Trotz gegenteiliger Umfragen rechnet Niedersachsens Linkspartei mit Einzug in den Landtag. Ein Gespräch mit Manfred Sohn
* Manfred Sohn ist Vorstandsmitglied im niedersächsischen Landesverband der Partei Die Linke. Zur Landtagswahl am 27. Januar kandidiert er auf Platz zwei der Landesliste
Für die Landtagswahl am 27. Januar sehen Umfragen die schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) fest im Sattel, die Partei Die Linke hingegen bei nur bei vier Prozent. Bleibt in Niedersachsen alles beim alten?
Vier Prozent, das entspricht den Umfragewerten, die wir auch 2005 vor den Bundestagswahlen und dieses Jahr vor den Bremer Wahlen hatten. Tatsächlich wurden es jeweils über acht Prozent. Es spricht sich außerdem herum, daß es eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Landtag nur geben wird, wenn auch »Die Linke« ins Parlament einzieht. Ich bin mir deshalb sicher, daß wir die Fünf-Prozent-Hürde knacken werden.
Wie kommt es, daß Wulff auch unter Beschäftigten so beliebt ist?
Ich halte das für eine mediale Überbewertung. Wulff hat schon 2006 verdeutlicht, daß er die Lohnkosten senken will. Es ist offensichtlich, daß seine jetzt zur Schau gestellte Sympathie mit einigen Gewerkschaftsforderungen Wahlkampfgetöse ist und mit der Politik seiner Landesregierung nichts zu tun hat. Deutlich wird dies an den Landeskrankenhäusern, bei denen die CDU sich brüstet, europaweit eine der größten Privatisierungswellen eingeleitet zu haben. Deutlich wird es auch in der Bildungspolitik. Hier gab es ja schon zarte Ansätze in Richtung einer integrierten Gesamtschule. Die hat Wulffs Regierung rückgängig gemacht.
Mit welchem Profil tritt Ihre Partei an?
Mit drei Schwerpunkten: Die Armut wollen wir mit einem gesetzlichen Mindestlohn bekämpfen Niedersachsen könnte dafür eine Bundesratsinitiative entwickeln und das Landesvergabegesetz ändern. Öffentliche Aufträge sollen nur noch an Firmen vergeben werden, die mindestens acht Euro Stundenlohn zahlen. Wir fordern zweitens gebührenfreie Bildung für alle. Das zielt auf die Schulen, aber vor allem auf die Universitäten, wo wir Studiengebühren von 500 Euro pro Semester haben. Wir wollen drittens Privatisierungen stoppen und wo es geht wieder rückgängig machen. Für VW müssen die Anteile des Landes so weit aufgestockt werden, daß Sperrminoritäten erhalten bleiben.
Mit Ihrem Wahlprogramm schließen Sie nicht aus, einen SPD-Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu unterstützen. Das soll erst am 29. Januar auf einem »großen Ratschlag« geklärt werden. Warum treten Sie nicht als klare Opposition an?
Wir sind alle Realpolitiker und wissen deshalb, daß sich das geschilderte Problem nicht stellen wird. Auch die SPD betreibt eine neoliberale Politik, und die werden wir nicht unterstützen. Doch andererseits wollten wir es dem SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Jüttner auch nicht so einfach machen, überall sagen zu können, daß sich »Die Linke« vor der Verantwortung drückt. Wenn die SPD wirklich bereit wäre, zentrale Forderungen unseres Wahlprogramms aufzunehmen, würden wir nicht nein sagen. Das aber ist völlig unwahrscheinlich. Deshalb werden wir im Landtag eine starke, linke Opposition sein.
Warum dann dieser Ratschlag?
So einen Ratschlag haben wir auch schon bei der Ausarbeitung unseres Wahlprogramms durchgeführt. Es entspricht unserem Politikverständnis, daß wir wichtige Fragen mit Vertretern außerparlamentarischer Bewegungen, mit Gewerkschaftern und Betriebsräten, auch mit Erwerbslosenvertretern gemeinsam diskutieren.
Die niedersächsische Linkspartei hat 2700 Mitglieder. Wie wollen Sie bei der Größe des Landes einen wirkungsvollen Wahlkampf machen?
Mit 47000 Quadratkilometern ist Niedersachsen doppelt so groß wie Hessen. Diese Wahlen sind die bisher größte Herausforderung für unsere Partei im Westen. Wenn wir hier den Einzug ins Parlament schaffen, dann schaffen wir es überall. Ich bin auch deshalb optimistisch, weil wir im Wahlkampf von vielen Parteilosen und anderen Gruppen unterstützt werden.
Spiegelt sich das auf der Kandidatenliste wieder?
Ja, schon im vorderen Teil unserer Liste kandidieren Gewerkschafter, Betriebsräte, Vertreter aus Bewegungen. Darunter auf Platz 9 eine Vertreterin der DKP.
Verwendung: Junge Welt vom 17. Dezember 2007
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