01. Dezember 2007

Zu dem heute stattgefundenen Aktionstag gegen Kriegsverbrecher – vergleiche Aktionstag gegen Kriegsverbrecher und in Deutschland lebende Kriegsverbrecher gibt es erste Berichte aus verschiedenen Städten. Die nachfolgenden Berichte stammen aus Saarbrücken, Bremen, Hamburg, Hopfgarten (Tirol/Österreich), Eurasburg, Ottobrunn, Berlin, Greven, Nürnberg, Grafenwiesen, Duisburg, Freiberg und Wurzen. Sie wurden mir durch die Antifa-Initiativen zugestellt und werden hier unverändert dokumentiert:

Saarbrücken

Aktionstag_Kriegsverbrecher_SaarbrückenAm 1. Dezember fand in Saarbrücken im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages gegen NS-Kriegsverbrecher eine Kundgebung auf dem Rathausplatz statt. Rund 50 Menschen aus allen Altersspektren waren zusammengekommen um auf den in Saarbrücken lebenden und in Italien wegen des Massakers in der der Stadt Marzabotto verurteilten NS-Kriegsverbrecher Paul Albers aufmerksam zu machen. Bereits am Vormittag verteilten 25 AktivistInnen zahlreiche Flugblätter in der direkten Nachbarschaft von Paul Albers und sangen italienische Partisanenlieder wie „Bella ciao“ und „Bandiera rossa“ vor dessen Wohnhaus und es kam zu Gesprächen mit interessierten Nachbarn.

Die Kundgebung am Mittag wurde mit Musik und Redebeiträgen gestaltet. Dabei wurde die Aktion vom Vormittag erläutert und auf Paul Albers und seine Verbrechen eingegangen. Bei einem Teach-In durch die Antifa Saar / Projekt AK wurde auf die historische Rolle des Saarlandes vor, während und nach dem Nationalsozialismus eingegangen. So hieß es dort beispielsweise: „Mit politischen Entwicklungen verhält es sich all zu oft wie mit persönlichen Lebenswegen: Chancen, die einmal verpasst sind, bieten sich in der Ursprungsform nicht wieder. Eine historische Chance war die mögliche Abtrennung von Deutschland in den Jahren 1920-1935. Dies nötige Zeichen wäre eine politische Niederlage für Nazideutschland gewesen.

Von einem autonomen Saargebiet aus hätte der Kampf gegen Deutschland, so lang wie möglich, organisiert werden können, während das Territorium als Fluchtort oder Übergangslösung für jene hätte fungieren können, die von den Herrenmenschen gejagt wurden.
Diese Möglichkeiten mussten Utopie bleiben, weil es nicht genügend Menschen gab, die dieser Zielsetzung hätten nachkommen wollen. Die Menschen wollten anderes, sie wollten ein judenfreies Saargebiet im Deutschen Reich, von dem aus der totale Krieg geführt wurde“.

Im Verlauf des Aktionstages in Saarbrückenwurden 2000 Flugblätter verteilt und am Ende der einstündigen Kundgebung wurden an die TeilnehmerInnen noch Plakate der Initiative „Keine Ruhe“ verschenkt.
Im Regionalteil der Saarbrücker Zeitung gab es bereits am Aktionstag selbst einen längeren Bericht und auch bei der Kundgebung war wieder Presse vor Ort.

Bremen

Im Rahmen des Aktionstages „NS-Verbrecher zur Verantwortung ziehen“ fanden heute, am 1.12.2007, Aktionen in insgesamt 12 Städten in der BRD und Östereich statt.

Mildes_HausIn Bremen war diese Aktion eine Kundgebung im Steintorviertel. Etwa 100 Antifaschistinnen und Antifaschisten zogen vor das Haus des verurteilten NS-Kriegsverbrechers Max Josef Milde (Lübecker Strasse 9). Milde wurde im Oktober 2006 von einem Militärgericht im italienischen La Spezia wegen Beteiligung an der Ermordung von 59 Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt.

In Redebeiträgen, auf Flugblättern und Transparenten wurde der ehemalige Wehrmachtssoldat aufgefordert, Verantwortung für seine Taten zu übernehmen und sich den Fragen der Überlebenden des Massakers von Civitella und ihrer Angehörigen zu stellen.
Von der bundesdeutschen Justitz forderten die DemonstrantInnen, endlich ein Verfahren gegen Max Josef Milde zu eröffnen. Aber es wurde auch immer wieder darauf hingewiesen: Max Josef Milde ist kein Einzelfall. Noch immer leben hunderte von NS-Kriegsverbrechern mitten unter uns.

So hieß es in einem Redebeitrag:

Aktion_Gegen_Kriegsverbrecher_in_Bremen„Seit Jahrzehnten leben sie unbehelligt wie Max Milde – zumindest bis heute -, meist durch eine Rente gut versorgt, oft als angesehene Bürger oder doch zumindest als unauffällige, nette Opas – und Omas – von nebenan. Sie konnten sich verlassen auf den juristisch praktizierten Täterschutz. Vor allen Dingen aber konnten sie sich verlassen auf eine Gesellschaft, die von der NS-Vergangenheit nichts mehr wissen wollte und in der wenig oder keine Fragen gestellt wurden.“

Dieses Schweigen zu brechen und die Ruhe des verurteilten Kriegsverbreches zu stören, war Ziel der heutigen Aktion, in deren Rahmen 3 000 Flugblätter an die NachbarInnen und BewohnerInnen des Stadtteils verteilt wurden.

Greven / Nordrhein-Westfalen:

An zentral gelegener Stelle fand in Greven eine Kundgebung statt, die mit Hilfe von Transparenten („Die Mörder sind unter uns – NS-Täter bestrafen!“), Flugblättern und Lautsprecher einen „Erregungskorridor“ schuf, durch den die Fußgängerzone vetreten und verlassen werden musste. Eine Rednerin portraitierte den Grevener Kriegsverbrecher Heinrich Nordhorn und schilderte die Verbrechen, für die er in Italien verurteilt worden war. Die Reaktionen der GrevenerInnen waren zu etwa 70% positiv: „Gut, dass das endlich mal offen ausgesprochen wird“ und: „Gut, dass ihr hier seid“ waren häufig zu hören. Passanten blieben stehen und nahmen sich Zeit, der Rednerin zuzuhören. Seltener hieß es: „Nee danke, das war vor mir“ und nur ein Mann vergaß, dass Westfalen im Allgemeinen eher wortkarg sind und schimpfte: „Ihr seid doch irre!“ Es zeigte sich, dass es in Greven allgemein bekannt ist, dass Nordhorn ein verurteilter Kriegsverbrecher ist. Manche fragten, warum das Gerichtsverfahren erst jetzt stattgefunden habe.
Nach der Kundgebung fand ein spontaner Besuch bei Nordhorn zu Hause statt. Die Nachbarschaft wurde per Flugblatt informiert und Nordhorn musste sich Partisanenlieder anhören. Eine Nachbarin wunderte sich, dass die Scheiben des Hauses, in dem der als rabiat geltende 88-Jährige alleine wohnt, nicht schon mal eingeworfen worden seien. Abschließend wurden Flugblätter an die MieterInnen seiner Häuser in der Grevener Sachsen- und Frankenstraße verteilt. Insgesamt war der zweistündige Besuch in Greven ein voller Erfolg.

Berlin

Auch in Berlin haben sich um 9.00 früh ca. 30-40 Leute an der Ecke Bernauer Str./ Rheinsberger Str. getroffen. Mit Transparenten wie „Das Schweigen durchbrechen – NS-Täter zur Verantwortung ziehen“ zogen sie auf der Straße zur Rheinsberger Str. 22, wo Max Schneider, einer der in La Spezia verurteilten ehemaligen SS-Angehörigen, wohnt.

Offensichtlich war Max Schneider bereits die Tage zuvor als Kriegsverbrecher geoutet worden. Denn in der Nähe hingen Plakate, auf denen die Geschichte des Massakers in Marzabotto und die Täterschaft von Schneider thematisiert wurden.

Direkt vor seinem Haus wurden in mehreren Redebeiträgen die Nachbarinnen und Nachbarn Schneiders über den historischen Hintergrund des Massakers, des Verfahrens in Italien und über die Verurteilung Schneiders informiert. Auch angesprochen wurde sein Verhalten und seine Position zu den Vorwürfen. Nach mehreren Versuchen von Journalisten, von ihm eine Stellungnahme zu erhalten, bedauerte Schneider lediglich in einer offiziellen Pressemitteilung seines Anwalts, dass er als Einheit die 16. Panzergrenadier-Division gewählt hatte. Eine Tatbeteiligung stritt er ab. Darüber hinaus zeigt er keine Reue noch findet er Worte des Bedauerns gegenüber den Opfern und Angehörigen.
Das frühe Erscheinen im strömenden Regen wurde honoriert. Herr und Frau Schneider griffen zum Telefonhörer, um sich bei der Polizei wg. Bedrohung zu beschweren und Anzeige zu erstatten. Schauen wir mal, wo man sich so wieder trifft.

Hopfgarten / Tirol (Österreich)

Unter dem Motto „Keine Ruhe den NS-Kriegsverbrechern“ fand am Samstag (den 01.12.07) in der Tiroler Gemeinde Hopfgarten ein antifaschistischer Aktionstag statt. Hopfgarten wählte das Dutzend demonstrierender AntifaschistInnen aus Österreich und Deutschland deshalb, da hier Hubert Bichler, ein in Italien zu lebenslanger Haft verurteilter Kriegsverbrecher bisher ungestört seinen Lebensabend verbringt. Der am 01.12.1920 geborene Bichler war als Kommandant zweier Züge maßgeblich an dem Massaker von Marzabotto beteiligt. Deshalb wurde er (und neun weitere deutsche Soldaten) am 13. Januar 2007 vom Militärtribunal in La Spezia zu lebenslänglicher Haft (1 Jahr davon tagsüber in Isolationshaft) wegen mehrfachen Mordes an ZivilistInnen verurteilt.

Aktion_gegen_Kriegsverbrecher_in_Hopfgarten_TirolDas Massaker, welches Bichler mit den SS-Einheiten zwischen dem 29. September und 1. Oktober 1944 an der Zivilbevölkerung der norditalienischen Gemeinde Marzabotto anrichtete, gehört nach Informationen der DemonstrantInnen, zu den schlimmsten und brutalsten Kriegsverbrechen der Nazis während des Zweiten Weltkriegs. In dem in Hopfgarten verteilten Flugblatt heißt es dazu: „800 Menschen, hauptsächlich Frauen, Kinder und ältere Männer, wurden allein in Marzabotto niedergemetzelt und ermordet. Weitere 1.000 in umliegenden Orten, die zur Gemeinde Marzabotto gehören. Unter den Opfern waren etwa zweihundert Kinder, manche erst wenige Tage alt. Die SS-Männer drangen in Wohnhäuser, Höfe, Schulen und Kirchen ein, erschossen ihre Opfer mit Maschinengewehren, warfen Handgranaten in Häuser und zündeten Gebäude und Kirchen an. Selbst auf Leichenberge wurde noch geschossen. Die wenigen Überlebenden entkamen nur deshalb dem Tod, weil sie von den Leichen ihrer Angehörigen und Nachbarn verdeckt waren oder sich verstecken konnten.“

Michael Kurz, ein Sprecher der DemonstrantInnen in Hopfgarten forderte: „Die NS-Kriegsverbrecher müssen zur Verantwortung gezogen werden. Für die Täter darf es kein ruhiges Hinterland geben, weder in Hopfgarten noch anderswo“. Die Aktion in Hopfgarten wird von den AktivistInnenen als großer Erfolg gewertet. Am zentralen Marktplatz der 5000 EinwohnerInnen war eine „Mahnwache“ mit Infostand. Auch vor Supermärkten wurden Flyer verteilt. Innerhalb von 2 Stunden waren hunderte Flyer weg. Es gab zahlreiche gute Gespräche mit PassantInnen und bis auf eine Person keine feindseligen Bemerkungen). An die direkte Nachbarschaft von Hubert Bichler wurden extra noch „offene Briefe“ verteilt. Die Aktion wird in den nächsten Tagen Ortsgespräch Nummer 1 sein.

Der Aktionstag „Keine Ruhe den NS-Kriegsverbrechern“ fand neben Hopfgarten noch in neun weiteren Städten (u.a. Nürnberg, Berlin etc.), in welchen verurteilte NS-Kriegsverbrecher leben, statt.

Hamburg

Aktionstag_Kriegsverbrecher_Hamburg_1In Hamburg zogen etwa 40 bis 50 Teilnehmer nach einer Kundgebung auf einer Einkaufsstraße in die Lerchenstraße Nummer 9, wo der Kriegsverbrecher Gerhard Sommer in einer noblen Altersresidenz wohnt. Mit Reden, Flugblättern und durch Gespräche wurden Passanten und die Nachbarn des Herrn Sommer über seine Kriegsverbrechen aufgeklärt. Dort im Stadtteil Volksdorf ist die Sache inzwischen recht bekannt, denn es war schon die dritte Aktion dieser Art. Wie immer war Sommer selbst zu eigenen Stellungnahmen nicht bereit.

Nürnberg

Aktionstag gegen NS-Kriegsverbrecher in Nürnberg

Am Samstag 1. Dezember fand der bundesweite Aktionstag gegen NS-Kriegsverbrecher statt. Der Verein limovobi e. V. hatte im Vorfeld beschlossen, keine Kundgebung vor dem Haus von Adolf Schneider abzuhalten, sondern einen Infostand in der Nürnberger Fußgängerzone (neben dem Vertriebenendenkmal) zu organisieren.
Es gab eine Ausstellung mit Tafeln über das Urteil zu Marzabotto, den damaligen Ereignissen sowie einer Zeitzeugenschilderung des Überlebenden Francesco Pirini (alles auch nachzulesen auf unserer Homepage www.resistenza.de). Außerdem hatten wir einen Redebeitrag zum Aktionstag vorbereitet und eine Lesung der Zeitzeugenschilderung, die mehrmals über Lautsprecher vorgetragen wurden. Zusätzlich wurden hunderte Flugblätter und unsere kostenlose Broschüre „la resistenza – Beiträge zu Faschismus, deutscher Besatzung und dem Widerstand in Italien“ verteilt. (Die Broschüre ist ebenfalls kostenlos über unsere Homepage zu bestellen.)

Trotz des wirklich besch… Wetters und des Weihnachtskonsumterrors war das Interesse der PassantInnen besser als erwartet. Etliche PassantInnen nahmen sich die Zeit, die Ausstellungstafeln anzuschauen oder blieben während der Redebeiträge stehen. Was natürlich nicht ausblieb, waren sehr freimütig vorgetragene Kommentare und Diskussionsbeiträge von PassantInnen, die von „Auch wir waren Opfer“(Dresden) bis zu „kann damit endlich mal Schluss sein“ und „Ihr spinnt doch“ reichten. Aber es gab auch viele positive Resonanzen, die von „weiter so“ über „viel zu wenig bekannt“ bis zu „wichtig, dass das endlich mal jemand öffentlich thematisiert“ reichten.

Es waren im Laufe des Nachmittags alle drei großen Nürnberger Zeitungen da, die auch bekundeten, etwas zum Thema bringen zu wollen.

Einige italienische und US-amerikanische PassantInnen (der Christkindlsmarkt in Nürnberg ist eine bekannte Touristenattraktion) drückten zum Teil ihre Verwunderung, aber auch ihre Sympathie darüber aus, dass wir dieses Thema in Deutschland an die Öffentlichkeit bringen. Nachdem eine Passantin per Handy ihrer Familie in Italien über den Infostand berichtet hatte, erreichten uns sogar solidarische Grüße aus dem entfernten Genua.

Mehr Infos zum Thema gibt’s unter www.resistenza.de

Eurasburg

Eine kleine Abordnung bayerischer und baden-württembergischer Antifas machte sich am Vormittag mit Bahn, S-Bahn und Regionalbus auf den weiten Weg ins südlich von Wolfratshausen gelegene Eurasburg. Dort wohnt im noblen Schloss Eurasburg der heute 85jährige ehemalige SS-Unterscharführer Maximilian (Max) Roithmeier (ehemals Zugführer in der 16. SS-Panzerdivision „Reichsführer SS“).

Wegen seiner Beteiligung an den nationalsozialistischen Massakern im
italienischen Marzabotto 1944 wurde er am 13. Januar 2007 vom Militärgericht in la Spezia zu lebenslanger Haft verurteilt, das Urteil ist Ende November 2007 rechtskräftig geworden. Das Gericht befand ihn und neun weiter Angeklagte für schuldig, in Marzabotto und den umliegenden Ortschaften mehr als 800 Menschen getötet zu haben. Max Roithmeier und die anderen Verurteilten wurden außerdem verpflichtet, Entschädigungen von über 10 Mio. Euro an die Überlebenden und
Familienangehörigen der Opfer zu zahlen. Die BRD weigert sich jedoch bisher beharrlich, Max Roithmeier an Italien auszuliefern oder ihn hier in Deutschland zu inhaftieren. Und sie weigert sich auch, Entschädigungen zu zahlen oder die Entschädigungsforderungen aus dem Urteil einzutreiben.

Welche Sorgen sich die Behörden dagegen um das Wohlergehen des wegen 800fachen Mordes verurteilten Kriegsverbrechers machen, zeigt auch der heutige antifaschistische Aktionstag. Die angemeldete Kundgebung auf dem Schlossberg wurde vom Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen am Freitag kurzfristig zwangsverlegt. Zitat LRA Bad Tölz-Wolfratshausen: „Denn dadurch würde im geschützten Bereich ein erheblicher psychischer Druck auf Herrn Roithmeier und seine Angehörigen ausgeübt“. Die Antifas wichen an den Ortseingang aus und konnten, mit dem großen Transparent „Kein Vergeben – kein Vergessen!“ und Flugblättern zu Max Roithmeier doch einige AutofahrerInnen und AnwohnerInnen erreichen. Jugendliche fragten wegen Roithmeier-Materialien an, die sie im Geschichtsunterricht verwenden wollen.

Im Auflagenbescheid war die Megaphonnutzung untersagt worden („…nicht durch die Versammlungsfreiheit gedeckt“). Mehrere PolizistInnen in Uniform und zivil mussten also schon genau hinhören, ob im trotzdem gehaltenen, ausführlichen Redebeitrag zu Max Roithmeier auch ja kein Hinweis auf dessen Adresse enthalten ist – diese zu nennen oder das Gebäudeensemble anzudeuten, war ebenfalls im Auflagenbescheid verboten worden. Thematisiert wurde statt dessen das Massaker von Marzabotto, die Erlebnisse der Überlebenden und Angehörigen, die Rolle von Max Roithmeier, der Verlauf des Prozesses in La Spezia, das Urteil und das
Nichtagieren der hiesigen Behörden. Die Aktivisten untermalten ihre Aktion mit italienischen Partisanenliedern aus dem tragbaren CD-Player und fuhren nach ca. einer Stunde wieder von dannen, denn es stand ja noch die Aktion in Ottobrunn auf dem Programm.

Ottobrunn

Viele Jugendliche aus Ottobrunn und Umgebung folgten hier einem Aufruf der Antifa Jugend München (ajm) und versammelten sich ab 14.00 Uhr mit AntifaschistInnen aus München auf dem Bahnhofsplatz Ottobrunn zu einer recht charmanten Antifa-Demo gegen die Straffreiheit von NS-Kriegsverbrechern. Die ca. 80 DemonstrantInnen liefen in guter Stimmung durch die südöstlich von München gelegene Kleinstadt und thematisierten dabei die ganze Zeit den hier wohnenden Kriegsverbrecher Josef Scheungraber. Dieser ist für die grausame Ermordung von mindestens 13 Menschen im Juni 1944 im toskanischen Dorf Falzano bei Arazzo verantwortlich. Er und der damalige Wehrmachtsmajor Herbert Stommel hatten als „Vergeltung“ für Partisanenangriffe 15 Zivilisten in ein Haus
gesperrt und dieses anschließend gesprengt. Josef Scheungraber wurde deshalb 2006 in La Spezia zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

In Ottobrunn ist Josef Scheungraber Mitglied der CSU, Ehrenmitglied der Feuerwehr und wurde dazu 2005 mit der Bürgermedaille ausgezeichnet. Regelmäßig nimmt Scheungraber mit anderen Kriegsverbrechern an den Veteranentreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald teil. Die Bundesregierung weigert sich, Josef Scheungraber nach Italien auszuliefern, und hierzulande droht Scheungraber offensichtlich auch keine Inhaftierung.

Mit einer Zwischenkundgebung am Denkmal für das ehemalige KZ-Außenlager
Ottobrunn wurde an die Opfer des Nationalsozialismus in Ottobrunn erinnert. Wie in Eurasburg durften sich auch in Ottobrunn die AntifaschistInnen dem Wohnhaus des Kriegsverbrechers Josef Scheungraber nicht nähern, durch ständige Durchsagen und Flugblattverteilungen konnten aber sehr viele Menschen in dessen direkter Nachbarschaft erreicht werden. Einige wenige Bürger aus Ottobrunn schlossen sich der Demo an und erzählten am Mikrofon auch von Erlebnissen mit dem Kriegsverbrecher Scheungraber, z. B. von dessen Weigerung, beim Feuerwehrausflug nach Italien mitzukommen. Die Demonstration war darüberhinaus als eine antifaschistische Intervention gegen die zunehmenden Neonazi-Umtriebe in Neubiberg und Ottobrunn gedacht.

Wie wichtig ein solches Engagement ist, zeigte auf erschreckende Weise der Beginn der Antifa-Kundgebung, als ca. 20 aus ganz Bayern angereiste Neonazis (darunter auch bekannte NPD-Funktionäre und „Bürgerinitiative Ausländerstop“-Aktivisten) mit Parolen wie „Deutscher Sozialismus bis zum Sieg“ zu provozieren versuchten. Münchner Staatsschutzbeamte konnten sich auch dieses Mal Schikanen gegen die AntifaschistInnen nicht verkneifen und ließen nach der Abschlusskundgebung einen Teilnehmer kurzzeitig in Gewahrsam nehmen und nahmen von anderen noch die Personalien auf. Alle TeilnehmerInnen aus dem Raum München warteten jedoch solidarisch aufeinander und fuhren gemeinsam zurück.

Grafenwiesen

Aktionstag_Kriegsverbrecher_GrafenwiesenIm Rahmen des überregionalen Aktionstags „Opfer entschädigen – NS-Kriegsverbrecher zur Verantwortung ziehen“ fanden in Grafenwiesen nahe Cham (Oberpfalz/Bayern) am 01.12.2007 eine Flugblattaktion sowie eine Kundgebung statt.

Ziel des Aktionstages war es den noch lebenden NS-Kriegsverbrechern die Anonymität zu nehmen, und auf die Problematik des rechtlichen und gesellschaftlichen Umgangs mit NS-Kriegsverbrechern in Deutschland sowie der Nichtentschädigungspraxis gegenüber den Opfern zu thematisieren.

In dem beschaulich im bayrischen Wald gelegenen 1600-EinwohnerInnen-Dörfchen Grafenwiesen wohnt der in Italien rechtskräftig verurteilte NS-Kriegsverbrecher Josef Baumann.

Der 82jährige Baumann war als Angehöriger der 16. SS-Division, welcher er 1942 freiwillig beitrat an einem Massaker an weit über 700 Zivilistinnen und Zivilisten in der italienischen Bergregion Marzabotto beteiligt.

In der nahe der Stadt Bologna gelegenen Gemeinde wurden in der Zeit zwischen dem 29.09.1944 und 05.10.1944 vor allem alte Männer, Frauen und Kinder durch die Deutschen getötet. Die Häuser der Bewohnerinnen und Bewohner wurden niedergebrannt, die Menschen zusammengetrieben und schließlich durch Angehörige der 16. SS-Division sowie hinzugezogene Wehrmachtsangehörige erschossen.

An diesen Kriegsverbrechen war Josef Baumann als kommandierender Unteroffizier beteiligt. Er sowie neun weitere SS-Angehörige wurden im Januar 2007 vom Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haftstrafe sowie beträchtlichen Entschädigungszahlungen verurteilt.

Die Urteile gegen deutsche Kriegsverbrecher im Ausland bleiben, wie auch in diesem Fall für die Täter in der Regel folgenlos, da Deutschland eigene Staatsangehörige nicht an andere Staaten ausliefert. Von der deutschen Justiz hatten und haben die Täter selten etwas zu befürchten. So leben sie als „ganz normale Männer“ im ganzen Bundesgebiet ohne sich für ihre Taten verantworten zu müssen. Sie bleiben völlig unbehelligt, beziehen Renten und leben ein alltägliches Leben.

Ihre Beteiligung an Kriegsverbrechen haben sie stets verschwiegen. Wurde in Einzelfällen die Tatbeteiligung bekannt, so wuchs im post-nationalsozialistischen Deutschland schnell Gras über die Sache.

Diese Ruhe wollten ca. 20 AntifaschistInnen vergangenen Samstag aufbrechen. Sie verteilten an annähernd alle Haushalte im Grafenwiesen über 500 Flugblätter und führten eine Spontankundgebung vor dem Hause Josef Baumanns durch. Weiter hinterließen sie einen Reisekatalog sowie einen symbolischen „Gutschein“ für eine Reise nach Italien…

Duisburg

In Duisburg-Rheinhausen wohnt Heinz Fritz Träger in einer Wohnung der
Krupp-Siedlung. Weil diese riesig ist, haben wir dort Flugblätter in die
Briefkästen und an die – wenigen – StraßenpassantInnen verteilt. Danach wurde vor dem Haus, in dem Träger wohnt, eine kurze spontane Kundgebung
durchgeführt. Wir haben „Bella Ciao“ gesungen und in einer kurzen Ansprache über das Urteil gegen Träger und unsere Forderungen informiert.

Für das Radio „Neue Welle Essen“ wurden Interviews gemacht. Einige Nachbarn konnten angesprochen werden; sie gaben an, nichts von dem Urteil und der SS-Vergangenheit Trägers zu wissen.

Wir konnten nur mit wenigen PassantInnen direkt sprechen, da nur wenige
Menschen auf der Straße und den Wegen der Siedlung unterwegs waren, gehen aber davon aus, dass unsere Flugblätter in dieser traditionellen Werkssiedlung, in der jeder jeden kennt, eine Welle von Gesprächen auslösen werden. Insofern werten wir die Aktion als guter Anfang.

Freiberg

„Die Mörder sind unter uns!“ Mehr als 40 junge AntifaschistInnen fanden sich in Freiberg zusammen, um in unmittelbarer Nähe zum Markt einen Infostand durchzuführen. Es handelte sich um eine Aktion im Rahmen des bundesweiten Aktionstags „Die Mörder sind unter uns!“, der sich mit den Massakern an der italienischen Zivilbevölkerung beschäftigt.

Obwohl mehrere Täter vom Gericht in La Spezia verurteilt sind, werden sie in Deutschland nicht zur Rechenschaft gezogen. Neben Aktionen in Berlin, Nürnberg, Hamburg, Bremen oder Österreich gab es auch jene beiden in Sachsen.

Bekannt ist der ehemalige SS-Mann Concina, der im Freiberger Altenheim lebt und für das Verbrechen in der toskanischen Gemeinde Sant Anna di Stazzema verurteilt ist. In Freiberg wurden rund 500 Flyer verteilt und auf Tafeln ZeitzeugInnenberichte bzw. Prozessbeobachtungen ausgestellt. Daneben gab es die Theateraktion „Der nette Opa von nebenan“. Ein als Greis verkleideter Mann schlenderte durch die Stadt – seine Hände rot von Blut. Hinter ihm laufen drei Personen mit weiß geschminkten Gesichtern, die T-Shirts tragen, auf denen 5 von über 10.000 Opfernamen zu lesen sind. Die Aktion sorgt auf dem Weihnachtsmarkt für Aufsehen. Nach 2 Stunden wird der Infostand abgebaut und die AntifaschistInnen fahren weiter nach Wurzen.

Wurzen

In Wurzen lebt ein anderer Verurteilter. Kurt Spieler, ehemaliger Angehöriger des 36. Regiments der 16. Panzergrenadierdivision, wurde vom Gericht in La Spezia wegen den Morden in der Apeninn-Gemeinde Marzabotto für schuldig erklärt. Dort töteten deutsche Soldaten etwa 770 Menschen. Nur für Spieler und einen weiteren Soldaten war bisher eine Anklage auf der Grundlage einer direkten Tötung möglich. Auf dem ansonsten leeren Marktplatz fanden sich mehr als 50 Menschen ein, um die Veranstaltung zu begleiten. Neben Redebeiträgen gab es auch Tafeln mit den Namen der Opfer von Marzabotto. Auch die Theateraktion wurde in Wurzen wiederholt. Ein erster Versuch, das Verbrechen zu thematisieren, das bisher in der Region nicht präsent war.

Vor allem junge Nazis fühlten sich in beiden Städten provoziert. Während in Freiberg ein Mitglied der NPD versuchte, seine Kameraden per Telefon zu verständigen, verteilten die Wurzener Nazis Flugblätter. Unter der Überschrift „Ruhm und Ehre dem deutschen Soldaten“ zeigten sie deutlich ihre Sympathie für SS und Massenmörder. Die an Autos angebrachten Flyer wurden allerdings eingesammelt und entsorgt…

Alles in allem ein erfolgreicher Tag, an dem Hunderte von Informationsmaterialien verteilt wurden. Darin fordern wir die sofortige Eröffnung der Prozesse gegen alle an den Massakern beteiligten Kriegsverbrecher.

(AK „Die Mörder sind unter uns!“)

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