Die Bremer Linksfraktion rauft sich allmählich zusammen. Aber der Gründungsproporz zwischen WASG und PDS macht ihr noch zu schaffen
Der Jubel war groß, als die Linkspartei im Mai mit 8,4 Prozent in die Bremische Bürgerschaft und damit erstmals in ein westdeutsches Landesparlament einzog. Noch am Wahlabend sprach Oskar Lafontaine von einem »Vorbildprojekt« für die Anfang 2008 stattfindenden Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg. Doch wer jetzt mit »Die Linke Bremen« durch das Internet googelt, der erfährt eher Abschreckendes: Längst habe sich die siebenköpfige Fraktion durch »interne Machtkämpfe« zerfressen, heißt es vor allem in der taz. Auch von »Heckenschützentum« und einer frustrierten Basis ist dort die Rede. So häufig, daß schließlich auch die niedersächsische Nord-West-Zeitung und das Neue Deutschland die Thesen der taz übernahmen.
Die aber »entbehren jeglicher Grundlage und sind schlecht recherchiert«, sagen die Co-Vorsitzenden der Linken-Bürgerschaftsfraktion, Peter Erlanson und Monique Troedel, im Gespräch mit junge Welt. Deutlicher wird Antoni Brinkmann. Die Landesschatzmeisterin spricht von einer »hinterhältigen« Kampagne, die nur dazu diene, die Wahlergebnisse in Hamburg und Niedersachsen zu beeinflussen. Daß die Arbeit der linken Fraktion »ausgezeichnet« verlaufe, betont auch der Landessprecher der Linken, der Bundestagsabgeordnete Axel Troost. »Ohne die Arbeit unserer Fraktion würden die Deputationen und Ausschüsse der Bürgerschaft noch immer unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagen, gäbe es keine Senkung der Zahl der Zwangsumzüge, keine Initiativen gegen die Teilprivatisierung der städtischen Kliniken, keine Initiativen für ein neues Sozialticket«, sagt Troost. Schwächen gebe es auch bei der Besetzung der Mitarbeiterstellen etwa sei nur der Proporz der Quellparteien, nicht aber die Sachkenntnis zur Geltung gekommen.
Exakt dies ist das Problem, mit dem sich die Weser-Linken schon seit Wochen herumschlagen. Fast jeden Tag liefert es der taz neue Munition für neue Gerüchte. Vorrangig geht es um das Schicksal des Ex-PDSlers Christoph Spehr und des Ex-WASGlers Manfred Steglich. Im Gründungsproporz hatten diese im Juni jeweils eine Hälfte der Fraktionsgeschäftsführerstelle übernommen. Doch das führte zu Konflikten, so daß die Fraktion die Stelle neu besetzte. Für die taz ist das allerdings ein gefundenes Fressen. Wenn sich schon die »Pioniere« der westdeutschen Linken in »Ränkespielen und Machtkämpfen« verlören, dann sei diese Partei für die Wahlen in Niedersachsen und in Hamburg »keine gute Empfehlung«, heißt es in einem am Montag für die norddeutsche Lokalausgabe veröffentlichten Kommentar. Daß Spehr nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter sogar auf eine Vollzeitstelle wechselt, verschweigt das Blatt jedoch.
Umso genüßlicher werden hingegen die Einzelheiten der Kündigung von Steglich ausgebreitet. Er mußte gehen, weil die Vertrauensgrundlage zwischen ihm und der Fraktion zerbrochen war. Von einem »persönlichen Fehlverhalten gegenüber Vorgesetzten« war in offiziellen Fraktionsstatements die Rede. »Durch diese Formulierung wollten wir die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten schützen«, sagt Troedel. Doch unbarmherzig schlug die taz erneut zu, indem sie die fraktionsintern diskutierten Gründe öffentlich machte. Demnach habe Steglich eine Abgeordnete mehrfach belästigt. Die sonst dem Feminismus zugewandte taz machte daraus ein harmloses »Anbaggern«, das genutzt werde, um einen unbequemen Mitarbeiter loszuwerden. Die 27jährige Bürgerschaftsabgeordnete Sirvan-Latifah Çakici fordert nun ein Zurück zur Politik und will die Kampagne »gegen die Armut in Bremen« und für ein Sozialticket forcieren. Dann, so sagt sie, gebe es kaum noch die Chance, die Bremer Linke mit Dreck zu bewerfen.
[Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 13. Dezember 2007. Lesen Sie deshalb auch die beiden anderen Artikel dieser Seite: Die Linke in Bremen und »Die Arbeit unserer Fraktion ist gar nicht so schlecht«. Die gesamte und gestaltete Zeitungsseite können Sie sich hier auch als PDF-Datei herunterladen.]
Verwendung: Junge Welt
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