19.09.2014

Artikelreihe „Kapitalismus und Krieg“
1. Folge: Was ist Imperialismus?
2. Folge: Warum entstehen Kriege?
3. Folge: Zur russischen Politik
4. Folge: Der Hauptkriegstreiber Nr. 1: der US-Imperialismus
4.1. Historische Entwicklung
4.2. US-Kriegsstrategie heute
4.3. Deutsche Interessen

Vorbemerkung:

In dieser Artikelserie beschäftige ich mich mit der Frage „Krieg und Kapitalismus“.

Worin liegen die Ursachen für die heutigen Kriege?
Inwieweit hängen Krieg und Kapitalismus zusammen?
Was ist Imperialismus?

Bislang habe ich dazu zwei kleine Aufsätze veröffentlicht:

1. Folge: Was ist Imperialismus?
Was ist Imperialismus?

2. Folge: Warum entstehen Kriege?
Warum entstehen Kriege?

Dazu kam als dritte Folge ein Ausschnitt aus einem Referat von meinem Genossen Hans-Peter Brenner, in dem sich dieser mit dem gegenwärtigen Charakter der russischen Politik beschäftigte:

3. Folge: Zum Charakter der gegenwärtigen russischen Politik
Zum Charakter der gegenwärtigen russischen Politik

Doch das eigentliche Thema von Brenner bei diesem Referat, das er am 13. September in Essen auf einer Veranstaltung hielt, war die theoretische und politische Analyse gegenwärtiger Kriegsgefahren, für die er analysierte, dass der Hauptkriegstreiber Nr. 1 auf unserem Globus der US-Imperialismus ist. Doch diese Führungsrolle des US-Imperialismus, so Brenner, sei auch keine absolute und werde von den anderen starken imperialistischen Mächten durchaus widersprochen, die für eigene Ziele aufrüsten. Das analysiert Brenner am Beispiel des deutschen Imperialismus.

Historisch fundiert, ökonomisch abgeleitet, finde ich auch diesen Teil seiner Ausführungen so überzeugend, dass ich sie hier einfach nur wiedergeben muss, um eine vierte besonders spannende Folge in dieser kleinen Serie zu kreieren.

Dazu noch folgende redaktionelle Anmerkung: Auslassungen aus dem Referat werden hier jeweils mit drei Punkten “…” verdeutlicht. Text-Hinzufügungen sind indes mit eckigen Klammern gekennzeichnet.

Hier in diesem Artikel wird der 2. Teil dieses Themas wieder gegeben. Dieser beschäftigt sich mit einigen aktuelle Fragen der US Strategie. Wünschen Sie zunächst den 1. Teil dieses Themas zu lesen – in diesem geht es um einige historische Entwicklungen und Ableitungen – klicken Sie bitte hier:

1. Teil: Der Hauptkriegstreiber Nummer 1 ist der US Imperialismus

In einem dritten Teil wird dann noch das Verhältnis zur deutschen Politik untersucht sowie die Frage behandelt, welche besonderen Interessen die deutsche Politik in diesem Kontext verfolgt.

Ich wünsche nunmehr viel Spaß beim Lesen,
Andreas Grünwald…

2. Teil: Der Hauptkriegstreiber Nr. 2 ist der US-Imperialismus (Aktuelle Fragen der US Strategie)

Es gibt besonders räuberische Imperialismen wie den US-amerikanischen, der im Gefolge des I. Weltkrieges die damaligen imperialistischen Führungsmächte England, Frankreich und Deutschland, überholte und nach dem II. Weltkrieg zur unangefochtenen Führungsmacht des imperialistischen Lagers wurde.

Und es gibt weniger mächtige sich im Niedergang oder in einer vorübergehenden Schwächephase befindliche Imperialismen.

Nach wie vor bildet der US-Imperialismus militärisch wie ökonomisch das Hauptkraftzentrum des Imperialismus. Die USA bleiben vor allem die unangefochtene militärische Weltmacht Nr. 1. Sie allein verfügen über die Potenz gleichzeitig an mehreren Punkten der Welt Kriege zu führen. Nur sie verfügen über die entsprechenden Transportmöglichkeiten und die entsprechende logistische Ausstattung mit Personal und modernstem Kriegsmaterial.

Ihre Militärausgaben liegen bei 4% des Bruttosozialproduktes, das ist doppelt so viel wie die für die anderen NATO Staaten verabredeten 2%. Wie Kagan schreibt wären die USA auch heute bereit und in der Lage ihren Anteil wie zu Ende des vorigen Jahrhunderts auch wieder auf 8 % zu steigern. Für die BRD liegt der Anteil der Rüstungsausgaben derzeit bei 1,3% des BSP.
Die Militärausgaben belaufen sich aktuell allein in den USA auf 434 Mrd. Dollar. Die Ausgaben der NATO summierten sich 2013 insgesamt auf die horrende Summe von 1,023 Billionen US Dollar auf.

Im Vergleich dazu betrugen die russischen Militärausgaben – nach westlichen Angaben – nur rund 88 Mrd.
So sehen die wahren Kräfteverhältnisse zwischen der NATO und Russland aus. Man kann also mit Fug und Recht fragen, von wem die strukturelle militärische Bedrohung denn wohl ausgeht.
…

Die „hybride“ Kampfführung des Imperialismus

Wir haben … darauf hingewiesen, dass die ursprünglich berechtigten sozialen und politischen Proteste auf dem Maidan sehr früh umgeschlagen und missbraucht worden sind von den aus den USA finanzierten Stoßtruppes der ukrainischen Faschisten. Aus Anlass des NATO-Gipfels konnten wir erfahren, dass das Umschlagen der damaligen Proteste in Kiew nach dem gleichen Schema durchgezogen wurde wie in anderen Fällen von sogenannten „samtenen“, „orangen“ oder von „frühlingshaften“ Revolutionen, an deren Ende dann die Etablierung von Regimes steht, die dem US-Imperialismus genehmer sind als deren Vorgänger.

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ zitiert in ihrer jüngsten Ausgabe aus einer Rede des russischen Generalstabschefs Walerij Gerassimow vor der Jahresversammlung der Russischen Akademie für Militärwissenschaft, in der dieser eine neue Form der Kriegsführung des US-Imperialismus und der NATO analysierte.

Er kam zu dem Schluss, dass sich im 21. Jahrhundert die Grenzen zwischen Krieg und Frieden auflösen. Kriege würden nicht mehr erklärt, und sie verliefen nach einem „ungewohnten Muster“. Es zeige sich, dass ein „blühender Staat in wenigen Monaten oder sogar Tagen in eine Arena für erbitterte bewaffnete Auseinandersetzungen verwandelt werden kann, dass er Opfer einer ausländischen Intervention werden kann und in Chaos, einer humanitäten Notlage und Bürgerkrieg versinkt.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 07.09.2014, S. 1)

Das Beispiel der verschiedenen „Farbenrevolutionen“ in Nordafrika und im Nahen Osten nahm der Generalstabschef zum Anlass für die folgende Bemerkungen.

„Die Regeln des Krieges haben sich verändert.“ Politische Ziele seien nicht mehr allein mit konventioneller Feuerkraft zu erreichen, sondern durch den „breit gestreuten Einsatz von Desinformationen, von politischen m ökonomischen, humanitären und anderen nichtmilitärischen Maßnahmen, die in Verbindung mit dem Protestpotential der Bevölkerung zum Einsatz kommen.“

Diese von Gerrasimow untersuchte neue Methode der Kriegsplanung und -führung der imperialistischen Länder wird von der NATO als „hybride Kriegsführung“ bezeichnet. Der russische Begriff lautet „nichtlineare Kriegsführung.“

Angeblich plädierte der Generalstabschef dafür von dieser erfolgreichen Strategie der imperialistischen Staaten zu lernen, weil es die Aufgabe der Militärs sei „von Siegern Siege zu lernen“.

Vor diesem Hintergrund ist umso mehr zu fragen:

Wer ist der Hauptdrahtzieher der antirussischen Pogrome in der Ost-Ukraine? Wer trägt Mitschuld am Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa? Wer erlaubt den aus allen möglichen Staaten anreisenden Söldnergruppen die Bombardierung ziviler Ziele von Krankenhäusern und Schulen in der Ostukraine? An wessen Bataillonsfahnen wehen stilsierte Hakenkreuze? Wer führt die Kampfnamen – z.B. den Namen „Roland“ – in Erinnerung an einen berüchtigte ukrainische Faschistenführer, der während der Okkupation gemeinsam mit den Hitlertruppen gegen die Rote Armee kämpfte?

Der Hauptkriegstreiber Nr. 1 ist der US-Imperialismus. An seiner Seite die NATO. Er kann dies, weil er auch ökonomisch innerhalb des imperialistischen Lagers nach wie vor die Nr. 1 ist. Unter den 10 größten Konzernen der Welt – gemesssen am Börsenwert – befinden sich acht US-Konzerne. Die Ausnahmen bilden Royal Durch/ Shell (Niederlande/Großbritannien/Niderlande auf Platz acht und der Pharma Konzern Roche Holding (Schweiz) auf Platz 10). Niemand anders verfügt über diese ökonomische und militärische Potenz.

„Nation Buildung“ und messianischer Hegemonieanspruch des US-Imperialismus

Das Internet – Forum „german-foreign-policy.com“ berichtete bereits Anfang September 2006 über – nur auf den ersten Blick total irreal erscheinende – Planspiele amerikanischer Armeekreise. In der Juni-Ausgabe des „Armed Forces Journal“ (AFJ), einer Zeitschrift der „Army Times Publishing Company“, empfahl ein pensionierter US-Militär namens Ralph Peters eine „ethnische Neuordnung“ fast sämtlicher Staaten des Nahen und Mittleren Ostens.

Der Titel seines Aufsatzes hieß „Redrawing the Middle East Map“ (Die Karte des Mittleren Ostens neu zeichnen.)

Die Türkei, Syrien, den Libanon, Saudi-Arabien, Irak, Iran und Pakistan sollten danach zu teilweise riesigen Gebietsabtretungen gezwungen werden. Durch Umstrukturierung und Auflösung der bisherigen Staatenverbände sollten im Nahen Osten neue Staaten und Völkerrechtssubjekte entstehen, gebildet nach Stammes- und Religionszugehörigkeit.

Unter dem Namen „Freies Kurdistan“ müsse auf dem Boden der heutigen Osttürkei und des Nordirak ein Staat von der dreifachen Größe Syriens entstehen. Der restliche Irak würde geteilt, die Hauptstadt Bagdad zerschlagen. Der Iran verlöre weite Teile seiner Küstengebiete sowie die an Pakistan grenzenden Gebiete, wo ein Staat mit dem Namen „Freies Baluchistan“ gegründet werden müsste.

Die Ölfelder an der südwestlichen Küste des heutigen Saudi-Arabien würden abgetrennt und dem Jemen übereignet werden. Aber nicht nur der saudische Besitz über die Erdölreserven müsste gebrochen werden. Auch der religiöse Einfluss der Saudis über die heiligen Stätten des Islam solle beendet werden. Mekka und Medina sollten zu Hauptstädten eines muslimischen „Gottesstaates“ werden, der weniger korrupt und deshalb weniger instabil als das heutige feudale Saudi-Arabien sein müsste. Dieser Gottesstaat würde an die Südgrenzen Jordaniens stoßen. Das neue „Groß-Jordanien“ hätte den doppelten Umfang wie das bisherige Haschemiten – Königreich Jordanien.
…

So verrückt diese Planungen damals auch anmuteten, darin steckte offenbar mehr als nur ein irrationaler Kern. Die dauerhafte Besetzung, die territoriale wie auch die ethnische Umgestaltung von „failed states“ (gescheiterten Staaten), diese durchweg neo-kolonialistische Konzeption, wird längst nicht mehr nur in irgendwelchen Memoranden (neo-)konservativer Think-tanks oder von einzelnen Militärexperten propagiert. Sie ist mittlerweile offizielle Politik Washingtons geworden. (Vergl. J. Wagner: Demokratischer Imperialismus. US – Geopolitik zur Rekolonialisierung der Welt. In „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Heft 9/2006, S. 1097- 1103)

Stellvertretend für diese Strategie steht die folgende Aussage von Stephen Krasner, damaliger Leiter der Politischen Planungsabteilung im US-Außenministerium: „Das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten funktioniert nicht mehr. […] Mächtige Staaten können das Phänomen prekärer Staaten nicht ignorieren, denn deren Sicherheits- und wirtschaftliche Interessen sind durch diese Staaten gefährdet. Die bester Lösung ist [deshalb] die Einrichtung einer De-facto-Treuhandschaft oder eines Protektorats. … Das ultimative Ziel der amerikanischen Außenpolitik ist es, unsere Macht, allein, falls nötig – dafür zu nutzen, Demokratien mit freier Marktwirtschaft auf dem ganzen Globus auszudehnen. Dies ist der einzige Weg, wie die Vereinigten Staaten den langfristigen Ursachen des Terrorismus begegnen können.“ (Stephen D. Krasner, Alternativen zur Souveränität, in: „Internationale Politik, S. 44-53. Zit. nach J. Wagner, a.a.O., S. 1098)

Die in den letzten Wochen häufig zitierte resignativ klingende Bemerkung von B. Obama, seine Regierung bzw. er selbst verfüge über keine wirkliche Strategie im Umgang mit den besonders brutalen Banden der fundamentalistischen IS ist keinen Cent wert. Es gibt diese Planungen längst und die IS ist offenbar ursprünglich ein Teil davon gewesen. Der verrückt anmutende Plan des neuen Kalifen-Staats, unabhängig von allen Grenzen die die Kolonialmächte nach dem 1. Weltkrieg auf ihren Landkarten mit Linela und Bleistift gezogen hatten, ist gar keine IS-Erfindung.

Obama braucht gar keine neue Strategie auszubrüten, die alte ist gültig wird längst realisiert. Der Gottesstaat von IS das ist der Plan von Teilen des Pentagon selbst. Was wahrscheinlich aber nicht eingeplant war- und nur dagegen richten sich jetzt die erhöhten Anstrengungen der Obama Administration – ist, dass die IS im Überschwang der Erfolge nun jegliches Maß an notwendiger „zivilisatorischer Normalität“ fallen lässt.

Die Waffenlieferungen an die irakisch-kurdischen “Peschmerga” -Truppen des Clan-Führers Barsani, sind Lieferungen an ein bislang noch nicht international anerkannten, mit den USA eng verbündeten Staatsgebildes, das ganz im Sinne der Zerlegung der größeren Staaten im Mittleren Osten funktioniert. Das soll nach dem Willen des US-Imperialismus auch die Perspektive Syriens sein, des einzigen dort noch existierenden laizistischen Staates, der sich zudem dagegen sträubt ein Vasall der USA zu werden.

Die angekündigten Waffenlieferungen an die “moderate islamische Opposition” und die Bombardierung syrischen Territoriums ist die Fortsetzung der seit vier Jahren anhaltenden Aggresion gegen Syrien. Das hat nichts mit der Verteidgung von Menschrechten Und religionsfreiheit zu tun. Syrien droht die traurige Realität Lybiens nach dem Sturz von M. Ghadaffis .

Wir fordern deshalb:
“Hände weg von Syrien. Stopp aller Waffenlieferungen an die Hilfstruppen des Imperialismus in Syrien sei es im religiösen oder im bürgerlich-nationalistischem Gewand.”

Frieden im Mittleren und Nahen Osten wird nur möglich durch die solidarische Unterstützung wahrer antiimperialistischer Bewegungen und Organisationen, die die nationale Frage mit der sozialen Frage verbinden und die nicht einfach nur einen mißliebigen Herrscher gegen einen anderen Feudalherren oder eine andere Clique ersetzen wollen, die dann als Kommis des Imperialismus und Neo-Kolonialismus fungieren.
…

EU, deutscher Imperialismus und der „Tabubruch“

Ähnlich wie in den USA wird auch innerhalb der politischen und militärischen Führungen der westeuropäischen imperialistischen Staaten die „demokratische“ Neuordnung der „Dritten Welt“ mit Hilfe sog. „Neuer Kriege“ diskutiert und geplant. Die „Neuen Kriege“ ersetzen nach Meinung der britischen Politologin Mary Kaldor die ideologisch-politischen Auseinandersetzungen vergangener Zeiten .

Der „Import von Staatlichkeit“ und damit die Herstellung von „Frieden“, sei nur durch den Export westlicher Ordnungsvorstellungen zu gewährleisten: „Die Analyse der neuen Kriege legt … nahe, dass nicht Friedenssicherung, sondern die Durchsetzung kosmopolitischer Normen erforderlich ist, also die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte.“ ((Mary Kaldor, Neue und alte Kriege: organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt am Main 2000, S. 197)

Damit aber wird das alte imperiale „ius ad bellum“ (Recht auf Krieg, inclusive eines Angriffskriegs), einzelner Staaten oder Staatengruppen, das nach den Erfahrungen der beiden mörderischen Weltkriege durch eine von der UNO geschaffene neue Völkerrechtsordnung und durch ein „normatives Modell eines globalen internationalen Staatensystems“ ersetzt worden war, wieder neu belebt. Die UNO-Vollversammlung hatte im Dezember 1978 (bei Stimmenthaltungen der USA und Israels) die „Deklaration über die Vorbereitung der Völker auf ein Leben in Frieden“, im Dezember 1981 die „Deklaration über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten“ und schließlich im Dezember 1984 die „Deklaration über das Recht der Völker auf Frieden“ (gegen die Stimmen aller NATO-Staaten) beschlossen.

All diese UNO-Beschlüsse werden durch die Beschlüsse einzelner imperialistischer Mächte – wie auch jetzt durch den Beschluss Obamas über die Bombardierung Syriens oder Mächtegruppierungen liquidiert und der Krieg wird wieder wie in der Jahrhunderten davor zum beliebig einsetzbaren Mittel staatlicher Gewaltpolitik.

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Folge 4 (3. Teil): Der Hauptkriegstreiber Nr. 1 ist der US-Imperialismus