23. Juli 2008

Mannschaftsbild

Wie ist es für einen deutschen Fußballtrainer im Baseball-Land Kuba? Ein Gespräch mit Reinhold Fanz

Reinhold Fanz ist Trainer der kubanischen Fußballnationalmannschaft

Sie sind seit Januar 2008 Trainer der kubanischen Fußballnationalmannschaft. Zuvor waren Sie beim Bonner SC. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Der Bonner SC pflegt seit über zehn Jahren Beziehungen mit Kuba. Aus dem Präsidium des SC kam deshalb immer wieder der Vorschlag, daß ich selbst nach Kuba gehe, damit der dortige Fußball sich entwickeln kann. Nach Auslaufen meines Vertrags ergab sich dazu dann die Gelegenheit. Einige Spiele der Kubaner – etwa die gegen Mexiko oder Panama im Rahmen des Gold-Cups – hatte ich mir zuvor bereits angeschaut. Sie zeigten mir, daß aus diesem kubanischen Fußball noch eine Menge zu machen ist. Daß dafür jetzt auch die Rahmenbedingungen – zum Beispiel die Situation auf den Sportplätzen – noch deutlich verbessert wird, hat mich schließlich überzeugt.

Was zeichnet die kubanischen Fußballspieler aus?

Sie sind schnell, sehr talentiert und auch technisch sehr gut drauf. Dazu kommt ihr enormer Fleiß. Was fehlt, sind Taktik und jene Disziplin, die europäische wie deutsche Spitzenmannschaften auszeichnet. Schließlich kommt es im Fußball nicht nur darauf an, ein schönes Spiel zu machen. Man muß auch Tore schießen.

Reinhold FanzUnmittelbar nach Ihrem Wechsel haben Sie die Teilnahme Kubas an den Weltmeisterschaften 2010 zur Zielmarke erklärt. Ist das realistisch?

Es ist ein sehr anspruchsvolles Ziel, das gebe ich zu. Doch die kubanischen Spieler haben dafür das Potential. Erstmals seit über zwölf Jahren konnten wir die zweite Qualifikationsrunde im Vorfeld einer Fußball-WM erreichen. Ich gehe davon aus, daß wir in dieser Gruppe am Ende einen zweiten Tabellenplatz belegen und somit dann auch die nächste Qualifikationsrunde erreichen werden.

Daran glauben Sie fest?

Im Fußball ist fast alles möglich. Vorausgesetzt man arbeitet gut und die Spieler haben erstens das Potential sowie zweitens auch den Willen, ein solches Ziel zu erreichen. Für die kubanische Mannschaft trifft beides zu.

Nach dem jüngsten Sieg über Antigua und Barbuda stehen schwierigere Begegnungen für einen solchen Aufstieg allerdings noch bevor. Mit besonderer Spannung wird das Spiel gegen die USA am 6. September erwartet. Erstmals seit 61 Jahren werden US-amerikanische Fußballer dann in Havanna antreten.

Dieses Spiel wird etwas ganz Besonderes. Es wird ein Spiel Bush gegen Castro. Da geht es um sehr viel mehr als nur um den Sport. Meine Spieler werden deshalb alles dafür tun, die USA zu schlagen. Als Trainer gehe ich davon aus, daß wir nicht nur in diesem Spiel, sondern zuvor bereits gegen Trinidad und Tobago sowie dann gegen Guatemala die erforderlichen Punkte für den Aufstieg in die nächste Runde holen werden.

Gegenwärtig hält sich Ihre Mannschaft zu Testspielen in Europa auf. Gegen die österreicherische Nationalmannschaft mußte sie eine 4:1-Niederlage einstecken. Wie ist Ihre Gesamtbilanz?

Ich muß das relativieren, denn bei diesem Spiel traten die Österreicher mit etwa 30 Fußball-Profis an. In dem drei mal 35 Minuten dauernden Match konnten sie so ihre Spieler mehrfach austauschen. Wir hingegen waren nur mit 13 Kickern präsent. Im ersten Drittel, als diese noch frisch waren, gab es ein 1:1. Die weiteren Tore mußten wir einstecken, nachdem unsere Jungs kräftemäßig schon ziemlich mitgenommen waren. Immerhin hatten wir zu dieser Zeit fast jeden Tag ein anderes Spiel.

Und Ihre Gesamtbilanz?

Wir sind gegen etliche kleinere Mannschaften, auch gegen Zweitligisten, angetreten. Unter den Gegnern befinden sich auch der FC Freiburg und der FC St. Pauli. Mir wurde bei den schon absolvierten Spielen deutlich, wie sich unsere Spieler, ja die gesamte Mannschaft, fast von Spiel zu Spiel steigern konnte.

Warum wollten Sie unbedingt gegen den FC St. Pauli antreten?

Im Millerntor-Stadion herrscht eine besondere Atmosphäre. Wir haben vor dem Spiel geradezu gehofft, daß es ein richtiger Hexenkessel wird. Für unsere Spieler war das eine sehr gute Vorbereitung auf New York. Denn dort werden wir später vor bis zu 70000 Zuschauern unter Flutlichtbedingungen antreten müssen. Dann sollten unsere Spieler mit einer vergleichbaren Situation bereits vertraut sein.

FC-St.-Pauli-Präsident Corny Littmann hat junge Welt gegenüber betont, daß er sich eine Ausdehnung der Beziehungen seines Vereins zum kubanischen Fußball wünscht. Er hofft nun, Sie könnten dabei behilflich sein.

Wenn ich das kann, werde ich es tun. Doch das Entscheidende leisten die Kubaner selbst. Jetzt zum Beispiel ist im Gespräch, daß wir in unserem Stadion einen Kunstrasenplatz erhalten. So könnten die guten klimatischen Verhältnisse, die es in Kuba zwischen November und Februar für Fußballspiele gibt, dann besser auch für Trainingslager europäischer Mannschaften genutzt werden. Auch den Austausch von Schüler- und Jugendmannschaften kann ich mir vorstellen.

Trotzdem ist Kuba eher ein Baseball-Land. Welchen Stellenwert hat der Fußball?

Die Begeisterung nimmt zu. Deutlich wurde dies auch während der Europameisterschaften, die vom kubanischen Fernsehen übertragen wurden. Auch auf der Straße sehe ich immer mehr Jugendliche, die Fußball spielen. Wenn dazu dann noch ein Erfolg der Nationalmannschaft käme, würde der Fußball richtig aufblühen. Havanna unterstützt die sportlichen Aktivitäten seiner Bürger immerhin in besonderer Weise.

Zu einer anderen Frage: In den hiesigen Medien ist häufiger von einem gelähmten Land die Rede. Wie erleben Sie die kubanische Gesellschaft?

Kuba, das ist ein Land im Aufbruch. Die Reformen von Raúl Castro tragen dazu sicherlich bei. Doch es hilft auch, daß jetzt zum Beispiel das EU-Embargo gefallen ist.

Anmerkung:

Dieses Interview, das ich mit Reinhold Fanz noch vor dem Spiel gegen den FC St. Pauli am 18. Juli führte, ist Bestandteil einer 12-seitigen Sonderbeilage der Tageszeitung Junge Welt vom 23. Juli 2008. Weitere Beiträge in dieser Beilage, darunter solche von Hans Modrow, aber auch von kubanischen Revolutionären, zu den Perspektiven des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses in Kuba, lesen Sie bitte hier.

Verwendung: Junge Welt vom 23. Juli 2008