05. August 2008

Mecklenburg-Vorpommern will Hilfen für Sehbehinderte drastisch reduzieren

Die im Juli bekanntgewordenen Pläne der SPD-CDU-Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern, das Blindengeld dort ab 2009 von monatlich 546 auf 333 Euro pro Peson zu kürzen, haben den Widerstand der Blinden- und Sehbehindertenverbände hervorgerufen. Für den heutigen Dienstag ist eine Mahnwache vor der Staatskanzlei in Schwerin angekündigt. Der Protest richtet sich auch gegen eine Kabinettsvorlage von Finanzministerin Sigrid Keler (SPD). Darin hatte sie die Kürzung des Blindengeldes damit begründet, daß der in Mecklenburg-Vorpommern bisher gezahlte Zuschuß um etwa 150 Euro über dem Durchschnitt der Zahlungen in allen anderen ostdeutschen Bundesländern liege. »Ich dachte, die Zeiten wären vorbei, da zwischen Ost und West unterschieden wird«, empört sich etwa Bernd Uhlig vom Blinden- und Sehbehindertenverein Greifswald.

Die Landesregierung will auch die Zuschüsse für hochgradig sehbehinderte Menschen außerhalb von Blindeneinrichtungen, das sogenannte kleine Blindengeld, auf etwa die Hälfte des derzeit ausgezahlten Betrages von monatlich 136 Euro reduzieren. Keler erhofft sich so Haushaltseinsparungen von 8,7 Millionen Euro allein 2009. In den drei Folgejahren sollen es jeweils 8,2 Millionen Euro sein. Für Blinde und Sehbehinderte wäre das »fatal«, empört sich Gudrun Buse, Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins in Mecklenburg-Vorpommern. In einer Erklärung verweist sie auf die gestiegenen Kosten nicht nur für Blinden-Hilfsgeräte, sondern vor allem auch für die Begleitung sehbehinderter Personen. Ohne diese seien Blinde kaum in der Lage Einkaufsfahrten, Arzt- und Behördenbesuche, Freizeitaktivitäten und Urlaub zu organisieren. Würden die Pläne aus dem Finanzministerin umgesetzt, sei eine »angemessene Teilhabe« am gesellschaftlichen Leben für diesen Personenkreis kaum noch möglich. »Bittere Armut« und ein weitgehender Mobilitätsverlust wären die Folgen. Eine Ausweitung der Proteste kündigte Buse deshalb bereits an; notfalls auch mit »mehreren tausend Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet« vor dem Schweriner Schloß. Blinde, so Buse, halten schließlich zusammen.

Die Landesregierung erhofft sich Einsparungen. Tatsächlich werde so aber das Geld nur »von einer Tasche in die nächste geschoben«, bemängelt Irene Müller, sozialpolitische Sprecherin der Partei Die Linke, und als Blinde selbst betroffen. Sie sagt: Kürzungen beim Blindengeld erhöhen gleichzeitig die Ausgaben bei der sogenannten Blindenhilfe. Letzteres ist eine spezielle Form der Sozialhilfe, die ebenfalls aus einem Topf des Landes finanziert werden muß. Dann allerdings verbunden mit dem Nachteil, daß Blinde zunächst ihr mühsam Erspartes aufbrauchen müssen. Auch Müller kündigte im Namen ihrer Partei Widerstand gegen die Kürzungspläne an.

heute, 9.30 Uhr, Mahnwache vor dem Haupteingang der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern, Schloßstraße 2–4 in Schwerin

Verwendung: Junge Welt vom 05. August 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier