05. September 2008

Heftige Auseinandersetzung in Hamburger Bürgerschaft. CDU diffamiert Abgeordnete der Linken

In der ersten Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft nach der Sommerpause hat die Linkspartei-Abgeordnete Christiane Schneider am Mittwoch abend die Polizeiübergriffe auf Teilnehmer des dort kürzlich veranstalteten Klima- und Antirassismuscamps kritisiert. »Was zählen in dieser Stadt eigentlich die Bürgerrechte?« fragte die Vizechefin der Linksfraktion in der Aktuellen Stunde. Der CDU/Grünen-Senat habe zur »Wahrung des Koalitionsfriedens« zwar während der Camps auf einen offenen »Law and Order«-Kurs verzichtet. Später hätten sich aber die CDU-Hardliner, wie etwa Innensenator Christoph Ahlhaus, durchgesetzt. Auf dem Höhepunkt der Camps habe Ahlhaus dann mit seiner Parole »den Chaoten kein Pardon« grünes Licht für Polizeiübergriffe gegeben, die Grundrechte „außer Kraft“ gesetzt hätten. Vor allem die Versammlungsfreiheit wäre dabei »auf der Strecke geblieben«, so Schneider. Wie berichtet, hatte die Abgeordnete bereits in der Woche zuvor auf einer Pressekonferenz ein Video vorgestellt, auf dem deutlich zu sehen ist, wie Polizeibeamte Teilnehmer von Aktionen der Camps grundlos zu Boden warfen und mißhandelten. In der Bürgerschaft sprach die Abgeordnete deshalb von einer »arroganten Demonstration polizeilicher Macht« auf Kosten der Grundrechte. Als innenpolitische Sprecherin ihrer Frak­tion forderte Schneider, die Vorkommnisse gründlich aufzuarbeiten.

Der Auftritt sei ein »dreister Angriff auf die Integrität unserer Polizei«, reagierte der innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, Kai Voet van Vormizeele. Ähnlich erregt zeigte sich SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel, der die Frage aufwarf, welche Rolle die Linksfrak­tion in diesem »Grenzbereich zwischen illegalen und legalen Protest« spiele. Schneider habe mit »ihren Solidaritätsadressen für Chaoten« der Demokratie einen Bärendienst erwiesen und selbst den Boden für »Krawall und Chaos« geschaffen. Dressel reagierte damit auch auf Vorwürfe von Schneider. Da der SPD-Mann ein Verbot solcher Camps gefordert hatte, sei er mitverantwortlich für die »Kriminalisierung« des berechtigten Protests etwa gegen Abschiebungen. Sicherlich, so Schneider: Bei einzelnen Aktionen, sei die Grenze zur Gewalt überschritten worden, was sie selbst bedaure. Doch wer dies dann, wie etwa Dressel oder Ahlhaus, zum Vorwand nehme, um gleich Hunderte von Demonstranten »in eine Art von gesinnungsmäßiger Sippenhaftung« zu nehmen, der verlasse auch selbst »den Boden des Rechts«.

Ganz aus dem Häuschen war daraufhin CDU-Hardliner Karl-Heinz Warnholz: »Wir kennen Ihre kommunistische Vergangenheit«, schrie er Schneider an. »Halten Sie künftig zu diesem Thema den Mund«, so der Vorsitzende des Innenausschusses, der den Verdacht äußerte, Schneider habe ihr Video gefälscht. Schließlich forderte er die Abgeordnete auf, ihr Mandat niederzulegen. »Sie sind eine Schande für das ganze Haus«, rief er aus.

Und die in der Hansestadt mitregierenden Grünen? Die Polizei habe »insgesamt ihre Einsätze gut gelenkt«, doch offenbar gebe es »Einzelfälle«, wo dies nicht so war, müßten diese geprüft werden, versuchte die Abgeordnete Antje Möller einen komplizierten Spagat. Dass die Versammlungsfreiheit missachtet worden wäre, wies ihr Parteikollege und Justizsenator, Till Steffen, indes klar zurück. Er suchte den Fokus der Kritik nun auf SPD-Mann Dressel zu lenken. Dieser habe seiner Forderung des Verbots den Bogen überspannt. »Denken Sie doch nur an ihre eigene Geschichte und daran, dass die Vorstellung, man könne staatskritischen Protest einfach ersticken, schon unter Bismarck scheiterte«, rief er Dressel zu. Immerhin: Steffen versprach Schneider nun alle Vorwürfe gegen einzelne Beamte auch durch seine Behörde zu prüfen. Die CDU-Fraktion quittierte dies mit eisigem Schweigen.

Anmerkung: In der Veröffentlichung für die Tageszeitung junge Welt mussste dieser Artikel aus Platzgründen leider gekürzt werden. Die entsprechenden, dort nicht veröffentlichten Passagen, sind hier kursiv gesetzt. Leider ging dadurch verloren, daß Schneider in der Sache durchaus einen kleinen Erfolg erzielte: der Justizsenator sicherte ihr immerhin zu, die Vorwürfe zu prüfen.

Verwendung: Zum Teil in Junge Welt vom 5. September 2008
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