Beim größten Hamburger Pflegeunternehmen steht ein Arbeitskampf ins Haus. Warnstreiks noch diese Woche
Achtzehn Monate, nachdem das größte Hamburger Pflegeunternehmen »Pflege & Wohnen (p&w)« privatisiert wurde, steht dessen Alten- und Pflegeheimen ein heftiger Arbeitskampf ins Haus. Am Montag kündigte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di an, daß es noch in dieser Woche zu ersten Warnstreiks kommen kann.
Die Nachricht erstaunt. Denn eigentlich hatte die Gewerkschaft mit der Geschäftsführung des Unternehmens bereits vor Wochen geeinigt. Mit einem neuen Haustarif sollten die Rechte aus den Arbeitsverträgen der ehemaligen Mitarbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg auch künftig gesichert werden. Weitgehend einig war man sich darin, den erst kürzlich im öffentlichen Dienst erzielte Tarifabschluß im Prinzip zu übernehmen sowie einen Beschäftigungspakt abzuschließen. Letzterer sollte betriebsbedingte und Änderungskündigungen bis 2012 ausschließen.
Doch die Rechnung hatte die Geschäftsführung von p&w ganz offenbar ohne die neuen Eigentümer von der Berliner Vitanas und der EAF-Holding GmbH gemacht. Sie teilen sich das Unternehmen zu jeweils gleichen Teilen und wiesen die Geschäftführung vergangene Woche an, auf der Basis erheblich geringerer Lohnvorgaben neu zu verhandeln. Auch von einem Beschäftigungspakt war nun nicht mehr die Rede.
Sich auf neue, möglicherweise monatelange Verhandlungen einzulassen, sei aber für ver.di unannehmbar, erklärte am Wochenende Verhandlungsführerin Angelika Detsch. Energisch verwahrte sich die Gewerkschaftssekretärin dagegen, zum Ausgangspunkt der bereits monatelang geführten Verhandlungen zurückzukehren. Statt dessen erklärte die ver.di-Verhandlungskommission, Warnstreiks seien »ab sofort« möglich.
Anfang der Woche goß EAF-Boß Andreas Francke noch mal Öl ins Feuer, indem er seinen Mitarbeitern mitteilen ließ, wer nicht zu den neuen Bedingungen bei p&w arbeiten wolle, könne das Unternehmen auch gern verlassen. Er selbst habe jedenfalls gute Kontakte zwecks Vermittlung einer Rückkehr zur Stadt, so Francke, hieß es aus Betriebsratskreisen. Zynisch habe er zudem hervorgehoben, daß dann möglicherweise auftretende Lücken, schnell durch neues Personal geschlossen werden könnten.
Ein Rückkehrrecht zur Stadt haben bei p&w etwa 650 der rund 1350 Beschäftigten. Doch würden so viele tatsächlich das Unternehmen verlassen und zur Stadt zurückkehren, wäre der Betrieb zahlreicher Pflegeheime gefährdet. Bisher ging man deshalb davon aus, daß auch die neuen Eigentümer ein Interesse daran haben, möglichst viele Mitarbeiter zu halten. Die Äußerungen von Francke seien ein Zeichen »der Nichtachtung und der Geringschätzung« gegenüber den Mitarbeitern, erklärte Detsch am Montag. Schon in dieser Woche werde es erste Arbeitskampfaktionen geben.
Verwendung: Junge Welt vom 11. Juni 2008
Permalink zu diesem Artikel, Kommentare lesen oder schreiben: hier
Eintrag versenden: hier