18.09.2014
Artikelreihe „Kapitalismus und Krieg“ | ||||||||||
1. Folge: | Was ist Imperialismus? | |||||||||
2. Folge: | Warum entstehen Kriege? | |||||||||
3. Folge: | Zur russischen Politik | |||||||||
4. Folge: | Der Hauptkriegstreiber Nr. 1: der US-Imperialismus | |||||||||
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Vorbemerkung
In dieser Artikelserie beschäftige ich mich mit der Frage „Krieg und Kapitalismus“.
Worin liegen die Ursachen für die heutigen Kriege?
Inwieweit hängen Krieg und Kapitalismus zusammen?
Was ist Imperialismus?
In dieser Folge habe ich dazu bisher zwei kleine Aufsätze veröffentlicht:
1. Folge: Was ist Imperialismus? / Warum gibt es Kriege?
Was ist Imperialismus?
2. Folge: Warum entstehen Kriege?
Warum entstehen Kriege?
Während es mir in der ersten Folge darum ging einige grundlegende theoretische Fragen in diesem Zusammenhang zu erörtern, konzentrierte sich der 2. Beitrag dann auf die Fragen der Kapitalkonzentration und der besonderen Macht des Finanzkapitals. Ich versuchte nachzuweisen, dass Kriege vor allem auch mit der Notwendigkeit des Kapitalexports im heutigen Kapitalismus und Imperialismus zu tun haben; und dass sich diese nicht zuletzt auch aus den gegebenen Verwertungsproblemen für das Kapital ableiten.
In der Friedensbewegung beschäftigt uns ein Krieg gegenwärtig in besonderer Weise. Es ist der Krieg in der Ukraine. Sowohl der US-amerikanische, wie auch der deutsche Imperialismus haben in diesem Krieg eine besondere Rolle. Einfluss nimmt aber auch Russland.
In zwei weiteren Folgen dieser kleinen Artikelserie sollen deshalb diese Fragen nunmehr im Mittelpunkt stehen, wobei ich mich dafür in beiden Fällen auf ein hervorragendes Referat meines Genossen Hans Peter Brenner stützen kann. Hans-Peter hielt dieses am 13. September auf einer Veranstaltung in Essen. Ich finde seine Ausführungen so überzeugend, dass ich sie hier einfach nur wiedergeben muss. Das Rede-Manuskript wurde mir zur Verfügung gestellt.
In dieser hier vorliegenden 3. Folge sind jene Textpassagen zu finden, die sich auf das gegenwärtige Russland und die Politik der russischen Führung beziehen.
In der 4. Folge folgen dann jene Passagen, die sich auf den US-Imperialismus, heute der Hauptkriegstreiber auf unserem Globus, aber auch auf die heutige Entfaltung imperialistischer Widersprüche und damit auch auf den deutschen Imperialismus beziehen.
(Siehe hier: Die USA: Hauptkriegstreiber auf unserem Globus)
Doch zunächst zum Thema dieser Folge, für die es hier noch vorab eine kleine redaktionelle Anmerkung gibt: Auslassungen aus dem Referat von Hans-Peter werden hier jeweils mit drei Punkten verdeutlicht. Text-Hinzufügungen sind indes mit eckigen Klammern gekennzeichnet.
Ich wünsche nunmehr viel Spaß beim Lesen,
Andreas
Hans-Peter Brenner, 13.09. 2014 in Essen:
Vor dem Hintergrund der langfristigen strategischen Konzepte des US-Imperialismus ist auch die aktuelle Diskussion über den heutigen Platz Russlands im derzeitigen Weltgeschehen zu beurteilen.
[In der Friedensbewegung, auch in linken Organisationen ] wird heftig darüber diskutiert, wie das post-sowjetische Russland einzuordnen sei. Die Ansichten reichen von Friedensmacht Russland bis mindestens so schlimm wie der US-Imperialismus.
Das sind keine akademischen Fragen.
Wir werden alle übereinstimmend davon ausgehen, dass zu Beginn der 90er Jahre der Zerfallsprozess der sozialistischen UdSSR sich unter innerem und äußerem Druck ausgeweitet hatte zu einer Konterrevolution.
Diese durchlief die erste rasante Phase der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und der Restauration des Kapitalismus in einer seiner dreckigsten und wildesten Formen bis zu einem Manchester-Kapitalismus pur in kürzester Zeit. Viele sprachen vom Wild-West-Kapitalismus.
An dessen Spitze stand zu Beginn eine Führungsgruppe mit Anhang in der Elite aus Parteiführung, Führung des Kommunistischen Jugendverbands und wichtiger Sektoren aus dem Staatsapparat, insbesondere von Militärs, Geheimdienstlern und leitenden Funktionären der früheren staatlichen Großbetriebe. Ihr zur Seite stand eine einflussreiche Schicht aus dem Bereich der Medien und Kultur-Apparate.
An der Spitze der Konterrevolution agierte in dieser Vorbereitungsphase M. Gorbatschow, der sich später selbst als Sozialdemokrat einstufte.
Zu seiner in sich uneinigen Führungsmannschaft gehörten hartgesottene und strategisch weitblickende Typen wie der Außenminister E. Schewardnadse und der Ideologiechef A. Jakowlew, aber auch ehrliche Kommunisten wie N. Ryschkow und J. Ligatschow, die bis zuletzt aber nicht wirklich begriffen, welche strategischen Linien des Imperialismus mit aller Konsequenz durchgesetzt wurden.
M. Gorbatschow verstand es fast bis zu seinem, schmählichen politischen Bankrott seine wahre Gesinnung zu verbergen. Die Sowjetunion wurde also aus der Spitze von Partei und Staat, aus dem allerinnersten Führungszirkel heraus zuerst desorientiert und schließlich ausgehebelt. Dem politischen Betrüger folgte ein alkoholkranker Spitzenfunktionär aus derselben Führungselite.
Nach der gewaltsamen Liquidierung des Obersten Sowjet folgte auf die siegreiche Konterrevolution eine erste Restaurationphase mit einer besonders abscheulichen Variante des Kapitalismus unter B. Jelzin.
Sie hinterließ eine zerfallene Ökonomie, einen zerrütteten Staats- und Militärapparat, eine ideologisch völlig kopflose Arbeiterklasse mit der rasanten Verarmung breiter Teile der Werktätigen. Mit dieser Kapitalismus-Variante wäre das damalige Russland fast auf dem Komposthaufen der Geschichte gelandet; sie gefährdete schließlich die Existenz- und Profitbedingungen des gesamten Staates und der neuen kapitalistischen Oligarchie. Der Jelzin-Kapitalismus hatte das postsowjetische Russland zu einem Dritte- Welt-Land gemacht, das über kurz oder lang von den imperialistischen Großmächten zerstückelt worden wäre. Ähnlich erging es bekanntlich den meisten früheren Kolonialstaaten des britischen Empire und des französischen Kolonialismus in Afrika.
Wir verfügen nicht über den nötigen Einblick in die komplexen Herrschaftsstrukturen des damaligen postsowjetischen Russlands um beurteilen zu können, auf Grund welcher internen Kämpfe und Kungeleien das Putin-System errichtet wurde, das schließlich das allergrößte Chaos und den Zerfall der russischen Staatlichkeit aufhielt.
Es lohnt sich jedoch noch einmal auf das im Neuen Impulse Verlag 2001 erschienene Buch von Jelena und Alexander Charlamenko Revolution und Konterrevolution in Russland zu verweisen. Die beiden kommunistischen Autoren haben m.E. Recht, wenn sie die Ausgangsbedingung für die Putin- Ära so beschreiben:
Die Ereignisse 1999-2000 markieren den Eintritt Russlands in eine neue Etappe. Die Aufgaben der Konterrevolution waren im großen und ganzen erledigt. Eine neue herrschende Klasse hatte sich herausgebildet. Sie war daran interessiert, von der Zerstörung der sozialistischen Gesellschaft zu einer zielgerichteten Gestaltung der kapitalistischen Verhältnisse überzugehen, vor allem in der Sphäre der Produktion. Das aber ist schon keine Aufgabe der Konterrevolution mehr, sondern der auf sie folgenden Reaktion. Sie lässt sich auf zwei Wegen lösen: entweder auf dem Weg der Konsolidierung der herrschenden Klasse, der Festigung des kapitalistischen Staates oder auf dem Weg des Übergangs der wichtigsten Produktionsmittel aus den Händen der russischen Oligarchie unmittelbar in die der transnationalen Konzerne, einer Aufspaltung Russlands von der Art, wie es bereits mit der UdSSR und Jugoslawien geschehen war, und der Einbeziehung der Bruchstücke als Rohstoffanhängsel in dieses System.
Putin und seine Mannschaft wählten den ersten Weg, den Weg der Konsolidierung der neuen bürgerlichen Macht.
Neue Etappe der Restauration
Aus Sicht der Masse der russischen Bevölkerung führte das Putin-Regime zu einer Stabilisierung in der Versorgung und in der Rekonstruktion der wichtigsten Funktionen der postsozialistischen Staatlichkeit. Gewiss hat dabei der Appell zur Besinnung auf die frühere Größe und die Stärke der UdSSR und die Wiederbelebung gewisser äußerer Traditionen und Symbole vor allem aus der Zeit des Sieges über den deutschen Faschismus mit dazu beigetragen, dass eine neue Form von großrussischem Nationalbewusstsein entstand, in dem sich auch Überreste der sozialistischen Kultur- und Lebensweise wiederfinden lassen.
Vor allem gelang es den herrschenden Kräften in der neuen russischen Bourgeoisie und in der Funktionselite mit und unter Putin eine Stabilisierung der Zentralmacht zu erreichen und den Zerfall der Staatlichkeit zu stoppen. J & A Charlamenko würdigen dies und verweisen auf die damit verbundenen progressiven Möglichkeiten: Diese Versuche zur Stabilisierung der Zentralmacht könnte man als mehr oder weniger progressiv ansehen, wenn die Zentralmacht nicht gleichzeitig den Regionen eine Wirtschafts- und Sozialpolitik aufzwingen würde, die das Land noch mehr zerstört als jeglicher Separatismus.
Folglich bedeutet der Übergang von der Konterrevolution zur Reaktion nicht das Ende der Restauration: Im Gegenteil, erst jetzt konnte sich die herrschende Klasse den Angriff auf die grundlegenden sozialen Errungenschaften der Sowjetperiode erlauben, die das tagtägliche Leben von Millionen Menschen betreffen.
Zugleich brauchten die Herrschenden dafür eine ideologische Maskierung. Es blieb nur übrig die Losungen der oppositionellen Nationalpatrioten zu übernehmen und sie im Namen des Regimes zu propagieren. Damit lassen sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: das Putin-Regime grenzt sich von dem verrufenen Jelzin-Regime ab und schafft sich die Möglichkeit, die Unterstützung eines bedeutenden Teils der Opposition zu erlangen.
Dieser Kurs aus der Anfangszeit der Putin-Ära vor allem seine exellente Amalgierung von großrussichem Nationalstolz mit einigen markanten Leistungen und Persönlichkeiten der Sowjetzeit zur ideologischen Abpufferung der sozialökonomischen Folgen der kapitalistischen Restauration ist der markante Wesenszug dieses neuen kapitalistischen russischen Staates geblieben.
Die herrschende Elite um Putin hat inzwischen gelernt, dass die sozialen Belastungen und Opfer, die sie den Werktätigen damit aufluden, dosierter aufgebürdet werden mussten, wenn nicht das gesamte Projekt der kapitalistischen Restauration in Misskredit geraten sollte. Deshalb scheut sie auch nicht davor zurück einzelnen mächtigen Oligarchen und Oligarchengruppen striktere Vorgaben zu machen, die sie im Sinne des großen Ganzen für ökonomisch und politisch als notwendig ansehen. Man könnte dies auch als weitere zweite Etappe innerhalb der Restaurationsphase bezeichnen.
Das ist aber kein Antikapitalismus und bedeutet auch keineswegs, dass sich die russische Führung gegen eine enge ökonomische Verzahnung mit der westlichen Konkurrenz und mit ausländischen Investoren sperrt.
Verflechtung mit dem internationalen Großkapital
Ich möchte daran erinnern, dass auf Putins berühmte Wutrede von 2005 auf der Münchener Sicherheitskonferenz, in der er das Verschwinden der UdSSR als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet hatte, eine deutlich staatsmännischere Rede in 2007 folgte. Putin verwies darin auf die Leistungen seiner Regierung den russischen Markt auch für ausländisches Kapital zu öffnen.
Wörtlich sagte er damals: Wir sind offen für Zusammenarbeit. Ausländische Unternehmen beteiligen sich an unseren größten Projekten zur Energiegewinnung. Nach unterschiedlichen Einschätzungen entfallen bis zu 26 Prozent des in Russland geförderten Erdöls – merken Sie sich bitte diese Zahl! auf ausländisches Kapital. Versuchen Sie bitte, mir ein Beispiel von einer ähnlich breiten Beteiligung russischer Unternehmen an Schlüsselbereichen der Wirtschaft westlicher Staaten zu nennen. Es gibt keine! Ich erinnere auch an das Verhältnis von Investitionen, die nach Russland kommen, und jener, die aus Russland in andere Länder auf der Welt gehen. Dieses Verhältnis ist etwa 15:1. Hier haben Sie ein leuchtendes Beispiel für die Offenheit und Stabilität der russischen Wirtschaft.
Die „Belohnung“ ließ auch nicht auf sich warten. Russland wurde in den Kreis der großen imperialistischen Mächte, die G7, aufgenommen, die dann bis zum April 2014 und dem Ausschluss Russlands nach der Angliederung der Krim als G8 die Geschicke der Welt dominierten.
Im Spiegel betonte vor 14 Tagen der Putin-Vertraute und Chef des größten russischen Staatskonzerns Rosneft die fortbestehende Integration der russischen Industrie in den Weltmarkt und die besonders enge Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Ölkonzern ExxonMobil nicht nur beim Bau der größten Ölplattform der Welt in der russischen Arktis. Er erklärte auch, dass nach dem Verkauf von 12% der Rosneft Aktien an den britischen BP Ölkonzern der Staatsanteil weiter reduziert werde und ausländische Inverstoren noch stärker beteiligt würden. Allerdings würde der russische Staat das Kontrollpaket behalten.
Das sei jedoch ein Plus für die Minderheitsaktionäre, weil nach russischem Gesetz Off-Shore-Bohrungen nur mit mehrheitlicher Staatsbeteiligung durchgeführt werden dürften.
Etatistische STAMOKAP-Variante und die Frage der Äquidistanz
Die Widersprüchlichkeit und Buntscheckigkeit der etatistischen Variante“ des staatsmonopolistischen Kapitalismus im postsowjetischen Russland spiegelt sich auch in der Person Putins wieder.
Dieser kann der Versammlung der wichtigen Verteidigungs- und Außenpolitiker des imperialistischen Westens auf der Wehrkundetagung ein trotziges Bekenntnis zu früherer Größe der UdSSR entgegensetzen, aber gleichzeitig aus Anlass der Einweihung eines Denkmals für die zaristische Armee zum 100. Jahrestag des 1. Weltkriegs eine neue Form der alten deutschen antisozialistischen Dolchstoßlegende vertreten.
Lenin und die Bolschewiki wurden im Prinzip zu Verrätern am russischen Staat erklärt, weil sie die Kriegswilligkeit der russischen Zivilbevölkerung untergraben hätten.
Putin konnte auch die alten Truppenfahnen der sozialistischen Roten Armee wieder einführen und die Melodie der sowjetischen Staatshymne wieder zur neuen russischen Hymne mit verändertem Text machen lassen. Das ist wahrscheinlich alles nicht nur Camouflage, da kann sogar ein beachtlicher Anteil persönlicher Ehrlichkeit drin stecken. Zumal wenn er die Leistungen der Sowjetarmee verteidigt.
Aus all dem lässt sich aber nicht ableiten, dass wir es bei der derzeitigen russischen Führung mit verkappten Sozialisten oder echten Antiimperialisten zu tun haben.
…
Russland ist nicht nur ein kapitalistisches Land. Es ist ein wenngleich noch geschwächter imperialistischer Staat, der auf Grund seiner Geschichte und seiner derzeitigen strategischen Orientierung zur Wiederherstellung und Sicherung der nationalen Souveränität und Eigenständigkeit Russlands in einem deutlichen Interessenkonflikt mit der NATO und dem US-Imperialismus steht.
Seine eigenen Machtambitionen kann er und will er vorrangig im ehemaligen Raum der UdSSR verwirklichen.
Wir können und dürfen natürlich untereinander darüber diskutieren, ob das heutige Russland ein gemäß den bekannten fünf Hauptkriterien des Imperialismus ein voll ausgebildetes imperialistisches Land ist. Darüber kann man verschiedener Meinung sein und auch noch bleiben, bis die weitere Entwicklung Russlands noch offene Fragen geklärt hat.
Ich persönlich denke , dass auch in Russland das kapitalistische Monopol an den wichtigsten Produktionsmitteln das bestimmende Eigentumsverhältnis ist, auch wenn der Staatsanteil an vielen Betrieben und Banken erheblich ist.
Nehmen wie aber die sog. „Staatsquote“, d.h. den Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, der etwas über den generellen Einfluss des Staates auf das Volksvermögen ausdrückt, so lag dieser in Russland 2012 bei 37,49%.
In den EU-Staaten Dänemark lag er 2012 bei 58,35%, in Frankreich bei 56,5%, in Finnland bei 54,9 % und in der BRD bei 45.01 %.
( https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=russland%2C+staatsquote )
D.h. er lag in Russland deutlich niedriger als in diesen EU-Staaten. Es gibt auch eine bedeutende Rolle des privaten Bankkapitals an den russischen Großbanken. Betrachten wir das Verhältnis von Aktiva der drei größten russischen Banken und deren Verhältnis zu den Einlagen persönlicher Personen, so wird auch dieser Einfluss sehr deutlich.
Bank |
Aktiva 2011
(Mrd. Rubel) |
Privateinlagen
(Mrd. Rubel) |
1. OAO Sherbank Rossii |
11.144.7
|
5.532,2
|
2. OAO GPB |
2.481,1
|
253,5
|
3. ZAO VTB 24 |
1.255.4
|
823,1
|
(Eigene Zusammenstellung nach http://de.ria.ru/infographiken/20120224/262744066.html) |
Eine andere Frage ist gewiss, ob der russische Kapitalexport eine höhere Bedeutung besitzt als der Warenexport; dies ist ja ein weiteres Merkmal für das imperialistische Stadium des Kapitalismus.
Der Anteil Russlands am Weltmarkt ist insgesamt niedrig. In 2011 machte er beim Waremimport 1,85% aus und beim Export 2,9%. Der Rohstoffhandel spielt bei den Exporten gegenüber Fertigprodukten die dominierende Rolle. (Daten nach Fischer Almanach 2014).
Die Foreign Direkt Investments also die Auslandsinvestitionen machen deutlich wie sehr Russland beim Kapitalexport noch hinter den USA hinterherhinkt.
Die Auslandsinvestitionen der USA betrugen 2011 396.656 Mio Dollar, für Russland sind 67.283 Mio Dollar verzeichnet. Die Zahl für China lautet 65.115 Mio und für die BRD 54.368.
Das heißt beim Kapitalexport schneidet Russland ähnlich ab wie China und liegt deutlich über der BRD.
Und in Bezug auf das Merkmal Aggressivität bzw. starke Tendenzen zur Reaktion nach innen so zeigt Russland sowohl nach innen wie nach außen deutlich den gesetzmäßigen Drang nach Dominanz und Unterdrückung von politischer Opposition. Wie in anderen imperialistischen Staaten gibt es starke reaktionäre, chauvinistische und auch faschistische Strömungen und Organisationen.
Aber Russland ist im Verhältnis zur früheren Stärke der sozialistischen UdSSR und im Vergleich zu den älteren imperialistischen Hauptmächten ein schwächerer noch nicht so hoch entwickelter Imperialismus wie z.B. in den USA oder auch in der BRD. Als Teil des neuen, auf eine multipolare Weltordnung setzenden Verbunds der BRICS-Staaten stellt Russland auch ein wichtiges Gegengewicht in Europa gegen die Expansionsbestrebungen der großen imperialistischen Staaten und ihres Militärpaktes, der NATO, dar. Aus diesem Grund verhalten sich die USA gegenüber der russischen Führung ganz im Sinne der alten antisowjetischen strategischen Orientierung. Für sie stellt das Putin-System ganz offenkundig nur ein Übergangsregime dar, das sich noch nicht ganz den Ambitionen und Werten des freien Westens untergeordnet hat.
In diesem Zusammenhang und unter Berücksichtigung der von mir skizzierten historischen Zusammenhänge ist es unseres Erachtens erstens völlig richtig, jede Gleichsetzung zwischen Russland und den USA bzw. den anderen imperialistischen Großmächten zurückzuweisen.
Eine Position der sog. Äquidistanz, die den Unterschied zwischen den aggressiven Einkreisungsplänen der USA und der NATO mit dem berechtigten Widerstand Russlands gegen den Vormarsch der NATO gleichsetzt, kann für uns absolut nicht in Frage kommen.
[Wir können ] das postsowjetische Russland und die derzeitige russische Führungsschicht [aber auch] nicht einfach als eine Art natürlichen Bündnispartner oder als eine genuine Friedensmacht ansehen.
Die Bedeutung von Imperialismus-Varianten
In der Sowjetunion hat eine Konterrevolution mit einer anschließenden Restauration des Kapitalismus stattgefunden. Aus den Trümmern der zerschlagenen UdSSR hat sich neben anderen kapitalistischen Staaten als größtes Relikt das neue, von einer konterrevolutionären, oligarchisch strukturierten neuen Bourgeoisie gesteuerte Russland entwickelt. Der russische Kapitalismus ist gemäß den Kriterien der leninschen Imperialismustheorie ein staatsmonopolistischer Kapitalismus mit einer stark ausgeprägten etatistischen Variante.
Wie auch zu Zeiten des Großen Vaterländischen Krieges müssen wir sehr wohl unterscheiden zwischen den verschiedenen Varianten des Imperialismus. So wie damals einerseits zwischen den demokratischen kapitalistischen Staaten mit denen die Anti-Hitler-Koalition geschlossen werden konnte, obwohl sie natürlich imperialistische Länder waren und den ebenfalls imperialistischen faschistischen Aggressor-Staaten unterschieden werden musste, so muss auch heute der Unterschied zwischen den aggressiven Hauptmächten des imperialistischen Militärblocks NATO und dem postsowjetischen Russland unterschieden werden.
Es gibt besonders räuberische Imperialismen wie den US-amerikanischen, der im Gefolge des I. Weltkrieges die damaligen imperialistischen Führungsmächte England, Frankreich und Deutschland, überholte und nach dem II. Weltkrieg zur unangefochtenen Führungsmacht des imperialistischen Lagers wurde.
Und es gibt weniger mächtige sich im Niedergang oder in einer vorübergehenden Schwächephase befindliche Imperialismen.
Nach wie vor bildet der US-Imperialismus militärisch wie ökonomisch das Hauptkraftzentrum des Imperialismus. Die USA bleiben vor allem die unangefochtene militärische Weltmacht Nr. 1. Sie allein verfügen über die Potenz gleichzeitig an mehreren Punkten der Welt Kriege zu führen. Nur sie verfügen über die entsprechenden Transportmöglichkeiten und die entsprechende logistische Ausstattung mit Personal und modernstem Kriegsmaterial.
Ihre Militärausgaben liegen bei 4% des Bruttosozialproduktes, das ist doppelt so viel wie die für die anderen NATO Staaten verabredeten 2%. Wie Kagan schreibt wären die USA auch heute bereit und in der Lage ihren Anteil wie zu Ende des vorigen Jahrhunderts auch wieder auf 8 % zu steigern. Für die BRD liegt der Anteil der Rüstungsausgaben derzeit bei 1,3% des BSP.
Die Militärausgaben belaufen sich aktuell allein in den USA auf 434 Mrd. Dollar. Die Ausgaben der NATO summierten sich 2013 insgesamt auf die horrende Summe von 1,023 Billionen US Dollar auf.
Im Vergleich dazu betrugen die russischen Militärausgaben nach westlichen Angaben nur rund 88 Mrd.
So sehen die wahren Kräfteverhältnisse zwischen der NATO und Russland aus. Man kann also mit Fug und Recht fragen, von wem die strukturelle militärische Bedrohung denn wohl ausgeht.
Haben russische Truppen einen der mittelamerikanischen Nachbarstaaten der USA zerbombt und unregierbar gemacht, wie die USA den Irak? Stehen russische Soldaten im Nachbarstaat Mexiko wie US-Soldaten im Baltikum? Kreuzen russische Kriegsschiffe in Sichtweite der US-amerikanischen Küstengewässer so wie US Kampfschiffe im Schwarzen Meer? Führen russische Marineeinheiten Manöver im Golf von Texas durch, so wie es umgekehrt die US-Marines an der Grenze zu den russischen Territorialgewässern tun? Fliegen russische Bomber Patroullienflüge entlang der Grenze zwischen Kanada und den USA?
Und wer verstößt gegen das Sicherheits-und Partnerschaftsabkommen zwischen NATO und Russland aus dem Jahre 1997? Wer ist verantwortlich dafür, dass entgegen aller vertraglichen Vereinbarungen die NATO sich bis an die Grenzen der Russischen Föderation ausgedehnt hat? 1999 der Beitritt Polens, Tschechiens und Ungarns. 2004 die Beitritte von Bulgarien, Estland, Lettland, Rumänien, der Slowakei und Slowenien, 2009 von Albanien und Kroatien.
Wer investierte in den letzten Jahren fünf Milliarden Dollar um in der Ukraine ein regime chance zu bewerkstelligen? Wer empörte sich mit fuck the EU, weil sich diese mit ihren eigenen Interessen und anderen Ambitionen nach dem Geschmack dieser Großmacht zu sehr in die Ukraine eingemischt hatte? Wer sorgte dafür, dass der berechtigte Protest gegen die Regierung des Oligarchen Janukowitsch von Nationalisten und Faschisten umgemünzt wurde in die Errichtung einer Putsch-Regierung, an deren Schaltstellen die übelsten Nationalisten und offene Faschisten sitzen?
Der Widerstand der russischen Bevölkerungsmehrheit in der Ostukraine ist im Kern der Protest einer nun seiner nationalen und politischen Rechte beraubten und unterdrückten Minderheit gegen ein chauvinistisches und von Faschisten stark geprägtes Regime in Kiew. Das ist, bei aller Buntscheckigkeit der sog. Separatisten, der politische Kern des Widerstandes.
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Dieser Artikel wurde auch bei Facebook veröffentlicht und dort diskutiert:
Zum Charakter der gegenwärtigen russischen Politik
Lesen Sie die vierte Folge dieser Reihe:
Der US Imperialismus als Hauptkriegstreiber auf diesem Globus