13. Dezember 2007

Die Bremer Linksfraktion rauft sich allmählich zusammen. Aber der Gründungsproporz zwischen WASG und PDS macht ihr noch zu schaffen

StadtmusikantenDer Jubel war groß, als die Linkspartei im Mai mit 8,4 Prozent in die Bremische Bürgerschaft und damit erstmals in ein westdeutsches Landesparlament einzog. Noch am Wahlabend sprach Oskar Lafontaine von einem »Vorbildprojekt« für die Anfang 2008 stattfindenden Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg. Doch wer jetzt mit »Die Linke Bremen« durch das Internet googelt, der erfährt eher Abschreckendes: Längst habe sich die siebenköpfige Fraktion durch »interne Machtkämpfe« zerfressen, heißt es vor allem in der taz. Auch von »Heckenschützentum« und einer frustrierten Basis ist dort die Rede. So häufig, daß schließlich auch die niedersächsische Nord-West-Zeitung und das Neue Deutschland die Thesen der taz übernahmen.

Die aber »entbehren jeglicher Grundlage und sind schlecht recherchiert«, sagen die Co-Vorsitzenden der Linken-Bürgerschaftsfraktion, Peter Erlanson und Monique Troedel, im Gespräch mit junge Welt. Deutlicher wird Antoni Brinkmann. Die Landesschatzmeisterin spricht von einer »hinterhältigen« Kampagne, die nur dazu diene, die Wahlergebnisse in Hamburg und Niedersachsen zu beeinflussen. Daß die Arbeit der linken Fraktion »ausgezeichnet« verlaufe, betont auch der Landessprecher der Linken, der Bundestagsabgeordnete Axel Troost. »Ohne die Arbeit unserer Fraktion würden die Deputationen und Ausschüsse der Bürgerschaft noch immer unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagen, gäbe es keine Senkung der Zahl der Zwangsumzüge, keine Initiativen gegen die Teilprivatisierung der städtischen Kliniken, keine Initiativen für ein neues Sozialticket«, sagt Troost. Schwächen gebe es auch – bei der Besetzung der Mitarbeiterstellen etwa sei nur der Proporz der Quellparteien, nicht aber die Sachkenntnis zur Geltung gekommen.

Exakt dies ist das Problem, mit dem sich die Weser-Linken schon seit Wochen herumschlagen. Fast jeden Tag liefert es der taz neue Munition für neue Gerüchte. Vorrangig geht es um das Schicksal des Ex-PDSlers Christoph Spehr und des Ex-WASGlers Manfred Steglich. Im Gründungsproporz hatten diese im Juni jeweils eine Hälfte der Fraktionsgeschäftsführerstelle übernommen. Doch das führte zu Konflikten, so daß die Fraktion die Stelle neu besetzte. Für die taz ist das allerdings ein gefundenes Fressen. Wenn sich schon die »Pioniere« der westdeutschen Linken in »Ränkespielen und Machtkämpfen« verlören, dann sei diese Partei für die Wahlen in Niedersachsen und in Hamburg »keine gute Empfehlung«, heißt es in einem am Montag für die norddeutsche Lokalausgabe veröffentlichten Kommentar. Daß Spehr nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter sogar auf eine Vollzeitstelle wechselt, verschweigt das Blatt jedoch.

Umso genüßlicher werden hingegen die Einzelheiten der Kündigung von Steglich ausgebreitet. Er mußte gehen, weil die Vertrauensgrundlage zwischen ihm und der Fraktion zerbrochen war. Von einem »persönlichen Fehlverhalten gegenüber Vorgesetzten« war in offiziellen Fraktionsstatements die Rede. »Durch diese Formulierung wollten wir die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten schützen«, sagt Troedel. Doch unbarmherzig schlug die taz erneut zu, indem sie die fraktionsintern diskutierten Gründe öffentlich machte. Demnach habe Steglich eine Abgeordnete mehrfach belästigt. Die sonst dem Feminismus zugewandte taz machte daraus ein harmloses »Anbaggern«, das genutzt werde, um einen unbequemen Mitarbeiter loszuwerden. Die 27jährige Bürgerschaftsabgeordnete Sirvan-Latifah Çakici fordert nun ein Zurück zur Politik und will die Kampagne »gegen die Armut in Bremen« und für ein Sozialticket forcieren. Dann, so sagt sie, gebe es kaum noch die Chance, die Bremer Linke mit Dreck zu bewerfen.

[Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 13. Dezember 2007. Lesen Sie deshalb auch die beiden anderen Artikel dieser Seite: Die Linke in Bremen und »Die Arbeit unserer Fraktion ist gar nicht so schlecht«. Die gesamte und gestaltete Zeitungsseite können Sie sich hier auch als PDF-Datei herunterladen.]

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13. Dezember 2007

Peter ErlansonDie Linke in der Bremischen Bürgerschaft arbeitet sich nach anfänglichen Fehlern in die Parlamentsarbeit ein. Ein Gespräch mit Peter Erlanson

Peter Erlanson ist Vorsitzender der Fraktion »Die Linke« in der Bremischen Bürgerschaft

Ihre Fraktion sorgt gegenwärtig vor allem für Negativschlagzeilen. Vor allem in der taz ist von Machtkämpfen und davon die Rede, daß Ihre Fraktion bereits zerrissen und damit paralysiert sei. Stimmt das?

Wo gearbeitet wird, da werden Fehler gemacht. Das will ich für die Bremer Linke und auch für unsere Fraktion keineswegs abstreiten. Doch das, was jetzt an Vorwürfen kommt, ist so an den Haaren herbeigezogen, daß es mit der Realität kaum noch etwas zu tun hat. Sind wir etwa paralysiert, wenn wir zum Beispiel am Donnerstag eine große Solidaritätsveranstaltung mit Beschäftigten aller städtischen Kliniken gegen die Teilprivatisierung der Krankenhäuser machen? Sind wir zerrissen, wenn wir das Thema vorher schon in die Bürgerschaft gebracht haben? Ähnlich läuft es in anderen Fragen, die wir als linke Fraktion bereits in den ersten sechs Monaten unserer Repräsentanz in dieser Bürgerschaft bearbeitet oder angestoßen haben. Zum Beispiel die Schulbeihilfen und das Sozialticket für Bezieher von Arbeitslosengeld II, das wir fordern. Stolz bin ich darauf, daß unter unserem Druck die Zahl der Zwangsumzüge für Hartz-IV-Empfänger deutlich reduziert werden mußte. Ohne unsere Fraktion hätte es bis heute keine Öffentlichkeit bei den Ausschuß- und Deputationssitzungen gegeben. Gerade für Initiativen ist das von besonderer Bedeutung! Die Fraktionsarbeit läuft also gar nicht so schlecht.

Doch warum dann diese Medienschelte?

Die taz hat uns vorgeworfen, wir seien mit dem Versprechen angetreten, alles anders oder besser zu machen. Dieses Versprechen hätten wir nicht eingelöst. Wir streiten für eine andere Politik – aber, daß wir die besseren Menschen sind, die keine Fehler machen, haben wir nie gesagt. Wir befinden uns in einem Lernprozeß. Jede und jeder einzelne Abgeordnete, die gesamte Fraktion. Daß uns die taz als kritische Zeitung diesen Prozeß nicht zubilligt, finde ich schade. Sie sieht ihre Aufgabe offenbar nur darin, auf uns einzuhauen.

Wie erklären Sie sich das?

Wenn es um Konflikte geht, bei denen auch Emotionen und menschliche Zerwürfnisse auftreten, dann besteht bei Journalisten oft ein besonderes Interesse. Vielleicht gilt das für kleinere Zeitungen in besonderer Weise. Also mal den Bohrer herauszuholen und zu zeigen: Seht her, wenn wir wollen, dann können wir das und das mit euch machen. Richtig nachvollziehen kann ich einen solchen Ehrgeiz nicht.

Wie ging es Ihnen, als Sie am Freitag letzter Woche die von der taz erhobenen Vorwürfe auch im Neuen Deutschland (ND) nachlesen konnten?

Das ND will keine Parteizeitung sein, sondern versteht sich als Blatt, das dem kritischen Journalismus verpflichtet ist. Das nehme ich ernst und das respektiere ich auch. Doch bei allem Respekt: Was da jetzt abgeliefert wurde, das hat mit kritischem Journalismus nichts zu tun. Das war üble Nachrede. Ich frage mich, warum tun die das? Nicht nur wir sind ja die Geschädigten, sondern auch die Wahlkämpfer in Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Oder sollte die Botschaft sein, daß die Westlinke einfach zu blöde ist, um kluge Parlamentsarbeit zu betreiben?

Hat nicht auch Ihre Fraktion Fehler gemacht?

Etliche! Ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Doch andererseits ärgert es mich schon, wenn jetzt einige so tun, als hätten sie den Stein der Weisen bereits gefunden – also, wie man linke Oppositionspolitik in einem westdeutschen Landesparlament optimal betreibt. Wir wollten in dieses Parlament, um dort Sprachrohr für die außerparlamentarischen Bewegungen und für die Interessen unserer Wähler zu sein. Doch wir sind allesamt keine Berufspolitiker. Wir kommen aus Initiativen, aus Gewerkschaften und Betriebsräten. Das aber bedeutet, daß wir das eine oder andere auch noch lernen müssen. In Bremen führen wir regelmäßige Plenumsveranstaltungen durch. Dort kann jeder einzelne, auch wenn er nicht zur Linken gehört, durchaus auf die Inhalte unserer Parlamentsarbeit Einfluß nehmen.

Wie wollen Sie die Öffentlichkeitsarbeit Ihrer Fraktion verbessern?

Zugespitzt gesagt, gibt es auf dem Bremer Zeitungsmarkt die taz und den Weser-Kurier. Darüber verstärkt nachzudenken, wie wir unsere Wähler vielleicht auch direkt erreichen können, wäre deshalb eine lohnenswerte Aufgabe.

[Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 13. Dezember 2007. Lesen Sie deshalb auch die anderen beiden Artikel dieser Seite: Die Linke in Bremen und Kleine Schwächen. Die gesamte und gestaltete Zeitungsseite können Sie sich hier auch als PDF-Datei herunterladen.]

Verwendung: Junge Welt vom 13. Dezember 2007
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13. Dezember 2007

Bremer LINKE bei DemoDer Bremer Landesverband der Partei Die Linke wurde zwar erst am 13. Oktober 2007 offiziell gegründet. Aber schon ein halbes Jahr zuvor war die neue Partei sowohl in der Bürgerschaft als auch im Stadtparlament von Bremerhaven vertreten: Bei den Wahlen am 13. Mai erzielten die gemeinsamen Kandidatenlisten von Linkspartei.PDS und der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) einen seinerzeit als »triumphal« empfundenen Wahlerfolg. Mit einem Anteil von 8,4 Prozent der Wählerstimmen stellt die Linke jetzt sieben Abgeordnete in der Bürgerschaft. Mit einem Stimmanteil von 6,1 Prozent entsendet sie außerdem drei Abgeordnete ins Stadtparlament von Bremerhaven.

Im Aktionsprogramm des Landesverbandes sind die Schwerpunkte des parlamentarischen und außerparlamentarischen Handelns benannt: Kampf gegen Ein-Euro-Jobs und Zwangsumzüge für Bezieher des Arbeitslosengeldes II; Ausbau des öffentlichen Dienstes; keine weiteren Privatisierungen; Vervollständigung des Angebots an Kindertagesstätten; Überwindung des »Drei-Klassen-Schulsystems«.

In Bremerhaven wurde der Linken unmittelbar nach der Wahl durch die Mehrheitsfraktionen der Fraktionsstatus aberkannt (sie setzten in der Geschäftsordnung die dafür erforderliche Anzahl von Abgeordneten von drei auf vier hoch. Dort bemüht sich die Partei außerdem um Initiativen zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit. In Bremen spielt hingegen die Auseinandersetzung um die vom Senat betriebene Teilprivatisierung der städtischen Kliniken eine besondere Rolle.

Aufgefallen ist der kleine Landesverband (er zählt in seinen vier Kreisverbänden etwa 450 Mitglieder) zudem dadurch, daß er sich schon frühzeitig und als erste Gliederung der Linkspartei mit dem GDL-Streik der Lokomotivführer solidarisch erklärt hatte.

Dieser Artikel ist Teil einer Schwerpunktseite in der Tageszeitung „Junge Wel“ vom 13.12.07. Lesen Sie deshalb auch die beiden weiteren Beiträge auf dieser Seite: Kleine Schwächen und »Die Arbeit unserer Fraktion ist gar nicht so schlecht«. Die gesamte und gestaltete Zeitungsseite können Sie sich hier auch als PDF-Datei herunterladen.

Verwendung: Junge Welt vom 13. Dezember 2007



13. November 2007

Rund 500 Mitarbeiter müssen an die Spree umziehen

Der bereits vor mehreren Monaten angekündigte Umzug der Zeitungen Bild und Bild am Sonntag von Hamburg nach Berlin wird nun konkret. Wie der Verlag am Montag in Hamburg ankündigte, werden beide Blätter schon ab Ostern 2008 in Berlin produziert. Vorgesehen ist, daß rund 500 Mitarbeiter aus Redaktion und Verlag von der Alster an die Spree umziehen. Das aber, so sagte ver.di-Landesbezirksleiter Wolfgang Rose, sei eine »fatale Verlagerung von Arbeitsplätzen«, durch die der Mediensektor in Hamburg weiter ausblute.

Alle Erfahrungen zeigten, daß bei derartigen Konzernoperationen Arbeitsplätze nicht nur verlagert, sondern auch vernichtet werden, faßte Rose in einer Stellungnahme seine Befürchtungen zusammen. Doch sein Appell an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sich für den Hamburger Standort einzusetzen, hat bisher nichts gebracht. Der Konzern teilte am Montag nur mir, daß er den Betroffenen bei der Wohnungssuche in Berlin helfen werde und ebenso bei der Jobsuche für die jeweiligen Partnerinnen oder Partner. Konkretisiert wurde dies allerdings genausowenig wie das Versprechen, nach geeigneten Tagesstätten für die Kinder der Mitarbeiter Ausschau zu halten.

Wie viele der 500 vorgesehenen Mitarbeiter nach Berlin ziehen werden, ist nach Verlagsangaben bisher nicht abzusehen. Wer nicht umziehen wolle, für den müßten »sozialverträgliche Lösungen« gefunden werden, so ein Konzernsprecher. Er betonte, daß es dem Springer-Konzern bei dem Umzug nicht um Personalabbau, sondern nur um »publizistische und unternehmenspolitische« Überlegungen gehe.

Doch dagegen steht, daß beim Umzug des Finanzbereichs des Springer-Konzerns von Hamburg nach Berlin, bereits im Juni 34 Kündigungen ausgesprochen wurden. Es waren die ersten Kündigungen dieser Art im Springer-Verlag seit 1978. So warnt denn auch der Vorsitzende des ver.di-Fachbereichs Medien und Morgenpost-Betriebsrat Holger Artus, daß sich andere Mitarbeiter ebenfalls »auf einen wesentlich härteren Umgang« in dem Medienkonzern einstellen müßten.

Verwendung: Junge Welt vom 13. November 2007
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26. Juli 2007

TriebwerkeWerbung für Marschflugkörper und Jet-Triebwerke in einem Anzeigenblatt. Bundestagsabgeordneter der CDU bekam dafür Geld von Rüstungsfirmen

Die Zahlungen von Rüstungsfirmen wie EADS und MBDA für ein von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch herausgegebenes Regionalblatt stoßen auf wachsende Kritik. Denn wie der Stern am Dienstag vorab berichtete, äußerte der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim inzwischen den Verdacht, daß es sich bei diesen Zahlungen um verkappte Parteispenden handelt. Aufgeflogen war die Sache, als Willsch seine Nebeneinkünfte beim Bundestagspräsidium deklarierte und dabei drei nicht näher bezeichnete Anzeigenkunden auffielen, die jeweils Zahlungen von 7000 Euro geleistet hatten. Doch für eine ganzseitige Anzeige ist in dem von Willsch herausgegebenen Monatsblatt lediglich ein Nettogrundpreis von 4624 Euro fällig.

Das seien »Gesamtrechnungen« für gleich mehrere Anzeigen gewesen, sagt nun Willsch. Doch warum den Menschen im südwestlichen Zipfel Hessens überhaupt Marschflugkörper oder Eurofighter-Triebwerke mit dem als kostenlose Wurfzeitung verbreiteten Rheingau Taunus Monatsanzeiger (Auflage 90000 Exemplare) angeboten werden, erklärt das nicht. Sein Blättchen gehe nicht nur an einfache Bürger, sondern auch an »hochrangige Mandatsträger der CDU«, sagt Willsch dazu. Gleich 16 Anzeigen mit einem Gesamtpreis von rund 35000 Euro haben die benannten Rüstungsfirmen laut stern deshalb in dem von Hobbyjournalisten aus dem Umfeld der Jungen Union erstellten Blatt bisher veröffentlicht.

Doch den Vorwurf der Bestechlichkeit oder einer Einflußnahme der Rüstungsfirmen weist Willsch, Vorsitzender des Unterausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union und Mitglied im Haushaltsausschuß des Bundestages, entschieden zurück. Jedem sei es schließlich selbst vorbehalten in »diesem oder jenem Medium« Anzeigen zu schalten. Für die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti ist das keine ausreichende Erklärung. Sie forderte eine »lückenlose Aufklärung«. Und auch der Fraktionschef der Grünen im hessischen Landtag, Tarek Al Wazir, fragt sich nun laut, »warum weltweit agierende Rüstungsunternehmen« ihre teuren Produkte in dem »Käseblatt« anbieten.

Daß Willsch (er erzielte im vergangenen Jahr Nebeneinkünfte von rund 83000 Euro) ein eigenwilliges Verständnis von der Trennung zwischen Mandat und Geschäftsinteressen besitzt, ist sogar auch den eigenen Parteifreunden aufgefallen. Denn der 46jährige Oberleutnant der Reserve hatte zuvor versucht, die auch innerhalb der Union übliche Parteiabgabe mit Eigenanzeigen der CDU in seinem Anzeigenblatt zu verrechnen. Man könne sich deshalb mit diesem Bundestagsabgeordneten nicht mehr schmücken, sagte dazu der frühere Kreislandwirt und langjährige CDU-Mann Herbert Enders gegenüber der Presse.

Doch nicht nur CDU-Abgeordnete sind das Ziel der Rüstungslobby. Erinnert sei an den Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der sich im Bundestagswahlkampf 2005 seine Wahlkampf-Flyer und Stellschilder von Krauss-Maffei und Rheinmetall finanzieren ließ. Kahrs gilt als Militärexperte und ist Berichterstatter seiner Partei für das Verteidigungsministerium. Doch ein Schelm, wer Böses dabei denkt, und so hatte auch Kahrs jede Kritik zurückgewiesen. Denn »enge Kontakte von Politik und Wirtschaft« gehörten nun mal zum »Kernbereich unserer parlamentarischen Demokratie«, sagte Kahrs.

Verwendung: Junge Welt vom 26. Juli 2007
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10. April 2007

Chef des Hamburger Verfassungsschutzes will »extremistische« Abendschule beobachten

In Hamburg hat der Chef des Verfassungsschutzes, Heino Vahldieck (CDU), kurz vor Ostern die Beobachtung der neuen »Marxistischen Abenschule« (MASCH) angekündigt. »Wir haben die Aufgabe, alles zu beobachten, was extremistisch ist«, begründete Vahldieck sein Vorhaben. Der neue Bildungsverein will Ende April mit einer großen Auftaktveranstaltung seine Arbeit aufnehmen. Im Stadtteil Wilhelmsburg wird dabei der Schauspieler Rolf Becker das »Kommunistische Manifest« vorlesen. Der Chefkommentator der Springer-Gazette Harburger Anzeigen und Nachrichten (HAN) wußte umgehend zu berichten, damit rückten die Marxisten ins »Zentrum der politischen Unwägbarkeiten«.

Wilhelmsburg ist ein typischer Arbeiterstadtteil im Herzen von Hamburg. Heute sind hier jedoch fast 30 Prozent der Erwerbsfähigen ohne Arbeit. Gut ein Viertel der fast 50000 Einwohner sind Ausländer, rassistische Ressentiments verbreitet. Die Bildungsangebote der MASCH sollen sich auch deshalb vor allem an Arbeiter und Erwerbslose richten, betont Vereinsvorstand Tilo Schönberg. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehören unter anderem Hafenbetriebsrat und DKP-Mann Bernt Kamin und der Vorsitzende der Stadtteilorganisation des Sozialverbandes Deutschland, Ronald Wilken.

Infos: www.masch-wilhelmsburg.de, Auftaktveranstaltung am 26. April um 19 Uhr im Bürgerhaus Wilhelmsburg

Verwendung: Junge Welt
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22. Januar 2007

Publizistische Alternative zur Springer-Presse in der Hansestadt nach nur fünf Ausgaben eingestellt

Vielseitig, kompakt und kontrovers« wollte die im April 2006 erstmals erschienene Hamburger Initiativenzeitung (HIZ) sein. Doch nun steht das Zweimonatsblatt, das bisher in einer Druckauflage von 100000 Exemplaren kostenlos verteilt wurde, bereits nach fünf Ausgaben wieder vor dem Aus. »Wir müssen das Erscheinen der HIZ für eine nicht bestimmte Zeit einfrieren«, gab Herausgeber Ralf Flechner bereits Ende vergangener Woche bekannt. Er verwies vor allem auf die Lücken aus dem Anzeigengeschäft, mit dem sich das Blatt hauptsächlich finanziert.

Eigentlich sollte die HIZ ein »Gegengewicht zur engen Hamburger Zeitungsszene« werden, die zu 80 Prozent von der Springer-Presse dominiert wird. Ungeschminkt sollten darin Bürger- und Basisinitiativen zu Wort kommen. Doch um die Betriebskosten zu decken, sollten diese im Gegenzug die Verteilung des Blattes übernehmen und auch Anzeigen schalten. Keine schlechte Idee, denn die Notwendigkeit einer alternativen Massenzeitung für Hamburg wird in der Hansestadt schon seit Jahren diskutiert. Etwa im November 2004, als sich auf Einladung der Deutschen Journalisten-Union (dju) in ver.di 150 Journalisten im Schauspielhaus versammelten und eine »neue und unabhängige Tageszeitung« forderten. Anlaß hierfür war seinerzeit eine gemeinsame Kampagne der Springer-Gazetten, die sich über jene Obstbauern hermachten, die eine Veräußerung ihrer Grundstücke zur Landebahnerweiterung bei Airbus verweigert hatten. Wahlweise wurden die Bauern als »bekloppt« oder »raffgierig« dargestellt. Doch wie zuvor bei ähnlichen Anlässen blieb auch diese Debatte weitgehend ergebnislos. Für eine neue Zeitung fehlte es an Geld – vor allem aber an Risikobereitschaft.

Diese brachte Flechner mit, der zuvor bereits die Walddörfer Umweltzeitung (WUZ) gegründet hatte, die seit nunmehr zehn Jahren – ebenfalls als Anzeigenblatt – im einkommensstarken Hamburger Nordosten erscheint. Dort war Flechner auch für die Grünen im Ortsausschuß. Das prägte allerdings auch das neue Zeitungsprojekt, in dem zwar viel über Demokratiedefizite, Umweltprobleme und stadtplanerische Fehlentscheidungen zu lesen war, aber erheblich weniger über die ebenfalls drängenden sozialen Probleme der Stadt. Wenn doch, dann standen »Kürzungen bei der Polizei« oder bei den »verdammt wichtigen« grün-alternativen Prestigeprojekten fast schon auf gleicher Augenhöhe mit den Leistungskürzungen bei Erwerbslosen oder für Zehntausende Beschäftigte der Stadt.

Natürlich kann niemand aus seiner Haut und der Versuch Flechners, eine Massenalternative zur Springer-Presse aufzubauen, verdient Respekt. Doch war es abzusehen, daß ein solches Projekt – orientiert es sich wie die kleinen, auf einzelne Stadtteile zugeschnittenen Anzeigenblätter fast ausschließlich auf lokale Themen und rot-grüne Nischenmilieus, ohne dabei ein klares politisches Profil aufzuweisen – als Massenzeitung keine Chance haben würde. Lücken traten deshalb nicht nur im Anzeigengeschäft, sondern auch bei der Verteilung des Blattes auf. Ganze Zeitungsstapel blieben oftmals liegen.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-22/033.php



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16. Januar 2007

Die Junge Welt wird am 12. Februar 60 Jahre alt, denn kurz nach dem Krieg, am 12. Februar 1947, erschien bereits das erste Exemplar.

Heute ist diese Zeitung – und trotz aller Rückschläge – das wohl wichtigste Medium, das die sozialistische und antikapitalistische Linke in Deutschland noch hat. Hier kann ich auch als Textautor die Dinge so beschreiben wie sie sind.

Für die nächsten 60 Jahre wünsche ich deshalb meiner Zeitung alles Gute, Kraft und Gesundheit und vor allem viele neue Abonnenten, denn das hat die Junge Welt verdient!

Andreas Grünwald

Für Sie, liebe Leser, dokumentiere ich hier sämtliche Artikel, wie sie in der Eigenbeilage zum 60. Geburtstag der Zeitung am 13. Januar 2007 erschienen sind. (mehr …)



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16. Januar 2007

Den ersten Teil dieser umfangreichen Artikelsammlung aus einer Eigenbeilage der Jungen Welt zu ihrem 60. Geburtstag lesen Sie hier.

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Kein Pardon
Wir sind Tag für Tag eine Zeitung gegen den Krieg

von Rüdiger Göbel

Der Autor (Jahrgang 1968) kam im Herbst 1997 zur Tageszeitung junge Welt. Ab 1998 arbeitete er im Ressort Außenpolitik, seit dem Jahr 2000 ist er stellvertretender Chefredakteur.

Mit Gänsehaut saß ich vor dem Fernseher, sah die Bilder tanzender Menschen auf der Berliner Mauer und war mir sicher: Das ist kein Freudentag, der 9. November 1989 bedeutet Krieg. Die DDR wird untergehen, die BRD wahnsinnig und Großdeutschland größenwahnsinnig. (mehr …)



Geschaßter Justizsenator wird von Springer-Presse in Hamburg als Rechtspopulist aufgebaut

Zieht bei den nächsten Bürgerschaftswahlen im Februar 2008 auch in Hamburg eine neue rechtspopulistische Partei in die Bürgerschaft ein? Unwahrscheinlich ist dies nicht, denn nach dem Rauswurf von Ronald Barnabas Schill aus dem Senat vor rund zwei Jahren hat nun die Springer-Presse eine neue rechtspopulistische Galionsfigur für die Hansestadt entdeckt. Es ist Roger Kusch, der ehemalige Justizsenator, der Anfang des Jahres aus dem Senat flog, weil er vertrauliche Akten weitergegeben hatte. Dessen neue Partei »Heimat Hamburg« erfreut sich jedenfalls auf ihren Veranstaltungen, wie etwa gestern abend im bürgerlichen Nienstedten, erheblichen Zuspruchs und gerammelt voller Säle. Gleich dutzendweise hatten das Hamburger Abendblatt, die Welt, aber auch die Bild-Zeitung – alles Blätter aus dem Springer-Verlag – zuvor Stellungnahmen der neuen Kusch-Partei abgedruckt.

Von einer Gefahr für das christliche Abendland durch die »Herausforderung Islam« sprach Kusch etwa gestern abend. Doch auch die angeblich »steigende Jugendkriminalität« und das wachsende »Drogenelend« sind Themen für den Ex-Senator, der Hamburgs Sicherheit von »Hunderten jungen Intensivtäter« bedroht sieht. Noch mehr Polizei, noch mehr Gefängnisse, noch mehr Abschiebungen, so lauten seine einfachen Antworten. Demgegenüber sei aber die Union unter Angela Merkel und Ole von Beust nun »an den linken Rand gerutscht«, wie sich etwa auch bei der Gesundheitsreform zeige, die für Kusch »Sozialismus pur« ist.

Doch bei all der Demagogie fehlt es dem noblem Kusch bislang noch an jener Ausstrahlungskraft, die Schill hatte, als er 2001 mit sozialer Demagogie und Ausländerfeindlichkeit auf Anhieb nicht nur konservative, sondern auch ehemalige sozialdemokratische Wähler gewinnen und ein Wahlergebnis von fast 20 Prozent einfahren konnte.

Ganz offenkundig arbeitet die Springer-Presse, die 80 Prozent des Zeitungsmarkts in Hamburg beherrscht, gezielt daran, Kusch aufzubauen. Bei Meinungsumfragen liegt die CDU nun schon seit Monaten deutlich unterhalb von 50 Prozent in der Hansestadt. Eine absolute Mehrheit konnte sie dort nur ein einziges Mal holen, als nämlich nach dem Rauswurf von Schill dessen Wähler direkt zur Union wechselten. Ob sich das aber im eher sozialdemokratisch geprägten Hamburg wiederholen läßt, halten selbst Unionsstrategen für unwahrscheinlich. Deshalb suchen sie schon jetzt nach denkbaren Koalitionspartnern. Als Mehrheitsbeschaffer dafür wird nun Kusch ins Spiel gebracht.

http://www.jungewelt.de/2006/10-24/029.php



Köln. In den Tarifverhandlungen für 1350 RTL-Beschäftigte hat der Kölner Privatsender den Manteltarifvertrag zum Jahresende gekündigt. RTL wolle die 40-Stunden-Woche wieder einführen, Überstundenzuschläge absenken, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld kürzen und für neue Mitarbeiter eine neue Entgeltstruktur bei den Festgehältern erreichen, sagte Unternehmenssprecher Christian Körner am Mittwoch nach der achten Verhandlungsrunde.

Belastet sind die Gespräche mit ver.di und dem Deutschen Journalistenverband (DJV) zusätzlich durch geplante Stellenstreichungen. Körner wollte sie nun auch offiziell nicht mehr ausschließen, legte sich allerdings nicht auf eine Zahl fest. Für die weiteren Verhandlungen am 21. Juni will ver.di-Verhandlungsführer Matthias von Fintel deshalb nach eigenen Angaben seine Verhandlungstaktik ändern und einen »Beschäftigungspakt« vorschlagen, um so die »Spekulationen um das Ausmaß geplanter Stellenstreichungen« zu beenden und die »existentiellen Fragen der RTL-Beschäftigten als Teil der aktuellen Tarifrunde« zu beantworten.

(jW)

http://www.jungewelt.de/2006/05-26/035.php



Gegen Springers 80 Prozent

Mit einer Erstauflage von 100 000 Exemplaren startete in dieser Woche die neue »Hamburger Initiativenzeitung« (HIZ). Gedruckt im Tabloidformat wird das Blatt nun überall durch Bürgerinitiativen und Basisverbände verteilt, denn für sie hat Herausgeber Ralf Flechner die neue Zeitung gemacht. Die Initiativen selbst liefern die Themen, während sie dafür dann den Vertrieb der Zeitung übernehmen. Dass das klappt, dafür bürgt die WUZ, die »Walddörfer Umweltzeitung«, die nun schon 10 Jahren in den nordöstlichen Stadtteilen Hamburgs erscheint. Dort ist Flechner auch Mitglied im Ortausschuss. Eigene Initiativen, selbst wenn sie von vielen unterstützt wurden, fanden in den großen Medien (sie gehören in Hamburg zu 80 Prozent dem Springer-Verlag) keine Beachtung. Doch inzwischen ist auch die WUZ ein viel gelesenes Medium und dieses Konzept will Flechner nun nun auf die ganze Stadt übertragen. Fünf seiner Freunde haben dafür ein Startkapital von 55 000 Euro zusammengelegt. Doch die laufenden Kosten für die zunächst zweimonatlich erscheinende HIZ sollen über Spenden und Anzeigen refinanziert werden. Mit dabei ist auch die ehemalige Redakteurin der »Hamburger Morgenpost« Sigrid Meißner, die in dem Boulevardblatt 20 Jahre im Politik-Ressort tätig war. Nun ist sie Teil der HIZ-Redaktion, wo Reportagen und Informationen aus den Bürgerinitiativen überarbeitet werden.

In der 32-seitigen Erstausgabe ging dieses Mal der Platz für die Titelstory an den Verein »Mehr Demokratie«, der ein aktuelles Gerichtsverfahren zur Volksgesetzgebung auswertete. Weitere Themen waren unter anderem der Ostermarsch, die Trinkwasserversorgung in Hamburg, Stellenstreichungen bei der Polizei, eine Hafenrundfahrt der Gewerkschaftsjugend, das Graffiti-Bekämpfungsgesetz sowie eine Ortsumgehung im Stadtteil Finkenwerder. Damit sich solche Vielfalt ausprägt, gibt es einen Beirat, dem zahlreiche Initiativenvertreter, aber auch Ex-IG-Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller angehören. Unterstützung kommt aber auch von der SPD, den Grünen und der Linkspartei. Für die Sozialisten etwa nahm Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack gleich 3000 Zeitungen mit, die nun an eigenen Büchertischen verbreitet werden.

Quelle: Nur Printausgabe vom 22.02.2006



Konzernunabhängige Hamburger Initiativenzeitung gegründet. Erscheinen vorerst alle zwei Monate

»Vielseitig, kompakt und kontrovers« will die neue, am Wochenende erstmalig erschienene Hamburger Initiativenzeitung (HIZ) sein. Die beiden ersten Attribute treffen auf das Blatt mit seinen 32 bunten und im Tabloidformat gedruckten Seiten durchaus zu; Kontroversen sind dagegen (noch) nicht zu erkennen. Bürgerinitiativen, der Zukunftsrat, Gewerkschaften, aber auch Heimatvereine und Demokratie-Initiativen sollen die 100000 gedruckten Exemplare nun kostenlos verteilen, denn für sie hat Herausgeber Ralf Flechner das Magazin gemacht, das er als »Gegengewicht zur engen Hamburger Zeitungsszene« versteht. Fünf Personen haben dafür 55000 Euro zusammengelegt, die Flechner nun als Startkapital für die neue Zeitungsgesellschaft zur Verfügung stehen. Die laufenden Betriebskosten des vorerst nur zweimonatlich erscheinenden Blatts sollen aber aus Spenden und Anzeigen gezahlt werden. Damit die Zeitschrift später häufiger erscheinen kann, werden Leser und »kooperierende Verbände« gebeten, Bürgschaften für einen Kreditfonds zu übernehmen.

Daß Hamburg Alternativen zur fast allmächtigen Springer-Presse braucht, wird seit Jahren diskutiert. Zuletzt im November 2004, als die Deutsche Journalisten Union (DJU) eine »neue und unabhängige Tageszeitung« forderte. Hamburger Abendblatt, Die Welt und Bild hatten sich zuvor über Obstbauern und Anrainer hergemacht, die ihre Grundstücke nicht an den Betreiber des Airbus-Werks, EADS, zwecks Bau einer Landebahnverlängerung verkaufen wollten. Dafür wurden sie von den Springer-Gazetten wahlweise als bekloppt oder raffgierig dargestellt. Damals diskutierten im Schauspielhaus der Hansestadt 150 Journalisten Möglichkeiten einer Alternativpresse. Doch solche Debatten blieben bisher immer ergebnislos, weil niemand das erforderliche Kapital und die Risikobereitschaft besaß, sich auf ein solches Projekt einzulassen.

Doch jetzt wollen die Redakteure der Walddörfer Umweltzeitung (WUZ) die Sache angehen. Die WUZ wurde schon vor zehn Jahren im eher noblen und einkommensstarken Nordosten Hamburgs gegründet. Dort sitzt Flechner für die Grünen im Ortsausschuß und ist Parteipressesprecher im Kreisverband. Dieser politische Hintergrund prägt die HIZ, in der man zwar viel über Demokratiedefizite, Umweltprobleme und stadtplanerische Fehlentscheidungen lesen kann, aber nichts über Erwerbsloseninitiativen oder den Widerstand gegen Studiengebühren. Doch immerhin sind Beiträge zu den Themen »Flüchtlingsarbeit ist Menschenrechtsarbeit«, »Stellenstreichungen in der Polizei« und zum Ostermarsch aufgenommen worden.

Vielfalt im Blatt soll künftig ein Beirat gewährleisten, dem neben Vertretern von »Mehr Demokratie« auch Jürgen Hogeförster, Chairman des Hanseatic-Parliament, eines Zusammenschlusses von Industrie- und Handelskammern aus dem Ostseeraum, der Arzt Manuel Humburg vom Verein »Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg« sowie Ingo Böttcher von der Initiative »Hamburgs Wilder Osten« angehören. Fast exotisch wirkt in diesem Kreis der Rentner und Ex-IG-Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller.

http://www.jungewelt.de/2006/04-04/043.php?sstr=



Hamburger Morgenpost ging an britischen Medienmogul Montgomery. Gemeinsamer Mantel mit Berliner Kurier geplant. Ruf nach Alternativpresse wird lauter

Nach dem Verkauf der Hamburger Morgenpost (Mopo) an eine Investorengruppe um den britischen Medienmogul David Montgomery besteht die Gefahr, daß das traditionsreiche Boulevardblatt seinen Status als eigenständige Tageszeitung verliert. Am Montag forderte Mopo-Betriebsrat Holger Artus den Erhalt der Vollredaktion des Blattes, denn der Spiegel hatte gemeldet, daß Montgomery nun versuchen wird, den überregionalen Teil des Blattes (Politik- und Sportteil) mit jenem des Berliner Kuriers gleichzuschalten. Der Kurier gehört zum Berliner Verlag, den Montgomery schon im Oktober gekauft hatte.

Für eine solche Fusion spricht in der Tat einiges, denn beide Zeitungen sind im Format, im Layout, in ihrer Zeitungsstruktur, aber auch in dem, was man Marktpositionierung nennt, weitgehend identisch. Eine gemeinsame Zentralredaktion, die zunächst den Mantel, dann aber auch Beilagen sowie weitere Zeitungsbestandteile produziert, könnte die Kosten reduzieren, während die Rendite steigt. Immerhin hatte Montgomery dem Berliner Verlag vorgegeben, daß dessen Umsatzrendite von gegenwärtig zwölf auf 21 Prozent erhöht werden müsse. Ein gemeinsamer Mantel könnte zudem der Startpunkt sein, um weitere Zeitungskäufe in Deutschland zu tätigen, was das erklärte strategische Ziel des britischen Mediengiganten ist. Nur in diesem Zusammenhang ist die Hamburger Mopo für Montgomery interessant, denn ökonomisch ist das Blatt für den Zeitungszaren eher eine Lachnummer. Zwar beanspruchen Redaktion und Verlag, wirtschaftliche Stabilität schon erreicht zu haben, doch der Preis dafür war hart. Sparmaßnahmen verringerten auch die journalistische Qualität, und die Verkaufsauflage sank auf ein Minimum von 110000 Exemplaren am Tag.

Wie zuvor beim Berliner Verlag tritt auch bei der Mopo die »BV Deutsche Zeitungsholding« als Käufer auf. Zu ihr gehört neben Montgomery künftig auch Hans Barlach, der zuletzt 90 Prozent der Mopo-Anteile hielt. Barlach ist selbst ein knallharter Geschäftsmann, der zuletzt Aufsehen mit seiner Übernahme der Fernsehzeitschrift TV Today verursachte. Schon nach kurzer Zeit wurden dort alle Redaktionstätigkeiten auf das größere Konkurrenzblatt TV Spielfilm übertragen, das Barlach zuvor ebenfalls erworben hatte. Ende 2005 wurde die gesamte TV-Today-Redaktion dann aufgelöst, die Mitarbeiter wurden entlassen.

Mittelfristig ist so ein Chrashkurs auch für die Mopo nicht unwahrscheinlich. Viel spricht aber dafür, daß Montgomery und Barlach ihre tatsächlichen Absichten erst nach und nach bekanntmachen werden und keineswegs, bevor das Kartellamt den Zeitungsverkauf genehmigt. Der Mopo-Verkaufspreis und die näheren Vertragskonditionen des Deals werden bis dahin geheimgehalten.

Trotz gesunkener Auflage ist die Mopo drittgrößte Tageszeitung in Hamburg. Noch sind dort 50 Redakteure beschäftigt. Das 1949 von der SPD gegründete Traditionsblatt wechselte in der Vergangenheit mehrfach den Eigentümer. Ende der 80er Jahre übernahm Gruner+Jahr das Blatt. Dann gehörte die Zeitung zu Bertelsmann, bevor schließlich Barlach das Blatt übernahm. In Glanzzeiten verkaufte die Mopo bis zu 450000 Exemplare am Tag. Vor zehn Jahren waren es noch 160000. Doch trotz des Niedergangs und sinkender journalistischer Qualität ist das Blatt bis heute die einzige größere Alternative zur Springer-Presse in Hamburg.

Dramatisch wird die Entwicklung auf dem Hamburger Zeitungsmarkt zudem auch deshalb, weil die taz 50 Prozent ihrer Hamburger Leser verloren hat und ab April die städtische Lokalausgabe schließt. Sie wird durch eine Nordausgabe ersetzt. So droht die völlige Verödung des Hamburger Zeitungsmarkts, und der Ruf nach linker Alternativpresse wird lauter. Diverse Bürgerinitiativen wollen ab April eine eigene Online-Zeitung produzieren, die dann – ab und zu – auch als Printausgabe erscheinen soll.

http://www.jungewelt.de/2006/02-01/014.php



Eigenständige Verlagsbüros in Hamburg und Bremen werden geschlossen. Lokalredaktionen bleiben und produzieren gemeinsame Nord-Beilage

Wie die Gewerkschaft ver.di mitteilte, werden zu Silvester die bisher eigenständigen Verlagsbüros der taz in Hamburg und Bremen schließen. Außer einigen Mitarbeitern für die Anzeigenakquisition wird das Personal entlassen. Doch was wird dann aus den Lokalbeilagen in Hamburg und Bremen? Was aus den dazugehörigen Redaktionen? Gegenüber junge Welt hatte taz-Geschäftsführer Karl Heinz Ruch schon Ende August auch deren Schließung gefordert. Statt dessen sollte es eine gemeinsame Nord-Beilage mit Sitz in Hamburg geben. Doch dann war der Protest so groß, daß die taz-Genossenschafterversammlung einen Kompromiß beschloß: Geschäftsführung, Chef- und Lokalredaktionen sollten sich bis März 2006 auf ein gemeinsames Konzept verständigen, bei dem Redaktionspersonal möglichst nicht entlassen wird.

Für die Mitarbeiter der Verlagsbüros war derartiges nicht mehr zu erreichen. Für sie wurde kurz vor Weihnachten von Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaft ein Sozialtarifvertrag abgeschlossen. Jeder Entlassene erhält demnach eine Abfindung in Höhe eines vollen Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr und kann bis zu zwölf Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Untätig waren auch die Redaktionen nicht, die mit der Geschäftsführung aus Berlin ein neues Zeitungskonzept verhandelten.

Der Rohling dafür sei schon gegossen, berichtete Ko-Geschäftsführer Andreas Bull gegenüber junge Welt. Bull gab an, daß die neue »taz nord« zwar nach wie vor Lokalfenster für Bremen und Hamburg vorsehe, doch deren Seitenumfang soll von jeweils zwei auf eine gekürzt werden. Statt dessen werden gemeinsame Nordseiten expandieren. Nicht auf diese Seitenaufteilung käme es an, sondern auf ein neues journalistisches Konzept, sagte Bull, der dieses mit einem »Weg vom Kleinteiligen« in der Berichterstattung aus Bremen und Hamburg umschrieb. Das Redaktionspersonal werde nicht entlassen, sondern übernehme neue Aufgaben.

Damit scheint sich die Berliner Geschäftsführung weitgehend durchgesetzt zu haben, die eine Abwicklung der städtischen Lokalbeilagen seit langem betreibt. Als vor drei Jahren die Lokalausgaben, die digitaz und Le Monde diplomatique in eine eigene taz-Entwicklungsgesellschaft mbH und Medien KG ausgegliedert wurden, zeigte sich, daß allein die Lokalausgaben in Hamburg und Bremen Verluste von jährlich 250000 Euro einfahren. Auch konnte notwendiges neues Kommanditkapital nicht aufgebracht werden. So begann die Diskussion um eine Zusammenlegung der verschiedenen Stadtbeilagen. In Nordrhein-Westfalen wurden Köln und Bochum zur »taz nrw« zusammengeschlossen. Auch die Lokalbeilagen für Hamburg und Bremen wurden in ihrem Seitenumfang bereits reduziert: von ursprünglich jeweils vier auf jetzt zwei Seiten. Im Ausgleich entstanden zwei Nord-Seiten. Diese Entwicklung setzt sich nun fort.

In ihrer Begründung hatten die taz-Geschäftsführer wiederholt betont, daß das Interesse an lokaler Publizistik generell abnehme. Was dabei aber aus dem Blick gerate, sei die Metropolbedeutung von Hamburg und Bremen auch für das Umland, betonen Kritiker. Sie fragen zudem, ob eine gemeinsame »taz nord« überhaupt einen Sinn macht, denn anders als in NRW fehle ein gemeinsamer landespolitischer Rahmen. In der Tat haben Bentheim, Hameln-Pyrmont, Kiel, Bremerhaven, Hamburg und Dittmarschen als journalistisches Referenzgebiet wenig miteinander zu tun. Später, so wird befürchtet, könnte deshalb entschieden werden, daß letztlich auch ein bundesweiter Zeitungsmantel der taz reiche.

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Redaktion wird nach Übernahme aufgelöst

Als im Mai 2005 der Münchner Burda Verlag (TV Spielfilm) das Konkurrenzblatt TV Today kaufte, sollte dessen Redaktion erhalten bleiben. Jetzt wird es ganz anders kommen.

Die Auflösung der TV-Today-Redaktion ist ein halbes Jahr nach der Übernahme durch den Burda-Verlag beschlossene Sache. Bis März 2006 werden 40 verbliebene Mitarbeiter – von 108 – entlassen. Ihre Arbeit sollen TV-Spielfilm-Mitarbeiter übernehmen. Mit Warnstreiks, die Ende letzter Woche begannen, kämpfen TV-Today-Redakteure nun um Abfindungen von 2,5 Bruttogehältern pro Beschäftigungsjahr – Burda bietet 0,5. Die Belegschaft will zudem eine für ein Jahr tätige Transfergesellschaft – Burda bügelt dies bisher ab. Auch die 4. Verhandlungsrunde am Montagabend brachte keine Annäherung.
Veränderungen kommen damit auch auf die Leser zu. Zwar hat Burda angekündigt, beide Titel mit eigenem Mantel und eigenem Programm zu erhalten. Doch es könnte auch anders kommen.

Die Fusion ist lange vorbereitet. Zunächst kaufte Hans Barlach, Verleger der Hamburger Morgenpost, mit Burda-Geld TV Today von Gruner & Jahr. Zugleich stockte Burda seinen Anteil an TV Spielfilm von 50 auf 100 Prozent auf. Dann übernahm Burda von Barlach auch TV Today; zunächst 49 Prozent, Mitte 2005 den Rest. Job-abbau bei TV Today auf die jetzige Belegschaft von 40 Mitarbeitern war die Folge, während gleichzeitig ganze Funktionsbereiche von TV Today – wie das Anzeigen- und Werbegeschäft, aber auch die Gestaltung der Fernsehprogrammbeilage des »Stern« – nach und nach auf die Redaktion des ehemaligen Konkurrenten TV Spielfilm übergingen. Sodann kündigte Burda im September einen gemeinsamen Auftritt der Blätter beim Anzeigengeschäft an. Das geht aber nur, wenn die für unterschiedliche Leser konzipierten Blätter in ihrer Struktur angeglichen werden.

Anfang 2006 soll nun die Lizenz von TV Today auf TV Spielfilm übergehen und die Restredaktion von TV Today zu Gunsten der dreifach größeren von TV Spielfilm aufgegeben werden. Aus Sicht von Burda ist dies folgerichtig. Mittelfristig ist damit aber das Blatt selbst überflüssig, mutmaßt TV-Today-Betriebsratschef Volker Schönenberger, der gegenüber ND darauf hinweist, dass bisherige Bewertungs- und Textarchive nicht übernommen werden. Dieser Verlust wäre für die Leser erheblich, denn Programminformationen werden bei TV Today journalistisch aufgearbeitet.

Beide Blätter leiden unter Auflagenverfall. Auf 820 000 verkaufte Hefte pro Ausgabe brachte es TV Today noch 2003. Heute sind es 660 000. TV Spielfilm schrumpfte von über 2 auf jetzt 1,6 Millionen. Die aus Verlegersicht konsequenten Sparmaßnahmen gelten den Journalistengewerkschaften DJV und DJU als »eiskalt«. In »frühkapitalistischer Weise« springe Burda mit den Redakteuren um.

Veränderungen im Fernsehzeitschriftenmarkt sind aber nicht nur bei Burda auf der Agenda. Auch der Bauer-Verlag hat für TV Movie und TV 14 gemeinsame Vermarktungsstrategien angekündigt.

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April 1994

„Wahlen sind Scheiße!!!“, so sprang es uns in der letzten Ausgabe der Lokalberichte ins Auge. Fast trotzig darunter: ein vermummtes schwarzes Sternchen. Viel mehr ist auf den ersten, sicherlich auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen.

Die Leserinnen und Leser beginnen sich zu fragen, was das soll? (F) wollte ganz offensichtlich provozieren, denn ein größerer Teil der LeserInnen, nicht nur des INFO, sondern auch der Lokalberichte, wird mit dieser einfachen Sicht der Dinge kaum etwas anfangen können. Das weiß auch (F). (F) hat sich wohl darüber geärgert, daß in den letzten Ausgaben auch über Debatten und Anlage des Wahlkampfjahres einiges zu lesen war, oder er wollte wohl einfach mal austesten, was er uns so zumuten kann.

Na ja: Die Absicht ist angekommen, erschrecken oder gar provozieren kann er damit freilich niemanden. Am allerwenigsten die LeserInnen aus dem PDS/Linke Liste-Spektrum. Uns ärgert am Artikel eher der Umstand, wie sich hier Teile der Antifa-Bewegung mit aller Gewalt selbst lächerlich machen. Denn erst auf den dritten Blick erkennt mensch, daß (F) Bezug nimmt auf Wahlergebnisse von populistischen, faschistischen und rassistischen Gruppen. Deren Wahlergebnisse bei den jüngsten Wahlen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind erschreckend hoch. Die geballte Faust des Sternleins soll wohl an die Parole erinnern „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft“.

Ich meine, daß die politische Debatte zu Problemen antifaschistischer Arbeit schon auf höherem Niveau stattgefunden hat. Auch die Beiträge von (F) waren in diesem Zusammenhang schon lesenswerter. (F) läuft mit diesem Beitrag Gefahr, das Leseverhalten der Leser der Lokalberichte in einer Weise zu manipulieren, wie es ihm eigentlich nicht recht sein sollte. Denn durch diesen Beitrag scheinen (ungerechtfertigte?) Vorurteile über die Antifa-Bewegung nur bestätigt. Es ist aber gerade ein Fortschritt auch der letzten Ausgaben, daß ganz unterschiedliche Formen von politischem Widerstand und von Opposition diskutiert werden, auch über ganz unterschiedliche Bereiche berichtet wird. Unter anderem auch über die Verbindung von parlamentarischen und außerparlamentarischen Widerstandsformen, und daß wir so miteinander (und schrittweise) in eine ernsthafte Diskussion kommen.

Verwendung: Lokalberichte Nr. 8 1994 (April 1994)
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