20. Oktober 2007

Ablösung der CDU/FDP-Landesregierung, parlamentarische Kraft, Teil der Bewegung – und wenn ja, in welcher Reihenfolge? In Gladbeck gründet sich Die Linke NRW

Aufbruchstimmung in NRW. Am Wochenende gründet sich – wie auch in Baden-Württemberg (siehe Interview) – Wolfgang Zimmermannin Gladbeck der nordrhein-westfälische Landesverband der Partei Die Linke. 310 Delegierte werden dort in Vertretung von über 5200 Mitgliedern »landespolitische Positionen« verabschieden und einen Vorstand wählen. Wolfgang Zimmermann ist am Vortag der zweitägigen Marathon-Tagung – neben dem 20seitigen Positionspapier liegen weit über 50 Änderungs- sowie Einzelanträge und eine Satzung vor, und auch die Vorstandsplätze sind begehrt – guter Dinge. »Wir sind schon jetzt eine starke politische Kraft. Umfragen zufolge liegen wir in NRW bei sechs bis acht Prozent; seit der Gründung der Partei in Berlin hatten wir hier über 900 Eintritte«, so Zimmermann, der für die WASG Sprecher des Übergangsvorstandes war und nun neben Ulrike Detjen, ehemals PDS, als gleichberechtigter Sprecher kandidiert.

Sechs bis acht Prozent bei Wähler-umfragen für Die Linke, eine SPD auf absteigendem Ast, deren Vorsitzende Hannelore Kraft. In der Linken keine Schmuddelkinder mehr sehen will, und der Ex-Grüne Rüdiger Sagel, der mit Eintrittsgedanken spielt und als Vorhut bereits im Landtag sitzt. Hinzu kommt eine CDU-FDP-Landesregierung, die privatisiert, was ihr in die Quere kommt. Obwohl sie auf der Hand liegt: Zimmermann ist genervt von der Frage nach Ablösung der neoliberalen Landesregierung und einer möglichen Regierungsbeteiligung. »Darum geht es jetzt nicht, die Landtagswahlen sind 2010«, so der Gewerkschafter am Freitag im Gespräch mit junge Welt. Er schiebt nach: »Grundsätzlich schließen wir keine Zusammenarbeit aus. Es kommt auf die Bedingungen an.« Er sei bereit, mit allen politischen Kräften zu arbeiten, die für bestimmte Ziele, nämlich für einen grundlegenden Politikwechsel, eintreten. Damit fallen die im Landtag vertretenen Parteien offensichtlich aus. Auch die SPD. Die sei in ihrer Not verbal manchmal auf der richtigen Seite, so Zimmermann. Aber wenn man genauer hinsehe, sei die Sache klar. Zum Beispiel im Fall von Hannelore Kraft. Die äußere sich gern gegen Privatisierungen. »Aber in ihrem Wahlkreis in Mülheim hat ihre Partei Front gegen ein Bürgerbegehren für den Erhalt des öffentlichen Eigentums gemacht«. Für ihn ist das Zusammenspiel von parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit entscheidend. Vor allem die Arbeit mit den Gewerkschaften müsse ausgebaut werden, und die Ortsverbände müßten zunächst ein Gesicht bekommen.

So klar, wie für Zimmermann ist die Frage der Gewichtung von parlamentarischer zu außerparlamentarischer Arbeit in der Partei Die Linke.NRW nicht. Zwei alternativ zur Abstimmung gestellte Präambeln zu den »Positionen zur Landespolitik« wurden vor dem Parteitag zurückgezogen, der amtierende Vorstand einigte sich auf ein Kompromißpapier. In Alternative A für die Präambel sollte der Politikwechsel primär durch »Druck von unten« mit Gewerkschaften, sozialer, Friedens-, Frauen- und Antifabewegung erreicht werden. In Alternative B lag die Priorität auf einer möglichst starken Partei Die Linke – in »Kreistagen, Stadträten und Bezirksvertretungen und im nächsten Landtag mit einer schlagkräftigen Fraktion.« Das Kompromißpapier verzichtet an dieser Stelle auf die Prioritätensetzung: »Die Linke.NRW steht für einen Politikwechsel«, heißt es da. Und dann ist da noch der 10seitige Antrag »Keine Ruhe geben – Ein Politikwechsel ist möglich – Aktionsprogramm der Partei Die Linke.NRW« aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis. »Vier Parteien gegen eine – nur Die Linke will eine völlig andere Wirtschafts- und Sozialpolitik« wird darin eine klare Oppositionsrolle formuliert. Eine Mehrheit des bisherigen Landesvorstandes begreift das Papier als Gegenantrag.

200 geladene Gäste werden in der Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck erwartet. Ein Statement von Linksfraktionschef Gregor Gysi ist angekündigt sowie Grußworte des DGB-Vorsitzenden aus NRW, Guntram Schneider, und von Raja Bernhardt, Bezirksvorstand der DKP Rheinland-Westfalen. Und dann kommt noch Reinhold Kämmerer alias Rudy Cash, mit seinem »musikalischen Abschied vom Bergbau«. Spätestens dann ist alles wieder gut.

[Der oben wiedergegebene Text wurde von meiner Kollegin Wera Richter verfasst. Er wird hier veröffentlicht, weil er Teil einer gemeinsamen Schwerpunktseite in der „Jungen Welt“ zu den Landesparteitagen der Linken in NRW und Baden-Württemberg ist. Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Bernhard Strasdeit, Landessprecher der Linken in Baden-Württemberg. Die gesamte Schwerpunktseite können Sie sich hier als PDF-Datei herunterladen. Dort finden Sie einen weiteren Text zur Vorbereitung der Kommunalwahlen 2009.]

Verwendung: Junge Welt vom 20. Oktober 2007