Auch in Baden-Württemberg wird am Wochenende ein Landesverband der Linken gegründet. Keine großen inhaltlichen Differenzen. Ein Gespräch mit Bernhard Strasdeit
»Der Tübinger Kreistagsabgeordnete Bernhard Strasdeit ist Sprecher des Interimsvorstandes der Partei Die Linke in Baden-Württemberg
Am Wochenende findet in Stuttgart der Gründungsparteitag für Die Linke in Baden-Württemberg statt. Gemeinsam mit Bernd Riexinger wollen auch Sie dort erneut für das Amt eines Landessprechers kandidieren. Doch auch inhaltlich sind strittige Themen bisher kaum identifizierbar. Wie erklären Sie sich diese für Die Linke fast schon ungewöhnliche Harmonie?
Von Harmonie würde ich nicht sprechen, denn es wird auf dem Parteitag eine sehr lebendige Debatte zu den konkreten Fragen der Landes- und der Kommunalpolitik geben. Grundsatzfragen haben wir in dem zweieinhalbjährigen Parteibildungsprozeß ausführlich diskutiert. Die Mitgliedschaft will diese neue Partei, denn für sie gibt es einen konkreten gesellschaftlichen Bedarf: In Aktionen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, aber auch in der Landes- und Kommunalpolitik.
Für die Kommunalwahlen 2009 setzten Sie sich das Ziel, in wichtige Stadtparlamente in Fraktionsstärke einzuziehen. Wie sind sie dafür aufgestellt?
Mit unseren fast 2200 Mitgliedern sind wir inzwischen in fast allen Kreisen unseres Landes präsent. Vor allem in den sozialen Bewegungen und in den Gewerkschaften. Doch außerdem sind wir stützpunktmäßig in einigen Städten wie Mannheim, Freiburg, Tübingen, Karlsruhe, Konstanz und Stuttgart auch in den Stadträten vertreten. Die dort schon vorhandenen Erfahrungen wollen wir landesweit nutzen. Das gilt insbesondere für die Frage, wie wir die großen politischen Themen auf die kommunale Ebene herunterbrechen. Für mich ist das eine zentrale Frage, denn zwei Drittel aller Menschen, die sich überhaupt politisch engagieren, machen das in der Kommune. Sicher: mit Kommunalpolitik läßt sich Harz IV allein nicht stoppen. Doch für die Betroffenen ist es von Bedeutung, ob es uns gelingt zum Beispiel Zuschüsse für den Besuch ihrer Kinder in der Kantine einer Ganztagsschule oder für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs herauszuholen. Im Frühjahr wollen wir diese Diskussion auf Regionalkonferenzen fortsetzen. Auch die Probleme aus einzelnen Regionen müssen wir dabei aufgreifen. Zum Beispiel die Verschleuderung von Milliarden für Stuttgart 21, also die Tieferlegung des Hauptbahnhofs. Denn gleichzeig gibt es Fahrplankürzungen in der Fläche. Auch der Ausbau von Kita-Angeboten oder die Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in reguläre Beschäftigungsverhältnisse sind dann wichtige Themen.
Gerade auf der kommunalen Ebene Baden-Württembergs gibt es zahlreiche linke Bündnisse, die zum Teil auch in den Stadtparlamenten vertreten sind. Wie suchen Sie dort die Zusammenarbeit?
Wo es solche Bündnisse gibt, wie in Freiburg, da sollten wir Kooperationen suchen. Doch in der Fläche und in den Großstädten werden wir mit offenen Parteilisten antreten. Dafür wollen wird dann auch Nichtmitglieder aus Initiativen, Betrieben und Gewerkschaften gewinnen. Für uns ist diese Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen sehr wichtig. Denn sonst können wir in den Stadträten kaum etwas durchsetzen. Mit der Friedensbewegung diskutieren wir außerdem die Frage, was Bundeswehr-Feldwebel oder Offiziere in Jobcentern der Kreise zu suchen haben, wo sie leider häufig als Arbeitsvermittler eingesetzt werden.
Strittig scheint für den Parteitag die neue Landessatzung. Denn nach dem Entwurf dürften parlamentarische Mandatsträger und ihre Mitarbeiter künftig nur noch sehr eingeschränkt auch Delegiertenmandate oder Vorstandsfunktionen übernehmen.
Das ist eine kontrovers diskutierte Frage. Doch wird sie unseren Parteitag weder dominieren noch sprengen. In dem Ziel, daß wir eine starke Mitgliederpartei benötigen, sind wir uns alle einig. Nicht einig sind wir uns darin, wie das am besten zu erreichen ist. Ich selber vertrete die Position, daß die Einbeziehung der Abgeordneten für die Starkung der Parteibasis nützlich ist. Die Erfahrung der Grünen hat doch gezeigt, daß eine so starke Trennung von Amt und Mandat nicht dazu führt, daß die Parteiorganisationen dann mehr zu sagen haben als die Fraktionen. Ohne ein Parteiamt innezuhaben, war Joseph Fischer in der Grünen Partei jahrelang der mächtigste Strippenzieher.
[Dieses Interview ist Teil einer gemeinsamen Schwerpunktseite mit meiner jW-Kollegin Wera Richter. Lesen Sie deshalb auch ihren Beitrag zum Landesparteitag der Linken in NRW. Die gesamte Schwerpunktseite können Sie sich hier als PDF-Datei herunterladen. Dort finden Sie einen weiteren Text zur Vorbereitung der NRW-Kommunalwahlen 2009.]
Verwendung: Junge Welt vom 20. Oktober 2007