Verfolgte des Naziregimes erinnerten mit Mahnwache an Deportation Hamburger Juden

Mit einer Mahnwache vor dem Hauptbahnhof haben am Mittwoch abend in Hamburg zahlreiche Mitglieder des Auschwitz-Komitees und der VVN-BdA, unterstützt von Antifa-Gruppen und der Gewerkschaft ver.di, an die Verschleppung und Deportation von 756 Hamburger Juden am 6. Dezember 1941 erinnert.

Mit Hilfe der Bahn wurden sie damals in die Vernichtungslager der Nazis transportiert, nur 24 überlebten. Doch während die Bahn vom 4. bis 10. Dezember mit zahlreichen Veranstaltungen an den 100. Jahrestag zur Eröffnung des Hamburger Hauptbahnhofs erinnert, durfte das Gedenken an den 65. Jahrestag der Deportation nicht auf dem Bahngelände stattfinden. Ausgesperrt waren so auch die Auschwitz-Überlebende und Trägerin der Carl-von-Ossietzky-Medaille Esther Bejarano sowie die in der Hansestadt sehr bekannte Verfolgte des Naziregimes und Antifaschistin Steffi Wittenberg, die nun bei Wind und Regen auf dem Bahnhofsvorplatz an die Deportierten erinnerten.

Skandalös nannte dies der Schauspieler und ver.di-Aktivist Rolf Becker, der in seiner Ansprache vor allem an das Schicksal jener 92 jüdischen Kinder erinnerte, die damals »wie Vieh« durch die Nazis abtransportiert wurden. Millionen jüdischer Menschen, aber auch Sinti und Roma, Kommunisten und Gewerkschafter, Männer und Frauen, Greise und Kinder sei es damals so ergangen, wofür die Bahn eine konkrete Verantwortung trage. Das war ein Verbrechen unter aktiver Beteiligung der damaligen Reichsbahn, sagten auch Bejarano und Wittenberg.

Wittenberg schilderte, wie Kinder und Jugendliche, die sie selbst noch aus der Schule oder vom Spielen kannte, in die Viehwaggons der Reichsbahn getrieben wurden. Angekommen in den Konzentrationslagern, mußten selbst diese Kinder noch jahrelang Zwangsarbeit verrichten, bevor sie ermordert wurden. »Die Deutsche Bahn ist Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn«, woraus auch eine Verpflichtung enstünde, »an diese Verbrechen zu erinnern«, sagte die 82jährige Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Esther Bejarano. Sie forderte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn energisch dazu auf, sich »unserem Kampf gegen das Vergessen nicht länger in den Weg zu stellen«.

»Wir sind in der Pflicht, immer wieder darauf hinzuweisen, daß dieses mörderische System auch aus der Mitte der Gesellschaft und von ganz normalen Menschen getragen wurde«, betonte deshalb Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose. Er erinnerte daran, wie etwa in Hamburg für die Deportierten selbst auf ihrem Weg »in die Versklavung, Ausbeutung, Folter und Tod« noch Fahrpreise berechnet wurden. Der Gewerkschaftschef will sich deshalb dafür einsetzen, daß die Klarsfeld-Ausstellung »11 000 Kinder« an »geeigneter und zentraler Stelle« auch auf dem Hamburger Hauptbahnhof gezeigt wird.

http://www.jungewelt.de/2006/12-08/049.php



Polizei hatte Schutz zugesagt, rührte aber keinen Finger. Skandal wird Hamburgs Bürgerschaft beschäftigen

Mitten in Hamburg haben am Donnerstag abend rund 20 Neonazis eine Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes ( DGB ) trotz Anwesenheit der Polizei verhindert. Die Angreifer kamen nach Angaben der Gewerkschaftsjugend aus dem Umfeld der NPD und der sogenannten »Freien Kameradschaften«. Auch der NPD-Kreisvorsitzende Karl-Heinrich Goebel war dabei.

Der Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft, Michael Neumann, verlangte am Freitag, der Neonazi-Angriff und das Verhalten der Polizei müßten umgehend aufgeklärt werden. Couragierte Bürger, die sich gegen Nazis zur Wehr setzen und über diese aufklären wollen, dürften nicht im Stich gelassen werden. Neumann will das Thema nun in die Bürgerschaft einbringen. Bestürzt reagierte am Freitag auch DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Die Innenbehörde, forderte er, müsse rechtlich klarstellen, wie sie künftig Veranstaltungen demokratischer Organisationen schützten wolle.

Die Gewerkschaftsjugend des DGB wollte nach eigenen Angaben mit der Veranstaltung über die rechte Szene speziell im Hamburger Bezirk Wandsbek aufklären. Die Polizei habe zuvor dem Jugendbildungsreferenten des DGB, Heiko Humburg, Schutz zugesichert. Als die Neonazis kurz vor Beginn versucht hätten, mit Gewalt in den Saal einzudringen, habe die Polizei Humburg aufgefordert, sie entweder hereinzulassen oder aber jedem einzelnen Störer persönlich sein Hausverbot zu erläutern. Da beides nicht möglich gewesen sei, habe die Veranstaltung abgebrochen werden müssen.

http://www.jungewelt.de/2006/11-18/018.php



VVN nennt NPD-Vorhaben gezielte Provokation

Mit einem breiten Aktionsbündnis, das von ganz links bis hin zu Mitgliedern der CDU reicht, dem sich aber auch Jugendverbände, Gewerkschaften, kirchliche Gruppen und Turnvereine angeschlossen haben, will die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) einen für heute in Bremen angekündigten Aufmarsch der NPD verhindern.

Dass der NPD-Aufmarsch wenige Tage vor dem Jahrestag der Pogromnacht stattfinden soll, bezeichnete VVN-Landeschef Raimund Gaebelein als »gezielte Provokation«, die unbedingt verhindert werden müsse. Doch kommt es heute zu diesem Aufmarsch, wäre dies für die Weserstadt eine gefährliche Premiere, denn bisher konnte Derartiges in Bremen immer verhindert werden. Auch SPD, CDU und Grüne forderten deshalb in einem Dringlichkeitsantrag für die Bürgerschaft, den Senat und das zuständige Stadtamt dazu auf, »alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen, nach denen die geplante Demonstration der NPD versagt werden kann«. Sonst, so warnte SPD-Fraktionschefin Cornelia Wiedemeyer, wäre der »soziale Friede« in Gefahr.

Den NPD-Aufmarsch zu verbieten, dazu konnte sich das Stadtamt aber erst am Mittwoch dieser Woche entschließen und weil nach »aktueller Lagebeurteilung durch die Polizei« keine andere Möglichkeit gesehen wurde, die »erwarteten Sicherheitsstörungen« durch die Antifaschisten zu verhindern. Die NPD zog vor das Verwaltungsgericht, das schließlich am Donnerstagabend verkündete, dass solche Störungen durchaus und durch die Polizei »beherrschbar« wären. Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) hatte zuvor angegeben, nur 2300 Beamte zur Verfügung zu haben, weil Einsatzkräfte auch durch ein Fußballspiel von Werder Bremen gegen Energie Cottbus gebunden sind. Gestern wollte Röwekamp noch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen, mit dessen endgültiger Entscheidung erst heute zu rechnen ist.

Kritik am Innensenator kam unterdessen vom »Bündnis gegen Rechts«, weil die Verbotsinitiative des ihm unterstellten Stadtamtes nicht politisch, sondern nur mit einer Gefährdungsprognose begründet war. Die aber stand von vornherein auf wackeligen Füßen und gefährdete zudem auch die antifaschistischen Gegenaktionen, an denen sich heute vermutlich Tausende von Bremern, darunter auch Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), beteiligen wollen. Unbeliebt hatte sich das Stadtamt beim Bündnis auch schon zuvor gemacht, als es für die Gegenaktionen nur eine Demo-Route weit entfernt vom Nazi-Aufmarsch genehmigte.

Quelle: Printausgabe Neues Deutschland, 04.11.2006, Seite 5

Einen guten Beicht von der Aktion können Sie hier lesen



Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Antifaschisten wegen verfremdeter Hakenkreuze auf Plakaten ein

Dürfen auf Antifaplakaten Hakenkreuze in die Tonne getreten werden? Wie berichtet, hatte Ende September das Stuttgarter Landgericht den Geschäftsführer eines Versandhandels zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt, weil dieser Plakate, Buttons und T-Shirts, die zerschlagene, durchgestrichene oder im Mülleimer landende Hakenkreuze zeigten, vertrieb. Rund 17000 Artikel wurden beschlagnahmt, weil sie angeblich Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen zeigen würden. Am Dienstag wurde indes bekannt, daß die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Stade in einem ähnlichen Fall ihre Ermittlungen eingestellt hat und das eingezogene Material betroffenen Antifagruppen bereits wieder zurückgegeben hat. Dies bestätigte Staatsanwalt Johannes Kiers gegenüber jW.

In Stade hatten Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und der Grünen Jugend am 9. September mit Plakaten, auf denen in die Mülltonne getretene Hakenkreuze zu sehen war, gegen einen Infostand der NPD zur Kommunalwahl protestiert. Die Polizei beschlagnahmte das Material. Doch anders als ihre Stuttgarter Kollegen halten die Staatsanwälte in Stade den Strafrechtsparagraphen 86 a, der die »Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen« untersagt, ausdrücklich für nicht tangiert. Die Abbildungen würden eine »Gegnerschaft zu den Zielen der verfassungsfeindlichen Organisationen« klar zum Ausdruck bringen, betonte die Staatsanwaltschaft in einer schriftlichen Stellungnahme. In Berlin und Leipzig hatten Staatsanwälte bereits zuvor auf eine Verfolgung der Träger solcher Symbole verzichtet, dies aber nicht explizit begründet. VVN und die Landtagsfraktion der Grünen in Hannover begrüßten die Entscheidung der Stader Staatsanwälte.

http://www.jungewelt.de/2006/10-18/022.php



Großauftrieb von Neonazis am Samstag in Hamburg geplant

Ganz im Stil der alten SA wollen am Samstag mehrere hundert Anhänger der sogenannten Freien Kameradschaften auf Einladung der örtlichen NPD durch die Hamburger Innenstadt marschieren. Die Anhänger der militanten Neonaziführer Thomas Wulf und Christian Worch wollen unter dem Motto »Nationale Arbeitsplätze statt internationale Profite« aufmarschieren. Front soll so aber auch gegen einige NPD-Gliederungen gemacht werden, die sich, wie etwa in Niedersachsen, als zu »zögerlich und angepaßt« erwiesen hätten. Ein breites antifaschistisches Bündnis ruft unter dem Motto »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« zu Gegendemonstrationen auf.

Diese Aufforderung unterstützen auch die Gewerkschaften. »Mit populistischen Schlagwörtern wollen die Braunen die wachsende Verunsicherung der Menschen angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau für ihre nationalsozialistischen Ziele nutzen und spielen sich als Retter der deutschen Arbeitnehmer und Erwerbslosen auf«, begründete etwa DGB-Lokalchef Erhard Pumm sein Engagement. Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose will ebenfalls an der Gegendemonstration in Hamburg teilnehmen. Dabei müßten auch die »Quellen des gesellschaftlichen Rassismus und der sozialen Demagogie« benannt werden, forderte der Sprecher des »Hamburger Bündnisses gegen Rechts«, Olaf Harms. Die Neonazis würden auch wegen der Umverteilungs- und zunehmenden Kriegspolitik der etablierten Parteien immer stärker.

Die braunen Aufmärsche sind auch Anzeichen für einen heftiger werdenden Machtkampf innerhalb des rechtsextremen Lagers. Wegen der zögerlichen Haltung einiger NPD-Funktionäre, militante Aktionen zu unterstützen, sprach Worch bereits von der Gefahr eines Zerbröckelns der braunen »Volksfront«. Der niedersächsische NPD-Landesverband hatte zuvor untersagt, in seinem Namen zu den Aufmärschen mit aufzurufen, während die Kameradschaften die NPD auch als legale Plattform für ihre eigenen Aktionen nutzen wollen.

Antifa-Demo: Samstag, 10.30 Uhr, Gänsemarkt, www.kueste.vvn-bda.de

http://www.jungewelt.de/2006/10-13/039.php



Nazi-Anwalt Rieger will nach NPD-Beitritt jetzt in der Hansestadt aktiv werden

Nachdem der Nazi-Anwalt Jürgen Rieger kürzlich in Hamburg der NPD beigetreten ist, hat der Verfassungsschutz vor einem Erstarken der Nazi-Partei nun auch in Hamburg gewarnt. Vor allem wegen seines großen Vermögens rage der Jurist aus dem üblichen Personal der Rechtsextremisten deutlich heraus, sagte Amts­chef Heino Vahldieck am Freitag vor Journalisten.

Doch auch Antifaschisten fürchten, daß die Hamburger NPD, die mit mageren 95 Mitgliedern bis vor kurzem eher einem Altherrenverein glich, an Bedeutung gewinnt. 50 neue Mitglieder konnte die 34jährige Landesvorsitzende Anja Zysk seit Riegers Kandidatur für die NPD im vergangenen Bundestagswahlkampf aus dem Umfeld der »freien Kameradschaften« als Neumitglieder gewinnen.

Riegers Ambitionen erstrecken sich jedoch nicht nur auf Hamburg. Seit Wochen macht er z. B. Schlagzeilen damit, daß er in Delmenhorst ein braunes Schulungszentrum eröffnen will. Darüber hinaus beabsichtigt der NPD-Unterbezirk Stade, Rieger sogar als neuen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD vorzuschlagen. Würde Rieger auf dem Parteitag im November kandidieren, müßte er sich gegen den bisherigen Vizechef Ulrich Eigenfeld durchsetzen, der parteiintern als Kritiker des zunehmenden Einflusses von Kameradschaftsaktivisten in der NPD gilt. Viele dieser Faschisten, die noch deutlich rechts von der NPD stehen, sind in den zurückliegenden Monaten der Partei beigetreten. Für sie könnte Rieger Gallions- und Integrationsfigur werden.

Hofiert wird der Nazi-Jurist auch in Sachsen, wo er kürzlich auf einem Parteifest auftrat. In Mecklenburg-Vorpommern, so heißt es, ist Rieger sogar als offizieller Berater einer künftigen Landtagsfraktion im Gespräch. Konfrontiert damit reagierten Vertreter des NPD-Bundesvorstands eher reserviert. Man freue sich über »jeden Neuzugang«, hieß es lediglich.

Zeichnet sich damit ein Machtkampf in der 1964 gegründeten NPD ab? Konflikte gibt es dort zumindest um den sogenannten Deutschlandpakt, den die Parteispitze mit der DVU schloß, um Konkurrenzkandidaturen zu vermeiden. Doch die DVU ist als »kapitalistisch-reaktionäre Partei« vor allem bei Basisaktivisten in der NPD umstritten.

http://www.jungewelt.de/2006/09-11/048.php



Vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Umfragen sehen NPD bei sechs Prozent

Daß die NPD am 17. September in den Schweriner Landtag einzieht, wird immer wahrscheinlicher. Wahlumfragen sehen die Nazi-Partei stabil bei sechs Prozent. Zudem rechnen Wahlforscher mit einer Beteiligung bei der Landtagswahl von unter 40 Prozent, was ebenfalls die Chancen für die Neonazis erhöht. Doch während diese sich inzwischen so sicher fühlen, daß sie selbst auch auf Wahlkampfveranstaltungen von SPD und Linkspartei offen auftreten, gibt das Jugendbündnis »Keine Stimme den Neonazis« nicht auf, dem sich über 40 Jugendverbände, Musikbands und Clubs aus ganz Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen haben.

Um noch mehr Bürger aus dem Schlaf zu holen, soll jetzt am Samstag eine besonders spektakuläre Aktion stattfinden. Das Bündnis ruft zu einer »Wasserdemo« auf dem Tollensesee bei Neubrandenburg auf.

Daß diese auf dem malerischen Tollensesee stattfinden soll, ist kein Zufall. Dort am See unterhielten die Faschisten im »dritten Reich« ihre Ärzteführerschule, wo »Erbbiologie« und »Rassenhygiene« gelehrt und die Juden zu »Tuberkelbazillen« erklärt wurden. Mediziner aus dem ganzen Reich wurden hier für den Massenmord in den Konzentrationslagern vorbereitet. So wollen sich die Antifaschisten, bevor es auf den See hinausgeht, in Neubrandenburg treffen. Dort hatte die NPD ihre Wahlkampagne im Mai gestartet. Polizeilich geschützt zogen damals 200 Neonazis durch das Vogelviertel, wo die Arbeits- und Perspektivlosigkeit besonders hoch ist.

Das ist eine von vielen Aktionen des Jugendbündnisses, das auch schon in Neustrelitz, Güstrow, Schwerin, Rostock und vielen anderen Orten aktiv wurde. So wie am letzten Samstag in Burg Stargard, wo sich der NPD-Landtagskandidat Jens Blasewitz an einem Volleyballturnier beteiligte. Im Schlepptau hatte der die »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ), die mit Sport- und Freizeitangeboten Kinder und Jugendliche zu gewinnen sucht. Die Antifaschisten verteilten während des Turniers Flugblätter, mit denen sie verdeutlichten, daß die öffentlich geduldete Teilnahme von Neonazis diese nur noch tiefer in die Gesellschaft führt. Bündnis-Sprecher Clemens Zeise sagte dazu, Ziel der Rechten sei es, diese Mitte zu erreichen. Deshalb träten sie brav und bürgerlich auf und biederten sich als »Anwalt des kleinen Mannes« mit Forderungen wie »Arbeit für Deutsche« und »Weg mit Hartz IV« an. Wohl nicht ganz erfolglos – NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs hält sogar »sieben Prozent plus X« bei den Landtagswahlen für möglich.

Pastörs selbst wohnt in Lübtheen (Landkreis Ludwigslust), wo er 50 Hektar Land besitzt. die er mit »deutschen Familien« zu besiedeln gedenkt. Doch was durchgeknallt, vielleicht sogar harmlos klingt, erscheint nun in einem anderen Licht. Der Stern berichtete in seiner am Donnerstag erschienenen Ausgabe, Pastörs habe mehrfach die »Colonia Dignidad« (deutsch: Kolonie der Würde) in Chile besucht. Dort habe er nach eigener Aussage »stolze und frohe Menschen« gesehen, er habe sich auch mehrfach mit Kolonie-Chef Paul Schäfer getroffen.

Die Siedlung »Colonia Dignidad« war von einer aus Deutschland stammenden ultrarechten Sekte gegründet worden. Während der Diktatur von Augusto Pinochet diente sie der Geheimpolizei als Folterzentrum. Schäfer sitzt inzwischen im Knast, weil ihn ein Gericht im Mai für schuldig befunden hat, jahrelang Dutzende Kinder mißbraucht zu haben.

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Das Treffen für die Wasserdemo beginnt um 14 Uhr auf dem Marktplatz in Neubrandenburg. Schon um 11 Uhr demonstrieren Antifas in Stralsund.

Infos: http://www.keine-stimme-den-nazis.info

Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/09-08/025.php



Jugendbündnis demonstrierte in Güstrow gegen NPD

Mit einer »Bunten Demo gegen rechts« hat das Aktionsbündnis »Keine Stimme den Nazis« am Freitag nachmittag in Güstrow seine Kampagne gegen einen drohenden Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern fortgesetzt. Etwa 100 vorwiegend jüngere Teilnehmer zogen mit Sprechchören, Musik und Info-Material quer durch die Stadt. »Wie in fast allen Städten Mecklenburg-Vorpommerns« weise auch Güstrow eine gefestigte rechtsradikale Szene auf, begründete Aktionsbündnis-Sprecherin Maria Hinrichs die Aktion.

Schon bei den Bundestagswahlen punktete die NPD landesweit mit einem Achtungserfolg von 3,5 Prozent. Bei den Landtagswahlen am 17. September will NPD-Wahlkampfchef Holger Apfel, selbst Fraktionschef der Braunen in Sachsen, nun ein »politisches Erdbeben« erreichen. Sieben Prozent plus X lautet das Ziel. Damit würden »die Nationalen« als viertstärkste Kraft in den Schweriner Landtag einziehen.

Dies mochte auch Clemens Zeise, selbst im Antifa-Jugendbündnis aktiv, gegenüber junge Welt nicht ausschließen. In vielen Regionen des Landes seien die Neonazis inzwischen fest verwurzelt. Ziel der Kampagne, der sich landesweit 40 Jugendverbände, Clubs und Musikbands angeschlossen haben, sei es deshalb, mit den Bürgern vor Ort ins Gespräch zu kommen, um so auf die braune Gefahr aufmerksam zu machen. Gerade bei Jugendlichen sei dies dringend erforderlich, denn auch in Güstrow werden Modeartikel der rechten Szene wie Thor-Steinar-Jacken oder Lonsdale-T-Shirts schon seit längerem mit Erfolg vertrieben.

Unterdessen kommt der Wahlkampf der extremen Rechten voll in Fahrt. So konnte NPD-Pressesprecher Klaus Beier davon berichten, daß seine Partei nun in allen 36 Wahlkreisen Direktkandidaten aufgestellt habe. Das zeige, wie sehr man inzwischen verankert sei. Wahlkampfchef Apfel hat den Kreisverbänden dabei ein »bürgernahes Auftreten« verordnet. Er will mit der Losung »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für Mecklenburg und Pommern« vor allem bei Erwerbslosen oder Geringverdienern Stimmen holen. Im Wahlprogramm fordern die Braunen neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einen »gesetzlichen Mindestlohn von 8,80 Euro je Stunde«. Ausländerfeindliche Parolen zielen dabei zugleich auf jenes Drittel der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern, das nach einer aktuellen Studie der Uni Bielefeld »rechtsextreme Einstellungen« aufweist.

Diese Gefahr sieht auch die Linkspartei.PDS. Eine niedrige Wahlbeteiligung könne die Chancen für die Neonazis sogar noch vergrößern, warnte Landesgeschäftsführer Friedemann Reinhold. In Kreisen wie Uecker-Randow oder Ostvorpommern seien diese aktiver als die großen Parteien. Nicht nur dort: Auch bei der gestrigen Aktion in Güstrow hätten sicher mehr als hundert Menschen teilnehmen können, wenn die Linkspartei etwas beherzter mobilisiert hätte. Immerhin konnte die Partei hier bei der letzten Wahl 23 Prozent der Stimmen gewinnen. Doch nicht nur von der Linkspartei, auch von den anderen »Volksparteien« kam bislang kaum Unterstützung für das Jugendbündnis. Nun wolle man die Kampagne jedoch besser unterstützen, kündige Linkspartei-Schatzmeisterin Renate Malchow am Freitag gegenüber junge Welt an. Am Donnerstag sei dies auf einer Sondersitzung aller Kreisvorsitzenden beschlossen worden. Zusätzlich will die Linkspartei mit eigenen Aktionen und einem Plakat unter dem Motto »Sozial und gerecht schreibt man nicht mit N,P,D« auftreten.

www.keine-stimme-den-nazis.info

http://www.jungewelt.de/2006/08-05/062.php

Zu diesem Artikel erschien am 10.08.06 folgender Leserbrief:

Erfreulich und schade
Zu jW vom 5. August: »Besser ohne Neonazis«

Es ist erfreulich, daß ihr über die verstärkten Aktivitäten gegen die NPD in Mecklenburg-Vorpommern berichtet, denn diese werden in den bürgerlichen Medien leider nahezu totgeschwiegen – genau wie die Gefahr, daß die NPD bald im Landtag sitzen könnte. Schade aber ist, daß ihr nicht berichtet, wer Teil des besagten Jugendbündnisses war. Denn 80 Prozent der Demoteilnehmer waren Mitglieder oder Sympathisanten des Linkspartei-Jugendverbandes [´solid]. Dieser war federführend beteiligt an der Organisation der Demonstration. Ich denke, wenn der Großteil einer Demonstration so deutlich von einer bestimmten Organisation gestellt wird, ist es journalistische Sorgfaltspflicht, dies zumindest in einem kurzen Nebensatz zu erwähnen. (…)

Niema Movassat, Jugendpolitischer Sprecher der Linkspartei.PDS-NRW

http://www.jungewelt.de/2006/08-10/013.php



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NPD startet Wahlkampf in Niedersachsen. Sozialdemagogie und Hetze gegen »Multikulti«

Sieben Wochen vor den niedersächsischen Kommunalwahlen will die neofaschistische NPD am Samstagvormittag mit einer Kundgebung in Verden (Aller) ihren Wahlkampf starten. Als Hauptredner hat sich Parteichef Udo Voigt höchstpersönlich angekündigt. Der Bundeswehrhauptmann a. D. rechnet sich gerade hier im Landkreis Verden gute Chancen für weitere Kommunalmandate der NPD aus. Mit sozialer Demagogie und Hetze gegen Ausländer will die Partei auch in Helmstedt, Hannover, Braunschweig, Wilhelmshaven, Oldenburg, Wolfenbüttel und Bad Lauterberg in die Kommunalparlamente einziehen. Gleichzeitig hat Voigt die Gewinnung neuer Mitglieder als ein zentrales Ziel der Kommunalwahlkämpfe seiner Partei beschrieben. Schon am Sonnabend in einer Woche soll es mit einem »Gedenkmarsch« in Bad Nenndorf (Landkreis Schaumburg, südwestlich von Hannover) weitergehen. Bundesweit mobilisieren dazu dann auch die »Freie Kameradschaften« sowie weitere braune Jugendgruppen. Was als Gedenken für »unschuldige Deutsche« getarnt wird, ist in Wirklichkeit Heldenverehrung für Kriegsverbrecher.

Es ist aber gerade dieser Mix aus sozialer Demagogie, angeblichem Antikapitalismus und hemmungslosem Ausländerhaß einerseits sowie brauner Traditionspflege andererseits, der für die NPD Zuwachs bringt. Neueintritte kom­men fast ausschließlich aus dem Jugendbereich. »Nein zu Multi­kulti – Ver­den ist unsere Stadt« lautet die Parole in der Aller-Stadt, mit der deutschstämmigen arbeitslo­sen Jugendlichen suggeriert werden soll, es ginge ihnen besser, wenn die anderen weg wären. Neben Voigt treten auf der Veranstaltung der Berliner NPD-Chef Eckart Bräuniger (früher zum FAP-Umfeld gerechnet) und Michael Regener von der Naziband »Landser« auf.

Das schafft dann auch die Verbindung zu dem, was in Bad Nenndorf laufen soll. Dort will die NPD am 29. Juli der »unschuldigen Deutschen« gedenken, die 1945 – 47 im britischen War Crime Head Quarter einsaßen. Vorzeigeopfer ist der Waffen-SS-General Oswald Pohl, von dem die NPD meint, daß ihn die britischen Besatzungstruppen nach dem Krieg in der Haft mißhandelt hätten. Pohl saß hier zwei Jahre im Militärgefängnis, bevor er vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verschwörung zur Begehung von Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurde. Im »Dritten Reich« war Pohl Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes sowie »Generalinspekteur Konzentrationslagerwesen«. Ihm waren alle Konzentrationslager unterstellt, Pohl war verantwortlich für Zwangsarbeit und Massenmord.

Mit Landserromantik und Heldenverehrung, rechter Jugendarbeit im ländlichen Raum will die NPD Strukturen aufbauen, um sich auf mittlere Sicht in einzelnen Kommunen auf dem flachen Lande festzusetzen. Auf dieser Grundlage erhofft sie sich langfristig auch Erfolge bei den Landtagswahlen, wie zuletzt in Sachsen und demnächst möglicherweise in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Parteistrategen bei den Landtagswahlen im September ein Wahlergebnis von fünf bis sieben Prozent für möglich halten. Gelänge dies tatsächlich und käme dazu noch ein Achtungserfolg bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen, würde sich auch die führende Stellung der NPD im gesamten braunen Spektrum stärken.

Doch dagegen regt sich Widerstand. Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, wo sich, wie berichtet, schon vor Monaten ein breites Antifa-Bündnis unter dem Motto »Keine Stimme den Nazis« gebildet hat. Auch in Verden werden den NPDlern heute Antifaschisten gegenüber treten, die zu verschiedenen Protestaktionen – vom Kinderfest bis zum Bikertreffen – aufgerufen haben. Am nächsten Sonnabend wollen sich Antifa-Gruppen, aber auch Gewerkschafter, zu einer Gegendemonstration und einem »bunten Kulturfest« nach Bad Nenndorf aufmachen.

Näheres Infos zu den Antifa-Aktivitäten in Niedersachsen unter www.puk.de/aad

http://www.jungewelt.de/2006/07-22/036.php



4000 demonstrierten gegen Neonaziaufmarsch in Lübeck, 600 auf Antifa-Kundgebung in Arnstadt (Thüringen). Polizei bahnte Rechten den Weg

Von Andreas Grünwald und Holger Elias

Etwa 4000 Menschen haben am Samstag in Lübeck gegen einen Aufmarsch von etwa 150 Neofaschisten aus dem Umfeld der NPD und des sogenannten Aktionsbüros Norddeutschland demonstriert. Die Rechten wollten aus Anlaß des Jahrestages eines alliierten Luftangriffes auf die Stadt die millionenfachen Verbrechen des deutschen Faschismus relativieren. Das aber dürfe nicht sein, hatten Antifaschisten schon im Vorfeld erklärt, um sich dann auf ein breites Aktionsbündnis und eine Gegendemonstration zu verständigen.

An der Gegendemo waren Antifagruppen aus ganz Schleswig-Holstein, aber auch aus Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen wie Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), der Gewerkschaften, der Jungsozialisten und der Grünen beteiligt. Aufgerufen hatten ebenso Schüler- und Studentenvertreter, Wahlalternative und Linkspartei, DKP und weitere Gruppen. Auch aus den Lübecker Kirchengemeinden kam Unterstützung. Vom Lübecker Markt aus begann um zehn Uhr die lautstarke und sehr eindrucksvolle Gegendemonstration, die nach zwölf Uhr mit einer Sitzblockade an der Holstenbrücke endete, über die der Marsch der Neofaschisten führen sollte. So aber wurde ihnen der Weg vom Bahnhof in die Innenstadt versperrt.

Antifaschistische Proteste und Blok-kaden gab es auch, nachdem sich Polizeichef Heiko Hüttmann entschlossen hatte, den Neonazis eine alternative Route in Richtung Innenstadt zu ermöglichen. Immer wieder stellten sich auch dort Hunderte Antifaschisten den Rechten in den Weg, wobei sie dabei allerdings durch einen harten Schlagstockeinsatz der Polizisten behindert wurden. Letztlich nützte das aber nichts, und der Neonaziaufmarsch mußte abgebrochen werden. Vertreter der Linkspartei und der Grünen wie auch Kirchenleute und Gewerkschafter kritisierten am Samstag abend Polizeichef Hüttmann scharf. Er habe durch seine Taktik die Eskalation der Lage erst herbeigeführt.

Auch im thüringischen Arnstadt haben am Samstag rund 600 Menschen gegen einen Aufmarsch der rechten Szene demonstriert. Auch hier hatte ein breites Bündnis aus antifaschistischen Organisationen, Parteien und Kirchen zu Aktionen gegen die Neofaschisten aufgerufen. Die Rechten hatten in Arnstadt eine Kundgebung unter dem Motto »Freie Menschen statt freie Märkte« veranstaltet, zu der nach Angaben der Polizei rund 350 Teilnehmer aus Thüringen sowie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern angereist waren.

Die Polizei hatte bereits im Vorfeld versucht, durch übermächtige Präsenz ein Aufeinandertreffen der Demonstrationszüge zu verhindern. Über 900 Beamte aus Thüringen, Sachsen, Hessen und der Bundespolizei waren im Einsatz und riegelten den Innenstadtbereich regelrecht ab. Nach dem Ende beider Veranstaltungen feierte die Polizei sich und ihre erfolgreiche Deeskalationsstrategie.

Kritische Beobachter sahen das Agieren der Beamten freilich etwas anders. Der Demonstrationszug der Antifaschisten, der an den Stadtrand verbannt worden war, wurde gleich mehrfach gestoppt. Später sprach die Polizei davon, daß es zu Auflagenverstößen wegen Alkoholgenusses und des Rufens einer verbotenen Parole gekommen sei. Linke Gruppierungen hätten zudem versucht, den Marsch der Rechten vom Hauptbahnhof aus in die Innenstadt zu stören. Bei der Durchsetzung eines Platzverweises gegen einen Linken wurde von den Beamten körperliche Gewalt angewendet. Laut Polizeibericht wurde der junge Mann dabei am Arm verletzt und mußte daraufhin ärztlich behandelt werden. Außerdem sprach die Polizei nach eigenen Angaben 120 Platzverweise aus und nahm zehn Personen in Gewahrsam. Die Platzverweise hätten sich »zum größten Teil gegen Anhänger der autonomen Szene« gerichtet, hieß es.

Die genehmigten Demonstrationen spielten in der thüringischen Öffentlichkeit schon seit mehreren Wochen eine besondere Rolle. Bei der einstimmigen Verabschiedung einer gemeinsamen Initiative der im Landtag vertretenen Parteien gegen »Extremismus« hatten am Freitag die Fraktionschefs von CDU, SPD und PDS zur Teilnahme an den Aktionen gegen rechts aufgerufen. Gemessen am parlamentarischen Wirbel muß die praktische Reaktion vor allem der einheimischen Bevölkerung als schwach bezeichnet werden.

http://www.jungewelt.de/2006/04-03/017.php



Hamburg: Frühere Angehörige der Waffen-SS trafen sich seit Jahren und ungestört im Gebäude der Handwerkskammer. Angeblich merkte keiner was

In Hamburg ist Ende vergangener Woche ein Monatstreffpunkt der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS« (HIAG) im Gebäude der Handwerkskammer aufgeflogen. Etwa 100 Antifaschisten hatten zuvor das Gebäude umstellt, nachdem ihnen bekannt geworden war, daß in der in dem Haus befindlichen Pachtgaststätte »Remter« seit Jahren konspirative Nazitreffen stattfinden und für den vergangenen Donnerstag sogar eine »Jahreshauptversammlung« der HIAG vorgesehen war.

Zur Überraschung der Demonstranten ließ auch Handwerkskammer-Vorstandssprecher Peter Haas nicht lange auf sich warten. Schon kurz nach Beginn der Aktion trat Haas vor die Demonstranten und kündigte an, man werde die Altnazis »sofort« des Hauses verweisen, dessen Nutzung sie sich nur unter falschen Namen erschlichen hätten.

Doch der Imageschaden für die noble Hamburger Handwerkskammer bleibt trotzdem beträchtlich. Recherchen des NDR haben ergeben, daß die SS-Veteranen tatsächlich seit langem die Gaststätte nutzen. Bis zu 100 Ewiggestrige trafen sich hier Monat für Monat. Bekannt wurde jetzt, daß die Organisation schon am 4. Februar 1975 erstmals das Gebäude der Handwerkskammer nutzte.

Gegründet wurde die Hamburger HIAG 1949 vom ehemaligen SS-Kommandeur der »Leibstandarte Adolf Hitler«, Brigadeführer Otto Kumm. Doch während sich die HIAG in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg vor allem um die Durchsetzung von Versorgungsleistungen für ihre ehemaligen »Kameraden« kümmerte (in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen war die Waffen-SS noch eindeutig als verbrecherische Organisation eingestuft worden), entwickelte sich sie sich später immer mehr zum politischen Träger der SS-Tradition. Besonders in Hamburg, wo man auch weitermachte, nachdem sich die Bundesorganisation 1992 aus Altersgründen aufgelöst hatte. Auch die Zeitschrift Der Freiwillige wird von der HIAG herausgegeben. Darin werden Kriegsverbrechen verharmlost und eigene »Heldentaten« mystifiziert.

Daß all das jahrelang unter dem Dach der Handwerkskammer möglich war, ist für Antje Kosemund vom Landesvorstand der VVN empörend. Mit Genugtuung habe sie zur Kenntnis genommen, daß die Handwerkskammer nun entschieden hat, der HIAG ab sofort alle Räume zu entziehen, so Kosemund.

Doch wie es sein kann, daß niemand in der Kammer etwas von dem jahrelangen Treiben der Altnazis mitbekam, ist damit noch nicht geklärt. Ein Sprecher der Kammer beteuerte am Freitag, man habe erst durch einen Journalisten erfahren, wen man beherbergt habe. Am Rande der Treffen in einem abgeschlossenen Raum und ohne Bedienung seien keine den Faschismus verherrlichenden Handlungen aufgefallen. Die Reservierungen seien über Privatleute erfolgt.

Zu fragen bleibt indes auch, warum die Aktivitäten dem Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz völlig verborgen geblieben sind. Ein Sprecher der Hamburger Innenbehörde sagte am Freitag, die Sicherheitsbehörden hätten die HIAG als »Traditionalistenorganisation, die unter anderem den Idealen der Waffen-SS nachhängt«, im Blick. Ihre Aktivitäten scheinen indes für die Behörde nicht von Interesse gewesen zu sein.

http://www.jungewelt.de/2006/03-20/016.php



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Ein brutaler Polizeieinsatz gegen Antifaschisten am 31. Januar 2004 in Hamburg war rechtswidrig. Das ist das Ergebnis eines Verwaltungsgerichtsverfahrens, das die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) unmittelbar nach dem Einsatz angestrengt hatte. Wie Cornelia Kerth, Landesvorsitzende der VVN-BdA, am Donnerstag mitteilte, musste die Polizei in dem Verfahren eingestehen, dass der Einsatz von Wasserwerfern und die anschließende Auflösung einer Kundgebung der VVN-BdA am 31. Januar 2004, unrechtmäßig waren.

Über 6 000 Antifaschisten hatten an jenem Tag gegen einen zeitgleich stattfindenden Aufmarsch von etwa 1 000 Neonazis vor der damaligen Wehrmachtsausstellung demonstriert. Während die Rechten weitgehend unbehelligt gegen die Ausstellung aufmarschieren durften, wurde die Kundgebung der VVN-BdA unmittelbar nach ihrem Beginn gewaltsam und ohne jede Vorwarnung mit Wasserwerfern und unter dem Einsatz von Schlagstöcken aufgelöst. 3 200 Beamte waren im Einsatz.

Der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, die gerade zu ihrer Rede ansetzen wollte, wurde der Strom abgestellt. Ein Lautsprecherwagen, in dem sie daraufhin die Rede halten wollte, wurde von einem Wasserwerfer unter Beschuss genommen. 236 Demonstranten wurden festgenommen, während die übrigen Demoteilnehmer in eine enge Straße zurückgedrängt wurden. Räumfahrzeuge preschten mit hohem Tempo auf die Menge zu. Das Wasser der bis zu acht Wasserwerfer war mit Reizgas versetzt.

Das Verfahren habe gezeigt, dass der Einsatz von vornherein so geplant war, betonte Rechtsanwältin Britta Eder gegenüber junge Welt. Aus Unterlagen sei hervorgegangen, dass beteiligten Einsatzleitern der Polizeihundertschaften schon am Tag zuvor der Wasserwerfereinsatz angekündigt worden sei. Dass Polizeibeamte völlig unbegründet zuschlugen, zeigten auch Videoaufnahmen. Offenbar sollte hier exemplarisch gezeigt werden, wie die Polizei gegen Antifaschisten vorgehen kann, bewertete Cornelia Kerth die Polizeiübergriffe im Nachhinein. Dass das Verwaltungsgerichtsverfahren festgestellt hat, dass der Einsatz rechtswidrig war, sei sehr wichtig, weil man sich auch bei anderen Demonstrationen politisch darauf berufen könne. Kerth forderte die Innenbehörde auf, „künftig nicht den Schutz der Faschisten in den Mittelpunkt eigener Aktivitäten zu stellen, sondern das antifaschistische Demonstrationsrecht“.

Auch juristisch hat das Verfahren noch ein Nachspiel, denn das „Strafverfahren gegen Unbekannt“ läuft noch. Ganze Polizeieinheiten hat die Staatsanwaltschaft inzwischen vernommen, um Verantwortliche für den Einsatz zu ermitteln. Die VVN-BdA prüft unterdessen, ob sie noch ein weiteres Strafverfahren gegen Polizeidirektor Peter Born einleitet. Dieser hatte den Einsatzbefehl für die Wasserwerfer gegeben.

http://www.gnn-archiv.staticip.de/archiv/Antifa/2006/an04_06.pdf // Seite 4



Wasserwerfer, Reizgas und Polizeiknüppel gegen Antifaschisten im Januar 2004 nicht rechtens

Ein brutaler Polizeieinsatz gegen Antifaschisten am 31. Januar 2004 in Hamburg war rechtswidrig. Das ist das Ergebnis eines Verwaltungsgerichtsverfahrens, das die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) unmittelbar nach dem Einsatz angestrengt hatte. Wie Cornelia Kerth, Landesvorsitzende der VVN-BdA, am Donnerstag gegenüber junge Welt mitteilte, mußte die Polizei in dem Verfahren eingestehen, daß der Einsatz von Wasserwerfern und die anschließende Auflösung einer Kundgebung der VVN-BdA am 31. Januar 2004 unrechtmäßig war. Über 6 000 Antifaschisten hatten an jenem Tag gegen einen zeitgleich stattfindenden Aufmarsch von etwa 1 000 Neonazis vor der damaligen Wehrmachtsausstellung demonstriert. Während die Rechten weitgehend unbehelligt gegen die Ausstellung aufmarschieren durften, wurde die Kundgebung der VVN-BdA unmittelbar nach ihrem Beginn gewaltsam und ohne jede Vorwarnung mit Wasserwerfern und unter dem Einsatz von Schlagstöcken aufgelöst. 3 200 Beamte waren im Einsatz.

Der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, die gerade zu ihrer Rede ansetzen wollte, wurde der Strom abgestellt. Ein Lautsprecherwagen, in dem sie daraufhin die Rede halten wollte, wurde von einem Wasserwerfer unter Beschuß genommen. 236 Demonstranten wurden festgenommen, während die übrigen Demoteilnehmer in eine enge Straße zurückgedrängt wurden. Räumfahrzeuge preschten mit hohem Tempo auf die Menge zu. Das Wasser der bis zu acht Wasserwerfer war mit Reizgas versetzt.

Das Verfahren habe gezeigt, daß der Einsatz von vornherein so geplant war, betonte Rechtsanwältin Britta Eder gegenüber junge Welt. Aus Unterlagen sei hervorgegangen, daß beteiligten Einsatzleitern der Polizeihundertschaften schon am Tag zuvor der Wasserwerfereinsatz angekündigt worden sei. Daß Polizeibeamte völlig unbegründet zuschlugen, zeigten auch Videoaufnahmen. Offenbar sollte hier exemplarisch gezeigt werden, wie die Polizei gegen Antifaschisten vorgehen kann, bewertete Cornelia Kerth die Polizeiübergriffe im nachhinein. Daß das Verwaltungsgerichtsverfahren festgestellt hat, daß der Einsatz rechtswidrig war, sei sehr wichtig, weil man sich auch bei anderen Demonstrationen politisch darauf berufen könne. Kerth forderte die Innenbehörde auf, »künftig nicht den Schutz der Faschisten in den Mittelpunkt eigener Aktivitäten zu stellen, sondern das antifaschistische Demonstrationsrecht«.

Auch juristisch hat das Verfahren noch ein Nachspiel, denn das »Strafverfahren gegen Unbekannt« läuft noch. Ganze Polizeieinheiten hat die Staatsanwaltschaft inzwischen vernommen, um Verantwortliche für den Einsatz zu ermitteln. Die VVN-BdA prüft unterdessen, ob sie noch ein weiteres Strafverfahren gegen Polizeidirektor Peter Born einleitet. Dieser hatte den Einsatzbefehl für die Wasserwerfer gegeben.

http://www.jungewelt.de/2006/02-17/009.php



Hamburg: Antifaschisten rufen zur Kundgebung vor Alterswohnsitz des Kriegsverbrechers Gerhard Sommer auf

In Hamburg ruft ein antifaschistisches Bündnis für diesen Samstag zu einer Kundgebung und Demonstration unter dem Motto »NS-Mörder sind unter uns!« im Stadtteil Volksdorf auf. Dort lebt der ehemalige SS-Offizier Gerhard Sommer, der im Juni 2005 von einem italienischen Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen 560fachen Mordes verurteilt worden war. Das Massaker in dem italienischen Bergdorf gilt als eines der schwersten deutschen Kriegsverbrechen. Doch weil Bundesbürger nach deutschem Recht nicht ausgeliefert werden müssen und die deutsche Staatsanwaltschaft eine eigene Anklageerhebung systematisch verschleppt hat, lebt Sommer unbehelligt in einer noblen Altenresidenz.

Das Verbrechen wurde vor 61 Jahren am 12. August 1944 verübt. Angeführt vom Kompanieführer Sommer stürmten Soldaten der SS-Division »Reichsführer SS« das Bergdorf Saint’ Anna. Auf der Suche nach Partisanen stießen sie auf 560 Kinder, Frauen und viele ältere Leute, die sie innerhalb von vier Stunden erschlugen, erschossen oder verbrannten. Das gesamte Dorf wurde ausgelöscht.

Daß dieses Kriegsverbrechen erst heute verfolgt wird, geht auf die Öffnung des sogenannten »Schrankes der Schande« zurück. In den fünfziger Jahren wurden 695 von den Westalliierten angelegte Ermittlungsakten über deutsche Kriegsverbrechen in Italien mit Rücksicht auf den westdeutschen Bündnispartner auf unbestimmte Zeit in einen Aktenschrank geschlossen. Erst 1994 entdeckten Justizbeamte die Aktenbündel, mit deren Auswertung es möglich wurde, diverse Verfahren gegen noch lebende Täter einzuleiten.

Als das Verfahren gegen Sommer und seine neun Mitangeklagten im April 2004 begann, lebte der heute noch rüstige 84jährige Pensionär in einem Einfamilienhaus, das er inzwischen zugunsten einer sehr noblen Altenresidenz im Hamburger Stadtteil Volksdorf aufgegeben hat. Für mehr als 1 700 Euro im Monat verbringt er dort seine Tage in idyllischem Grün und mit ausgedehnten Spaziergängen. Reue plagt ihn dabei nicht. Er habe ein »absolut reines Gewissen«, sagte Sommer kurz nach seiner Entdeckung einem Fernsehmagazin der ARD.

Für Hamburger Antifaschisten ist die Nichtverfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechern Ausdruck einer unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Die Kundgebung in Hamburg ist Teil einer Kampagne, mit der soviel Druck entwickelt werden soll, daß auch in Deutschland eine Anklageerhebung gegen Sommer erfolgt. Sonst, so Wolfram Siede, Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA), würde »Überlebenden und ihren Angehörigen erneut und endgültig öffentliche Anteilnahme und juristische Genugtuung versagt« bleiben. Am Samstag will das Bündnis Tafeln mit den Namen der Opfer an den Zaun von Sommers Altenresidenz niederlegen. Aufgerufen haben dazu die VVN, der Arbeitskreis Distimo, das Auschwitz-Komitee, die Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände, der Freidenkerverband, die Willi-Bredel-Gesellschaft, DKP, Regenbogen sowie autonome Antifa-Gruppen.

* »NS-Mörder sind unter uns!« Beginn der Demo am Samstag, 26. November, 11.30 Uhr, Gedenkstein Weiße Rose (U-Bahn Volksdorf)

http://www.jungewelt.de/2005/11-25/014.php



[Die nachfolgende Titelstory für die Wochenzeitung „Unsere Zeit“ wurde gemeinsam mit Chefredakteur Rolf Priemer verfasst.]

10 000 Menschen haben am Samstag gegen einen Nazi-Aufmarsch in Kiel demonstriert, den Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz (CDU) nicht verbieten wollte. „Dies ist unsere Stadt! Hier ist für Faschisten kein Platz! Wer ihnen den öffentlichen Raum zur Verfügung stellt, wird auf Widerstand stoßen“, so hieß es in einer Erklärung der Organisatoren des „Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus“ in Kiel. Auch in Dörvelden bei Bremen gingen 2 000 Menschen gegen die Neonazis auf die Straße. Ebenfalls im thüringischen Schleusingen, in Gera, Leverkusen und anderen Orten.

„Zwei Tage nach dem 60. Jahrestag der Befreiung des von den Hitlerfaschisten betriebenen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz wurde bekennenden Nationalsozialisten erlaubt“, in Kiel zu demonstrieren – so der „Runde Tisch“ in einer Erklärung. „Gegen Multi-Kulti und Hartz IV – das Volk sind wir“, so hatten „Freie Nationalisten“ ihren Aufmarsch angekündigt, den auch die NPD wochenlang beworben hatte. Kurzfristig sagte sie ihre Unterstützung ab, denn alle Kräfte seien im Wahlkampf gebunden. Reine Taktik, um Wähler nicht abzuschrecken, sagte Alexander Hoffmann vom Runden Tisch, der auf mehrere NPD-Kandidaten unter den 350 Marschierern verwies.

Um am 20. Februar in den Landtag einzuziehen, will die NPD Kräfte bündeln: Nicht nur bei der DVU und anderen Rechtsparteien, auch bei den „Freien Kameradschaften“. „Arbeit zuerst für Deutsche“, „Wahltag ist Zahltag – auch für Hartz IV“ so wirbt die NPD um Wählerstimmen. Soziale Demagogie und Rassismus sollen per Wahlzeitung in alle Haushalte getragen werden. In Kiel sprach jetzt Thomas Wulff, Chef der „Freien Kameradschaften“, vom „Raub deutscher Arbeitsplätze“, die auch NPD-Funktionärin Daniela Wegener nur für „deutsche Volksgenossen“ will. Ein Wahlplakat zeigt Frauen mit Kopftüchern, die Plastiksäcke schleppen. Ausländer müssten „zurückgekehrt werden“ heißt es im NPD-Programm. „Gute Heimreise“ titelt das Plakat.

Die Provokationen der Hitler-Nachfolger nehmen zu. Aus dem Aufmarsch der 300 in Kiel heraus wurde gerufen: „Ein Volk, ein Führer – die letzte Hoffnung für unser Land!“ Auf einer Demonstration in Leverkusen hieß es: „Die schönsten Nächte sind aus Kristall“ und „Nie wieder Israel“. Auch grölende Rockbands heizen die Stimmungen an, so die Gruppe „Oidoxie“: „Hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz“. Oder die „Weißen Wölfe“: „Juda verrecke und Deutschland erwache“. Ungestraft ist auch das zu hören: „Für unser Fest ist uns nichts zu teuer – Zehntausend Juden für ein Freudenfeuer!“

Mit diesen und anderen Parolen haben Neonazis ihren Einfluss ausgebaut. Bei den Europa- und den Kommunalwahlen. Vier Prozent für die NPD gab es bei den Landtagswahlen im Saarland. 9,2 Prozent in Sachsen. Im „Deutschland-Pakt“ haben sich NPD und DVU nun das Ziel gesetzt 2006 in den Bundestag einzuziehen. Zuvor will man es bei der Landtagswahl im Februar in Schleswig-Holstein und dann, im Mai, in Nordrhein-Westfalen schaffen. Dort hat die NPD ihren Bundesvorsitzenden als Spitzenkandidaten aufgestellt. Was von diesen Leuten zu erwarten ist, erlebten viele kürzlich im sächsischen Landtag, in dem die NPD „mächtige Schneisen in das Dickicht antideutscher Geschichtslügen“ schlagen will.

Offensichtlich ist aufgrund all dieser Vorgänge und neonazistischen Provokationen eine neue Diskussion über ein Verbot neonazistische Organisationen und Parteien entbrannt. Ob ein neuer Gang nach Karlsruhe erfolgen wird, ist nach der selbstverschuldeten Niederlage mit dem ersten NPD-Verbotsantrag heftig umstritten. Die Auseinandersetzung müsse politisch geführt werden, Grundrechte beim Versammlungsrecht einschränken. Für den Résistance-Kämpfer und Kommunisten Peter Gingold wird die Gefahr der neofaschistischen Massenbasis klein geredet. Gingold kritisierte das Demokratieverständnis führender Politiker, die Nazi-Aufmärsche genehmigten. Nazis dürften nach dem Leid der Konzentrationslager und dem Völkermord nie wieder das Recht haben aufzumarschieren.

Für Bettina Jürgensen vom „Runden Tisch“ in Kiel geht es nun mit der Initiative „Keine Stimme den Nazis“ weiter. Sie will ein Verbot und die Auflösung faschistischer Parteien!

http://www.dkp-online.de/uz/3705/s0102.htm



24. Januar 2005

Ausstellung über Zwangsarbeit in Hamburg eröffnet

Sie hätten sich eine andere Jugend gewünscht. Als der Krieg vorüber war, war jedoch auch sie für die Zwangsarbeiter in Deutschland dahin.

Kein anderer Ort atmet hanseatische Würde wie der Kaisersaal des Hamburger Rathauses. Große Ölgemälde zeigen die Mächtigen vergangener Tage. Prächtige Kronleuchter erhellen die Sicht. Hier trug sich jüngst Präsident Putin ins goldene Buch der Stadt ein. Am Freitagvormittag hatte Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) aus einem seltenen Anlass zum Empfang geladen: Eröffnung der Ausstellung »In Hamburg haben wir unsere Jugend gelassen – Zwangsarbeit von 1940 bis 1945«. Erschienen war auch Innensenator Udo Nagel (parteilos). Der sei für Abschiebepolitik gegenüber Flüchtlingen zuständig, raunte eine Besucherin im Saal, wo man Angehörige der VVN, des Auschwitz-Komitees und die »Freunde der Gedenkstätte KZ Neuengamme« sah.

48 Ausstellungstafeln sind im Foyer des Rathauses aufgestellt. Sie zeigen Briefe und Fotos von Zwangsarbeitern. Ernste und ängstliche Gesichter sieht der Besucher auf den Fotos. 500000 Menschen haben die Stadt zwischen 1940 und 1945 als »Fremdarbeiter durchlaufen«. Man erkennt Franzosen, Italiener, Holländer. Vor allem aber Menschen aus Polen und der Sowjetunion. Seit der Entschädigungsdebatte ist die Zwangsarbeit wieder in das Gedächtnis von mehr Menschen in Deutschland gerückt. Wie das Ausbeutungssystem aber funktionierte, wissen, 60 Jahre nach dem Krieg, nur wenige. In der Ausstellungsmitte steht eine große Stadtkarte. 1500 Punkte sind darauf verzeichnet. Jeder Punkt trägt eine Nummer. Jede Nummer bezeichnet ein Lager.

Im Kaisersaal spricht die 80-jährige Ukrainerin Anna Naliwajko-Guk. 17 Jahre war sie alt, als sie deportiert wurde. Dankbar sei sie nun dafür, die »Stadt ihrer Jugend« zu sehen. So gehe es vielen Teilnehmern des Besuchsprogramms, sagte Katja Hertz-Eichenrode. Sie arbeitet in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und organisiert seit 2001 ein Besuchsprogramm für Zwangsarbeiter. Die Menschen seien dankbar, wenn sie die Einladung erhalten. Selbst dann, wenn sie so alt sind, dass sie nicht mehr reisen. Mit diesen Kontakten sei die historische Aufarbeitung besser möglich. Viele Ausstellungsexponate stammen von den Zwangsarbeitern.

Später sagt Steffi Wittenberg vom VVN-Landesvorstand, dass sie darauf hoffe, dass nach der Ausstellung Zwangsarbeiter nicht wieder in Vergessenheit geraten. Nur die Willi-Bredel-Gesellschaft unterhält eine kleine Dauerausstellung. Im Stadtteil Fuhlsbüttel konnte sie einstige Wohnbaracken von Zwangsarbeitern erhalten und nutzen. Vom Alltag der Zwangsarbeiter ist hier die Rede: Betten voller Ungeziefer, kalte Winter, Rübensuppe, täglich 12 Stunden Arbeit in der Rüstungsindustrie. Insgesamt 13,5 Millionen Menschen waren in Deutschland als Arbeitssklaven eingesetzt. Der größte Teil bestand aus Zivilpersonen. Hinzu kamen Kriegsgefangene und KZ-Insassen. Rassistisch wurden »Fremdarbeiter« in Kategorien eingeteilt. Polen und Russen standen ganz unten.

Nach der Ausstellungseröffnung widersprach die Historikerin Dr. Frederike Littmann auf einer Veranstaltung diffamierenden Unterstellungen, Zwangsarbeiter hätten gern in Deutschland gearbeitet: »Keiner der Zwangsarbeiter ist freiwillig gekommen.« Not und Elend der besetzten Länder hätten Anwerbungsversuchen der Arbeitsämter allerdings eine Grundlage gegeben. Später seien erzwungene Massendeportationen erfolgt. Seit Jahren erforscht Littmann die Zwangsarbeitergeschichte in Hamburg. Nicht leicht, hatten doch Gestapo und das Landesarbeitsamt alle Unterlagen vernichtet. In Militärarchiven, Akten aus der Industrie- und Handelskammer und der Werft Blohm + Voss wurde sie fündig.
Erst mit dem Heer von Arbeitssklaven aus dem Ausland habe Deutschland den Krieg führen können, stellt Littmann fest. Der Arbeitskräftemangel der Hamburger Industrie habe diese ab April 43 veranlasst, Deportationen sogar selbst zu organisieren. Im Mai 44 waren 40 Prozent aller Arbeitsplätze mit Zwangsarbeitern besetzt, in der Industrie sogar 60 Prozent. Das Unrecht sei offen und unter wissender Beteiligung der Bevölkerung erfolgt. Im Tagebuch des Werftbesitzers Walter Blohm hat Littmann gelesen, dass dieser den Krieg schon 1943 für verloren hielt. Zwangsarbeitereinsatz vollzog sich dann zur Produktionsmittelsicherung für die Nachkriegszeit, sagte Littmann.

Nur von einer Widerstandsaktion in Hamburg weiß man heute. Aber es habe doch Fluchtversuche gegeben, fragt eine ältere Dame. Diese seien im letzten Kriegsjahr so gravierend gewesen, bestätigt Littmann, dass Sanktionen, von der Züchtigung bis zum Arbeitserziehungslager, nicht mehr griffen. Die »Ordnung« wurde mit öffentlichen Hinrichtungen aufrechterhalten.

Am Abend sind nur noch wenige Besucher im Rathausfoyer zu sehen. Eine junge Frau und ihr Freund stehen vor einer der Tafeln, lesen entsetzt den Brief eines Zwangsarbeiters. Schon als Kind wurde er deportiert. Am Anfang hätten er und seine Kameraden gedacht, dass der Direktor ihnen die Hand zur Begrüßung reichen wolle. Doch dann seien sie geschlagen worden. In drei Jahren immer wieder. Wie Maschinen hätten sie am Ende funktioniert.

Die Ausstellung im Rathaus ist noch bis 11. Februar zu sehen. Eine Sonderführung in der Gedenkstätte der Willi-Bredel-Gesellschaft findet am 6. Februar ab 14 Uhr am Wilhelm-Raabe-Weg 23 statt.

Verwendung unter Pseudonym: Neues Deutschland
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14. Januar 2005

Nazi-Provokationen in Hamburg-Wilstorf

Zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen 100 Neonazis und 300 antifaschistischen Gegendemonstranten ist es am vergangenen Sonnabend im Hamburger Bezirk Harburg gekommen. „Freie Nationalisten“ unter dem Hamburger Neonazi-Chef Christian Worch hatten kurzfristig zu einer Mahnwache für einen „niedergestochenen Kameraden“ und „gegen Ausländergewalt“ aufgerufen. Tatsächlich war es in der Nacht zum 27. Dezember im Harburger Stadtteil Wilstorf zu einer Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Jugendlichen gekommen, bei der gegen 2 Uhr in der Frühe sechs Skinheads die Tür eines Wohnhauses einschlugen und mit dem Ruf „Ausländer raus“ mehrere Bewohner bedrohten. Aus Angst wehrte sich einer der angegriffenen Jugendlichen mit einem Messer, wobei einer der Skinheads leicht verletzt wurde.

Solche Vorfälle sind im Stadtteil Wilstorf kein Zufall. Schon seit Jahren ist der Stadtteil eng mit dem Wirken von Nazi-Gruppen verbunden: als Rekrutierungsmittelpunkt der Naziszene südlich der Elbe wie auch als Tatort für ausländerfeindliche Übergriffe. Der ursprünglich eher kleinbürgerlich strukturierte Stadtteil hat durch Arbeitslosigkeit stark gelitten. Soziale Widersprüche sind besonders sichtbar. Zur Normalität des Viertels gehören das Schützenfest und Deutschtümelei, wie andererseits zunehmende Armut. Diese Problemlage hat gerade jüngst neuen Stoff erhalten: Das Harburger Traditionsunternehmen Phönix wird nach der Übernahme durch Continental 1000 Mitarbeiter entlassen. Viele von ihnen wohnen in Wilstorf. Ein idealer Nährboden für neonazistische Rekrutierungsversuche. Auch bundesweit bekannte Kader, wie die Nazianwältin Gisa Pahl, haben sich hier angesiedelt und im benachbarten Sinnstorf produziert die Naziskinband „Oi Drumz“ ihre CDs.

Gegen den Naziaufmarsch hatte ein antifaschistisches Bündnis aufgerufen. Man könne sich im Kampf gegen faschistische Umtriebe nicht auf den Staat verlassen, erklärte der Harburger Antifaschist Jan Malten. Nicht hingenommen werden könne, wenn Neonazis sich nun als Opfer darstellen. Ziel der Antifaschisten war es den Nazi-Aufmarsch zu verhindern. Das verhinderten wiederum mehrere Hundertschaften Bereitschaftspolizei, die den Stadtteil weiträumig abriegelten. Immerhin gelang es den Antifaschisten mit lautstarkem Protest den Nazi-Aufmarsch zu stören.

Für den Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch sind solche Aufmärsche gerade jetzt besonders wichtig, ist dieser doch durch seine Kritik an der NPD bei den „Freien Nationalisten“ nicht mehr unumstritten. Worch hatte die zunehmende Dominanz der NPD im rechten Lager beklagt, geriet damit aber – angesichts der Wahlerfolge der NPD – zunehmend in die Isolation. Mit dem Aufmarsch in Harburg wollte Worch Handlungsfähigkeit nachweisen.

Für den 5. Februar haben die „Freien Nationalisten“ von 11 bis 17 Uhr in der Seevepassage in Harburg einen „nationalen Infostand“ angekündigt. Das Antifa-Bündnis ruft erneut zu Protesten auf.

Verwendung: Unsere Zeit
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April 1994

„Wahlen sind Scheiße!!!“, so sprang es uns in der letzten Ausgabe der Lokalberichte ins Auge. Fast trotzig darunter: ein vermummtes schwarzes Sternchen. Viel mehr ist auf den ersten, sicherlich auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen.

Die Leserinnen und Leser beginnen sich zu fragen, was das soll? (F) wollte ganz offensichtlich provozieren, denn ein größerer Teil der LeserInnen, nicht nur des INFO, sondern auch der Lokalberichte, wird mit dieser einfachen Sicht der Dinge kaum etwas anfangen können. Das weiß auch (F). (F) hat sich wohl darüber geärgert, daß in den letzten Ausgaben auch über Debatten und Anlage des Wahlkampfjahres einiges zu lesen war, oder er wollte wohl einfach mal austesten, was er uns so zumuten kann.

Na ja: Die Absicht ist angekommen, erschrecken oder gar provozieren kann er damit freilich niemanden. Am allerwenigsten die LeserInnen aus dem PDS/Linke Liste-Spektrum. Uns ärgert am Artikel eher der Umstand, wie sich hier Teile der Antifa-Bewegung mit aller Gewalt selbst lächerlich machen. Denn erst auf den dritten Blick erkennt mensch, daß (F) Bezug nimmt auf Wahlergebnisse von populistischen, faschistischen und rassistischen Gruppen. Deren Wahlergebnisse bei den jüngsten Wahlen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind erschreckend hoch. Die geballte Faust des Sternleins soll wohl an die Parole erinnern „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft“.

Ich meine, daß die politische Debatte zu Problemen antifaschistischer Arbeit schon auf höherem Niveau stattgefunden hat. Auch die Beiträge von (F) waren in diesem Zusammenhang schon lesenswerter. (F) läuft mit diesem Beitrag Gefahr, das Leseverhalten der Leser der Lokalberichte in einer Weise zu manipulieren, wie es ihm eigentlich nicht recht sein sollte. Denn durch diesen Beitrag scheinen (ungerechtfertigte?) Vorurteile über die Antifa-Bewegung nur bestätigt. Es ist aber gerade ein Fortschritt auch der letzten Ausgaben, daß ganz unterschiedliche Formen von politischem Widerstand und von Opposition diskutiert werden, auch über ganz unterschiedliche Bereiche berichtet wird. Unter anderem auch über die Verbindung von parlamentarischen und außerparlamentarischen Widerstandsformen, und daß wir so miteinander (und schrittweise) in eine ernsthafte Diskussion kommen.

Verwendung: Lokalberichte Nr. 8 1994 (April 1994)
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