Steht Hamburg vor einer schwarz-grünen Landesregierung? Seit heute berichten die Medien von dieser Sensation. Im Ergebnis eines Sondierungsgesprächs zwischen CDU und Grünen am Mittwoch im Hamburger Nobelhotel »Grand Elysée«. Hauptindiz, dass es so kommt, sei die Länge des Gesprächs. Denn wer sieben Stunden spricht, der müsse ja auch über die Einzelheiten eines Koalitionsvertrags schon gesprochen haben, wird gemutmaßt.
»Es waren sehr detaillierte Gespräche zu allen wichtigen Themen« und bei denen man »eine Reihe gemeinsamer Perspektiven«, wie aber auch »diverse unterschiedliche Auffassungen« feststellen konnte, so bewertete Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Mittwochabend vor Journalisten das Gespräch. In einer wahren Meisterleistung politischer Präzision fügte dem die grüne Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Christa Goetsch, nur noch hinzu, dass auch »Kompromissvarianten« an diesem »intensiven Tag« – man habe an dem Tag »die verschiedenen Politikfelder beleuchtet« – erörtert worden wären. Dann war Ende mit dem Pressegespräch. Inhaltliche Nachfragen waren nicht erlaubt.
Ein Schauspiel per Excelence und wie es insbesondere Ole von Beust seit Jahren pflegt. Sich nur nicht festlegen, bloß nicht zu viel sagen, den eigenen Anhängern aber zeigen, wie »hart, und zugleich fair«, der Bürgermeister kämpft, das war die Botschaft dieses Auftritts für Anhänger der Union. Dass er offen sei für neue und »kreative« Ideen, das sollte mit dem Auftritt den Grüne-Anhängern gesagt werden. »Kreative Stadt« hatten diese ihr Wahlprogramm überschrieben. Kreativ sollen sie nun sein! Vor allem im Umgang mit ihren eigenen Wahlversprechen: Stopp des neues Kohlekraftwerks in Moorburg, einem »Klimakiller«; Verhinderung der Fahrrinnenanpassung der Elbe, weil diese ökologisch nicht verantwortlich sei; Schluss mit der Bildungsselektion durch eine neue »Schule für alle«. Heute Abend soll eine Mitgliederversammlung der Grünen über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen entscheiden. Das »Modellprojekte« für ein neues Schulsystem auch schon was sind, »ökologische Ausgleichsprojekte« sowieso, ist dafür nun die Linie des grünen Landesvorstands.
Dass Beust auf schwarz-grün zielt, ist indes genauso wenig überraschend, wie der Kurswechsel bei den Grünen. Letztere hatten zwar im Wahlkampf immer wieder versprochen, dass sie diesen Bürgermeister, der Volksentscheide gleich mehrfach einfach aufhob, am liebsten aus dem Amt jagen würden, doch gleichzeitig hatte die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Krista Sager, schon Anfang Februar betont, dass es bei »Hessischen Verhältnissen« keinen »Automatismus für eine Großen Koalition« geben dürfe. Ein Bündnis mit der CDU schaffe auch auf Bundesebene neue Möglichkeiten, sagte Sager. Beust sah das ebenso. Schon Anfang Januar betonte er vor dem Wirtschaftsrat der CDU, dass dafür aber vier Bedingungen erfüllt sein müssten: die Garantie der Elbvertiefung und des Schuldenabbaus, die Wahrung der »inneren Sicherheit« und die Fortführung eines auf zwei Säulen basierenden Schulsystems, das die Gymnasien einschließt.
Knackpunkt für die Koalitionsverhandlungen bleibt demnach das Kohlekraftwerk. Bis 2012 soll es eine Leistung von 1640 Megawatt Strom und 650 Megawatt Fernwärme aufweisen. Damit wäre es das größte in Deutschland, würde jedes Jahr 8,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Hier kalkuliert die Union darauf, dass das Kraftwerk längst genehmigt ist und inzwischen sogar gebaut wird. Allenfalls könne es somit darum gehen, ob die Leistung des Werks, und damit sein Emissionswert, ein Stück weit reduziert werden. Sollten, wider Erwarten, grüne Basisforderungen darüber doch noch hinausgehen, sollten gar die Essentials des Bürgermeisters angegriffen werden, dann wäre freilich Schluss mit lustig, heißt es aus CDU-Kreisen. Denn eine große Koalition – ein Sondierungsgespräch dafür fand bereits am Dienstag statt – wäre ebenfalls möglich. »Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten« konnte SPD-Spitzenmann Michael Naumann dabei zwischen seiner Partei und der Union nicht mehr ausmachen. So aber hat die CDU die freie Wahl, wen sie sich nun als Juniorpartner aussucht.
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