In Hamburg hat sich der DGB vor der Mai-Demo von den Neofaschisten übertölpeln lassen. Ein Gespräch mit Rolf Becker
Der Schauspieler Rolf Becker ist Mitglied des Ortsvereinsvorstandes im Fachbereich Medien von ver.di Hamburg
Man rechnet damit, daß am 1.Mai etwa 1000 Neofaschisten durch den Hamburger Stadtteil Barmbek marschieren. Die dort vorgesehene Mai-Kundgebung hat der DGB daher nach St. Pauli verlegt. Das ist von Ihnen und weiteren Gewerkschaftern kritisiert worden. Warum?
Wenn die Rechtsextremisten am 1. Mai aufmarschieren, knüpfen sie an das Konzept ihrer faschistischen Vordenker von 1933 an: Gewerkschaftliche Themen besetzen und gewerkschaftliche Passivität nutzen, um Mitglieder zu vereinnahmen und Massenanhang zu gewinnen. Einer solchen Entwicklung muß frühzeitig entgegengetreten werden. Wir kritisieren, daß die Gewerkschaftsmitglieder nicht sofort informiert und mobilisiert wurden, als bekannt wurde, daß am 1. Mai in Hamburg ein Aufmarsch der Neonazis bevorsteht.
DGB-Landeschef Erhard Pumm hat eingewandt, daß versammlungsrechtlich die Neonazis im Vorteil waren daß es also keine Alternative dazu gab, die Gewerkschaftsdemo zu verlegen.
Wir wollen das mal glauben. Es ändert aber nichts daran, daß die Mitglieder hätten informiert werden müssen. Dann wäre gründlicher beraten worden, wie wir uns gegen diese Provokation wehren. Nicht nur über die Gerichte, sondern vor allem politisch. Nicht die Verlegung der Abschlußkundgebung nach St. Pauli steht im Zentrum unserer Kritik, sondern der Umstand, wie unpolitisch und technisch mit dem Problem umgegangen wurde. Um die gewerkschaftliche Einheit zu wahren, hatten wir vorgeschlagen, neben der Kundgebung in St. Pauli noch eine zweite und ebenfalls vom DGB verantwortete durchzuführen, die an der Gedenktafel für die NS-Opfer am Gewerkschaftshaus beginnt und dann als Demonstration nach Barmbek führt. Leider wurde unser Vorschlag ignoriert.
Wieso ist jetzt die gewerkschaftliche Einheit geschwächt?
Weil es eine Aufsplitterung der Kräfte und eine breite Verunsicherung der Mitgliedschaft gibt. Die Gewerkschaftsjugend und weitere gewerkschaftliche Gremien mobilisieren im Bündnis mit zahlreichen Initiativen nach Barmbek. Die anderen gehen nach St. Pauli. Ein gemeinsamer politischer Rahmen ist nicht erkennbar. Geschützt durch die Kraft unserer gewerkschaftlichen Organisation sind nur diejenigen, die nach St. Pauli gehen. Nicht aber die, die sich den Neonazis entgegenstellen. Von der Innenbehörde und den Springer-Medien wird diese Tatsache bereits genutzt, um das Bündnis von DGB-Jugend, gewerkschaftlich Aktiven und Antifa-Organisationen als Chaotenveranstaltung zu diffamieren. Damit läßt sich auch entsprechendes polizeiliches Vorgehen begründen.
Sehen Sie nicht die Gefahr, daß gewerkschaftliche Themen dadurch in den Hintergrund geraten?
Wir werden auf jeden Fall die gemeinsamen Anliegen zur Sprache bringen. Es geht uns um die Bewahrung gewerkschaftlicher Einheit. Antifaschismus muß Bestandteil jeglicher Politik der Gewerkschaften bleiben. Er sollte sich nicht auf Grundsatzerklärungen und Reden beschränken. Wenn wir da etwas aufweichen lassen, begehen wir die Fehler, die 1933 zum Untergang der Gewerkschaften führten.
Worin bestanden diese?
Die faschistische Bewegung wurde unterschätzt. Noch nach der Machtübernahme hoffte die ADGB-Führung, die Gewerkschaften durch Wohlverhalten retten zu können. Sie rief für den 1. Mai 1933 sogar zur Beteiligung an den Maifeiern der Naziregierung auf. Einen Tag später wurden die Gewerkschaftshäuser gestürmt, aktive Mitglieder verhaftet; später in die Konzentrationslager gesperrt, vielfach gefoltert und ermordet. Erhard Pumm hat daran erinnernd vor fünf Jahren eine Gedenktafel am Gewerkschaftshaus enthüllt. Für uns ist sie Mahnung und Verpflichtung zugleich.
Mit Blick auf mögliche Auseinandersetzungen warnt die Polizei vor einer Teilnahme in Barmbek. Wo werden Sie demonstrieren?
Natürlich in Barmbek. Schon aus Solidarität mit der Gewerkschaftsjugend und anderen gewerkschaftlichen Gremien. Ich werde mich dort auch am Mikrofon äußern. So wie die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano. Bei ähnlicher Gelegenheit wurde sie vor wenigen Jahren Ziel eines Wasserwerfers. Die Wiederholung eines solchen Vorfalls kann erschwert werden, wenn sich viele beteiligen.
Verwendung: Junge Welt vom 29. April 2008
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Wir müssen aus den Fehlern von 1933 lernen?
Ja täten wir das mal.
Aber war wohl nichts.
Mit einem Kapitalismus, der gesetzmäßig versagen muss.
Der DGB ist leider nur ein Instrument der Täter, die Arbeiter zu kontrollieren.
Leider.