule erst entfalten, wenn sie die einzige Schulform wäre und damit die Selektion nach der vierten Klasse aufhört.

F: Um welche Inhalte geht es bei der Schulstrukturdebatte?

Es sind unterschiedliche Konzepte, die sich da niederschlagen. Während wir die Integration in heterogene Lerngruppen fordern und Möglichkeiten der individuellen Förderung ausbauen wollen, geht konservative Bildungspolitik von feststehenden und unterschiedlichen Begabungen aus, worauf sich dann die Selektion bezieht. Doch wir sind überzeugt, daß die Entwicklung jedes Schülers viel besser verläuft, wenn die Ausgangssituationen in einer Lerngruppe vielfältig sind. Der Lernerfolg des einzelnen hängt in der Regel nicht von Begabungen, sondern vom sozialen Hintergrund ab. Deshalb ist es unser Ziel, jedem Kind unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft die besten Chancen zu geben. Unser Zukunftsmodell ist die »Schule für alle«, wo Kinder und Jugendliche bis zur zehnten Klasse in einer gemeinsamen Schulform unterrichtet werden, die durch einen mittleren Bildungsabschluß endet. Erst danach ergäbe sich die Trennung in eine Oberstufe mit der Perspektive des Abiturs und/oder der beruflichen Ausbildung.

F: Und wie sollte eine solche Schule konkret aussehen?

Diese Schule wäre eine Ganztagsschule, die durch enge Stadtteilbezüge einen lebendigen Lebens- und Lernraum für alle Schüler schafft. Die Angebote einer Schule dürfen sich nicht nur auf den Unterricht beziehen. Sie müssen zahlreiche weitere Aktivitäten einbeziehen. Wir brauchen mehr Gruppenarbeit und weniger Frontalunterricht. Eigenarbeit und praxisorientierte Projektarbeiten müssen gestärkt werden. Für den Unterricht sollten Beziehungen aus dem Stadtteil und aus der Arbeitswelt stärker genutzt werden. Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Das ist angesagt. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.

F: Welche Auswirkungen für die Unterrichtsgestaltung hätte eine Schule für alle?

Verantwortung könnte nicht länger abgeschoben werden. Wir sind ja Weltmeister im Abschieben. Nirgendwo sonst gibt es so viel Sitzenbleiben, Zurückstellungen und Abschulungen wie in Deutschland. Bildungskarrieren erhalten häufig einen Knick, Kinder werden als Versager beschämt. Klassenarbeiten werden nicht geschrieben, um den Schülern Feedback zu geben, wo sie stehen, sondern um zu selektieren.

http://www.jungewelt.de/2006/02-06/038.php



Hamburg: Behörde will die gesamte Beschaffung einem privaten Großbuchhändler übertragen

In Hamburg will die Schulbehörde die gesamte Beschaffung für Schulbücher einem privaten Großbuchhändler übertragen, wie zu Wochenbeginn in der Hansestadt bekannt wurde. Für 30 Schulen soll noch 2006 ein Modellprojekt starten. Wie berichtet, hatte Hamburg im Sommer 2005 die Lernmittelfreiheit abgeschafft. Schulbücher müssen seitdem von Eltern selbst geliehen oder gekauft werden, was in den Schulsekretariaten zu erheblichen Mehrbelastungen führte. Diese müssen nun Schulbuchkonten führen, um säumige Eltern zu mahnen. Mit der Begründung, diese Belastung zurückzufahren, hatte die Schulbehörde deshalb jetzt klären lassen, ob Privatverlage bereit wären, das gesamte System, samt der Geldeintreibung bei säumigen Zahlern, zu übernehmen.

Offenbar mit Erfolg, denn im Gespräch sind nun zwei Großhändler. Die Grossistenfirma Libri aus dem hessischen Bad Hersfeld und der Hamburger Großbuchhändler Heymann, wie Behördensprecher Alexander Luckow bestätigte. Geplant sei ebenfalls, daß die Firmen auch die Rücknahme ausgeliehener Bücher realisieren und dafür ein eigenes Verwaltungs- wie Rechnungswesen installieren. So könnten die Privathändler »fakultativ« den Schulleitungen auch bei der Auswahl der Lernmittel helfen.

Davon hält GEW-Landesvorsitzender Klaus Bullan überhaupt nichts. Die Privatisierung des Hamburger Schulwesens nehme nun bedrohliche Formen an, kritisierte Bullan die Behördenplanungen gegenüber junge Welt. Seine Gewerkschaft lehnt die Abschaffung der Lernmittelfreiheit genauso ab wie die jetzige Übertragung des Beschaffungswesens an private Großbuchhändler. Damit könnten diese Einfluß auf die Unterrichtsgestaltung gewinnen. Doch besorgt sind auch Elterninitiativen, die nun fürchten, daß mögliche Mehrkosten einer privaten und zentralisierten Buchbeschaffung auf den Preis der Schulbücher aufgeschlagen werden. Alarm schlagen ebenfalls kleinere Buchhändler, die bisher einzelne Schulen belieferten. Sie fürchten, nicht nur aus dem Schulbuchmarkt verdrängt zu werden, sondern auch generell, weil Großverlage so an die Adressen von Endkunden herankämen. Unterdessen haben Elterninitiativen angekündigt, ihren Widerstand gegen Schulbuchgebühren nun verstärkt fortzusetzen. Eine Volkspetition zur Wiederherstellung der Lernmittelfreiheit sei schon im Gespräch, hört man von Kreiselternräten.

http://www.jungewelt.de/2006/01-25/019.php



Warnstreik und Demonstrationen Hamburger Studenten

Etwa 1000 Studenten haben am Samstag in Hamburg erneut gegen die Einführung von Studiengebühren demonstriert. Polizei und Versammlungsbehörde hatten zuvor versucht, den angemeldeten Aufmarsch aus der Innenstadt fernzuhalten, um so den verkaufsoffenen Samstag für die Geschäftswelt ohne Störungen ablaufen zu lassen. Gegen diese Einschränkung des »Grundrechts auf Versammlungsfreiheit« hatte der AStA der Uni Hamburg vor dem Verwaltungsgericht geklagt, das den Studierenden (kurz vor Demo-Beginn) schließlich auch Recht gab und eine Demo durch die Innenstadt genehmigte.

Bereits am Donnerstag und Freitag hatten Studierende mit einem zweitägigen Warnstreik, durch Aktionen und im Rahmen eines alternativen Vorlesungsprogramms erneut auf ihre Forderungen aufmerksam gemacht. Neben dem Philosophenturm und dem Pädagogischen Institut, wurden dabei auch der soziologische Fachbereich und das Geomatikum der Uni Hamburg blockiert und bestreikt. Mit Transparenten wie »Studiengebühren stoppen« oder »Existenzgeld für alle« hatten Studenten am Freitag auch zeitweilig das BAföG-Amt besetzt, das sie erst wieder verließen, nachdem sich die Amtsleitung mit den Studenten solidarisch erklärte.

Wie schon im November richteten sich die Protestaktionen gegen einen Gesetzentwurf von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos), der allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester bereits zum Herbst nächsten Jahres einführen will. Während sich Dräger davon eine bessere Finanzierung der Universitäten verspricht, befürchten die Studenten, daß ein Bezahlstudium künftig viele Menschen von höherer Bildung ausschließt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-19/014.php



Hamburg: Volksbegehren gegen Privatisierung der Berufsschulen vor Verfassungsgericht gescheitert

Das Volksbegehren gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen ist gescheitert. Am Mittwoch entschied das Hamburger Verfassungsgericht, daß die Volksinitiative »Bildung ist keine Ware« auf einen Volksentscheid nicht bestehen könne, da die Bürgerschaft im November 2004 dem Anliegen der Initiative bereits entsprochen habe.

Wie berichtet, hatten statt geforderter 61000 sogar 121000 Hamburger das Volksbegehren unterstützt. Daraufhin beschloß die Bürgerschaft, daß die Berufsschulen zwar nicht mehr, wie ursprünglich geplant, auf eine private Wirtschaftstiftung übertragen werden, doch gleichzeitig beschloß das Landesparlament deren Ausgliederung in einen Landesbetrieb. Der Pferdefuß: In dessen aufsichtsführenden Gremien haben Vertreter der Handwerks- und Handelskammer einen bestimmenden Einfluß. Das alte Vorhaben, »nur neu verpackt«, kommentierte Sigrid Strauß, stellvertretende Vorsitzende der GEW in Hamburg. Doch Senat und Bürgerschaft sahen damit die Sache als erledigt an. Um doch noch einen Volksentscheid zu erzwingen, ging die Initiative im Dezember 2004 vor das Verfassungsgericht. Die Kläger beantragten festzustellen, daß der Beschluß der Bürgerschaft dem Anliegen des Volksbegehrens nicht entspricht.

Diese Klage wurde nun zurückgewiesen, nachdem Verfassungsgerichtspräsident Wilhelm Rapp schon Anfang November in mündlicher Verhandlung verdeutlicht hatte, daß das Petitum des Volksbegehrens nicht eindeutig wäre. (junge Welt berichtete). Durch den Beschluß der Bürgerschaft, so das Gericht, wäre dem eigentlichen Anliegen entsprochen worden.

Enttäuscht zeigen sich neben den Initiatoren vor allem Hamburgs Gewerkschaften. Das Gericht habe der Volksgesetzgebung einen weiteren Dämpfer verpaßt, meinte DGB-Chef Erhard Pumm, dem sich die »Frage aufdrängt, worüber das Volk eigentlich noch entscheiden dürfe«, werden die juristische Hürden so hoch gesetzt. Wie Strauß befürchtet auch Pumm nun einen Verlust von Allgemeinbildung und eine Benachteiligung vollzeitschulischer Bildungsgänge in den Hamburger Berufsschulen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-01/013.php



Hamburger Oberverwaltungsgericht stoppt Gebührenerhebung für auswärtige Studenten

Das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) hat am Montag eine von der Wissenschaftsbehörde verfügte Regelung gestoppt, wonach auswärtige Studierende ohne Wohnsitz in Hamburg zusätzliche Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester zahlen müssen. Die Entscheidung kann als Niederlage für Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) betrachtet werden, denn dieser will noch im Dezember ein Gesetz in die Bürgerschaft einbringen, mit dem allgemeine Studiengebühren für alle Studenten eingeführt werden. Doch mit der Entscheidung des OVG ist nunmehr nicht nur die Eintreibung der Gebühren für auswärtige Studierende sofort gestoppt, sondern gleichzeitig die politische Diskussion um die Studiengebühren neu entbrannt.

Nach der Regelung der Wissenschaftsbehörde mußten auswärtige Studenten schon seit April 2004 zusätzliche Gebühren zahlen, so lange sie ihren Hauptwohnsitz nicht nach Hamburg verlegten. Durch solche Wohnsitzummeldungen erhält die Stadt höhere Zahlungen beim Länderfinanzausgleich. Gegen diese Regelung hatte im März 2005 ein Student mit Wohnsitz in Hannover geklagt und vor dem Verwaltungsgericht in erster Instanz Recht erhalten. Am Montag wurde durch das OVG nun die Beschwerde des Senats gegen diesen Gerichtsentscheid zurückgewiesen. Solcherart Studiengebühren, so das Gericht, würden gegen Artikel 33 des Grundgesetzes verstoßen, in dem es heißt: »Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten«. Der Länderfinanzausgleich berücksichtige bereits besondere Belastungen einzelner Bundesländer. Zudem – so das Gericht – sei es »äußerst fraglich«, ob eine Gebührenregelung überhaupt mit dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar sei.

Da sich seit April 2004 7200 auswärtige Studenten nach Hamburg umgemeldet haben, was Mehreinnahmen im Länderfinanzausgleich von 15 Millionen Euro brachte, habe die bisherige Regelung ihren Dienst bereits erfüllt, sagte die Sprecherin der Wissenschaftsbehörde Sabine Neumann. Lediglich 1500 auswärtige Studenten taten dies nicht. Zudem erklärte Neumann, daß der Senat daran festhalte, mit einem Gesetz allgemeine Studiengebühren für alle Studenten bereits zum Sommersemester 2007 einzuführen.

Demgegenüber begrüßten Vertreter der Gewerkschaften, der studentischen Interessenvertretungen und der Oppositionsparteien die Gerichtsentscheidung. SPD-Hochschulexpertin Barbara Brüning sieht – wie das Gericht – Gleichheitsgrundsätze – vernachlässigt. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Heike Opitz, warf dem Senat vor, den rechtlichen Rahmen für Studiengebühren nicht ausreichend geprüft zu haben. Das könne nun Folgen für die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren haben. In einer Stellungnahme des AStA der Universität Hamburg hieß es, daß »jede Befreiung von Studiengebühren ein Erfolg« sei. AStA-Sprecher Florian Kasiske versprach Studenten seiner Uni, die gegen Studiengebühren klagen, juristische Unterstützung. So wie Kasiske forderte auch Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm erneut dazu auf, generell auf Studiengebühren zu verzichten, weil ein Studium »über alle sozialen Grenzen hinweg« weiterhin möglich sein müsse.

http://www.jungewelt.de/2005/11-23/019.php



Demo der Studenten und Mitarbeiter der Uni Lübeck gegen geplante Fusion mit Hochschulen in Kiel und Flensburg

Etwa 3 000 Studenten und Mitarbeiter der Universität in Lübeck haben am Donnerstag gegen die geplante Fusion ihrer Uni mit den Hochschulen in Kiel und Flensburg demonstriert. Unmittelbar vor der Demonstration hatte Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister Dietrich Austermann auf einer Vollversammlung vor rund 700 Studenten noch versucht, seine Pläne zu rechtfertigen. Er behauptete, daß von der Zusammenlegung auch der Wissenschaftsstandort Lübeck profitieren würde. Doch selbst die Lübecker CDU lehnt die Pläne von Austermann entschieden ab.

Der Wissenschaftssenator erhofft sich durch eine Zusammenlegung zur Landesuniversität vor allem Einsparungen. Bis zu 41 Millionen Euro will das Land durch Synergieeffekte im Bereich der Verwaltungen einsparen. Der AStA der Uni Lübeck befürchtet dagegen, daß bei Umsetzung der Kieler Pläne die eigene Universität langsam ausblute. Heftig wird eine geplante Einschränkung universitärer Mitbestimmung kritisiert, die auch zu Qualitätsverlusten in der Lehre führen werde. Doch nicht nur die Studenten der Universitäten im nördlichsten Bundesland lehnen die Pläne der Landesregierung entschieden ab, sondern auch ihre Professoren. Richtig verärgert ist der Verband der Hochschullehrer in Schleswig-Holstein: Es zeuge von Stillosigkeit, wenn solche Pläne ohne Beteiligung akademischer Gremien entworfen werden.

Zu den Kritikern gehören auch Kommunalpolitiker und Gewerkschafter in Lübeck und Flensburg, die einen Verlust zahlreicher Arbeitsplätze befürchten, sind doch die Universitäten in Lübeck und Flensburg jeweils größter Arbeitgeber in der Region. Doch Kritik kommt auch aus Kiel, wo Florian Peters vom AStA der Kieler Uni, die Pläne der Landesregierung als »Schrumpfungsmodell« bezeichnete, das darauf ziele, landesweit Kapazitäten und Studiengänge zu kürzen. In diesem Zusammenhang kritisierte Peters erneut die Studiengebühren. Es zeige sich, was von vollmundigen Versprechungen der Politiker zu halten sei, Einnahmen aus den Studiengebühren zu 100 Prozent den Hochschulen zugute kommen zu lassen, wenn durch Fusionen der Betrag gleichzeitig wieder einkassiert werde. Auch in einer Erklärung der Landesrektorenkonferenz (LRK) werden die Pläne von Austermann kategorisch abgelehnt. LRK-Vorsitzender Heiner Dunckel befürchtet einen systematischen Qualitätsverlust für die Universitäten in Schleswig-Holstein.

Unterstützung erhielten die demonstrierenden Studenten durch den Bundestagsabgeordneten der Linkspartei Lutz Heilmann, der auf der Kundgebung sagte, daß er eine große Ablehnung der Pläne in allen Schichten Schleswig-Holsteins spüre. Die Demo in Lübeck sei »ein starker Auftakt im Kampf um den Erhalt der Universitäten« gewesen, sagte Heilmann.

http://www.jungewelt.de/2005/11-12/016.php



Niederlage der Hamburger Initiative »Bildung ist keine Ware« vor Verfassungsgericht

Der Volksentscheid über die Privatisierung der Hamburger Berufsschulen ist möglicherweise ausgehebelt. Die Volksinitiative »Bildung ist keine Ware« hat am Donnerstag vor dem Hamburger Verfassungsgericht eine schwere Niederlage einstecken müssen. Das Gericht hat eine zur Bürgerabstimmung stehende Frage als zu ungenau bewertet. »Wir sehen kein eindeutiges Petitum, das mit Ja oder Nein beantwortet werden kann«, sagte Gerichtspräsident Wilhelm Rapp. Ein endgültiges Urteil hat das Gericht für den 30. November angekündigt.

Zum Hintergrund: Nach einem erfolgreichen Volksbegehren, bei dem die Initiative statt geforderter 61000 sogar 121000 Unterschriften gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen sammeln konnte, hatte die Bürgerschaft beschlossen die Berufsschulen nicht mehr – wie ursprünglich geplant – auf eine private Stiftung zu übertragen. Doch gleichzeitig beschloß das Landesparlament deren Ausgliederung in einen Landesbetrieb. Der Pferdefuß: In den die Aufsicht führenden Gremien sollen Vertreter der Handwerks- und Handelskammer einen bestimmenden Einfluß haben. »Im Kern das alte Vorhaben, nur neu verpackt«, kommentierte Sigrid Strauß, stellvertretende Vorsitzende der GEW in Hamburg. Doch der CDU-Senat hoffte, sich so um eine Volksabstimmung herumzumogeln.

Die Volksinitiative reagierte im Dezember 2004 mit einer Verfassungsklage gegen die Bürgerschaft, um den Volksentscheid doch noch zu erzwingen. Die Kläger beantragten festzustellen, daß der Beschluß der Bürgerschaft dem Anliegen des Volksbegehrens nicht entspricht.

Doch das Verfassungsgericht beschäftigte sich nicht damit, sondern nur mit dem Text des Volksbegehrens, dessen Kernforderung lautete, daß die Berufsschulen »unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Leitung« verbleiben. So ein Satz sei nicht wertungsunabhängig, sagte Rapp. Zudem sei zu bezweifeln, daß »uneingeschränkte staatliche Verantwortung« bisher gelte. Rapp verwies auf eine Vielzahl schon bestehender Beteiligungsrechte für die Wirtschaft. Die Vertreter von Senat und Bürgerschaft hatten im Gerichtsverfahren zudem argumentiert, daß die Klage schon deshalb nicht begründet sei, weil sich das Volksbegehren nur auf die Verhinderung eines Stiftungsmodells bezogen habe.

http://www.jungewelt.de/2005/11-05/013.php



Hamburg: Härtefallquote für Studienplätze radikal gesenkt. AStA unterstützt Klagen von Einzelbewerbern

Der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) der Universität Hamburg warnt vor einer »Zulassungskatastrophe« an den Hochschulen der Hansestadt. Seit Beginn des Wintersemesters gelten in Hamburg geänderte Bestimmungen, die es Bewerbern mit Familie und Alleinerziehenden schwermachen, einen Studienplatz zu bekommen. Auf Vorschlag des CDU-Senats hatte die Bürgerschaft ein Zulassungsgesetz beschlossen, mit dem die Härtefallquote von 20 auf fünf Prozent reduziert wurde. Da unter diesen Fällen kranke Bewerber bevorzugt werden, hätten andere Härtefälle, so der AStA, kaum noch Chancen.

Das ist für Heino Windt, Koordinator der Sozialberatung im AStA der Uni Hamburg, aber nicht das einzige Problem zu Beginn dieses Semesters. Am 16. September hatte die Uni Zu- und Absagen an die Studienbewerber verschickt. Die Sozialberatung im AStA wird seitdem regelrecht überrannt, denn neben den Änderungen bei der Härtefallquote hat sich auch die Quote für Studienbewerber mit Wartezeit geändert. Diese wurde von 40 auf zehn Prozent reduziert. Das führt dazu, daß viele Bewerber nun eine Wartezeit von mehr als fünf Jahren in Kauf nehmen müssen, rechnete Windt vor. Da ein angepaßtes Auswahlverfahren noch nicht erlassen wurde, sei der Notendurchschnitt das einzige Kriterium für die Zulassung der Bewerber. Bisher wurden Härtefälle auch unabhängig vom Numerus clausus und der Wartezeit zugelassen, wenn es gesundheitliche, familiäre, soziale und wirtschaftliche Gründe für den Studienort gab.

Der AStA will die Änderungen, die für alle Hamburger Hochschulen gelten, nicht akzeptieren und unterstützt Klagen abgelehnter Einzelbewerber vor Gericht. Rückhalt haben die Studierenden auch bei der Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten Heike Opitz. Sie bereitet zunächst eine kleine Anfrage vor, in der sie vom Senat wissen will, ob die Befürchtungen des AStA zutreffen.

http://www.jungewelt.de/2005/10-08/019.php



HAMBURG. Finden demnächst Streiks und Arbeitsniederlegungen in den Kindertagesstätten statt? Am Aschermittwoch hat das „Beschäftigtenbündnis der Hamburger Kitas“ mit einer Aktion vor der Behörde für Soziales und Familie die Befragung aller 10.000 Mitarbeiter angekündigt. Das Bündnis wendet sich gegen Mittelkürzungen von 50 Millionen Euro. Im Dezember hatten zwei größere Träger in Verhandlungen mit Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) diesen zugestimmt. Zuvor hatte die Senatorin angedroht, sonst den Etat um weitere 20 Millionen zu kürzen. Mehrfach hatten Tausende gegen die Etat- Kürzungen demonstriert. Das Bündnis will keine Kürzungen, erhöhe sich doch gleichzeitig die Anzahl betreuter Kinder um mehrere Tausend.

http://gnn-archiv.staticip.de/archiv/PB/2005/04pb.pdf // Seite 11



Vom Kampf des Hamburger „Kita-Bündnisses“

Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 „einsparen“. Gleichzeitig will der Senat aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. Mit weniger Geld mehr Plätze? Entlassungen, Gehaltskürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen befürchten die 9 500 Mitarbeiter. Eltern, Erziehungswissenschaftler und die GEW warnen vor einem Qualitätsverlust in der frühkindlichen Bildung. Sie sagen: Insbesondere Kinder aus sozial schwachen Familien fallen schon jetzt durchs Raster. Der Unmut ist groß. In Betriebsversammlungen, Aktionen und Demonstrationen formiert sich Widerstand. 8 000 Mitarbeiter, Eltern und Kinder zogen Anfang September mit Losungen wie „Macht ihr erst die Kita platt, wächst nichts mehr in dieser Stadt“ vor das Rathaus. Doch die Verhandlungen zwischen den Trägern und der Sozialbehörde blieben ohne Ergebnis. Das Hamburger „Kita-Bündnis“ – in dem sich Betriebsräte und Vertreter vieler Träger zusammenschlossen – weitet nun seine Proteste aus.

Darum geht es: Seit dem 1. August 2003 gilt in Hamburg ein neues Kita-Gutscheinsystem. Eltern erhalten einen Gutschein, auf dem die Leistung und die Anzahl der Betreuungsstunden vermerkt sind. Sie lösen diesen bei einer Einrichtung ihrer Wahl ein. Jeder Gutschein hat einen pauschalisierten Gebäude-, Personal- und Sachkostenwert, auch Entgelt genannt. Bei der Umstellung auf dieses System reagierten Initiativen und die oppositionelle SPD mit einem Volksbegehren. Standards sollten gesichert werden. Nach den Bürgerschaftswahlen schlossen CDU und SPD den „Kita-Kompromiss“. Vordergründig war von einer Ausweitung der „Rechtsansprüche für Kinder von Berufstätigen“ sowie des „Betreuungsanspruches für die Drei- bis Sechsjährigen von vier auf fünf Stunden“ die Rede. Da aber auch letzteres mit erhöhten Eigenleistungen der Eltern kombiniert ist, ergibt sich tatsächlich eine Abkehr von der Prioritätensetzung für sozial benachteiligte Kinder. Unklar blieb zudem, wie die Mehrkosten für die Ausweitung der Kita-Plätze zu finanzieren sind. Mitte des Jahres sprach Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) Klartext: Ihr gehe es nicht um Mehrkosten, sondern um eine Kürzung der Kita-Mittel. Nominell veranschlagte sie eine 50 Millionen-Haushaltskürzung, die sich aber schnell auf satte 80 Millionen hochrechnet, werden Mehrausgaben bei den Trägern aus der größeren Anzahl von Kita-Plätzen einberechnet.

Erreicht werden soll das „Sparziel“ vor allem durch eine Absenkung der Personalkosten. 49 Millionen sollen durch Stellenstreichungen und abgesenkte Löhne eingefahren werden. Bei der städtischen „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“ – hier sind rund die Hälfte der Kita-Plätze konzentriert – fürchtet der Betriebsrat deshalb um jede vierte Stelle. Erhebliche Kürzungen sind auch bei den Sachmitteln und den Gebäudekosten avisiert. Durch pauschalisierte Sätze werden zudem die kleineren Träger benachteiligt. Sie errechnen nun (völlig irreale) Gruppengrößen im Hortbereich von bis zu 31 Kindern, was viele tatsächlich in die Pleite führen würde.

Michael Edele, Verhandlungsführer der „Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände“ stellte hierzu fest: „Das Verhandlungsangebot der Behörde ist nicht akzeptabel. In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder können wir den Forderungen nicht entsprechen.“ Doch für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern, will die Senatorin gerüstet sein. Mit Hilfe eines „Einführungsgesetzes“ sollen neue Kostensätze den Trägern dann per Rechtsverordnung einfach diktiert werden. Am 27. Oktober steht das Gesetz in zweiter Lesung zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Um sich abzusichern gab die Sozialbehörde ein Rechtsgutachten in Auftrag. Doch nun wird dessen Veröffentlichung verweigert, sickerte doch durch, dass die bestellten Gutachter das Gesetz für rechtswidrig halten. Es sei nicht zulässig, bestimmte Ausstattungsstandards hinsichtlich Personal und Flächen einfach vorzugeben, wenn zugleich die Finanzierung den Bedarf nicht decke, so die trockene Bilanz namhafter Juristen.

Gleichzeitig lassen die Proteste der Erzieher und Eltern nicht nach. Nach einer Betriebsversammlung bei der „Vereinigung“ gingen erneut tausend Menschen auf die Straße. Sie wehrten sich gegen die Pläne ihres eigenen Geschäftsführers Dr. Martin Schaedel, der – dem Senat zum Wohlgefallen – bereits Kürzungen im hauswirtschaftlichen Bereich ankündigte und Tarifstrukturen in Zweifel zog. Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose vertritt hier eine klare Linie: „Wir werden nicht zum Vorreiter einer Dumpingspirale nach unten, auf die dann andere aufspringen und noch weitergehende Absenkungsforderungen stellen“, stellte Rose klar.

Kämpferisch gibt sich auch das Hamburger „Kita-Bündnis“, in dem sich die Betriebsräte der großen Träger, Vertreter kleinerer Träger und Elterverbände vereinigt haben. Das Bündnis fordert die Vielfalt der Einrichtungen und damit verbundene Wahlmöglichkeiten für Eltern zu erhalten. Zudem sei jede Kürzung ein weiterer Schritt in Richtung sozialer Ausgrenzung, denn soziale Prioritäten bei der Aufnahme würden immer weiter zurückgedrängt. Um gut zu arbeiten, dürfe der Haushalt nicht gekürzt, sondern müsse erweitert werden. Vehement wendet sich das Bündnis gegen die Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und die vorgesehene Fremdvergabe des hauswirtschaftlichen Bereichs. Entlassungen will das Bündnis nicht hinnehmen. Sprecher Ronni Prieß erklärte gegenüber der UZ, dass nur mit verstärktem Protest ein Kurswechsel erreicht werden könne. Wörtlich: „Wenn am 22. Oktober um 17 Uhr im Rathaus die Expertenanhörung zum Thema stattfindet, dann sollte der Saal sehr voll sein. Und wenn wir am 26. Oktober erneut demonstrieren, dann sollten sich Tausende Hamburger diesem Protest anschließen.“

http://www.dkp-online.de/uz/3642/s0602.htm