19. November 2007

Detlef_Baade
Ausstand bei der Bahn im Hamburger Hafen deutlich zu spüren. Docker solidarisch. Ein Gespräch mit Detlef Baade

Detlef Baade ist Betriebsrat bei Eurogate Hamburg und ver.di-Schwerbehindertenvertreter

In der vergangenen Woche hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für mehrere Tage den Güterverkehr lahmgelegt. Wie hat sich das im Hamburger Hafen ausgewirkt?

Der Hamburger Hafen wird jeden Tag von etwa 35 Hochseeschiffen angelaufen. Rund 6000 Container werden täglich per Bahn umgeschlagen. Das sind fast 30 Prozent der Gesamtmenge. Insofern war der Streik deutlich zu spüren, denn von täglich 200 Güterzügen ist fast die Hälfte ausgefallen. Schwierigkeiten gab es vor allem bei den Exportcontainern, also bei jenen, die auf die Schiffe verladen werden. Da etliche Container zu spät geliefert wurden, blieben sie stehen. Doch unsere Terminals werden inzwischen von etwa 50, meist privaten Eisenbahnunternehmen angefahren. Und mit Hilfe dieser Privaten, die einen Marktanteil von etwa 50 Prozent haben, gelang es den Unternehmen, Gassen zu schlagen. Würde die GDL zu längeren Streikaktionen aufrufen – also zu solchen, die über drei Tage hinausgehen – dann wäre so etwas kaum noch möglich, und nicht nur der Hafen, sondern auch die Zulieferbetriebe kämen in arge Bedrängnis.

Wie haben die Hafenarbeiter den Streik erlebt? Gab es Verständnis und Solidarität?

Die große Mehrzahl unserer Kollegen hat großes Verständnis für diesen Streik. Da gab es viele und meist spontane Äußerungen der Solidarität. Auch unter den ver.di-Vertrauensleuten spüren immer mehr Kollegen, daß wir als Gewerkschaft mit diesem Streik der Lokomotivführer solidarisch sein müssen. Durch Aktionen, aber auch in der Aufklärung der Öffentlichkeit. In unserem Betrieb haben wir das auf einer Vollversammlung der Vertrauensleute bereits diskutiert.

Die ver.di-Spitze argumentiert aber doch, daß dieser Streik nur der Versuch sei, Einzelinteressen auf Kosten anderer durchzusetzen.

Es wäre natürlich viel besser, wenn sich auch die Kollegen der Gewerkschaft Transnet diesem Arbeitskampf anschließen würden. Das gäbe der Sache viel mehr Kraft. Angesichts des Reallohnverlustes, den die Triebwagenfahrer und das übrige Fahrpersonal in den vergangenen Jahren hinnehmen mußten, und angesichts des unverschämt niedrigen Lohnniveaus ist dieser Arbeitskampf mehr als gerechtfertigt. Denn von Arbeit muß man leben können. Zudem verteidigen die GDL-Kollegen ja auch unser Streikrecht. Ist dieses demokratische Grundrecht erst einmal eingeschränkt, dann sieht nicht nur die GDL ziemlich alt aus, sondern wir alle.

Sehen Sie nicht die Gefahr einer dauerhaften Spaltung der Gewerkschaften, wenn für immer mehr Berufsgruppen Sondertarifverträge ausgehandelt werden?

Die Tarifgemeinschaft muß auch bei der Bahn langfristig wiederhergestellt werden. Doch ich wiederhole: Dieser Arbeitskampf ist berechtigt und notwendig. Denn nicht nur die Löhne, sondern auch die Arbeitsbedingungen haben sich für die Mitarbeiter der Bahn immer weiter verschlechtert. Was hat Transnet konkret dagegen getan? Während sich die Belegschaft zwischen 1994 und 2006 fast halbierte, haben sich die Konzerngewinne der Deutschen Bahn im gleichen Zeitraum vervielfacht. Nun streikt die GDL für eine Rücknahme dieser Verschlechterungen. Und dafür soll sie platt gemacht werden, ein Exempel soll statuiert werden. Eine Niederlage der GDL würde dazu führen, Tür und Tor für einen Angriff auf alle anderen Gewerkschaften zu öffnen. Nicht wer kämpft, spaltet die Gewerkschaftsbewegung, sondern diejenigen, die immer wieder bereit sind, zurückzuweichen oder faule Kompromisse zu machen. Ich fordere alle DGB-Gewerkschaften deshalb dazu auf, Solidaritätsaktionen mit den Lokführern und dem übrigen Fahrpersonal zu organisieren.

Eine entsprechende Initiative ging in Hamburg vom ver.di-Fachbereich 8 und von der Deutschen Journalistenunion (dju) aus. Die Kollegen laden für Montag abend um 18.30 Uhr zu einer Solidaritätsveranstaltung ins Gewerkschaftshaus (Besenbinderhof). Doch in der ver.di-Landesleitung war der Druck sehr stark, die Veranstaltung wieder abzusagen.

Das verstehe ich nicht, denn auch wenn die GDL nicht zum DGB gehört, so sind es doch unsere Kollegen. Die Einheit der Gewerkschaften wiederherzustellen ist keine akademische Aufgabe, sondern sie realisiert sich in den konkreten Tageskämpfen. Ich gehe deshalb davon aus, daß in der Folge dieser Veranstaltung noch viele Solidaritätsaktionen stattfinden. Diesen Willen der Basis muß auch unsere Leitung akzeptieren.

Verwendung: Junge Welt vom 19. November 2007
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