Nach Debakel bei Kommunalwahl lecken CDU und SPD weiter ihre Wunden. Stärkere Abgrenzung vom Koalitionspartner soll Landtagswahl 2010 retten
Eine Woche nach den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein stehen Spitzenpolitiker von CDU und SPD gehörig unter Druck. Das Land wird derzeit von einer großen Koalition unter Führung der Christdemokraten regiert. Bei der Wahl am 25. Mai hatten beide Parteien dramatische Verluste hinnehmen müssen.
Besonders angeschlagen ist Exinnenminister und SPD-Landeschef Ralf Stegner. Ihm wird von seinen Genossen eine entscheidende Verantwortung für das mit 26,6 Prozent schlechteste Kommunalwahlergebnis seiner Partei seit 1946 zur Last gelegt. Doch auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat Probleme, der Basis seiner Partei zu erklären, wie die Verluste von 12,2 Prozent bis zu den Landtagswahlen 2010 wieder wettgemacht werden könnten.
Um sich vom Koalitionspartner abzugrenzen, hatte Stegner im Kommunalwahlkampf auf soziale Themen wie den Mindestlohn gesetzt. In Städten und Gemeinden gehe es aber nicht um solche Fragen, sondern um Müllgebühren, Spielplätze, Straßenbau und Busfahrpläne, argumentieren jetzt Kommunalpolitiker seiner Partei. Sie fühlen sich offenbar um die Früchte ihrer Arbeit gebracht. Stegner wird vorgeworfen, mit seiner Strategie der Linken eine Steilvorlage geboten zu haben.
Der Landeschef dagegen meinte, die SPD hätte noch schlechter abgeschnitten, wenn er solche Themen nicht aufgegriffen hätte. Alles werde er jetzt dafür tun, daß sich der Linkspartei-Erfolg bei den Landtagswahlen 2010 nicht wiederholt. Die SPD müsse »unterscheidbarer« von der CDU werden. Wie das funktioniert, solle auf einer Parteikonferenz im Juni geklärt werden.
Ähnlich hilflos zeigt sich Carstensen. Auf einer Kreisvorsitzenden-Beratung der CDU kündigte er an, eine Arbeitsgruppe einzuberufen, die Ideen dafür sammeln soll, wie seine Partei in der Schul- und Bildungspolitik mehr Profil und Distanz zum kleineren Koalitionspartner zeigen könne. Dem liegt wohl die Annahme zugrunde, daß etliche CDU-Stammwähler am Sonntag einfach zu Hause geblieben sind.
Abgrenzung scheint auch bei den kleineren Parteien das Zauberwort zur Erklärung der Wahlergebnisse zu sein. Am Donnerstag titelte etwa die im südlichen Dänemark erscheinende Wochenzeitung Der Nordschleswiger mit einer Story darüber, wie es der Landtagsabgeordneten des Südschleswigschen Wählerbunds (SSW), Anke Spoorendonk, in ihrer Heimatgemeinde Harrislee gelang, in einzelnen Stimmbezirken »Traumergebnisse« von bis zu 80 Prozent herauszuholen. Dies zeige, daß die auf Distanz zu den etablierten Parteien beruhende Politik der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein von den Wählern honoriert werde. In Flensburg sei es anders gekommen, weil der dortige SSW zu eng mit dem Establishment verbunden sei.
Katerstimmung herrscht auch bei der NPD. Ihr Spitzenkandidat für Nordfriesland, Kevin Stein, sieht im Ergebnis seiner Partei eine »vollständige und enttäuschende« Niederlage. Die Neonazis waren im Landesdurchschnitt lediglich auf 0,4 Prozent gekommen.
Daß es ihnen überhaupt gelang, Mandate in Lauenburg und Kiel zu holen, hält Linkspartei-Landessprecher Lorenz Gösta Beutin für den »traurigsten Punkt« in seiner Wahlanalyse. Das antifaschistische Profil der Linken müsse gestärkt werden. Wirksam sei dies aber nur, wenn auch die sozialpolitische Glaubwürdigkeit erhalten bleibe. Mutmaßungen über ein »rot-rot-grünes« Bündnis in Lübeck widersprach am Freitag im Gespräch mit junge Welt auch Ragnar Lüttke, Kreischef der dortigen Linken.
Verwendung: Junge Welt vom 31. Mai 2008
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