Hamburg: Neonazis wollen am 1. Mai auf der Route des DGB marschieren. Der verlegt seine Abschlußkundgebung. Antifaschistisches Bündnis mobilisiert zum Protest
Die Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert das Verbot eines am 1.Mai im Arbeiterstadtteil Barmbek geplanten Neonaziaufmarsches. Das sei auch versammlungsrechtlich möglich, erklärte die Abgeordnete Christiane Schneider am Montag gegenüber junge Welt. Die Antwort des Senats auf zwei kleine Anfragen von ihr hatte ergeben, daß alle für die rechte Veranstaltung angekündigten Redner, darunter der Neonazi-Anwalt und NPD-Landeschef Jürgen Rieger, bereits wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt worden sind. »Volksverhetzung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Straftatbestand«, so Schneider. Es bestehe die Gefahr, daß die Würde von Naziverfolgten und von Flüchtlingen verletzt werde. Auch deshalb sei der CDU-Senat verpflichtet, den Aufmarsch zu unterbinden, so die Linkspartei-Politikerin. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom Januar 2008. Wer wegen Volksverhetzung bereits verurteilt worden sei, habe demnach kein Recht mehr, auf öffentlichen Versammlungen als Redner aufzutreten.
Für den Neonaziaufmarsch unter dem Motto »Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen« wird durch eine Vielzahl von Organisationen, wie etwa dem »Aktionsbüro Norddeutschland« oder dem neonazistischen »Störtebeker-Netzwerk« mobilisiert. Die Polizei geht deshalb von etwa 1 000 Teilnehmern aus. Die Veranstaltung ist eine bewußte Provokation gegen die Gewerkschaft, denn sie soll exakt dort stattfinden, wo deren Dachverband DGB seine Abschlußkundgebung nach der Maidemonstration durchführen wollte. Diese wurde vom DGB nun nach St. Pauli verlegt, was in Neonazikreisen als »kläglicher Rückzug« verhöhnt wird.
Zur antifaschistischen Gegendemonstration rufen indes das »Hamburger Bündnis gegen Rechts«, die Gewerkschaftsjugend, VVN, DKP und Linkspartei, aber auch etliche Einzelgewerkschafter auf. Unterstützt wird das Bündnis auch von 40 Initiativen, Gewerbetreibenden, Kultureinrichtungen und Kirchengemeinden aus Barmbek selbst. Gelänge es den Neonazis am Donnerstag mittag loszumarschieren, würden in allen umliegenden Kirchengemeinden die Sturmglocken läuten, gaben Aktive aus Barmbek bekannt. Im gesamten Viertel hängen Plakate mit durchgestrichenen Hakenkreuzen. Sie werben für ein antifaschistisches Stadtteilfest, das im Anschluß an die Demo stattfinden soll.
Ob es den Antifaschisten gelingen wird, in den Kern von Barmbek vorzustoßen, ist allerdings fraglich. Die Innenbehörde bestätigte am Montag, daß deren geplante Demoroute nicht akzeptiert werde. Vor allem die Fuhlsbüttler Straße das Herz von Barmbek ist tabu. Noch-Innensenator Udo Nagel (parteilos) will die Neonazigegner mit Auflagen und durch Tausende Beamte in eher randständige Bereiche abdrängen. Bündnissprecher Wolfram Siede kündigte am Montag gegenüber jW an, juristisch gegen die Einschränkung vorgehen zu wollen.
Raushalten aus dem Ganzen will sich der DGB. Dessen Lokalchef Erhard Pumm bestätigte am Montag auf einer Pressekonferenz, daß es ihm vor allem darum gehe, die gewerkschaftliche Mai-Kundgebung abzusichern. Diese nach St. Pauli zu verlegen, sei mit den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften abgestimmt. Als Flucht vor den Neonazis könne man das nicht bezeichnen, so Pumm. Die Rechten hätten ihre Veranstaltung zwei Wochen vor der des DGB angemeldet und deshalb versammlungsrechtlich die besseren Karten gehabt, so Pumm. Gleichzeitig verwies er darauf, daß es im Anschluß an die Mai-Kundgebung ein »Kulturfest gegen rechts« geben werde.
Hamburg: 1. Mai, 10 Uhr U/S-Bahn Barmbek: »Kein Platz für Nazis!«, Kundgebung und Demonstration
Verwendung: Junge Welt vom 29. April 2008
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