05. März 2008

Detlev Beyer-PetersDie Stadt Recklinghausen profitierte kräftig vom rechtswidrigen Einsatz von Ein-Euro-Jobbern. Ein Gespräch mit Detlev Beyer-Peters

Detlev Beyer-Peters ist Kreistagsabgeordneter der Partei Die Linke in Recklinghausen und Mitglied der DKP

Über einen Revisionsbericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde jetzt aufgedeckt, daß die Vestische Arbeit (das ist die ARGE für den Kreis Recklinghausen) auch Ein-Euro-Jobber finanziert hat, die für Tätigkeiten eingesetzt wurden, die sie nach dem Kriterium der Zusätzlichkeit gar nicht hätten verrichten dürfen. Wie bewerten Sie das?

Wir bemängeln als Linke seit längerem, daß in der Stadt Recklinghausen übermäßig viele dieser sogenannten Jobs geschaffen wurden. Anfangs waren es 3500, jetzt sollen es nur noch etwa 2800 sein. Das allein verdeutlicht doch schon, daß es mit diesen Maßnahmen auch darum geht, reguläre und besser bezahlte Arbeit zu verdrängen. Denn viele dieser Jobber sind in normalen Dienstleistungseinrichtungen beschäftigt. Im BA-Bericht heißt es z. B. dazu, daß Ende 2006 272 Ein-Euro-Jobber allein in den 57 Altenheimen des Kreises Recklinghausen beschäftigt waren – und von diesen wiederum 156 in Recklinghausen. Davon allein 40 im städtischen Seniorenzentrum in Grullbad. Das aber zeigt, daß die Jobs vor allem so vergeben wurden, daß der Personalhaushalt der Stadt entlastet wurde. Und das Altenheim Grullbad bekam besonders viel ab. Kein Wunder, denn Ulrich Lammers, Geschäftsführer der Vestischen Arbeit, war zugleich Geschäftsführer dieses Altenheims.

Der Mann hatte zwei verschiedene Jobs?

Richtig. Denn einerseits war Lammers als ehemaliger Beamter des Sozialamtes nebenberuflich auch der Geschäftsführer des Altenheims. Andererseits wurde er 2004 auf Kreisebene Leiter der Hartz-IV-Behörde. Dort muß er wohl seine Hauptaufgabe darin gesehen haben, möglichst viele dieser Jobs an seinen anderen Arbeitgeber, die Stadt Recklinghausen, zu transferieren. Dabei muß man bedenken, daß die Träger solcher Jobs ja nicht nur kostenlos Arbeitskräfte erhalten, sondern obendrauf sogenannte Fallpauschalen oder Qualifizierungsgelder. Im Revisionsbericht der BA wird festgestellt, daß von diesen Qualifizierungsgeldern nur ein kleiner Teil auch tatsächlich für Qualifizierungsmaßnahmen verwandt wurde. Außerdem kam heraus, daß die Vestische Arbeit Kostenpauschalen auch für Teilnehmerplätze gezahlt haben soll, die gar nicht besetzt waren. Das heißt: hier wurde Geld einfach abgezockt.

Wer trägt die Verantwortung dafür?

Einerseits Herr Lammers. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft schon seit einiger Zeit. Doch die politische Verantwortung liegt bei der Stadt – und hier vor allem bei Bürgermeister Wolfgang Pantförder und dessen Sozialdezernent Georg Möllers (beide CDU). Beiden war lange bekannt, daß Lammers mit seiner doppelten Geschäftsführerfunktion zumindest einem Interessenkonflikt unterliegt. Wir fordern auch deren Rücktritt.

Welcher Schaden entstand für die ARGE?

Wir haben errechnet, daß sich allein das Altenheim Grullbad mit den Ein-Euro-Jobbern und dem anschließenden Personalabbau einen Wettbewerbsvorteil in Höhe von etwa 400.000 Euro verschafft hat. Das entspricht interessanterweise jenem Betrag, den das Altenheim für den Kauf seines Grundstücks von der Stadt Recklinghausen aufwenden mußte. Der Vestischen Arbeit dürfte dadurch ein Schaden von etwa 160.000 Euro entstanden sein.

Mußten die Erwerbslosen für die Arbeit im Seniorenzentrum Grullbad nicht besonders qualifiziert werden?

Sie wurden dort hauptsächlich für Hilfsarbeiten im hauswirtschaftlichen Bereich eingesetzt. Dafür ist lediglich eine Einarbeitung und keine besondere Qualifikation nötig. Inzwischen gibt es Hinweise, daß einige Jobber auch mit pflegerischen Tätigkeiten beschäftigt worden sein sollen.

Was hatten die Jobber von ihrer Arbeit?

Nur drei oder vier bekamen im Anschluß an ihre Arbeitsgelegenheit einen Minijob. Aber auch der war nur auf ein halbes Jahr begrenzt. Für mich zeigt dieses Herangehen, daß die Maßnahmen nur einen Zweck haben: Die Träger solcher Jobs sollen von der Arbeit der Erwerbslosen und den auf sie bezogenen Zuschüssen profitieren. Derartige Arbeitsgelegenheiten gehören deshalb abgeschafft und müssen durch reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt werden.

Verwendung: Junge Welt vom 05. März 2008
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