Konzern McPflege wirbt mit 24-Stunden-Dienst zu Dumpingpreisen. Ein Gespräch mit Bernd Tews
* Bernd Tews ist Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V (bpa)
Deutlich günstiger als alle Mitkonkurrenten vermittelt das Bremer Unternehmen McPflege seit Anfang August bundesweit Pflegekräfte. Sie selbst sprechen in diesem Zusammenhang von Sklaverei. Warum?
Wer Pflegedienstleistungen für zwei Euro in der Stunde anbietet oder vermittelt, der betreibt in der Tat und aus unserer Sicht eine moderne Form der Sklaverei. Für diesen Preis kann niemand eine in der Qualität gesicherte Pflegeleistung in Deutschland erbringen. Dies geht nur dann, wenn man das eigene Personal nicht sozialversicherungspflichtig und zu extremen Niedriglöhnen beschäftigt. Zwei Euro die Stunde für Pflegekräfte, das ist in Deutschland eindeutig sittenwidrig. Das liegt weit unter allen ortsüblichen Tarif- oder Branchenlöhnen. Wir fordern deshalb, daß die gegebenen qualitäts-, steuer- und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen konsequent eingehalten werden.
McPflege gibt an, daß das Geschäftskonzept es basiert auf Vermittlungsleistungen für ausländische, häufig polnische Pflegedienstunternehmen völlig legal sei. Der Konzern beruft sich dabei auf die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union.
Pflegedienste, die den hiesigen Qualitätsanforderungen entsprechen, gibt es in Polen überhaupt nicht. Die Dienstleistungsrichtlinie schließt außerdem bestimmte Branchen wie zum Beispiel die Gebäudereinigung aus. Das bezieht sich auch auf die hauswirtschaftlichen und Reinigungstätigkeiten in Privathaushalten, für die Pflegekräfte eingesetzt werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat uns das gerade bestätigt.
Gefährlich ist das Argument der Dienstleistungsrichtlinie vor allem, weil so der Eindruck entsteht, daß Arbeitskräfte aus Osteuropa 24 Stunden am Tag arbeiten dürften. McPflege wirbt mit dem Slogan von einem 24-stündigen Dienst am Tag. Doch Arbeitszeitbegrenzungen gibt es auch im polnischen Recht. Das wöchentliche Limit liegt dort bei 48 Stunden. Darüber hinaus sehe ich das Problem der Scheinselbständigkeit. Denn wenn sowohl der Arbeitsinhalt als auch die Arbeitszeit nicht durch die polnischen oder andere ausländische Pflegedienste, sondern vor Ort in den Haushalten festgelegt werden, erfüllt dies nach deutschem Recht den Status einer Scheinselbständigkeit. Daß bei McPflege alles legal sei, erschließt sich mir also nicht.
Expertenschätzungen besagen, daß es in 4,5 Millionen Haushalten Pflegebedürftige gibt. Anerkannt von den Pflegekassen ist nur die Hälfte. Wie sollen sich diese Menschen Hilfe organisieren, wenn eine Ganztagspflege bei einem deutschen Institut zwischen 4000 und 5000 Euro kostet?
Es gibt tatsächlich zahlreiche Menschen, die zwar hilfebedürftig sind, aber aus dem Leistungsanspruch der Pflegeversicherung herausfallen. Ihnen werden dann nur Beaufsichtigungs- oder Begleitungsleistungen zugesprochen. Diese Lücke muß bei einer Reform der Pflegeversicherung dringend geschlossen werden. Davon unbenommen erübrigt sich aber nicht, daß die rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden müssen. Es gibt auch legale Möglichkeiten, wie das Betreuungspersonal beschäftigt werden kann. Die Bundesagentur für Arbeit betreibt dafür zum Beispiel eine eigene Vermittlungsstelle.
Schätzungen besagen auch, daß es rund 100000 illegal beschäftigte Haushalts- oder Pflegekräfte gibt. Sie kommen größtenteils aus Osteuropa. Kann es nicht positiv sein, wenn diese Praxis nun legalisiert und damit Qualitätskontrollen zugänglich gemacht wird?
Wenn etwas Illegales durch eine legale Praxis bekämpft werden soll und die außerdem den hiesigen Qualitätsansprüchen genügt, dann hätten wir nichts dagegen. Doch genau das zweifeln wir im Fall von McPflege an. Die bestehenden Qualitätsansprüche dürfen im Interesse der Pflegebedürftigen keineswegs in Frage gestellt werden. Es ist keinesfalls unsere Position, den deutschen Markt gegenüber ausländischen Mitkonkurrenten abzuschotten. Doch wer hier tätig werden will, der muß eben die hiesigen Standards erfüllen. Auch die des Arbeitsrechts. Ich sehe sonst auch die Gefahr, daß unsere Pflegeversicherung und die wird ja schließlich aus Sozialversicherungsbeiträgen bezahlt zunehmend ausgebeutet und damit einem Kollaps zugeführt wird.
Verwendung: Junge Welt vom 10. August 2007
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