KZ-Gedenkstätte Neuengamme stellt Berufssoldaten als Museumspädagogen ein
In der Hamburger Gedenkstätte KZ Neuengamme ist ein heftiger Streit entbrannt. Mitarbeiter aus dem museumspädagogischen Dienst – sie betreuen die Besucher beklagen die Entlassung eines Kollegen. Sie sprechen von einem »Maulkorb für einen kritischen Mitarbeiter«, gar einem »Berufsverbot«. Der Betroffene hatte sich geweigert, weiter Soldaten über das Gelände zu führen. Er begründete dies damit, daß die Gedenkstättenleitung zuvor einen Berufssoldaten der Bundeswehrhochschule nebenberuflich als Museumspädagogen unter Vertrag genommen hatte, eine Diskussion darüber – und über das Verhältnis der Gedenkstätte zur Bundeswehr – aber sowohl mit den Museumspädagogen, als auch mit den Verbänden der ehemaligen KZ-Häftlinge verweigert habe. Daraufhin teilte ihm die Leitung mit, künftig auf seine Mitarbeit »verzichten« zu wollen. Auch der Forderung, mit Vertretern der Häftlingsverbände über die Frage einer Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zu diskutieren, erteilte die Gedenkstättenleitung eine Absage. Die Fronten sind verhärtet. Trotzdem soll heute ein erstes Krisengespräch zwischen den Museumspädagogen und der Gedenkstättenleitung stattfinden.
Von »Machtmißbrauch« sprach Fritz Bringmann, langjähriger Präsident, jetzt Ehrenpräsident der internationalen Gefangenenorganisation »Amicale Internationale KZ Neuengamme«. Er erinnerte vor Journalisten daran, daß die Losung der 1945 befreiten Häftlinge nicht nur »Nie wieder Faschismus«, sondern auch »Nie wieder Krieg« gelautet habe. Bringmann forderte die Wiedereinstellung des geschaßten Pädagogen. Außerdem müsse »endlich mit dem Team der Gedenkstättenpädagogen und mit den Überlebendenverbänden über die Bedingungen einer Zusammenarbeit mit der Bundeswehr« geredet werden. Bringmann erinnerte an einen Vorfall aus dem Februar 2004. Damals hatte die Bundeswehr im ehemaligen Konzentrationslager – also dort, wo zwischen 1938 und 1945 über 50000 Häftlinge von den Nazis ermordet wurden – eine »psychologische Vorbereitungsveranstaltung« für geplante Auslandseinsätze durchgeführt unter dem Motto »Leben mit dem Massengrab«. Der ehemalige Häftling erinnert sich daran nur mit Grausen. Er forderte, daß KZ-Gedenkstätten nicht von der Bundeswehr instrumentalisiert werden dürfen.
Die damalige Veranstaltung sei »unglücklich« verlaufen, räumt inzwischen auch Gedenkstätten-Vizedirektor Wolfgang Stiller ein. Doch daß die Museumspädagogen deshalb nun meinen, sie könnten der Gedenkstättenleitung »vorschreiben«, wen sie einzustellen habe, das gehe nicht, so Stiller im Gespräch mit jW. Auch mit den Häftlingsverbänden werde er darüber nicht reden. Grundsätzlich sei es ihm egal, ob ein Museumspädagoge »Tischler, Schreiner, Speditionskaufmann oder eben Berufssoldat« sei. Zwar gebe es bis heute vielfältige Traditionslinien zwischen der Bundeswehr und der alten faschistischen Wehrmacht, räumte er gegenüber jW ein. Doch dieses Mißtrauen dürfe auf einzelne Soldaten nicht übertragen werden.
»Bestürzend« sei dies, so reagierte indes die »Arbeitsgemeinschaft Neuengamme« auf solche Positionen. Den deutschen Zweig der Häftlingsverbände repräsentierend, pocht die Gemeinschaft darauf, daß auch die Bundeswehr nichts anderes als ein Machtinstrument zur Durchsetzung von Zielen mit »kriegerischen Mitteln« wäre. Solche Zielsetzungen seien aber mit dem Wesen einer KZ-Gedenkstätte nicht vereinbar. In einer Erklärung fordert die Arbeitsgemeinschaft deshalb nun eine Diskussion zu den »Leitbildern« der Gedenkstätte. Nur wenn diese fruchtbar verlaufe, könne das »bislang positive Verhältnis« zwischen der Arbeitsgemeinschaft und der Gedenkstätte erhalten bleiben.
Anmerkung: In der Veröffentlichung für die Tageszeitung junge Welt (dort veröffentlicht unter dem Pseudonym Niels Stecker) wurden einige Teile dieses Artikels leider gekürzt. Zur besseren Übersicht sind die dort weggefallenen Passagen deshalb hier kursiv gekennzeichnet.
Verwendung zum Teil in: Junge Welt vom 11. Juni 2008
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