25. März 2008

Manfred BraaschKoalitionsverhandlungen in Hamburg: Umweltschützer fordern Grüne auf, hart zu bleiben. Ein Gespräch mit Manfred Braasch

Manfred Braasch ist Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Hamburg

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und CDU in Hamburg sollen die Knackpunkte Kohlekraftwerk Moorburg und Elbvertiefung zunächst in Arbeitsgruppen weiter diskutiert werden. Was erwarten die Umweltschutzverbände vom Ausgang dieser Verhandlungen?

Wir wollen, daß Lösungen gefunden werden, die auch aus umweltpolitischer Sicht akzeptabel sind. Nehmen Sie die Elbvertiefung, bei der es darum geht, daß auch sehr große Containerschiffe der nächsten Generation Zufahrtsmöglichkeiten zum Hamburger Hafen erhalten. Dafür müßten 40 Millionen Kubikmeter Sand abgebaggert werden, was aus ökologischer Sicht überhaupt nicht vertretbar ist. Wir habe deshalb ein norddeutsches Hafenkonzept vorgeschlagen, mit dem es möglich wäre, die Containerverkehre arbeitsteiliger zu bewältigen. Demzufolge könnten die sehr großen Containerschiffe ab 2010 in Wilhelmshaven entladen werden. Die Elbvertiefung wäre überflüssig, und allein der Hamburger Haushalt würde um etwa 100 Millionen Euro entlastet. Angesichts des Wachstums im Containerverkehr würden die Arbeitsplätze im Hafen nicht verlorengehen. Wir erhoffen uns, daß die Grünen bei dieser Verhandlungslinie bleiben.

Und bezüglich des Kohlekraftwerks?

Das Projekt des Energiekonzerns Vattenfall im Hamburger Stadtteil Moorburg wäre ein gigantischer Klimakiller. Das Kraftwerk ist weder mit dem Klimakonzept der Hansestadt noch mit den Klimazielen auf Bundesebene zu vereinbaren. Kohle ist als Brennstoff ein Energieträger, der bei der Verbrennung doppelt so viel Kohlendioxid freisetzt wie etwa ein modernes Gaskraftwerk.

Nicht nur Vattenfall-Vorstand Hans-Jürgen Cramer, sondern auch die Vorstände der Norddeutschen Affinerie und der Trimet AG sagen aber, daß ohne ein solches Grundlastkraftwerk die Energieversorgung nicht mehr sichergestellt und somit auch Arbeitsplätze gefährdet wären. Cramer betonte zudem, daß der Kraftwerksbau mit Hamburg bereits vertraglich vereinbart und deshalb genehmigungsrechtlich nicht mehr in Frage gestellt werden könne.

Das Argument der Versorgungslücke ist schlicht falsch. Bereits im November 2007 haben wir mit einer Studie nachweisen können, daß diese nicht auftritt, wenn es jetzt zu einem konsequenten Ausbau regenerativer Energiequellen, zur besseren Nutzung der Ressourcen sowie zum Bau eines hocheffizienten Gaskraftwerks kommt. Allerdings müssen die Weichen dafür bereits 2008 gestellt werden. Die Industrie verkennt, daß ein Kohlekraftwerk nicht nur mit den klimapolitischen Zielen, sondern auch mit den Vorgaben des europäischen Wasserrechts nicht vereinbar wäre. In Moorburg kommt hinzu, daß durch ein solches Kraftwerk auch die Elbe stark belastet würde, durch die Einleitung von erwärmtem Kühlwasser und toter Biomasse. Herr Cramer irrt sich, wenn er behauptet, durch die bereits erteilte Vorabgenehmigung für einzelne Bauabschnitte sei nach dem Bundesemissionsschutzgesetz eine Endgenehmigung nun nicht mehr notwendig. Denn aus einer solchen Vorabgenehmigung kann kein rechtlich-formaler Anspruch auf eine abschließende Genehmigung abgeleitet werden.

Es wird spekuliert, die Halbierung der Kraftwerksleistung könne eine denkbare Kompromißlinie sein.

Ein sinnvoller Kompromiß wäre das nicht, denn die Grundproblematik, daß Kohle kein vernünftiger Energieträger ist, bliebe erhalten. Eher könnte ich mir deshalb vorstellen, daß Vattenfall im Ergebnis der Koalitionsverhandlungen die Genehmigung für ein hochmodernes Gaskraftwerk an gleicher Stelle erhält. Das würde auch die wirtschaftlichen Interessen des Konzerns berücksichtigen.

Als Umweltschutzverband ist Ihre Organisation traditionell eng mit den Grünen verbunden. Wie setzen Sie diese unter Druck bzw. stärken ihnen den Rücken für die Verhandlungen mit der CDU?

Mit einer Onlinekampagne haben wir die Bürger bundesweit dazu aufgerufen, die Verhandlungsführerin der Grünen, Christa Goetsch, in einer Mail darum zu bitten, bei der Frage des Kraftwerks hart zu verhandeln. Binnen weniger Tage sind bereits 1500 Mails bei uns eingegangen, die wir Goetsch auch schon übergeben haben. Außerdem versuchen wir, die Grünen mit unserem Fachwissen und unseren Expertisen zu unterstützen.

Verwendung: Junge Welt vom 22. März 2008
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