Schleswig-Holstein wählt am Sonntag neue Kommunalparlamente. Partei Die Linke hofft auf Lübeck, rechnet sich aber auch anderswo gute Chancen aus
Am kommenden Sonntag stehen in Schleswig-Holstein Kommunalwahlen an, bei denen in vielen Kommunen auch linke Kandidaten antreten. Mit einer Wahlveranstaltung stimmte sich Die Linke am Freitag abend in Kiel auf den Endspurt ein.
Spannend könnte es für die Partei vor allem in Lübeck werden. Erdrutschartige Verluste von 50 auf 32 Punkte haben Meinungsforschungsinstitute jedenfalls der bislang das Rathaus beherrschenden CDU schon vorausgesagt. Davon profitieren würde vor allem Die Linke, die mit neun Prozent erstmals in das Rathaus einzöge. Da gleichzeitig die SPD aus ihrem Tief von 2003 (32,4 Prozent) mit 34 Punkten kaum herauskäme und Die Grünen (plus 2,8) und die FDP (plus 0,8) leicht zulegen, wäre – abseits einer großen Koalition oder eines Bürgerblocks von CDU, FDP, Grünen und der mit vier Punkten gehandelten Wählerinitiative »Bürger für Lübeck« – eine »rot-rot-grüne« Mehrheit im Rathaus durchaus möglich.
Doch Berlin habe gezeigt, daß solche Bündnisse nur dazu führen »das eigene Gesicht zu verlieren«, warnte bei der Wahlveranstaltung die Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht ihre schleswig-holsteinischen Parteifreunde. Mit »konsequenter, linker Opposition« könne man mehr bewegen, rief sie vor 120 Zuhörern aus. Richtig in Stimmung kam ihr Publikum, als sie den Sozialdemokraten im Zusammenhang mit deren Forderung nach einem Mindestlohn »Heuchelei« vorwarf. »Wer hat denn die Hartz-IV-Gesetze auf den Weg gebracht, die heute Grundlage für die Dumpinglöhne sind«, fragte die Rednerin. »Nichts als Lügen« gingen von den etablierten Parteien aus, geißelte die EU-Parlamentarierin auch die »Sparzwanglüge« und die Politik der Privatisierungen. Letztere würden nur dazu dienen, daß dann »alles nach der Maxime des Maximalprofits« verlaufe.
Seine Partei werde sich auch in Kiel gegen Privatisierungen jeglicher Art zur Wehr setzen, versprach Florian Jansen, Listenplatz-Dritter der Linken zu den Kieler Stadtratswahlen. Er halte sieben Prozent für möglich. Dann, so der 30jährige Student im Gespräch mit jW, werde er im Stadtrat beantragen, daß »alle Ein-Euro-Jobs in reguläre Arbeitsplätze mit einem Mindestlohn von 8,44 Euro« umgewandelt würden und allen Kindern eine »kostenlose Kita-Betreuung« zur Verfügung stünde. »Wir wollen Sprachrohr für diejenigen sein, die sonst nicht mehr zu Wort kommen«, ergänzte Linke-Landessprecher Lorenz Gösta Beutin gegenüber jW. 350 Kandidaten habe seine Partei flächendeckend aufgestellt. Für alle Kreistage, auch für etliche Gemeindevertretungen.
Linke-Parteichef Lothar Bisky präsentierte sich unterdessen zur gleichen Zeit auf Helgoland. »Hartz IV muß weg« das sei besonders wichtig für diesen Ort, in dem viele Menschen nur von Saisonarbeitsplätzen lebten. Sieben Kandidaten vom Wetterdiensttechniker bis zur Raumpflegerin hat Die Linke auf der Hochseeinsel für den Gemeinderat aufgestellt. Im Wahlkampf sei deren Resonanz ausgesprochen positiv, berichtet Beutin.
Schwieriger hat es Die Linke allerdings in Dithmarschen, Nordfriesland, in Schleswig und Flensburg. Nördlich des Nord-Ostsee-Kanals beginnt nämlich das Stammland des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW). Und der greift viele Punkte schon auf, die durchaus auf Linie der Linkspartei liegen. Im Landtag sind es die SSW-Abgeordneten Anke Spoorendonk und Lars Hansen, die der auf Sozialkahlschlag basierenden Politik der CDU-SPD-Koalition widersprechen. Auch die »Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge« lehnt die Interessenvertretung der dänischen und friesischen Minderheit grundsätzlich ab.
In den Kommunalparlamenten werde der SSW deshalb zu den Bündnispartnern der Linken gehören, meint Beutin. Er ist sich zugleich sicher, daß es Die Linke auch im Norden des Landes schafft, in Stadt- und Gemeinderäte einzuziehen. Die Chancen dafür stünden um so besser, weil das Bundesverfassungsgericht im Februar die Fünf-Prozent-Hürde gekippt habe.
Das allerdings könnte auch der NPD zugute kommen. Unter dem Motto »Deutsche Sozialleistungen nur für Deutsche« versuchen 102-Nazi-Kandidaten darunter etliche aus den »Freien Kameradschaften« in Nordfriesland, Lauenburg, Ostholstein und in Kiel zu punkten. Antifaschistische Bündnisse stehen dem entgegen; sie verweisen darauf, dass etliche rechte Kandidaten schon wegen Volksverhetzung oder Körperverletzung verurteilt worden sind. Unter der Losung »Keine Stimme den Nazis« rufen sie für Samstag zu einer Demonstration quer durch Kiel auf.
[Anmerkung: Für die Veröffentlichung in der Tageszeitung „Junge Welt“ mussten einige Passagen aus Platzgründen gekürzt werden. Sie sind hier kursiv gesetzt.]
Verwendung (leicht gekürzt) in: Junge Welt vom 19. Mai 2008
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