28. Februar 2008

HD WiechersSchleswig-Holstein: Warnstreiks in Kitas. AWO-Beschäftigte wollen 9,4 Prozent mehr Lohn. Ein Gespräch mit Hans Dieter Wiechers

Hans Dieter Wiechers ist Betriebsrat bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Unterelbe und Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission der Gewerkschaft ver.di für die AWO Schleswig-Holstein gGmbH

Für den heutigen Donnerstag hat die Gewerkschaft ver.di zahlreiche Beschäftigte aus den Kindertagesstätten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Schleswig-Holstein zu einem Warnstreik aufgerufen. Demnach soll die Arbeit ganztägig in jeweils einer Kita pro Landkreis niedergelegt werden. Worum geht es?

Da der alte Tarifvertrag für unseren Bereich schon im letzten Jahr ausgelaufen ist, wollen wir den Druck dafür erhöhen, daß es einen neuen und einheitlichen Tarifvertrag für alle 3500 AWO-Beschäftigten in Schleswig-Holstein gibt. Neben denen in Kindertagesstätten geht es um die Beschäftigten in etlichen Beratungsstellen, zahlreichen Pflege- und Jugendhilfeeinrichtungen, aber auch um die bei betreuten Wohngruppen sowie weiteren sozialen Dienstleistungsangeboten.

Was fordern Sie konkret?

Gehaltserhöhungen um 9,4 Prozent, eine Einmalzahlung für alle Beschäftigten von 500 Euro, einen jährlichen Sonderbonus für Gewerkschaftsmitglieder von 200 Euro, die Erhöhung des Urlaubsanspruchs auf generell 30 Werktage und ein Jahressondergeld, also Weihnachtsgeld, das künftig bei 90 und nicht, wie im letzten Tarifvertrag geregelt, nur bei 81 Prozent des monatlichen Bruttolohns liegt. Außerdem fordern wir die Übernahme des Manteltarifvertrags aus dem öffentlichen Dienst und die Aufgabe zeitlich befristeter Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund.

Warum fordern Sie 9,4 Prozent, während im öffentlichen Dienst nur acht Prozent gefordert werden?

Unsere Forderung von 9,4 Prozent orientiert sich an der Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten vom vergangenen Jahr. Die Politiker begründeten dies damit, daß sich die Diäten seit 2003 nicht mehr erhöht haben. Das aber gilt auch für die Löhne der AWO-Beschäftigten. Wir sagen, daß unsere Arbeit genausoviel wert ist wie die der Politiker. Die sind es ja auch, die letztlich darüber entscheiden, wieviel Geld in sozialen Einrichtungen oder in den Kindertagesstätten zur Verfügung steht.

Wie haben die AWO-Vertreter auf Ihre Forderungen reagiert?

In den bisherigen Verhandlungen sind sie darauf gar nicht eingegangen. Statt dessen verlangen sie, daß sich die wöchentliche Arbeitszeit von jetzt 38,5 auf 40 Stunden erhöht, daß sich unser Urlaubsanspruch und die Jahressonderzahlung reduzieren, daß die Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung drastisch gekürzt werden. Für uns ist das eine reine Provokation, denn zusammengerechnet würden sich damit unsere Löhne effektiv um etwa zehn Prozent reduzieren.

Bei Neubeschäftigten ist die Geschäftsführung bereits dazu übergegangen, die 40 Wochenstunden einzuführen und den Lohn um weitere zehn Prozent zu kürzen. Bei Bruttolöhnen von etwa 1200 Euro für Kita-Kollegen mit zeitlich befristetem Vertrag bzw. 1600 Euro für eine Festangestellte ist das für uns nicht hinnehmbar.

Die AWO-Geschäftsführung hat in den Verhandlungen eingewandt, daß bei Erfüllung der Gewerkschaftsforderungen für das Unternehmen Insolvenz angemeldet werden müßte.

Das ist eine reine Schutzbehauptung, denn gleichzeitig weigert sich die Geschäftsführung beharrlich, dem Betriebsrat konkrete Zahlen zur wirtschaftlichen Lage unseres Unternehmens vorzulegen. Wir sind ein Tendenzbetrieb, wird gesagt. Doch auch in einem Tendenzbetrieb könnte die Geschäftsführung einen Wirtschaftsausschuß einrichten und uns dort dann das Zahlenmaterial zur Verfügung stellen.

Warum fordern Sie einen Sonderbonus für Gewerkschaftsmitglieder?

Die Mitglieder der Gewerkschaft sind die tragende Kraft in jedem Tarifkampf. Nur sie sind an Arbeitsniederlegungen beteiligt, nur sie tragen durch ihre Beiträge die Kosten eines solchen Arbeitskampfes. Ein Sonderbonus in der von uns geforderten Höhe ist deshalb mehr als gerechtfertigt.

Wie ist die Stimmung unter Ihren Kollegen? Wie geht es nach dem heutigen Streiktag weiter?

Die Stimmung ist ausgezeichnet. Heute streiken wir ja nur in ausgewählten Kitas. Doch nun fragen uns etliche Kolleginnen und Kollegen auch aus anderen Kitas und von den weiteren Einrichtungen, warum sie nicht mitstreiken dürfen. Bleibt die Arbeitgeberseite in den Verhandlungen so stur wie bisher, dann werden wir ihrem Wunsch sicherlich schon bald nachkommen.

Verwendung: Junge Welt vom 28. Februar 2008
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