17. Juli 2008

Hafenrundfahrt350 Kilometer Schienennetz sollen an die Hochbahn AG der Hansestadt übertragen werden

Dem Hamburger Hafen stehen gewaltige Veränderungen bevor, meldete Welt online Anfang der Woche. Offenbar, so der Springer-Internetdienst, habe der schwarz-grüne Senat sich vorgenommen, mit einem »ehernen Grundsatz« aller bisherigen Bürgermeister der Hansestadt zu brechen. Dieser besagt erstens, daß sich die Hafenwirtschaft zwar selbst um die sogenannte Suprastruktur ihrer Kaianlagen, also um Gebäude und Kräne, kümmern muß. Er besagt zweitens, daß die Stadt sämtliche Infrastrukturkosten für den Hafen übernimmt. Sollte das geändert werden, wäre die bisher bestimmende Hafenbehörde, die Hamburg Port Authority (HPA), weitgehend entmachtet. Das entspricht einer Forderung der Grünen, die schon seit Jahren vertreten, die HPA solle sich auf ihr Kerngeschäft, die Organisation des Hafens, zurückziehen. Pflege und Ausbau des Straßen- und Wegenetzes hingegen müßten der Stadtentwicklungsbehörde überlassen werden.

Entschieden sei diesbezüglich noch nichts, betonte am Dienstag ein Sprecher des Senats. Oder doch? Beschlossen scheint, daß die Hafenbahn mit ihrem fast 350 Kilometer langen Schienennetz aus dem HPA-Komplex herausgelöst werden soll. Senatsvertreter bestätigten ein erstes Treffen zwischen Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) und dem Chef der Hochbahn AG Günter Elste zur Übernahme der Hafenbahn. Die Hochbahn AG betreibt in Hamburg bisher nur das Bus- und U-Bahn-Netz.

Dahinter steckt der Gedanke, daß eine so »entschlackte« HPA ihre Restaufgaben, darunter den Ausbau der Kaianlagen, ohne weitere Haushaltsmittel, also aus eigener Kraft finanzieren könnte. Linkspartei, Grüne und Umweltschutzverbände fordern seit Jahren die Aufgabe der milliardenschweren Subventionspraxis. Erstaunlich wäre allerdings, wenn sich dem nun auch die CDU unter Bürgermeister Ole von Beust anschließen würde. Vieles spricht eher dafür, daß sich dort allmählich ein realistisches Bild vom Wachstum des Hafens und den damit verbundenen Infrastrukturkosten abzeichnet. Fast zehn Millionen Standardcontainer (TEU) werden an der Elbe schon jetzt jährlich umgeschlagen. Auf über 18 Millionen TEU soll diese Kapazität in den nächsten sieben Jahren anwachsen. Neues Geld muß dringend her. Geld, das die HPA durch eine Beleihung städtischer Grundstücke beschaffen soll – 700 Millionen Euro schon im nächsten Jahr. Erst nach und nach sollen dann auch die Hafenunternehmer zur Tilgung der Bankkredite durch leicht erhöhte Pachtzinsen herangezogen werden.

Dieses Prinzip nennen die Grünen »ökologisch«, weil es ein »nachhaltiges« Flächenmanagement ermögliche. Handelskammer-Syndikus Reinhard Wolf betont indes, daß durch die Mobilisierung des zusätzlichen Kapitals der Ausbau des Hafens »ein Stück weit von der Haushaltslage der Stadt« entkoppelt werden könnte, ohne diese allerdings aus ihrer »Verantwortung« zu entlassen. Ähnlich der Blick der Kammer auf die Hafenbahn: Um sie auszubauen, bestünde ein Investitionsstau von 500 Millionen Euro. Damit »private Partner« sich an der Lösung dieses Problems beteiligen könnten, sei ihre Ausgliederung in die rechtlich verselbständigte Hochbahn dringend erforderlich.

Sollte die Bürgerschaft so beschließen, wäre das für den städtischen Haushalt allerdings verheerend. Experten verweisen darauf, daß die Hochbahn – sollte sie die Regie über die Containerzüge übernehmen – auch die Eisenbahnlinie Altona–Kaltenkirchen–Neumünster (AKN) mitsamt der dort vorhandenen Rangierbetriebe übernehmen müßte. 50 Prozent der AKN-Anteile hält Schleswig-Holstein, das seine Anteile nicht unter Wert verkaufen will. So erweist sich das Gerede vom angeblichen Ausstieg aus der Hafensubventionierung bei näherer Betrachtung als reiner Betrug.

Verwendung: Junge Welt vom 17. Juli 2008
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